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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 10.06.2008
Aktenzeichen: 11 U 32/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 138 Abs. 2 | |
ZPO § 287 Abs. 1 | |
ZPO § 527 Abs. 4 | |
BGB § 278 S. 1 | |
BGB § 280 Abs. 1 S. 2 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
11 U 32/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 10.06.2008
Verkündet am 10.06.2008
In dem Rechtsstreit
hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2008 durch den Richter am Oberlandesgericht Pliester als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das am 22. Dezember 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus - Az.: 3 O 12/06 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 1.017,49 € sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.000,00 € zu zahlen, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. April 2006.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 12. April 2005 im Hotel "..." zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 30 % und der Beklagte 70 %. Dies gilt nicht für die Kosten der Anordnung und Durchführung der Beweisaufnahme zweiter Instanz, die allein der Beklagte zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 26.557,41 €
Die Beschwer der Parteien unterschreitet jeweils 20.000,00 €.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt den Ersatz ihrer materiellen Schäden sowie ein Schmerzensgeld auf Grund eines Unfalls vom 4. Dezember 2005. An diesem Tage ist sie in dem vom Beklagten betriebenen Hotel zum Sturz gekommen; sie macht den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht haftbar.
Die Klägerin hat behauptet, bereits vor dem Unfalltag sei an einer der Treppenstufen ein Stück der Fliese herausgebrochen; wegen des Ausmaßes wird insoweit auf die vom Zeugen M... gezeichnete Skizze (Bl. 152 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin erlitt in Folge des Sturzes Frakturen des Schienbeinkopfes und der Kniescheibe rechts und des Sprunggelenks links. Wegen der geltend gemachten Verletzungsfolgen und des Heilungsverlaufs wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
Die Klägerin hat ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000,00 € für angemessen gehalten und darüber hinaus den Ersatz des materiellen Schadens begehrt, den sie unter teilweiser Vorlage von Quittungen (Anlagen zur Klage) mit 1.551,41 € beziffert.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.557,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. April 2006 zu zahlen;
2. den Beklagten weiter zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts stellt, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. April 2006 zu zahlen;
3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 12. April 2005 im Hotel "..." zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat bestritten, dass ein Stück aus der Stufe herausgebrochen gewesen sei (Klageerwiderung vom 15. Mai 2006; Bl. 74 d. A.). Alleinige Ursache seien die hohen Absätze der von der Klägerin getragenen Schuhe gewesen. Sollte bereits vor dem Unfall ein Stück der Treppenstufe herausgebrochen gewesen sein, so hätte die Klägerin dies bei den zureichenden Beleuchtungsverhältnissen erkennen müssen. Sollte das Stück erst anlässlich des Betretens der Treppenstufe herausgebrochen sein, so sei dies für ihn, den Beklagten, vorher nicht zu erkennen gewesen. Unfallfolgen und materiellen Schaden hat der Beklagte mit Nichtwissen bestritten.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Ehemanns der Klägerin als Zeuge. Sodann hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Es sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht auszuschließen, dass der Belag der Treppenstufe erst anlässlich des Auftretens durch die Klägerin herausgebrochen sei. Der diesbezüglichen Rechtsansicht des Beklagten, dass in diesem Falle eine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt worden sei, hat sich das Landgericht im Ergebnis angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung, die der Klägerin am 9. Januar 2007 zugestellt worden ist, wird auf die bei den Akten befindliche Leseabschrift (Bl. 204 ff.) Bezug genommen. Die Klägerin hat gegen das Urteil am 9. Januar 2007 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel - nach mehrfacher Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, zuletzt bis zum 10. Mai 2007 - mit Schriftsatz, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht, eingegangen an diesem Tage, wie folgt begründet:
Das Landgericht habe die Beweislast nicht zutreffend gesehen. Stehe nämlich ein objektiv verkehrswidriger Zustand der Treppenstufe fest, müsse der Beklagte beweisen, dass er seinerseits alles getan habe, um die Gefahr auszuschließen. Im Übrigen sei der Beklagte auch dann haftbar, wenn die Fliese erst beim Betreten durch die Klägerin geborsten sei, weil in diesem Falle eine verkehrsordnungswidrige Vorschädigung vorgelegen habe.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.557,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. April 2006 zu zahlen;
2. den Beklagten weiter zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts stellt, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. April 2006 zu zahlen;
3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 12. April 2005 im Hotel "..." zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Der Senat hat eine Beweisanordnung getroffen und den Rechtsstreit insoweit dem Berichterstatter als vorbereitendem Einzelrichter übertragen. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den vorbereitenden Einzelrichter auch im Übrigen einverstanden erklärt. Der Einzelrichter hat Beweis erhoben; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 13. Februar und 23. Mai 2008 (Bl. 351 ff. und Bl. 372 ff. d. A.) verwiesen.
II.
Der Einzelrichter macht im Einverständnis der Parteien von seiner nach § 527 Abs. 4 ZPO bestehenden Befugnis Gebrauch, den Rechtsfall abschließend zu entscheiden, dies auch deshalb, weil auf diese Weise der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme am ehesten gewahrt wird.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). In der Sache hat das Rechtsmittel überwiegend Erfolg.
1.
Der Beklagte ist gegenüber der Klägerin vertraglich (§§ 241 Abs. 2 in Verbindung mit 280 Abs. 1 S. 1 BGB) zum Schadensersatz verpflichtet. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Beklagte eine vertragliche Sorgfaltspflicht objektiv dadurch verletzt hat, dass die Treppenstufe, bevor die Klägerin zu Fall gekommen war, zum Teil ausgebrochen war.
a. Seit dem Ortstermin vom 13. Februar 2008 steht fest, dass jedenfalls unmittelbar nach dem Unfall eine Stufe der Treppe einen Schaden dergestalt aufwies, dass ein dreieckiges Stück mit einer Kantenlänge von etwa 5 - 7 cm herausgebrochen war. Dies hat schon die an Stelle des Beklagten im Termin erschienene Mitarbeiterin B... bekundet, die auch etwas von einer durchgeführten Reparatur wusste; seitdem ist - im Gegensatz zu den Behauptungen des Beklagten in erster Instanz - davon auszugehen, dass nach dem Unfall der genannte verkehrsordnungswidrige Zustand vorlag. Zudem ist dies von dem Zeugen M... ebenso bestätigt worden wie von der Zeugin E..., die die Größe des herausgebrochenen Stücks anhand der vom Zeugen M... gefertigten Skizze hat bestätigen können.
b. Das Gericht erachtet es als ausgeschlossen, dass der terracottaartige Stufenbelag erst herausgebrochen ist, als die Klägerin ihren Fuß auf die Stufe setzte. Weder jemand von Seiten des Beklagten noch die Klägerin und ihr als Zeuge vernommener Ehemann haben Bekundungen gemacht, die diese Annahme, die das Landgericht als Möglichkeit in Betracht gezogen hat, stützen könnten. Klägerin und Ehemann haben an Ort und Stelle auch auf eindrückliches Befragen bekundet, keine entsprechende Scherbe bemerkt zu haben. Auch die Mitarbeiter der Beklagten haben eine solche Scherbe nicht bemerkt. Geht man zu Gunsten des Beklagten davon aus, dass er seinen Betrieb so strukturiert hat, dass auch Unfälle im Bereich seines Hotels sachgerecht abgewickelt werden, hätte das Herumliegen der Scherbe unter normalen Umständen am Schadenstag oder kurze Zeit später festgestellt werden müssen. Solches hat aber weder die Zeugin S... noch die Zeugin E... bekundet.
Das Gericht schenkt den Aussagen der vernommenen Zeugen M... und E... auch uneingeschränkt Glauben, da sie im Kern - Wahrnehmung der Fehlstelle an der Stufe - übereinstimmen. Die letztlich nicht aufklärbaren Widersprüche in Bezug auf die Anwesenheit der Zeugin im Marstall noch am Unfalltage und anlässlich der Ausfüllung der Schadensanzeige betreffen Nebenpunkte ohne unmittelbare Relevanz für die Entscheidung.
In diesem Zusammenhang kann bei der Würdigung des Sachverhalts nicht außer Acht gelassen werden, dass das diesbezügliche Vorbringen des Beklagten, gemessen an den Anforderungen des § 138 Abs. 2 ZPO, nicht befriedigt. Träfe es nämlich zu, dass der Stufenbelag erst anlässlich des Unfalls der Klägerin herausgebrochen ist, hätte es nahe gelegen, dies schon in erster Instanz vorzutragen. Es wäre dem Beklagten ein Leichtes gewesen, sich schon vor dem Landgericht zur Frage der Vormittagskontrolle, die die Zeugin S... durchgeführt haben will, als auch zu der Frage zu äußern, dass und wann die Reparatur der Stufe in Auftrag gegeben worden ist. Das Vorbringen der Beklagten, es werde "ausdrücklich bestritten (...), dass ein Stück Stufe heraus gebrochen ist und dies bei dem Sturz der Klägerin ursächlich gewesen ist" (Klageerwiderung S. 4; Bl. 77 d. A.) suggeriert - unter Verstoß gegen die Wahrheitspflicht -, dass dieses Stück des Belags überhaupt nicht, weder vor noch anlässlich des Unfalls, herausgebrochen ist. Noch deutlicher wird dies in dem Schriftsatz vom 22. September 2006, in dem die Behauptung der Klägerin, die Fliese sei repariert worden, ausdrücklich als falsch bezeichnet worden ist. Dieses Vorbringen hat der Beklagte zwar im Laufe des Verfahrens richtig gestellt; im Rahmen der Beweiswürdigung ist dieses Prozessverhalten aber - am Rande - zu Lasten des Beklagten mit verwertbar.
c. Dass das Fehlen des dreieckigen Stücks der Fliese im Bereich der Kante der betroffenen Treppenstufe einen verkehrsordnungswidrigen Zustand darstellt, ist nicht ernstlich zweifelhaft. Gerade bei einem Aufenthalt in einem landschaftlich schön gelegenen Hotel, in dem auf das Wohlbehagen der Gäste besonderen Wert gelegt wird, rechnet niemand ernstlich mit einer solchen "Falle". Dies gilt hier insbesondere deshalb, weil die Gäste, die sich im Bereich des Podestes mit Tee, Zucker und Milch bedienen, beim Herabsteigen zusätzlich darauf achten müssen, nicht zu kleckern. Besonders vorsichtig zu sein, kann von keinem Gast erwartet werden, und zwar unabhängig von der Frage, wie hell (oder romantisch-schummrig) die Stufen nun erleuchtet waren. Es ist - unter anderem - gerade der Sinn eines Aufenthalts in einer Atmosphäre des Gediegen-Gemütlichen, sich entspannt und sicher aufgehoben fühlen zu dürfen und - anders als im Alltag - besondere Obacht, Vorausschau und Vorsicht vorübergehend vergessen zu können.
d. Das Verschulden des Beklagten wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Dem Beklagten ist es nicht gelungen, den ihm demgemäß obliegenden Beweis zu führen, dass seine Mitarbeiter, deren Verschulden er sich gem. § 278 S. 1 BGB zurechnen lassen muss, den Zustand der Treppe nicht vorher hätten bemerken können. Die Aussage der Zeugin S... erachtet das Gericht insoweit nicht als ausreichend. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Zeugin bei ihrem morgendlichen Rundgang die fehlerhafte Stufe nicht bemerkt hat, zumal sie auch keinerlei Beobachtungen nach dem Unfall hat machen können, als das Stück - spätestens - herausgebrochen gewesen sein muss. Weitere, nahe liegende Beweisangebote hat der Beklagte nicht gemacht; insbesondere ist die Benennung der Mitarbeiterin T... unterblieben, die nach der Aussage der Zeuginnen S... und E... am wahrscheinlichsten diesbezügliche Angaben hätte machen können, weil sie unmittelbar nach dem Unfall im Marstall gewesen sein soll.
e. Das der Unfall durch den schuldhaft verkehrsordnungswidrigen Zustand der Treppe verursacht worden ist, steht auf Grund des Beweises des ersten Anscheins fest. Kommt jemand in einem Bereich, der nicht den Anforderungen des Verkehrs an ein sicheres Gehen gerecht wird, zu Fall, so ist davon auszugehen, dass der verkehrsordnungswidrige Zustand für den Fall kausal ist. Der Beklagte kann diesen Anscheinsbeweis nicht dadurch erschüttern, dass er auf die Absätze der Schuhe verweist, die die Klägerin am Unfalltage getragen hat. Es ist insbesondere nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Klägerin - etwa wegen einer altersbedingten Unbeholfenheit - schon allein mit dem Tragen von maßvoll hohen Absätzen ein gewisses Risiko eingegangen wäre.
Dem Umstand, dass die Stufen ersichtlich einen rauen, mediterran-rustikalen Belag hatten, kommt in diesem Zusammenhang nicht die Bedeutung zu, die ihr der Beklagte beimessen möchte. Man muss auch bei solchen Stufen mit einer rauen und leicht unebenen Oberfläche nicht damit rechnen, dass ein verhältnismäßig dickes Stück fehlt.
f. Ein anspruchsminderndes Mitverschulden muss die Klägerin sich nicht anrechnen lassen. Wie ausgeführt, ist der Unfall nicht darauf zurückzuführen, dass die Klägerin unsichere Schuhe getragen hätte. Der Umstand, dass der Klägerin das herausgebrochene Stück des Treppenbelags nicht schon beim Besteigen des Podestes bemerkt hat, stellt keinen Sorgfaltsverstoß in eigenen Angelegenheiten dar. Wenn schon die Zeugin S... als diejenige, welche für die Kontrolle der Verkehrssicherheit verantwortlich war, den Schaden nicht bemerkt hat, wie hätte ihn die Klägerin bemerken sollen - und müssen?
Steht sonach die Verantwortung des Beklagten für die entstandenen Schäden aus vertraglicher Pflichtverletzung fest, kommt es nicht darauf an, ob - wie die Klägerin meint - daneben noch ein Anspruch aus Delikt bestehen könnte.
2.
Der Beklagte ist zunächst zum Ersatz des materiellen Schadens der Klägerin verpflichtet.
Dass die von der Klägerin angegebenen Kleidungsstücke sowie die Stiefeletten nach dem verhältnismäßig schweren und folgenreichen Sturz unbrauchbar geworden sind, liegt nahe und entspricht dem üblicherweise zu erwartenden Verlauf. Die Anschaffungskosten liegen im Rahmen des Üblichen; die von der Klägerin angegebenen Anschaffungspreise liegen im unteren Bereich, wenn man bedenkt, dass sich die Klägerin wohl für den Anlass (Nachfeier ihres Geburtstages) angemessen hat kleiden wollen. Eine weitere Beweisaufnahme ist entbehrlich, weil die Voraussetzungen des § 287 Abs. 1 ZPO vorliegen. Da der Wert der Kleidung - auch aus subjektiver Sicht eines Geschädigten - rasch abnimmt, bemisst das Gericht die altersbedingte Wertminderung pauschal mit 1/3. Für die Kleidungspositionen sind daher 2/3 von 583,00 € = 388,67 € anzusetzen.
Die gesetzlichen Zuzahlungen zu den ärztlich verordneten Medikamenten und Hilfsmitteln sind durch die Anlagen K10 bis K 15 hinreichend belegt (46,74 €). Im Rahmen des zivilrechtlichen Schadensersatzes sind die für die Heilpraktikerin angefallenen Kosten (357,21 €) ebenfalls ersatzfähig. Die Tätigkeit des Heilpraktikers ist gesetzlich anerkannt; die Klägerin durfte bei der Schwere der erlittenen Verletzungen neben dem Schulmediziner auch dessen Hilfe in Anspruch nehmen. Gleiches gilt für die von der Heilpraktikerin verschriebenen Arzneimittel (Anl. K 20, 21; 70,13 €). Die Beklagte kann sich insoweit nicht darauf zurückziehen, dass die Klägerin medizinisch nicht erforderliche Maßnahmen ergriffen hätte. Es ist ausreichend, dass die Klägerin als medizinischer Laie jedenfalls davon ausgehen durfte, dass die Behandlung durch eine Heilpraktikerin und die Medikation u. a. mit homöopathischen Medikamenten zu ihrer Genesung beitragen konnte. Gleiches gilt schließlich für die Rechnung der Kurärztin Dr. R... (154,74 €). Soweit die Klägerin darüber hinaus Rechnungen für Medikamente einreicht, die nicht auf einer Verschreibung durch Arzt oder Heilpraktiker beruhen, ist die Erforderlichkeit nicht hinreichend belegt, sodass die Klage insoweit der Abweisung unterliegt (Anl. K18, 19, 22, 23, 25).
3.
Durch die Vorlage der ärztlichen Berichte ist belegt, dass die Klägerin sich nach der Erstbehandlung im ...-Klinikum am 15. April 2005 einer Operation im ...-Krankenhaus in B... unterziehen musste. Eine weitere Operation war am 26. April 2050 erforderlich. Die Erlangung der Wiederbeweglichkeit war erheblich verzögert, weil beide Beine verletzt waren. Am 26. Mai 2005 mussten die Platten entfernt werden. Die Klägerin wurde vom 4. Juli 2005 bis zum 1. August 2005 in einem Rehabilitationskrankenhaus weiter behandelt. Für weitere sechs Wochen waren Unterarmstützen erforderlich. Der längerwierige Heilungsverlauf und die Erheblichkeit der Beschwerden rechtfertigen ein Schmerzensgeld in erheblicher Höhe; dies gilt auch mit Rücksicht darauf, dass die Klärung der Haftungsfrage seit dem Unfall nunmehr, ohne dass die Klägerin ein Verschulden trifft, über drei Jahre in Anspruch genommen hat. Auf der anderen Seite trifft den Beklagten nur ein Fahrlässigkeitsvorwurf. Insgesamt scheint dem Gericht, welches die bekannten Schmerzensgeldtabellen nur als informatives Vergleichsmaterial ohne Bindungswert ansieht, ein Schmerzensgeld von 13.000,00 € als angemessen, den erlittenen Verlust an Lebensfreude auszugleichen. Hiervon umfasst sind sämtliche Beschwerden und Beeinträchtigungen, die die Klägerin vom Unfalltage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht erlitten hat und - einen normalen Verlauf unterstellt - mit denen sie weiterhin rechnen muss.
4.
Da nach erheblichen knöchernen Verletzungen bislang nicht vorhersehbaren Spätfolgen auftreten können, hat die Klägerin auch ein Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist nach dem Ausgeführten begründet.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten der Beweisaufnahme sind indes gemäß § 96 ZPO allein dem Beklagten aufzuerlegen. Der Beklagte hat diese Kosten durch sein Bestreiten der Unfallverursachung allein verursacht, sodass eine Kostenbeteiligung der Klägerin insoweit unbillig erschiene. Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Anordnung einer Abwendungsbefugnis hat nach § 713 ZPO zu unterbleiben. Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen; dann das Urteil beruht nicht auf der Entscheidung von höchstrichterlich klärungsbedürftigen Rechtsfragen, sondern auf einer Beweiswürdigung im Einzelfall.
Im Hinblick auf den Streitwert folgt das Gericht dem zutreffenden Ansatz des Landgerichts.
Ende der Entscheidung
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