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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.04.2004
Aktenzeichen: 11 U 79/03
Rechtsgebiete: VOB/B, BGB
Vorschriften:
VOB/B § 8 | |
BGB § 648 a | |
BGB § 648 a Abs. 1 | |
BGB § 648 a Abs. 2 | |
BGB § 648 a Abs. 3 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
11 U 79/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 06.04.2004
Verkündet am 06.04.2004
in dem Rechtsstreit
hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2004 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Groß und den Richter am Oberlandesgericht Hüsgen
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Juni 2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus (2 O 336/01) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Beklagten 15/16 und die Klägerin 1/16 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der jeweils zu vollstreckenden Beträge abzuwenden, sofern nicht der Prozessgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistungen können durch die schriftliche, selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines Kreditinstitutes erbracht werden, das seinen Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat hat und dort als Zoll-, Steuer- oder Prozessbürge zugelassen ist.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 25.000,00 €.
Gründe:
I.
Die Klägerin, früher unter der Firmenbezeichnung S Baumanagement GmbH werbend tätig gewesen, nimmt als Bestellerin eines Bauwerks die Beklagten auf die Rückgabe einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Anspruch. Widerklagend haben die Beklagten eine ihrer Auffassung nach noch offene Werklohnforderung geltend gemacht.
Die Parteien schlossen am 06./07.08.1998 einen Generalunternehmervertrag betreffend die schlüsselfertige, funktionsgerechte und bezugsfertige Herstellung von Gebäuden auf dem Grundstück M Str. 28 in Dresden nebst Erstellung der zugehörigen Außenanlagen. Es handelt sich um einen Pauschalpreisvertrag mit der Endsumme 2.530.000,00 DM.
In einem sogenannten Vergabeprotokoll haben die Parteien zudem vereinbart, dass die Klägerin an die Beklagten darüber hinaus zusätzliche Leistungen zu vergüten habe.
Gemäß § 15 Ziffer 1. des Vertrages hatte die Klägerin als Bestellerin den Beklagten eine so genannte "Zahlungsbürgschaft" gemäß § 648 a BGB in Höhe von 10 % des vereinbarten Pauschalpreises zu stellen. Dieser Verpflichtung ist sie nachgekommen. Der Bürgschaftsvertrag der Beklagten mit der HypoVereinsbank verhält sich über einen Höchstbetrag von 253.000,00 DM.
Mit Schreiben vom 31.10.1999 kündigte die Klägerin den Generalunternehmervertrag gemäß § 8 VOB/B unter Hinweis auf zögerliche Bauausführung.
Zuvor, mit Schreiben vom 11.10.1999, hatten die Beklagten indessen bereits ihr Einverständnis mit einer Aufhebung des Vertrages erklärt. Der Kündigung sind sie nicht entgegengetreten.
Die Klägerin hat an die Beklagten Teilzahlungen in Höhe von insgesamt 1.771.322,76 DM erbracht.
In einer ersten Schlussrechnung vom 20.11.1999 haben die Beklagten von der Klägerin die Zahlung weiterer 694.934,99 DM brutto verlangt.
Die Klägerin hat das Zahlungsverlangen mit der Begründung zurückgewiesen, die Rechnung sei nicht prüffähig.
Die Parteien haben zunächst lediglich um die Rückgabe der von der Klägerin herausverlangten Vertragserfüllungsbürgschaft gestritten. Mit ihrer im Dezember 2002 erhobenen Widerklage haben die Beklagten sodann die ihrer Auffassung nach noch offene Restforderung aus einer neuen Schlussrechnung vom 30.08.2002 geltend gemacht, nämlich 762.965,29 DM, mithin 390.097,96 €.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Vertragserfüllungsbürgschaft stehe den Beklagten nicht mehr zu und müsse nunmehr herausgegeben werden, da bislang die Erstellung einer prüffähigen Schlussrechnung nicht gelungen sei. Damit sei das Sicherungsinteresse entfallen.
Die Beklagten sind dem rechtlich entgegengetreten und haben ihrerseits unter Hinweis auf die Schlussrechnung vom 30.08.2002 ihren Standpunkt bekräftigt, eine Werklohngegenforderung in Höhe von 390.097,96 € zu besitzen.
Das Landgericht hat der Herausgabeklage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, das Sicherungsbedürfnis der Beklagten bestehe nicht mehr. Insbesondere sei es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben als verwirkt anzusehen. Denn obwohl die Beklagten nach der Vertragskündigung ihre Arbeiten bereits Ende Oktober 1999 eingestellt hätten, gebe es nunmehr - nahezu vier Jahre später - noch keine ordnungsgemäße, insbesondere prüffähige Schlussrechnung.
Im Übrigen wird wegen der die angefochtene Entscheidung tragenden Gründe auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit dem sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Soweit sie mit ihrem Rechtsmittel zunächst auch die Abweisung der Widerklage bekämpft haben, ist es mit Schriftsatz vom 22.03.2004 zurückgenommen worden.
Zur Begründung ihrer - inzwischen beschränkten - Berufung wiederholen die Beklagten ihren bereits erstinstanzlich eingenommenen Rechtsstandpunkt, ihr Sicherungsbedürfnis i.S.d. § 648 a BGB bestehe fort.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 24.06.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt ihrerseits ihre erstinstanzliche Argumentation.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
III.
In der Sache hat das Rechtsmittel der Beklagten in dem aufrecht erhaltenen Umfang Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann ein Anspruch auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft nicht bejaht werden.
Allerdings scheitert der Klageerfolg nicht, wie die Beklagten nunmehr hilfsweise geltend machen, bereits daran, dass die Klägerin zu Unrecht Herausgabe der Bürgschaft an sich selbst verlangt. Denn allein die Klägerin hat sich vertraglich verpflichtet, die Bürgschaft zu stellen. Deren Gegenstand ist die Sicherung des gegen sie gerichteten Werklohnanspruchs. Die Sicherungsabrede beruht ausschließlich auf § 15 des Generalunternehmervertrages. Ihn haben die Parteien dieses Rechtsstreits geschlossen.
Mit dem Bürgen als Vertragspartner hat der Bürgschaftsnehmer sich - gegebenenfalls im Prozess - erst dann auseinander zu setzen, wenn er den Bürgen, etwa auf erstes Anfordern, auf Zahlung in Anspruch nimmt.
Indessen hat die Klage entgegen der Auffassung des Landgerichts deshalb keinen Erfolg, weil das Sicherungsbedürfnis der Beklagten fortbesteht.
Es steht nämlich, was allein Grundlage für das Herausgabeverlangen der Klägerin sein könnte, zur Zeit nicht fest, dass die Beklagten keine offene Werklohnforderung mehr haben. Ebenso wenig ist unstreitig oder bewiesen, dass eine etwaige Forderung der Beklagten einen bestimm-ten Betrag unterhalb der Bürgschaftshöchstsumme nicht übersteigt.
Gegenstand des Sicherungsanspruchs gemäß § 648 a Abs. 1 und 2 BGB ist der Vergütungsanspruch des Unternehmers für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen, die dazu gehörenden Nebenforderungen eingeschlossen. Vorleistungen sind alle vertraglich noch geschuldeten Werkleistungen, auch auf der Grundlage von Zusatzaufgaben, ebenso bereits erbrachte, nach dem Vertrag zu vergütende, aber noch nicht bezahlte Leistungen (vgl. BGHZ 146, 24, 31). Der Unternehmer ist berechtigt, Sicherung für den gesamten Teil des Werklohns zu verlangen, der seinen Vorleistungen entspricht. Vorleistungen liegen erst dann nicht mehr vor, wenn die erbrachten Leistungen bezahlt sind. Nur diese Auslegung wird dem Gesetzeszweck gerecht, den Unternehmer vor den Risiken seiner Vorleistungspflicht zu schützen (OLG Naumburg NJW RR 2001, 1165; BGH NJW 20001, 822, 824). Die Bürgschaft ist daher erst nach vollständiger Zahlung des Werklohns zurückzugeben. (OLG Naumburg NZBAU 2001, 139).
Das Sicherungsbedürfnis der Beklagten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 648 a BGB entfiele daher nur dann, wenn bereits feststünde, dass weiterer Werklohn nicht geschuldet würde.
Davon ist jedoch gerade nicht auszugehen. Denn die Beklagten haben, woraus sie inzwischen auf Hinweis des Senats mit der Berufungsrücknahme die prozessuale Konsequenz gezogen haben, bislang nicht prüffähig abgerechnet.
Die den erstinstanzlichen Klageerfolg tragende Argumentation, die Beklagten hätten ihren Anspruch auf das Behaltendürfen der Vertragserfüllungsbürgschaft "verwirkt", weil es ihnen bislang nicht gelungen sei, eine der Prüfung zugängliche Schlussrechnung zu präsentieren, findet, soweit ersichtlich, weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur eine Stütze.
Sie entspricht auch nicht den Grundsätzen, die die Rechtsprechung für die Abrechnung eines gekündigten Werkvertrages entwickelt hat. Vertritt der Auftraggeber nach Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrages die bestrittene Auffassung, er habe mit den von ihm geleisteten Abschlagszahlungen bereits mehr gezahlt, als er nach den vertraglichen Vereinbarungen schulde, und verlangt er mit dieser Begründung Teile der geleisteten Abschlagszahlungen zurück, so ist zu unterscheiden. Der Rückzahlungsanspruch ist vertraglicher Natur. Er ist grundsätzlich auf der Grundlage der vom Auftragnehmer zu erstellenden Schlussrechnung zu ermitteln, für deren Richtigkeit dieser weiterhin die Darlegungs-, und Beweislast trägt ( OLG Karlsruhe BauR 2003, 1244). Erstellt der Auftragnehmer die von ihm geschuldete Schlussrechnung nicht oder - wie vorliegend - nur in einer nicht prüfbaren Form, so hat der Auftraggeber, der die Rückzahlung seiner Anzahlung verlangt, den behaupteten Überschuss selbst zu ermitteln. Er hat diesen durch Vorlage einer eignen Berechnung, unter zumutbarer Ausschöpfung der ihm zu Verfügung stehenden Quellen zu ermitteln. Dabei kommen ihm Darlegungserleichterungen zugute, seine Kenntnisse muss er aber, soweit zumutbar, verwerten (BGHZ 146, 365, 375; Leinemann, VOB B, Köln, 2002 § 16 Rn. 190; Locher in Ingenstau/ Korbion VOB, 14. Aufl., B § 16, Rn. ) .
Für den Besteller, der sein Verlangen die Bürgschaftsurkunde herauszugeben, auf eine vergleichbare Behauptung, alle erbrachten Werkleistungen des Unternehmers bezahlt zu haben, stützt, kann dann nichts anderes gelten. Er kann sich nicht damit begnügen, darauf zu verweisen, dass die vom Unternehmer erstellte Schlussrechnung nicht prüffähig ist, sondern ist gehalten, den Wegfall des Sicherungsgrundes, die vollständige Bezahlung der geschuldeten Werkleistung, auf der Grundlage einer eigenen Berechnung darzulegen. Es ist nicht erkennbar, dass dies der bauerfahrenen Klägerin auf der Grundlage der Feststellungen zum Bautenstand nicht möglich wäre.
Hinzutritt, dass, träfe die abweichende Rechtsauffassung des Landgerichts zu, die Vertragserfüllungsbürgschaft - jedenfalls als Nebeneffekt - auch die Funktion eines gegen den Werkunternehmer gerichteten Druckmittels mit dem Ziel, hätte ihn alsbald zur Stellung einer prüffähigen Schlussrechnung zu bewegen. Dem stimmt der Senat nicht zu. Damit würden Ratio und Regelungsgehalt des § 648 a BGB verkannt. Ganz unabhängig von einer zwischen den Werkvertragsparteien, wie im vorliegenden Fall, etwa getroffenen Sicherungsabreden nämlich liegt es ohnehin im eigenen wohlverstandenen wirtschaftlichen und rechtlichen Interesse des Werkunternehmers, der Beklagten also, alsbald eine prüffähige Schlussrechnung zu stellen.
Demgegenüber wird dem Interesse der Klägerin als Sicherungsgeberin, nicht über Gebühr lange die Kosten der Sicherheitsleistung tragen zu müssen, mit der Regelung des § 648 a Abs. 3 BGB bereits hinreichend Rechnung getragen. Danach hat der Unternehmer dem Besteller die üblichen Kosten der Sicherheitsleistung bis zu einem Höchstsatz von Zwei von Hundert für das Jahr zu erstatten. Gemäß Satz 2 der Regelung gilt dies nur dann nicht, wenn eine Sicherheit wegen Einwendungen des Bestellers gegen den Vergütungsanspruch des Unternehmers aufrecht erhalten werden muss und die Einwendungen sich als unbegründet erweisen. Für Letzteres gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist die Prüffähigkeit der Schlussrechnung der Beklagten nach wie vor zu verneinen, wie der Senat in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt hat.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 91, 97 Abs. 1, 516 Abs. III ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da ihre Entscheidung nicht von der Beantwortung einer höchstrichterlichen bisher noch nicht entschiedenen Frage abhängt. Es besteht auch keine Veranlassung, von höchstrichterlicher oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen.
Ende der Entscheidung
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