Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 13.02.2007
Aktenzeichen: 11 U 96/06
Rechtsgebiete: AUB 94, ZPO


Vorschriften:

AUB 94 § 2 Abs. 4
AUB 94 § 7 Abs. 1 (1) a
ZPO § 286
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 96/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 13.02.2007

Verkündet am 13.02.2007

in dem Rechtsstreit

hat das Brandenburgische Oberlandesgericht, 11. Zivilsenat, auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2007 durch

den Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Hütter und die Richterin am Landgericht Fischer-Dankworth

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichtes Neuruppin vom 2. Juni 2006 - Az.: 3 O 91/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer des Klägers beträgt 118.725,00 Euro.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger verfolgt Ansprüche aus der bei dem Beklagten abgeschlossenen privaten Unfallversicherung. Er behauptet aufgrund eines unstreitig am 26. Februar 2003 erlittenen Sturzes auf der Kellertreppe körperliche Dauerschäden in Form von ständigen Kopfschmerzen in beiden Schläfen und Scheitelpartien, Gleichgewichtsstörungen, Schwindelgefühlen und Konzentrationsstörungen. Wegen der daraus resultierenden dauerhaften Beeinträchtigungen seiner körperlichen Leistungsfähigkeit liege ein Invaliditätsgrad von mindestens 50 % vor. Er begehrt daher die Zahlung einer Versicherungssumme in Höhe von 50.000,00 €, einer Unfallrente in Höhe von 1.000,00 € monatlich, die Zahlung eines Krankenhaustagegeldes in Höhe von 50,00 € täglich und Genesungsgeldes in Höhe von 25,00 € täglich für jeweils 23 Tage Krankenhausaufenthalt.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und der Anhörung sowohl des Klägers als auch des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe nicht beweisen können, dass die von ihm als Invalidität geltend gemachten Beschwerden überhaupt vorliegen und zwischen den behaupteten Beschwerden und dem erlittenen Unfall ein Zusammenhang bestehe. Das gerichtlicherseits eingeholte, in der mündlichen Verhandlung erörterte und in sich schlüssige Gutachten, das vom Kläger nicht substantiiert angegriffen worden sei, habe einen solchen Zusammenhang eindeutig verneint. Ein objektivierbarer Krankheitsbefund sei nicht festzustellen. Für die subjektiv durch den Kläger erlebten Beschwerden seien psychosomatische Gründe verantwortlich, bei denen es sich jedoch um Beschwerden handele, die durch § 2 IV AUB wirksam ausgeschlossen seien.

Soweit der Kläger in der letzten mündlichen Verhandlung Schriftsatznachlass beantragt habe, sei ihm dieser nicht zu gewähren gewesen. Lediglich wegen eines Versehens ergebe sich aus der Sitzungsniederschrift nicht, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Schriftsatzfrist beantragt habe, um mit dem Kläger die Möglichkeit einer Klagerücknahme zu erörtern. Dafür habe es jedoch einer weiteren Erklärungsfrist nicht bedurft, zumal mit einer Zustimmung seitens der Beklagten nicht zu rechnen gewesen sei.

Gegen das ihm am 27. Juni 2006 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der bei Gericht am 19. Juli 2006 eingegangenen Berufung. Der Kläger hat das Rechtsmittel mit einem am 22. August 2006 eingegangenen Schriftsatz wie folgt begründet:

Das vom Landgericht eingeholte Gutachten sei auch nach Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nicht überzeugend, da es sich um nicht nur "subjektive Phänomene" sondern um objektivierbare Beschwerden handle. Des Weiteren habe das Landgericht es trotz substanziierter Einwendungen des Klägers verabsäumt, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben. Insbesondere habe das Landgericht die Ausführungen des Prof. Dr. Dr. D..., dass als Diagnose die so genannte ICD 10 zu stellen und diese geeignet sei, das Bestehen der Beschwerden sowie deren Unfallursächlichkeit zum behaupteten Schadensereignis vom 26. Februar 2003 herzuleiten, unberücksichtigt gelassen.

Das Landgericht habe auch rechtsfehlerhaft gehandelt, als es dem Kläger die begehrte Schriftsatzfrist nicht zugestanden habe. Entgegen den Ausführungen im Urteil habe der beantragte Schriftsatznachlass dazu dienen sollen, mit dem Kläger die Möglichkeit weiteren Sachvortrages nebst Beweisangeboten zu besprechen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neuruppin, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 50.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. März 2004 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine monatliche Unfallrente in Höhe von 1.000,00 € seit dem 1. Februar 2003 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.725,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens die angefochtene Entscheidung und macht im Wesentlichen noch geltend:

Die erfolgte Beweisaufnahme sei nicht erforderlich gewesen, da es bereits an der rechtzeitigen ärztlichen Feststellung einer unfallbedingten Invalidität gefehlt habe. Nach § 7 Abs. 1 (1) a AUB 94 sei zwingende formelle Voraussetzung, dass die Invalidität als kausale Folge eines Unfalls innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgestellt wird. Eine solche, als objektives Tatbestandsmerkmal für die Entstehung des Entschädigungsanspruchs anzusehende, ärztliche Feststellung fehle jedoch. Die auf dem Formular "Anmeldung eines Anspruchs auf Invaliditätsleistung" durch den den Kläger behandelnden Arzt angekreuzte Variante, Dauerfolgen des Unfalls seien "wahrscheinlich", reiche definitiv nicht aus. Entgegen der Ansicht des Klägers habe sich ein entsprechender Hinweis über die Notwendigkeit einer ärztlichen Feststellung binnen der 15-monatigen Frist in dem dem Formular beigefügten Schreiben vom 31. März 2003 befunden.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend einen auf den zwischen den Parteien geschlossenen Unfallversicherungsvertrag gestützten Anspruch des Klägers auf Zahlung der hälftigen Unfallversicherungssumme, einer monatlichen Unfallrente, von Krankenhaus- und Genesungsgeld verneint.

Dem Kläger ist es nicht gelungen, nachzuweisen, dass er aufgrund des Treppensturzes noch immer unter den von ihm behaupteten andauernden Kopfschmerzen in beiden Schläfen und beiden Scheitelpartien, Gleichgewichtsstörungen, Schwindelgefühl und Konzentrationsstörungen leidet. Den Kläger trifft die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der unfallbedingten Invalidität, wobei für die konkrete Ausgestaltung des Gesundheitsschadens und seiner Dauerhaftigkeit der Maßstab des § 286 ZPO anzulegen ist und dafür, ob der unfallbedingte Gesundheitsschaden für die bewiesene Invalidität ursächlich war, die Beweiserleichterung des § 287 ZPO (BGH NJW 2004, 2589) eingreift.

Dieser Beweis ist dem Kläger nicht gelungen, denn aufgrund des überzeugenden und in sich schlüssigen Gutachtens des Dr. H... vom 24. Februar 2006 steht fest, dass es zwar nicht auszuschließen ist, dass der Kläger an den von ihm behaupteten Beschwerden leidet, jedoch objektiv erhebbare ärztliche Befunde, die damit im Zusammenhang stehen, nicht nachweisbar sind. Es handelt sich vielmehr um subjektive Phänomene, die nicht auf den Treppensturz zurück zuführen sind, denn die dabei erlittene Gehirnerschütterung hinterlässt keine Dauerfolgen. Dies hat der Sachverständige nochmals eindeutig und zweifelsfrei in seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht Neuruppin am 2. Juni 2006 bestätigt. Er hat bekundet, die Beschwerden des Klägers seien nicht objektivierbar und es gebe keinen objektiven Befund für einen Krankheitsstatus des Klägers. Damit hat der Kläger nicht den unter Berücksichtigung des Maßstabes des § 286 ZPO erforderlichen Beweis für das Vorliegen der von ihm behaupteten Beschwerden erbracht.

Das Landgericht war nicht verpflichtet, auf Grund des von Klägerseite zu den Akten gereichten Schreibens des Prof. Dr. Dr. D... vom 29. März 2006 ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Soweit Prof. Dr. Dr. D... darin ausführte, dass er beim Kläger auf Grund der Anamnese, dessen Vorgeschichte und unter Berücksichtigung relevanter Untersuchungsergebnisse (hier vor allem testpsychologischer Erhebungen) eine somatoforme autonome Funktionsstörung des vestibulo-cochleären Systems und einen Spannungskopfschmerz (ICD10: G44.2) diagnostiziert habe, genügt diese Darlegung nicht, um das gerichtlicherseits eingeholte Sachverständigengutachten des Dr. H... zu erschüttern. Dem Schreiben des Prof. Dr. Dr. D... kann nicht entnommen werden, auf welche konkreten Anhaltspunkte und durchgeführte Untersuchungen er seine Diagnose stützt. Allein die Bezugnahme auf eine Anamnese und testpsychologische Untersuchungen ersetzt nicht die notwendige Darstellung. Aber auch die als Begründung herangezogene Vorgeschichte des Klägers lässt näheres nicht erkennen.

Im Übrigen hat sich der Sachverständige Dr. H... mit den Ausführungen des Prof. Dr. Dr. D... vom 29. März 2006 auseinandergesetzt, indem er dazu in seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht Neuruppin Stellung genommen hat. So gehen sowohl der Gutachter Dr. H... als auch der Prof. Dr. Dr. D... davon aus, dass der Kläger eine Gehirnerschütterung erlitten, diese jedoch keine strukturellen Hirnschäden hinterlassen hat. Des Weiteren hat Dr. H... überzeugend ausgeführt, dass auch die von Prof. Dr. Dr. D... getroffene Diagnose der ICD 10 nicht zu objektivierbaren Befunden führe.

Darüber hinaus scheidet eine Einstandspflicht der Beklagten aber auch gemäß § 2 Abs. 4 AUB 94 aus, denn für alle krankhaften Störungen in Folge psychischer Reaktionen des Versicherungsnehmers, gleich durch welche Ursache sie hervorgerufen wurden, kommt eine Haftung des Versicherers, hier des Beklagten, nicht in Betracht. Der Ausschlusstatbestand erfasst ausschließlich psychische Fehlverarbeitungen eines Geschehens nach einer unfallbedingten Gesundheitsschädigung (BGH NJW-RR 2003, 881), nicht jedoch psychische Erkrankungen, die eine körperliche Ursache haben (BGH VersR 2004, 1449). Beweisbelastet für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 AUB 94 ist der Versicherer (BGHZ 131, 15 ff.).

Der Kläger leidet ausschließlich an einer psychischen Fehlverarbeitung des Unfallereignisses; körperliche Ursachen sind dagegen auszuschließen. Dieses Ergebnis beruht auf den zu den Akten gereichten medizinischen Unterlagen und den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. H.... So stellten bereits die R... Kliniken in ihren Berichten vom 13. Mai und 27. Juli 2004 fest, dass der Kläger unter psychosomatischen Beeinträchtigungen leide und pathologische Befunde nicht feststellbar seien. So habe der Kläger in den bezugstherapeutischen Einzelgesprächen vorrangig den Krankheitsverlauf und seine aktuelle Lebenssituation thematisiert. Im Mittelpunkt habe das Klagen über seine Symptomatik gestanden. Ihm mache die zunehmende Einsamkeit besonders schwer zu schaffen und er leide unter Schlafstörungen, Grübelzwang und einem Gefühl von Hilflosigkeit. Dies wird auch durch das vorprozessual eingeholte Gutachten Prof. Dr. Sch... vom 10. Dezember 2003 (Bl. 34 ff. d. A.) bestätigt, in dem dieser ausführt, der Kläger weise eine psychopathologische Symptomatik im Sinne einer reaktiven Depression mit ängstlicher Verunsicherung und Ratlosigkeit sowie Zukunftsängsten auf, ohne auffälligen Befund an Schädel und Hirnstrukturen. So habe sich auf Grund der unsicheren medizinischen Situation beim Kläger eine depressive Entwicklung vollzogen, die nervenärztlich behandelt werden sollte. Diese Feststellungen werden auch getragen durch das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten des Dr. H... vom 24. Januar 2006, in dem dieser ausführt, dass es sich bei den vom Kläger vorgetragenen Beschwerden um subjektive Phänomene handle, die nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen seien.

Dem Kläger ist es nicht gelungen, diesen Nachweis durch Vorlage des Schreibens des Prof. Dr. Dr. D... vom 29. März 2006 zu erschüttern. Soweit er darin ausführt, dass es unstrittig sei, dass psychosomatische/psychiatrische Erkrankungen auch die körperliche Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigten, steht dies nicht im Widerspruch zu den sachverständigen Feststellungen des Dr. H.... Dieser hat vielmehr erklärt, dass er die behaupteten Beschwerden des Klägers nicht ausschließe, diese aber nicht objektivierbaren körperlichen Befunden zuordnen könne. Das Schreiben des Prof. Dr. Dr. D... bietet keinen Anhaltspunkt dafür, die beim Kläger bestehende psychosomatische/psychiatrische Erkrankung auf organische Ursachen zurückzuführen. Dies wäre jedoch erforderlich, da nur solche krankhaften Störungen nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind (vgl. BGH NJW-RR, 2005, 32).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat weicht weder von der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs noch der eines anderen Oberlandesgerichts ab.

Ende der Entscheidung

Zurück