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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: 11 U 46/06
Rechtsgebiete: VOB/B, ZPO


Vorschriften:

VOB/B § 18 Nr. 1
ZPO § 38 Abs. 1
ZPO § 38 Abs. 2
ZPO § 513 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 46/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 19.12.2006

Verkündet am 19.12.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Hütter und die Richterin am Landgericht Fischer-Dankworth

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 1. gegen das am 2. März 2006 verkündete Zwischenurteil des Landgerichts Neuruppin - 2 O 552/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu 1. zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte zu 1. darf die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Klage Rückzahlung überzahlten Werklohns und Kostenvorschuss für Mängelbeseitigung. Vorerst streiten die Parteien jedoch um die Zulässigkeit der erhobenen Klage sowie um die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Neuruppin.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Zwischenurteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat im Zwischenurteil die Klage für zulässig und sich für international, örtlich und sachlich zuständig erklärt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Insbesondere stehe einer Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg nicht das Abkommen zwischen der Klägerin und der Republik Polen über den Autobahnzusammenschluss im Raum Frankfurt (Oder) und Schwetig (nachfolgend Abkommen genannt) entgegen. So sei weder dem Wortlaut noch dem Zweck des Abkommens zu entnehmen, dass für sämtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Bau der Autobahnbrücke allein die gemäß Artikel 10 des Abkommens gebildete Gemischte Kommission zuständig sei. Das Gericht hat es dabei offen gelassen, ob die von der Klägerin verfolgten Ansprüche in den Zuständigkeitsbereich der Gemischten Kommission gehören. Jedenfalls sei dem Abkommen nicht zu entnehmen, dass die Anrufung eines Gerichtes generell ausgeschlossen sei.

Des Weiteren sei das Landgericht Neuruppin international zuständig. So beurteile sich die Frage der internationalen Zuständigkeit nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Die Verordnung sei auf alle nach ihrem In- Kraft-Treten am 1. März 2002 erhobenen Klagen anwendbar und entfalte Geltung zwischen allen Mitgliedsstaaten der EU und somit seit dem 1. Mai 2004 auch zwischen Deutschland und Polen.

Die Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich aus Artikel 5 Nr. 1 a EuGVVO, denn Gegenstand des Rechtsstreits seien Ansprüche aus dem zwischen der Klägerin und der A..., deren Mitglied die Beklagte zu 1. gewesen sei, geschlossenen Werkvertrag. Maßgeblich für die Begründung der Zuständigkeit sei danach der Erfüllungsort der werkvertraglichen Ansprüche, der am Ort des Bauwerks liege. Da sich die zu errichtende Brücke zu 60 % auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und zu 40 % auf dem Staatsgebiet der Republik Polen befinde, liege der Erfüllungsort jedenfalls auch in Deutschland.

Auch soweit die Klägerin die Beklagte zu 1. auf Rückzahlung überzahlten Werklohns in Anspruch nehme, handele es sich trotz des bereicherungsrechtlichen Charakters um vertragliche Ansprüche. So richte sich der bereicherungsrechtliche Anspruch nach dem Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarung. Vorliegend komme es allein auf die Frage an, welchen Inhalt die zwischen den Parteien vereinbarte Lohngleitklausel habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des der Beklagten zu 1. am 6. März 2006 zugestellten Zwischenurteils wird auf die bei den Akten befindliche Urschrift (Bl. 798) Bezug genommen. Mit einem am 3. April 2006 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte zu 1. Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 8. Juni 2006 mit einem am 7. Juni 2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte zu 1. macht in Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:

Die Klage sei unzulässig. Es fehle die nach dem Abkommen erforderliche Zustimmung der Gemischten Kommission für eine wirksame Klageerhebung vor den ordentlichen Gerichten.

Das Landgericht habe in rechtsfehlerhafter Art eine auf Artikel 5 Nr. 1 EuGVVO gestützte internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte angenommen. Die Beklagte, mit ihrem Geschäftssitz in Warschau, hätte gemäß Artikel 2 Abs. 1 EuGVVO in Warschau, Polen, verklagt werden müssen. Da die werkvertraglichen Verpflichtungen an zwei Erfüllungsorten in Deutschland und in Polen zu erbringen gewesen seien, fehle es an dem für die Anwendbarkeit des Artikel 5 Nr. 1 a EuGVVO erforderlichen bestimmten Erfüllungsort. In einem solchen Fall könne die Zuständigkeit nur gemäß Artikel 2 Abs. 1 EuGVVO bestimmt werden. Dies verlange der in der Verordnung verankerte Grundsatz der Rechtssicherheit und der Vermeidung einer Häufung von Gerichtsständen.

Darüber hinaus enthalte Artikel 5 Nr. 1 EuGVVO nur eine konkurrierende Zuständigkeit mit der Folge, dass die Klägerin die Klage statt am allgemeinen Wohnsitz auch am Erfüllungsort einreichen könne. Sofern sich jedoch ein Erfüllungsort nicht eindeutig bestimmen lasse, so müsse der Grundsatz des Artikels 2 EuGVVO Anwendung finden.

Letztendlich habe das Gericht in rechtsfehlerhafter Weise Artikel 5 EuGVVO trotz der zu entscheidenden bereicherungsrechtlichen Ansprüche für anwendbar erklärt.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei zwischen den Parteien auch nicht die internationale Zuständigkeit des Landgerichtes Neuruppin vereinbart worden. Zwar hätten die Ph... AG und die Klägerin die vertragliche Einbeziehung von § 18 Nr. 1 VOB/B vereinbart, diese Gerichtsstandsvereinbarung sei aber nicht auf die A... und somit auch nicht auf die Beklagte zu 1. übergegangen. So habe es zum einen im Zeitpunkt der Entstehung der A... 1993 an deren Rechtsfähigkeit gemangelt. Zum anderen sei die A... trotz ihrer zwischenzeitlichen Anerkennung als rechtsfähig (BGH NJW 2001, 1056) kein Kaufmann, so dass sie eine Gerichtsstandvereinbarung gemäß § 38 Abs. 1 ZPO nicht habe wirksam abschließen können. Im Übrigen fehle es an der nach § 38 Abs. 2 ZPO erforderlichen Form der Gerichtsstandsvereinbarung.

Es liege darüber hinaus auch keine Vereinbarung einer internationalen Zuständigkeit gemäß § 18 Nr. 1 VOB/B vor, da diese Vorschrift eine solche Zuständigkeit gerade nicht indiziere.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 2. März 2006 verkündeten Zwischenurteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin - 2 O 552/04 - die Klage gegen die Beklagte zu 1. als unzulässig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen.

Sie verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die angefochtene Entscheidung und führt ergänzend aus:

Das Abkommen enthalte weder eine Regelung, die eine Zustimmung der Kommission oder eines Vertragsstaates zur Voraussetzung einer wirksamen Klageerhebung mache noch eine Verzichtserklärung eines Vertragsstaates auf die Anrufung eigener Gerichte. Diese Auffassung vertrete im Übrigen auch die Gemischte Kommission selbst. So habe diese in ihrer Sitzung vom 21./22. September 2005 die Problematik ausführlich diskutiert. Ausweislich des Protokolls dieser Sitzung, das erstinstanzlich aufgrund des langen Abstimmungsprozesses zwischen den Vertragsstaaten (das Protokoll sei erst am 22./31.03.2006 unterzeichnet worden) nicht habe vorgelegt werden können, sei die Gemischte Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem Abkommen und dem Werkvertrag um zwei verschiedene Sachebenen handele, die strikt getrennt werden müssen. Daher hätten die Delegationen beider Vertragsstaaten - wie unstreitig - einvernehmlich festgestellt:

"Die Gemischte Kommission hat sich weder mit dem Werkvertrag oder dem Bau der Grenzbrücke noch mit dem Gerichtsverfahren, das in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt wird, zu befassen."

Aus dem Ergebnis dieser Sitzung sei weiterhin zu schließen, dass sich die Gemischte Kommission nicht als Entscheidungsgremium für werkvertragliche Streitigkeiten zuständig erachte; sie habe damit jedoch für den Fall eines notwendigen Einvernehmens ihre Zustimmung zur Klageerhebung erklärt.

Das Landgericht Neuruppin sei gemäß Artikel 5 Abs. 1 a EuGVVO international zuständig, denn das Bauvorhaben habe ausschließlichen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland. So hätten die Vergabeunterlagen und das entsprechende Angebot der Ph... AG eine polnische Beteiligung nicht vorgesehen.

Selbst, wenn jedoch von zwei Erfüllungsorten auszugehen sei, so spräche dies nicht gegen die Anwendbarkeit von Artikel 5 Nr. 1 a EuGVVO. In einem derartigen Fall gelte derjenige Erfüllungsort als zuständigkeitsbegründend, zu dem die engeren Beziehungen bestünden. Dies sei die Bundesrepublik Deutschland.

Im Übrigen sei die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zwischen den Parteien vereinbart worden.

II.

Die Berufung der Beklagten zu 1. ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1.

Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1. ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob aufgrund des Abkommens die Wirksamkeit einer Klageerhebung von der Zustimmung der Gemischten Kommission abhängig ist. Selbst, wenn man die dahingehende Ansicht der Beklagten zu 1. als zutreffend unterstellt, ist die Klage wirksam erhoben, denn die Gemischte Kommission hat in ihrer 12. Sitzung vom 21. und 22. September 2005 ihre Zustimmung konkludent erklärt.

Die Zustimmung muss, anders als die Beklagte zu 1. meint, nicht bereits vor Klageerhebung erteilt worden sein; vielmehr ist auch deren nachträgliche Genehmigung möglich. Eine andere Wertung gebietet das Abkommen nicht, denn es enthält keine ausdrückliche Regelung, die die Berechtigung zur Klageerhebung an die Einwilligung der Gemischten Kommission knüpft. So ist lediglich in Artikel 10 Abs. 5 des Abkommens bestimmt, dass die Gemischte Kommission ihre Beschlüsse im gegenseitigen Einvernehmen fasse. Einen Zeitpunkt, bis zu welchem das Einvernehmen, das dem Wortlaut nach den geringsten Grad einer Einigung darstellt, zu erzielen ist, legt das Abkommen nicht fest.

Die Gemischte Kommission hat in ihrer 12. Sitzung die diesem Rechtsstreit zugrunde liegende Klage genehmigt, indem laut Sitzungsprotokoll, Punkt I.1. (Bl. 962), vereinbart wurde, dass die Sachebene des Abkommens und die Sachebene des Werkvertrages zu trennen seien und beide Kommissionsdelegationen feststellten, dass sich die Gemischte Kommission weder mit dem Werkvertrag über den Bau der Grenzbrücke noch mit dem hier zu entscheidenden Gerichtsverfahren zu befassen habe. Die Gemischte Kommission hat damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, ihrerseits keine Bedenken gegen die Klageerhebung geltend machen und auch im Übrigen sich jeder Einflussnahme auf das Klageverfahren enthalten zu wollen. Hätte die Gemischte Kommission die Klageerhebung als abkommenswidrig angesehen oder ein von ihr für notwendig erachtetes Einverständnis mit einer gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche der Klägerin verweigern wollen, so hätte eine solche Willensbekundung im Protokoll deutlich Niederschlag finden müssen, zumal das vorliegende Klageverfahren Hauptgegenstand des Meinungsaustauschs war, mit dem die Kommission in der betreffenden Sitzung befasst war. Im Protokoll fehlt aber jeder Anhalt dafür, dass die Klageerhebung von der Kommission oder auch nur von einer der Delegationen als unzulässig oder abkommenswidrig bewertet werde. Angesichts dessen können die Protokollerklärungen der Kommission nur im Sinne eines schlüssig erklärten Einvernehmens mit dem Klageverfahren verstanden werden.

2.

Ohne Erfolg rügt die Beklagte zu 1. die vom Landgericht auf Artikel 5 Nr. 1 der EuGVVO gestützte Annahme der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte.

Trotz des entgegenstehenden Wortlauts des § 513 Abs. 2 ZPO kann die angenommene internationale Zuständigkeit im Berufungsverfahren überprüft werden, wie der Bundesgerichtshof überzeugend entschieden hat (NJW 2003, 426).

Zutreffend hat das Landgericht die Zuständigkeit deutscher Gerichte auf Artikel 5 Nr. 1 EuGVVO gestützt. Hiernach kann eine juristische Person, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates - wie hier die Beklagte zu 1. in Polen - hat, auch in einem anderen Mitgliedsstaat - hier in der Bundesrepublik Deutschland - verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Begriff der vertraglichen Ansprüche wird dabei weit ausgelegt. So fallen hierunter nicht nur Klagen auf Vertragserfüllung, sondern auch solche wegen Sachmängelhaftung und auch - wie hier - Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, soweit sie sich als Folgen aus der Rückabwicklung von Verträgen darstellen. Entscheidend für die Anwendung von Art. 5 Nr. 1 EuGVVO auf Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung ist jedoch, dass diese in einem inneren Zusammenhang mit der nicht erfüllten bzw. verletzten Primärverpflichtung aus Vertrag stehen (vgl. Geimer/Schütze, EuZVR A.1 - Art. 5 EuGVVO, Rn. 24, 66 und 68). Vorliegend besteht ein solcher innerer Zusammenhang zwischen den hier geltend gemachten Rückzahlungsansprüchen und der vertraglichen Primärverpflichtung. Insbesondere beurteilt sich der geltend gemachte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrages, so dass es im Rahmen der Begründetheitsprüfung auf die Bewertung der vertraglichen Verhältnisse ankommt.

Gemäß Artikel 5 Nr. 1 a EuGVVO kann die juristische Person vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen gewesen wäre. Hinsichtlich der Erbringung von Dienstleistungen legt Artikel 5 Nr. 1 b EuGVVO einen einheitlichen Erfüllungsort für alle sich aus diesen Verträgen ergebenden Ansprüche fest, wenn die Parteien keinen davon abweichenden Erfüllungsort bestimmt haben. Vorliegend kann es dahingestellt bleiben, ob die ursprünglichen Vertragsparteien - wie von der Klägerin in ihrer Berufungserwiderung ausgeführt - konkludent den Erfüllungsort in Deutschland vereinbart haben und sich diese Vereinbarung durch Abschluss des A...-Vertrages auch auf das Verhältnis zur Beklagten zu 1. erstreckte. Da der in diesem Fall durch Vereinbarung geschaffene Erfüllungsort nicht von dem durch Artikel 5 Nr. 1 b EuGVVO bestimmten abweichen würde, bedarf es dazu keiner Entscheidung.

Der im Gesetz verwendete Begriff "Erbringung von Dienstleistungen" ist ein europäischer Begriff, der losgelöst von den rechtlichen Kategorien eines einzelnen Landes gemeinschaftsrechtlich autonom zu interpretieren und hierbei weit auszulegen ist. In diesem Sinne sind Verträge über Dienstleistungen nicht etwa nur Dienstverträge, sondern unter anderem auch Werk -, Geschäftsbesorgungs- und ähnliche Verträge (Grobholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 5 Nr. 35 und 37). Es kommt daher entscheidend darauf an, an welchem Ort die vertraglich vereinbarten Leistungen seitens der A... erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Der so ermittelte Erfüllungsort gilt unabhängig davon, welcher Art die nunmehr streitige Verpflichtung ist: Mithin ist für die vorliegende Klage auf Rückzahlung überzahlten Werklohnes und Zahlung eines Kostenvorschusses für Mängelbeseitigung der Erfüllungsort der Ort, an dem die A... das geschuldete Bauwerk zu errichten hatte.

Die Werkleistungen - Brückenbau - waren hier auf dem Hoheitsgebiet zweier Mitgliedsstaaten, der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen, zu erbringen. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 19. Februar 2002 (NJW 2002, 1407) festgestellt, dass in einem solchen Fall ein einziger Erfüllungsort zu bestimmen ist und dies grundsätzlich der Ort ist, zu dem der Streitgegenstand die engste Verknüpfung aufweist. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 2. März 2006 (NJW 2006, 1806) aufgegriffen und ausgeführt, dass dann, wenn die Dienstleistung tatsächlich und vertragsgemäß in zwei verschiedene Mitgliedsstaaten erbracht worden ist, hinsichtlich der einheitlich fällig werdenden Gegenleistung maßgebend ist, wo der örtliche Schwerpunkt der Dienstleistung war. Nur dadurch werde das mit dem Erlass der EuGVVO verfolgte Ziel, einen einheitlichen Gerichtsstand für alle Klagen aus dem Dienstleistungsvertrag zu schaffen, erreicht. Legt man diese Erwägungen zugrunde, ist hier Deutschland als zuständigkeitsbestimmender Erfüllungsort anzusehen.

In Artikel 6 des Abkommens in Verbindung mit Punkt 3 des Protokolls aus den Gesprächen zur Vorbereitung des Staatsvertrages auf ministerieller Ebene vom 19. Februar 1993 (Bl. 230) ist festgelegt, dass sich die Brücke, deren Bau und Umbau dem Abkommen zugrunde liegt, zu 60 % auf deutschem und zu 40 % auf polnischem Gebiet befindet. Die Werkleistung war daher jedenfalls eindeutig überwiegend auf deutschem Gebiet zu erbringen, so dass der örtliche Schwerpunkt in der Bundesrepublik Deutschland lag.

3.

Die vom Landgericht festgestellte örtliche Zuständigkeit ist gemäß § 513 Abs. 2 ZPO einer Bewertung durch das Berufungsgericht entzogen (BGH NJW 1998, 1230).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Der Senat weicht nicht von höchstrichterlicher oder anderer obergerichtlicher Rechtsprechung ab. Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf der Würdigung von Einzelfallgesichtspunkten.

V.

Der Streitwert und die Beschwer der Beklagten zu 1. wird auf 1.705.152,22 € festgesetzt. Der Streitwert eines Zwischenstreites über prozesshindernde Einreden und Prozessvoraussetzungen ist gleich dem der Hauptsache, da der Rechtsstreit in vollem Umfang durch Prozessurteil erledigt werden könnte. Dies gilt auch für die Rechtsmittelinstanz (BGHZ 37, 264). Die Zahlungsklage ist in Höhe von 1.697.152,22 € zu berücksichtigen; der Antrag auf Feststellung der Kostentragungspflicht wegen erklärter Teilrücknahme in Höhe von 885.377,96 € wird mit 8.000,00 € bewertet.

VI.

Die reinen Rechtsausführungen im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten zu 1. vom 13. Dezember 2006 bieten keinen Anlass, von den vorstehenden Ausführungen abzuweichen.

Ende der Entscheidung

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