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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: 11 U 75/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 286
ZPO § 287
ZPO § 319
ZPO § 529
BGB § 254
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 826
BGB § 831
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 75/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 19.09.2006

Verkündet am 19.09.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2006 durch

den Richter am Oberlandesgericht Hütter den Richter am Oberlandesgericht Ebling und die Richterin am Landgericht Fischer-Dankworth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. April 2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Cottbus - Az.: 4 O 246/04 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und der Wert der Beschwer der Klägerin beträgt: 14.000,00 €

Gründe:

A.

Die Klägerin nimmt als so genannte erste Inkassostelle die Beklagten wegen einer aus ihrer Sicht vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Widerruf einer Lastschrift in Anspruch.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Ergänzend ist zu bemerken:

In den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils ist auf Seite 9 im 5. Absatz die Angabe "Anfang August 2002" dahingehend zu berichtigen, dass es stattdessen "Anfang August 2003" heißen muss. Soweit die Klägerin unter dem 15.09.2005 (Bl. 193) dieserhalb einen Berichtigungsantrag gemäß § 319 ZPO gestellt hat, bedurfte es der Rücksendung der Akten an das Landgericht nicht: Solange der Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz schwebt, ist auch das mit der Sache befasste Rechtsmittelgericht zur Berichtigung zuständig (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 319 Rn. 23).

Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, an die Klägerin 14.000,00 € nebst Zinsen zu zahlen, und einen Anspruch aus § 826 BGB bejaht. Die Beklagten hätten der Klägerin in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, wobei sie im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholen und vertiefen. Sie tragen noch vor:

Das Landgericht habe nicht begründet, dass sie der Klägerin einen Schaden in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich zugefügt hätten; dies sei auch nicht der Fall gewesen. W... sei ihnen nicht bekannt gewesen. Sie hätten nur über ihre "Vermittler", die bereits erstinstanzlich von ihnen als Zeugin benannte Frau K... (Tochter der Beklagten) und die Firma ... S..., Geld zu einem lukrativen Zinssatz angelegt. Die finanzielle Situation W... sei ihnen nicht bekannt gewesen.

Ihnen sei von der Fa. ... mitgeteilt worden, dass es sich um die Vorfinanzierungen von Forderungen W... handeln würde. Aus ihrer Laiensphäre heraus seien sie davon ausgegangen, dass es sich um eine Art "Factoring" handele.

Das Rechtsgeschäft sei nach der Kundeninformation der Fa. S... - nur diese hätte Ihnen zur Verfügung gestanden - darauf angelegt gewesen, dass die zwischenfinanzierten Beträge durch Leistung W... wieder zurückfließen würden. Sie hätten davon ausgehen dürfen, dass niemand einen Schaden erleiden werde. Dies ergebe sich auch aus der Kundeninformation. Selbstverständlich hätten Menschen in ihrem Alter (jetzt 82 und 83 Jahre) Sorge um die Sicherheit angelegter Gelder. Deshalb sei ihnen die Möglichkeit des Rückrufs Ihres Geldes wichtig gewesen, nicht aber um die Klägerin zu schädigen, sondern nur zur Absicherung ihrer Gelder.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des am 25.04.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Cottbus, Az.: 4 O 246/04, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

wobei sie ihren erstinstanzlichen Antrag wie folgt präzisiert:

Sie beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch mit S... L..., L... K..., R... H..., G... Sc..., S... Sch..., E... R..., D... F..., M... Schü..., G... Fe... sowie der Fa. ... S..., einen Betrag in Höhe von 14.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2003 zu zahlen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Sie ergänzt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht im Wesentlichen noch geltend:

Angesichts des Umstandes, dass die Beklagten am 17.07.2003 die Einzugsermächtigung über die Teilbeträge abgegeben hätten, falle folgendes auf: Hinsichtlich des Betrages von 6.000,00 € sei der Widerspruch bereits am 22.07.2003 erfolgt. Bis zum Widerruf des Betrages in Höhe von 8.000,00 € hätten sie aber 5 Wochen verstreichen lassen. Damit hätten sie den Lastschrifteinzug über einen längeren Zeitraum geduldet. Vermutlich hätten die betagten und wohl eher ängstlich veranlagten Beklagten erst einmal "austesten" wollen, ob die Erklärung des Widerrufs tatsächlich eine Wirkung entfalte. Sobald sie dies festgestellt hätten, hätten sie die Bereitstellung des weiteren Betrages auf 5 Wochen riskiert.

Die Unseriosität habe sich den Beklagten aufdrängen müssen. Diese hätten vorausgesehen, dass sie (Klägerin) einen Schaden in Höhe des Anlagebetrages erleiden werde. Die Fa. ... habe allen Anlegern regelmäßig die Information erteilt, W... habe die ihr zur Verfügung gestellten Beträge nicht der Absprache gemäß zurückgeführt. Daher habe die Fa. ... die Anleger veranlasst, umgehend den Widerruf zu erklären.

Aufgrund dieser Mitteilung hätten die Beklagten Kenntnis davon, dass W... die eingezahlten Beträge für sich behalten habe. Damit sei es den Beklagten sehr wohl bewusst gewesen, dass sie (Klägerin) einen Schaden erleiden werde.

Der Senat hat die Beklagten persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29.08.2006 Bezug genommen.

B.

I.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.

II.

In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg, da die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO).

Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten entgegen der Auffassung des Landgerichts kein Schadensersatzanspruch in Höhe von 14.000,00 € aus dem allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 826 BGB zu.

1.

Direkte vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien bestehen nicht: Das Lastschriftverfahren stellt ein Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dar, das im Gegensatz zur Giroüberweisung nicht vom Zahlenden, sondern vom Zahlungsempfänger in Gang gesetzt wird (vgl. Canaris BankvertragsR in Staub Großkomm. z. HGB, 4. Aufl., Rn. 528 ff.). Zahlungsempfänger ist der Gläubiger, der den "Lastschriftauftrag" seinem kontoführenden Kreditinstitut zum Einzug herein gibt. Zahlungspflichtiger ist der Schuldner, von dessen Konto der Lastschriftbetrag eingezogen werden soll. Erste Inkassostelle ist das Kreditinstitut, das als kontoführendes Institut des Gläubigers diesen zum Lastschriftverfahren zugelassen hat (Gläubigerbank). Zahlstelle ist das Kreditinstitut des Schuldners, das dessen Konto mit dem Lastschriftbetrag belastet (Schuldnerbank). Einzugsermächtigung ist die vom Schuldner seinem Gläubiger grundsätzlich schriftlich erteilte "Ermächtigung", Forderungen im Lastschriftwege einzuziehen. Rücklastschriften sind Lastschriften, die nicht eingelöst wurden bzw. denen, soweit als Einzugsermächtigungs-Lastschriften gekennzeichnet, vom Schuldner widersprochen wurde. Rückrechnungslastschriften sind Lastschriften, mit denen die Zahlstelle das Konto der ersten Inkassostelle auf Grund der im Lastschriftabkommen enthaltenen Ermächtigung bei Vorliegen von Rücklastschriften belastet (vgl. hierzu im Einzelnen van Gelder in Schimansky/Bunte/Luwowski, Bankrechts-Hdb., 2.Aufl., § 56 Rn. 17 - 24).

Das Lastschriftverfahren richtet sich nach dem "Abkommen über den Lastschriftverkehr", das zwischen den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes vereinbart wurde. Das Lastschriftabkommen (LSA v. 12.12.1995; vgl. van Gelder a.a.O., Anh. §§ 56 - 59) trifft u. a. folgende Regelungen:

Im Rahmen des Lastschriftverfahrens wird zu Gunsten des Zahlungsempfängers über sein Kreditinstitut (1. Inkassostelle) von dem Konto des Zahlungspflichtigen bei demselben oder einem anderen Kreditinstitut (Zahlstelle), der sich aus der Lastschrift ergebende Betrag eingezogen und zwar auf Grund einer Einzugsermächtigung (LSA I Nr. 1). Die 1. Inkassostelle nimmt Aufträge zum Einzug fälliger Forderungen, für deren Geltendmachung nicht die Vorlage einer Urkunde erforderlich ist, mittels Lastschrift herein (LSA I Nr.1). Bei Lastschriften, die als Einzugsermächtigungen gekennzeichnet sind, haftet die 1. Inkassostelle der Zahlstelle für jeden Schaden, der dieser durch unberechtigt eingereichte Lastschriften entsteht (LSA I Nr. 5). Lastschriften sind zahlbar, wenn sie bei der Zahlstelle eingehen (LSA I Nr. 6). Die 1. Inkassostelle ist - auch bei Verletzung dieses Abkommens und unbeschadet etwaiger Schadensersatzansprüche - verpflichtet, nicht eingelöste bzw. wegen Widerspruchs des Zahlungspflichtigen zurückgegebene Lastschriften zurückzunehmen und wieder zu vergüten; sie darf diese Lastschrift nicht erneut zum Einzug geben (LSA II Nr. 3). Lastschriften, die als Einzugsermächtigungslastschriften gekennzeichnet sind, kann die Zahlstelle auch zurückgeben und deren Wiedervergütung verlangen, wenn der Zahlungspflichtige der Belastung widerspricht. Die Zahlstelle hat unverzüglich, nachdem sie von dem Widerspruch Kenntnis erlangt hat, die Lastschrift zurückzurechnen (LSA III Nr. 1). Die Rückgabe und Rückrechnung ist ausgeschlossen, wenn der Zahlungspflichtige nicht binnen 6 Wochen nach Belastung widerspricht. Schadensersatzansprüche im Sinne der Regelung im Abschn. I Nr. 5 bleiben hiervon unberührt (LSA III Nr. 2). Dieses Abkommen begründet Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten (LSA IV Nr. 1).

Zwischen dem Zahlungsempfänger und seiner Bank (1. Inkassostelle) wird formularmäßig eine Vereinbarung über den Einzug von Forderungen durch Lastschriften getroffen (vgl. van Gelder a.a.O., §§ 56 - 59 Anh. nach deren Nr. 1 das Lastschriftverfahren nur dazu dient, fällige Forderungen, für deren Geltendmachung nicht die Vorlage einer Urkunde erforderlich ist, mittels Lastschrift einzuziehen. Nach Nr. 7 (betr. das Einzugsermächtigungsverfahren) werden nicht eingelöste Lastschriften mit der Einreichungswertstellung zurückbelastet; dies gilt auch für die Rückbelastung von Lastschriften, für die der Zahlungspflichtige nach Belastung des Einzugsbetrags auf seinem Konto Wiedergutschrift verlangt, weil er die Belastung des Einzugsbetrags nicht anerkennt (vgl. BGH, Urt. v. 15.06.2005, 2 StR 30/05 m.w.N., BGH, Urt. v. 28.05.1979, II ZR 219/77 = BGHZ 74, 309 - 316).

2.

Die Beklagten haben auch keinen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten der Klägerin abgeschlossen. Von der Interessenlage her besteht kein Anlass, die Klägerin in den Schutzbereich des zwischen den Beklagten und ihrer Hausbank geschlossenen Girovertrages einzubeziehen (vgl. BGH WM 1979, 689 = NJW 1979, 1652; OLG Hamm, Urt. vom 27.09.1983, WM 1984, 300 ff).

3.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Klägerin gegen die Beklagten keinen Anspruch gemäß § 826 BGB. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagten durch den Widerruf der Einzugsermächtigung der Klägerin in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt haben.

Zutreffend ist der Ausgangspunkt der erstinstanzlichen Entscheidung, dass in bestimmten Konstellationen der Widerruf einer Lastschrift durch den Schuldner (Zahlungspflichtigen, Erteiler der Einzugsermächtigung) seine Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB gegenüber der Bank des Gläubigers (erste Inkassostelle) begründen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier angesichts der Besonderheiten des Falles jedoch nicht vor.

a)

Von der Klägerin ist - auch wenn sie diesen Begriff verwendet - nicht vorgetragen worden, dass sich die Beklagten an einer "Lastschriftreiterei" im eigentlichen Sinne beteiligt haben. Dies ergibt sich auch nicht aus den übrigen Umständen. Bei einer Lastschriftreiterei reichen Zahlungsempfänger und - pflichtiger wechselseitig Lastschriften zum Einzug vom "gegnerischen Konto" ein, um sich über die Gutschriften kurzfristige Kredite zu verschaffen. Der Widerspruch des Zahlungspflichtigen gegen die Belastung seines Kontos ist im Verhältnis zur Gläubigerbank wegen des kollusiven Zusammenwirkens von Zahlungsempfänger und -pflichtigen sittenwidrig und führt dann zu einem Anspruch der jeweiligen Gläubigerbank aus § 826 BGB (Schimansky/Bunte/Luwowski, Bankrechts-Handbuch § 56, Rn. 39). Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, noch ist sonst ersichtlich, dass die Beklagten an der an W... ausgezahlten Summe partizipiert haben bzw. teilhaben sollten.

Vielmehr sind vorliegend aus objektiver Sicht so genannte Kreditlastschriften erteilt worden. Bei der Kreditlastschrift nimmt der Schuldner die Belastung seines Kontos durch eine Einzugsermächtigungslastschrift des Gläubigers hin und kann bei drohenden finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners den so gewährten Betrag risikolos durch Widerspruch wieder an sich ziehen (Schimansky/Bunte/Luwowski, Bankrechts-Handbuch § 56, Rn. 38).

b)

Die Beklagten haben, wie eine Würdigung der Gesamtumstände ergibt, das Lastschriftverfahren und den Widerspruch nicht vorsätzlich zu einer risikolosen Darlehensgewährung zu Gunsten W... auf Kosten der Klägerin missbraucht.

(1)

W... sind, wie sie es nach dem unstreitigem Parteivortrag auch gewollt hatte, faktisch durch die beschriebene Verfahrensweise Darlehen gewährt worden.

In der Regel trägt der Darlehensgeber das Risiko, ob der Darlehensnehmer das Darlehen zurückzahlen kann. Kann er dies nicht, trägt der Darlehensgeber den Schaden. Anders ist es im Fall der Erteilung von Kreditlastschriften. Infolge des Widerspruchs erhalten die Darlehensgeber die abgebuchten Darlehensbeträge auf ihre Girokonten wieder gutgeschrieben; sie bekommen die Darlehen also zurückbezahlt, obwohl der Darlehensnehmer zahlungsunfähig ist. Dies ist nur deshalb möglich, weil die 1. Inkassostelle nach dem oben näher beschriebenen Lastschriftverfahren verpflichtet war, den Lastschriftbetrag den Kreditinstituten der Lastschriftgeber wieder zu vergüten, auch wenn der Darlehnsnehmer die Beträge nicht zurückzahlen konnte.

Durch seinen Widerspruch wälzt der Lastschriftschuldner das ihn mit der Darlehenshingabe treffende Risiko auf die 1. Inkassostelle ab. Eine solche Vorgehensweise ist mit dem Sinn und Zweck des Lastschriftverfahrens nicht zu vereinbaren. Dieses ist zur erleichterten Abwicklung des massenhaften Zahlungsverkehrs geschaffen worden. Zu diesem Zweck sind die Kreditinstitute genötigt und bereit, mit dem Verfahren zwangsläufig verbundene Risiken auf sich zu nehmen. Es ist aber nicht Sinn des Lastschriftverfahrens, eine risikolose Darlehensgewährung des Lastschriftschuldners an den Lastschriftgläubiger zu ermöglichen. Dies aber wäre der Fall, wenn der Darlehensgeber (Lastschriftschuldner) durch Widerspruch die Darlehensgewährung jederzeit rückgängig machen könnte, sofern er sieht, dass der Rückzahlungsanspruch gefährdet ist. Auf diese Weise könnten mit Rücksicht auf die Sechswochenfrist von Abschnitt III Nr. 2 des Lastschriftabkommens Darlehen ohne jedes Risiko gewährt werden. Der Darlehensgeber müsste lediglich darauf achten, dass er den Belastungen vor Ablauf von sechs Wochen widerspricht, wenn das Darlehen nicht inzwischen zurückbezahlt worden ist.

Die erste Inkassostelle würde - ohne dass sie es wüsste - die Funktion eines Bürgen für ihren Kunden, den Darlehensnehmer, übernehmen. Dass dies nicht gewollt ist, ist offensichtlich. Deshalb missbraucht ein Darlehensgeber den Widerspruch in sittenwidriger Weise, wenn dieser dazu führt, dass sich das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Darlehensnehmers anstatt beim Darlehensgeber bei der ersten Inkassostelle verwirklicht (BGH II ZR 253/78, Urt. v. 25.06.1979, Palandt-Sprau, a.a.O., Rn. 31 m.w.N.) Denn das Lastschriftverfahren dient als Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nicht der Kreditbeschaffung.

Es bestehen auf Grund des Parteivorbringens erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass das von den Beklagten gezeichnete "Anlagemodell", so wie es sich nach den zu den Akten gereichten Unterlagen (K 6 = Bl. 29 ff d. GA), auf die Bezug genommen wird, dem Senat darstellt, im Ergebnis von seinen Initiatoren entwickelt wurde, um das Lastschriftverfahren missbräuchlich, in der vorbeschriebenen sittenwidrigen Weise in Anspruch zu nehmen. Dies führt allerdings nicht dazu, dass das Verhalten der Beklagten als vorsätzlich sittenwidrig zu beurteilen wäre.

Sittenwidrig handelt dabei nicht nur, wer die haftungsbegründenden Umstände positiv kennt, sondern auch, wer sich einer solchen Kenntnis bewusst verschließt. Hiefür genügt, dass starke Verdachtsmomente für die Umstände bestehen, der Handelnde aber eine sich bietende Möglichkeit der Aufklärung bewusst nicht wahrnimmt (BGH NJW 1994, 2289). Zum Vorsatz gehört und genügt, dass der Schädiger spätestens im Zeitpunkt des Schadenseintritts Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und gewollt oder jedenfalls, mag er ihn auch nicht wünschen, billigend in Kauf genommen hat (BGH NJW 2000, 2896, 2004, 446 und 2664, Palandt-Sprau a.a.O., Rn. 10). Diese Voraussetzungen hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin gerade nicht vorzutragen vermocht; sie ergeben sich auch nicht aus den sonstigen Umständen, die der Senat bei der Gesamtwürdigung gemäß § 286 ZPO berücksichtigt hat.

Die Beklagten haben anlässlich ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat im Wesentlichen ausgeführt, ihre Tochter, Frau K..., habe ihnen die Geldanlage empfohlen. Diese sei ausgebildete Kindergärtnerin und habe mit Geld- und Vermögensanlagen nichts zu tun.

Der Beklagte hat erklärt sich nicht weiter um diese Angelegenheit gekümmert zu haben. Seine Tochter habe ihnen sinngemäß erklärt: "Macht das mal so, das ist gut". Seine Frau habe sich dann mit den Unterlagen intensiver beschäftigt.

Die Beklagte hat die Angabe ihres Ehemannes, dass ihre Tochter die Geldanlage empfohlen habe, bestätigt und erläutert, ihrer Tochter Vertrauen geschenkt zu haben. Auf Vorhalt der Anlagen K6 (Bl. 29 ff. d. A.) hat sie geäußert, eigentlich nur sagen zu können, dass sie Geld zur Verfügung gestellt hätten. Sie hätten auch einmal etwas unterschrieben, einen Vertrag oder ähnliches, aber genau wisse sie das nicht und könne das nicht mehr sagen. Sie wisse nur, dass sie niemanden hätten betrügen wollen. Auf den Vorhalt des Senates hin, weshalb die erste Anlage über 6.000,00 € umgehend widerrufen worden sei, die zweite über 8.000,00 € erst Wochen später, haben die Beklagten ausgeführt, ihre Tochter habe sich um die Angelegenheit gekümmert. Sie hätten nur das Geld zur Verfügung gestellt, d.h. die Bank habe sich entsprechend "bedient". Ihre Tochter habe immer wieder gesagt: "Mutti du musst dich darum nicht kümmern". Ihre Tochter habe das Geld für sie (Beklagten) angelegt. Über die Zinssätze seien sie so genau nicht informiert gewesen. Jedenfalls sei Ihnen nicht so klar gewesen, welche "astronomischen" Zinssätze versprochen worden seien. Ihnen sei die gesamte "Sache" von ihrer Tochter so dargestellt worden, dass der Anlagebetrag von der Bank an andere Leute verliehen werde und von dort irgendwann zurückkomme.

Angesichts dieses Anhörungsergebnisses vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Beklagten persönlich die Klägerin vorsätzlich in sittenwidriger Weise geschädigt haben. Vielmehr ergibt sich hieraus lediglich, dass die Beklagten die Anlagen gezeichnet haben, die ihnen von ihrer Tochter, der sie naturgemäß Vertrauen schenkten, empfohlen worden waren. Dabei haben sich im Ergebnis beide Beklagte nicht um die weiteren Einzelheiten gekümmert, sondern die Abwicklung ihrer Tochter überlassen. Es kann nicht ansatzweise festgestellt werden, dass die Beklagten die Unseriosität des Anlagemodells in ihre Betrachtungen mit einbezogen und zudem eine mögliche Schädigung der ersten Inkassobank (hier der Klägerin) durch den Widerruf der Einzugsermächtigung billigend in Kauf genommen haben könnten. Soweit sie ihrer Tochter die weitere geschäftliche Abwicklung überlassen haben, kann dies angesichts der zu würdigenden Gesamtumstände, wobei auch dem fortgeschrittenen Alter der Beklagten durchaus Bedeutung zukommt, nicht dahin gewertet werden, sie hätten sich der Kenntnis der haftungsbegründenden Umstände bewusst verschlossen.

Den vorstehend wiedergegebenen Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war schon deshalb zu folgen, weil die Klägerin ihnen nicht in der gebotenen substanziierten Weise entgegen getreten ist. Da die Klägerin auch für die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB darlegungs- und beweispflichtig ist, hätte sie den Vortrag der Beklagten widerlegen müssen.

Die Ausführungen der Beklagten stellen im Übrigen schon deshalb kein unzulässiges neues Vorbringen dar, weil es sich dabei lediglich um eine nähere Erläuterung ihres schriftsätzlichen Vortrags handelt. Die persönliche Anhörung und Befragung der Beklagten war zudem im Hinblick auf die Gewährung des rechtlichen Gehörs geboten. Diese ist erstinstanzlich unterblieben.

Die Klage hat auch nicht unter dem Gesichtspunkt Erfolg, dass die Beklagten eventuell für vorsätzlich-sittenwidrige Handlungen ihrer Tochter - etwa nach Maßgabe des § 831 BGB - einzustehen haben könnten (vgl. hierzu MünchKomm/Wagner, BGB, 4. Aufl., § 826 Rn. 31). Es fehlt in diesem Zusammenhang bereits der erforderliche Vortrag der Klägerin zu der Frage, ob der Tochter ein entsprechender Vorwurf gemacht werden kann. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich auch nicht aus den sonstigen Umständen.

Die zwischen den Parteien auch kontrovers diskutierte Frage, ob die Klägerin ein Mitverschulden an der Schadensentstehung trifft, bedarf nach alledem keiner Entscheidung durch den Senat.

Allerdings spräche einiges dafür, dass die Klägerin verpflichtet war, ihre Kundin W... auf ausreichende Bonität hin zu prüfen, bevor sie W... die Beträge - wie auch in den weiteren vom Senat entschiedenen Fällen - bar abheben ließ. Dies könnte wiederum dazu führen, der Klägerin wegen nicht (ordnungsgemäß) durchführter Bonitätsprüfung ein nicht unerhebliches Mitverschulden anzulasten.

Auch soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, ein Mitverschulden im Sinne von § 254 Abs.1 BGB könne ihr bereits aus rechtlichen Gründen nicht zur Last gelegt werden, erscheint dies - ohne dass es hier noch entscheidend darauf ankäme - fraglich. Sie ist der Ansicht, selbst wenn sie den Schaden mit verursacht habe, weil sie nach den gesamten Umständen hätte bemerken müssen, dass eine im Ergebnis insolvente Kundin ihr noch nicht sicher zustehende Gelder im erheblich Umfang abgehoben habe, so falle eine allenfalls zu bejahende Fahrlässigkeit gegenüber dem vorsätzlichen Verhalten der Beklagten nicht ins Gewicht. Hiergegen könnten Bedenken bestehen. Die Schadensverteilung nach § 254 BGB unterliegt gemäß § 287 ZPO einem weiten tatrichterlichen Beurteilungsspielraum (BGH, Urt. v. 08.07.1986 - VI ZR 47/85 - = BGHZ 98, 148 ff m.w.N.). Dass fahrlässiges Verhalten des Geschädigten gegenüber vorsätzlichem Handeln grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben hat, entspricht zwar ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH a.a.O., m.w.N.). Diese Abwägungsregel ist jedoch nicht im Sinne einer Automatik zu verstehen; sie darf nicht etwa zu einem Freibrief für jeden Leichtsinn des Geschädigten führen. Vielmehr ist stets darauf abzustellen, ob es nach den Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gerechtfertigt ist, es bei der genannten Abwägungsregel zu belassen (vgl. BGH a.a.O.).

III.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs.1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Der Senat weicht nicht von höchstrichterlicher oder anderer obergerichtlicher Rechtsprechung ab. Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf der Würdigung von Einzelfallgesichtspunkten.

Ende der Entscheidung

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