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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 04.06.2007
Aktenzeichen: 11 W 34/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 485 Abs. 1
ZPO § 485 Abs. 2
ZPO § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
ZPO § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
ZPO § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 569 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

11 W 34/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem selbstständigen Beweisverfahren

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts am 4. Juni 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Ebling und den Richter am Oberlandesgericht Pliester

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts vom 16. Februar 2007 - über die Teil-Abhilfeentscheidung des Landgerichts vom 24. April 2007 hinaus - teilweise abgeändert.

Anstelle der im Beschluss vom 24. April 2007 zu Ziff. III ("Baudurchführung") formulierten Fragen wird die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens auch zu folgenden Fragen angeordnet:

1. War das von der Antragstellerin gewählte Verfahren geeignet, den mit den Verbauarbeiten gewünschten und geschuldeten werkvertraglichen Erfolg sicherzustellen?

2. Steht das Verbleiben eines Verbauträgers im Erdreich einer ordnungsgemäß und fachgerecht hergestellten Gründung entgegen?

3. Haftet den bisher durch die Antragstellerin hergestellten Trägerbohrungen ein Mangel an?

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin führte für die Antragsgegnerin Gründungsarbeiten für den Neubau "Behandlungstrakt und Bettenhaus" aus. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2006 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass die Verbauträger in den Bohrlöchern verbleiben müssten, und zeigte an, dass diesbezüglich vorgesehene Bedarfspositionen zur Anwendung kommen würden. Die Antragsgegnerin lehnte dies ab und vertrat (Schreiben vom 26. Oktober 2006) die Auffassung, die von der Antragstellerin gewählte Bauausführung sei nicht vertragsgerecht. In der Folge verfügte die Antragsgegnerin einen Baustopp, die Antragstellerin vertrat die Auffassung, vertragsgerecht gearbeitet zu haben und zeigte ihre Verhinderung an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsschrift nebst Anlagen Bezug genommen.

Nachdem die Antragsgegnerin die Kündigung des Werkvertrages aus wichtigem Grund ausgesprochen hat, fürchtet die Antragstellerin, sie könne den Beweis einer ordnungsgemäßen, fachgerechten und vertragsgerechten Leistung ohne Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens nicht erbringen.

Die Antragstellerin hat in erster Instanz zuletzt (Schriftsatz vom 18. Januar 2007; Bl. 133) folgende Beweisfragen formuliert:

A. Bohrverfahren

1. Enthält die Ausschreibung, insbesondere das Leistungsverzeichnis, konkret vorgegebene Maßnahmen zur Verhinderung des Auftreibens bzw. des seitlichen Eintreibens des Bodens im Bohrloch im Rahmen der Herstellung der Trägerbohrung (Bohrung für Verbauträger gemäß Pos. 03.03.40 und 03.04.40)?

2. Kann alleine mit der vorliegend ausgeschriebenen Trägerbohrung (Bohrung für Verbauträger) ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahmen für das Bohrloch bei den örtlichen Gegebenheiten (Bodenklasse 3 bis 5) die Herstellung eines stabilen und standsicheren Bohrlochs in jeder Hinsicht gewährleistet werden?

3. Können - bei fehlenden Vorgaben im Vertrag - nach den anerkannten Regeln der Technik bei der Notwendigkeit von zusätzlichen Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Bohrlochs unterschiedliche Methoden, so Verrohrungen oder Spülungseinsätze, zur Anwendung kommen? Sind beide Methoden gleich geeignet und gleichwertig?

4. Handelt es sich bei der Erbringung von Sicherungsmaßnahmen in Form von Verrohrungen oder Spülungseinsätzen zur Verhinderung der Herstellung eines instabilen Bohrloches um Besondere Leistungen, (vgl. DIN 18301, Ziffer 3.2.4), die, wenn nur eine von ihnen zur Anwendung kommen soll, explizit ausgeschrieben werden muss?

5. Entsprechend die von der Antragstellerin hergestellten Trägerbohrungen mit Spülungseinsätzen (15 Stück im Innenhof Ost) den anerkannten Regeln der Technik?

B. Verbauarbeiten

1. Kann - ungeachtet der Fragen zu I. - ein gemäß Leistungsverzeichnis in das hergestellte Bohrloch eingebauter Verbauträger, und zwar den Fuß unterfüllt mit Beton B 10 und oberhalb des Fußes/Einspannbereich mit seitlich gelagerten Bohrgut gegebenenfalls mit Sandbeton verfüllt und verdichtet (vgl. Position 03.03.60 bzw. 03.04.50) sowohl im Allgemeinen mittels eines mobilen Baggers als auch im Besonderen unter Beachtung und Einhaltung der generellen Rahmenbedingungen der Ausschreibung (z. B. Erschütterungsarmut) gezogen werden?

2. Entspricht es den anerkannten Regeln der Technik, dass Verbauträger - unabhängig von der gewählten Sicherungsmethode für das Bohrloch - mittels einer Vibrationsramme zu ziehen sind? Sind die gemäß den Pos. 03.03.60 und 03.04.50 eingebrachten Verbauträger mit einer Vibrationsramme zu ziehen (gewesen)?

C. Baudurchführung

1. Stellt das von der Antragstellerin gewählte Verfahren den mit den Verbauarbeiten gewünschten und geschuldeten werkvertraglichen Erfolg sicher?

2. Steht das Verbleiben eines Verbauträgers im Erdreich einer ordnungsgemäß und fachgerecht hergestellten Gründung entgegen?

3. Haftet den bisher durch die Antragstellerin hergestellten Trägerbohrungen ein Mangel an?

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Streitig sei zwischen den Beteiligten nicht die Frage des Zustands des erbrachten (Teil-)Werkes, sondern die Auslegung des Vertrages.

Das Landgericht hat den Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens durch Beschluss vom 16. Februar 2007 (Bl. 139 d.A.) zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Beweisfragen seien nicht in zulässiger Weise formuliert worden. Die Voraussetzungen des § 485 Abs. 1, Abs. 2 ZPO seien nicht gegeben. Insbesondere seien die Beweisfragen nicht auf den Zustand einer Sache oder das Vorhandensein oder die Ursache eines Schadens oder Mangels gerichtet. Wegen der Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung, die der Antragstellerin am 21. Februar 2007 zugestellt worden ist, wird auf die bei den Akten befindliche Leseabschrift (Bl. 144) Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, beim Landgericht Cottbus eingegangen am 07. März 2007.

Die Antragstellerin rügt, dass ausweislich der landgerichtlichen Begründung ihr Schriftsatz vom 18. Januar 2007 vollständig unberücksichtigt geblieben sei. Dadurch, dass das Landgericht nicht vor Beschlussfassung auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der gestellten Beweisfragen hingewiesen habe, habe es gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen.

Die Voraussetzung für die Anordnung des selbstständigen Beweisverfahrens gem. § 485 Abs. 1 ZPO seien gegeben. So folge insbesondere aus der Tatsache, dass die Antragsgegnerin sie, die Antragstellerin, zum Rückbau der Gründungsarbeiten aufgefordert habe, das sie diese als mangelhaft betrachte. Nunmehr müsse man damit rechnen, das der zwischenzeitlich beauftragte Drittunternehmer den Rückbau durchführe und das Beweismittel untergehe.

Das rechtliche Interesse im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO sei vom Landgericht zu eng aufgefasst worden. Insbesondere bei vorzeitig abgebrochenen Verträgen sei eine Tatsachenfeststellung zur Feststellung des Zustands angezeigt.

Hilfsweise hat die Antragstellerin die Fragen wie folgt neu gefasst:

A. Bohrverfahren

1. Ist es zutreffend, dass die Ausschreibung (Positionen 03.03.40 und 03.04.40) keine konkreten Maßnahmen zur Verhinderung des Auftreibens bzw. des seitlichen Eintreibens des Bodens im Bohrloch im Rahmen der Herstellung der Trägerbohrung vorsieht?

2. Ist es zutreffend, dass mit der vorliegend ausgeschriebenen Trägerbohrung (Bohrung für Verbauträger) ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahmen für das Bohrloch bei örtlichen Gegebenheiten (Bodenklasse 3 bis 5) die Herstellung eines stabilen und standsicheren Bohrlochs nicht gewährleistet werden kann?

3. Ist es zutreffend, dass nach den anerkannten Regeln der Technik bei der Notwendigkeit von zusätzlichen Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Bohrlochs unterschiedliche Methoden, so Verrohrungen oder Spülungseinsätze, zur Anwendung kommen? Sind beide Methoden gleich geeignet und gleichwertig?

4. Handelt es sich bei der Erbringung von Sicherungsmaßnahmen in Form von Verrohrungen oder Spülungseinsätzen zur Verhinderung der Herstellung eines instabilen Bohrloches um Besondere Leistungen, (vgl. DIN 18301, Ziffer 3.2.4), die, wenn nur eine von ihnen zur Anwendung kommen soll, explizit ausgeschrieben werden muss?

5. Entsprechen die von der Antragstellerin hergestellten Trägerbohrungen mit Spülungseinsätzen (15 Stück im Innenhof Ost) den anerkannten Regeln der Technik?

B. Verbauarbeiten

Ist es zutreffend, dass ein in ein Bohrloch eingebauter Verbauträger, den Fuß mit Beton B 10 unterfüllt und oberhalb des Fußes mit seitlich gelagerten Bohrgut, gegebenenfalls mit Sandbeton verfüllt und verdichtet, nicht mit einem mobilen Bagger unter Einhaltung der Rahmenbedingungen der Ausschreibung (z. B. Erschütterungsarmut), sondern nur mit einer Vibrationsramme gezogen werden kann?

C. Baudurchführung

1. Stellt das von der Antragstellerin gewählte Verfahren aus technischer Sicht den mit den Verbauarbeiten geschuldeten Erfolg sicher?

2. Stellt das Verbleiben eines Verbauträgers im Erdreich, so wie von der Antragstellerin ausgeführt, einen Mangel in Bezug auf die von der Antragstellerin geleisteten Gründungsarbeiten bzw. in Bezug auf Folgearbeiten etwaiger Dritter dar?

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 04. April 2007 teilweise abgeholfen und die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens zu folgenden Fragen angeordnet:

I. Bohrverfahren

1. (entspricht A.2 des Schriftsatzes vom 18.01.2007)

Ist die im LV in den Positionen 03.03.40 und 03.04.40 ausgeschriebene Trägerbohrung allein geeignet, die Herstellung eines stabilen und standsicheren Bohrloches zu gewährleisten?

2. (entspricht A.5 des Schriftsatzes vom 18.01.2007)

Entsprechen die von der Antragstellerin hergestellten 15 Trägerbohrungen mit Spülungseinsätzen im Innenhof Ost den anerkannten Regeln der Technik?

II. Verbauarbeiten

1. Kann ein in das hergestellte Bohrloch eingebauter Verbauträger, unterfüllt mit Beton B 10 und oberhalb des Fußes/Einspannbereich mit seitlich gelagertem Bohrgut, gegebenenfalls mit Sandbeton, verfüllt und verdichtet (Positionen 03.03.60 bzw. 03.04.50) im Allgemeinen und im Besonderen durch einen mobilen Bagger unter Einhaltung der generellen Rahmenbedingungen der Ausschreibung (z. B. Erschütterungsarmut) gezogen werden.

2. Entspricht es den anerkannten Regeln der Technik, Verbauträger - unabhängig von der gewählten Sicherungsmethode für das Bohrloch - mittels Vibrationsramme zu ziehen?

Im Übrigen hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren insoweit dem Senat vorgelegt. Auf Anfrage des Senats hat die Antragstellerin ihr Begehren im Beschwerdeverfahren auf die Beweisfragen zu A.3. und C.1. bis C.3. beschränkt und das Rechtsmittel im Übrigen (Fragen A.1. und A.4.) zurückgenommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der Frist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO beim Landgericht eingegangen.

In der Sache hat das Rechtsmittel, soweit es nicht zurückgenommen worden ist, teilweise Erfolg.

Beweisfrage zu Ziff. A.3. (Nummerierung entsprechend dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 18. Januar 2007)

Das Landgericht hat die Frage für unzulässig gehalten, weil sie auf eine allgemeine Klärung einer technischen Maßnahme zur Sicherung der Stabilität von Bohrlöchern gerichtet sei. Der Senat stimmt mit dem Landgericht darin überein, dass die Frage nicht zu den gemäß § 485 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 bis 3 ZPO zulässigen gehört. Insbesondere fehlt es an einem Bezug zu dem Bauvorhaben, sodass der Anknüpfungspunkt zum Zustand der Sache oder zur Ursache eines (nach Auffassung der Antragstellerin nicht vorhandenen) Mangels nicht gegeben ist. In der vorliegenden Form richtet sich die Frage vielmehr auf eine allgemeine Auskunft ohne jeden Bezug zu dem Streitverhältnis zwischen den Parteien. Auch unter Berücksichtigung des Inhalts der Beschwerdeschrift vom 07. März 2007 lässt sich nicht erkennen, dass das Begehren der Antragstellerin dahin gehen könnte festzustellen, dass das gewählte Sicherungsverfahren unter Beachtung der spezifischen örtlichen Gegebenheiten geeignet gewesen sei. Eine solche Klarstellung ist (S. 11 der Beschwerdebegründung; Bl. 186 d.A.) - im Gegensatz zu der Frage zu A.2. - gerade unterblieben.

Beweisfragen zu C.1.-3.

Das Landgericht hat die Frage zu C.1. dahin beanstandet, dass sie auf die Klärung des "Erfolgs" im Sinne der Erfüllung des Vertrages gerichtet sei. Das Begehren der Antragstellerin ist indes dahin aufzufassen, dass sie die Geeignetheit des gewählten Verfahrens für das streitgegenständliche Bauvorhaben überprüft wissen will. Der Senat hat die Beweisfrage klargestellt, um den Eindruck zu vermeiden, vom Sachverständigen werde die Beantwortung einer Rechtsfrage erwartet.

Die Zurückweisung der Frage zu C.2. ist vom Landgericht nicht gesondert begründet worden; es ist auch nichts dafür ersichtlich, warum die Frage unzulässig sein sollte.

Die Frage zu C.3. mag sich zwar, wie bei der Formulierung von Beweisfragen nicht unvermeidlich, weitgehend erledigen, wenn der Sachverständige die Frage zu C.1. umfassend beantwortet. Gleichwohl bestehen gegen die von der Antragstellerin gewählte Formulierung keine Bedenken, zumal sie auch auf die Klärung anderer Mangelursachen als das gewählte Bauverfahren gerichtet ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Auch unter Berücksichtigung der Teil-Beschwerderücknahme bemisst der Senat das wechselseitige Obsiegen und Unterliegen in Ermangelung konkreter Bemessungsgrundlagen gleichwertig.

Im Hinblick auf die Gerichtskosten hat der Senat von der Befugnis Gebrauch gemacht (Nr. 1811 der Anlage 1 zum GKG), die Nichterhebung von Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren zu bestimmen; denn die Beschwerde ist nur deshalb notwendig geworden, weil sich der angefochtene Beschluss nicht hinreichend mit dem Inhalt des Schriftsatzes vom 18. Januar 2007 auseinandergesetzt hat.

Ende der Entscheidung

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