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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.09.2006
Aktenzeichen: 11 W 36/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 42 | |
ZPO § 67 | |
ZPO § 68 | |
ZPO § 72 | |
ZPO § 73 S. 2 | |
ZPO § 74 | |
ZPO § 406 Abs. 1 | |
ZPO § 406 Abs. 5 | |
ZPO § 411 Abs. 3 | |
ZPO § 411 Abs. 4 | |
ZPO § 492 | |
BGB § 839 a |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
11 W 36/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In dem selbständigen Beweisverfahren
hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Hütter und die Richterin am Landgericht Fischer-Dankworth
am 6. September 2006
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Streithelferin zu 1. gegen den Beschluss des Landgerichts Neuruppin - Az. 2 OH 19/00 - vom 29. Mai 2006 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 14. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstand für das Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 492, 406 Abs. 1 und 5, 42 ZPO in Verbindung mit 567 Abs. 1 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.
I.
Wie das Landgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt hat, ist das Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin und Streithelferin zu 1. bereits deshalb unzulässig, weil es im Widerspruch zum Prozessverhalten der Antragsgegnerin, auf deren Seite die Beschwerdeführerin den Streitbeitritt erklärt hat, steht.
Nach §§ 67, 74 ZPO kann der Streithelfer Prozesshandlungen, auch in einem selbständigen Beweisverfahren, wirksam nur dann vornehmen, wenn seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei nicht im Widerspruch stehen. Deren Prozesshandlungen haben Vorrang. Hierbei ist eine ausdrückliche Widerspruchserklärung der Hauptpartei hinsichtlich des Verhaltens des auf ihrer Seite beigetretenen Streithelfers nicht erforderlich; entscheidend ist der entgegenstehende Wille der Hauptpartei (vgl. LG Hannover, IBR 2005, 652). Dieser kann sich aus einer ausdrücklichen Erklärung oder konkludent ergeben. Anders als die Beschwerdeführerin steht die Antragsgegnerin als Hauptpartei des selbständigen Beweisverfahrens der Verwertung der sachverständigen Feststellungen in diesem Verfahren nicht entgegen und hat auch nicht zu erkennen gegeben, den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Die Antragsgegnerin hat sich weder zu den vom Sachverständigen in seinem Gutachten getroffenen Feststellungen noch zum Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin aus dem Schriftsatz vom 17. März 2006, der ihr von Anwalt zu Anwalt zugestellt worden ist, eingelassen. Unter Berücksichtigung der nicht zu beanstandenden landgerichtlichen Ansicht, dass eine konkludente Billigung des Sachverständigengutachtens auch darin liegen kann, dass keine Einwendungen vorgebracht werden, muss dies auch dann gelten, wenn sich die Hauptpartei gar nicht äußert, denn auch damit bringt sie ihren Verwertungswillen hinsichtlich des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme deutlich zum Ausdruck. Diese Verwertung käme aber dann nicht in Betracht, wenn aufgrund eines begründeten Befangenheitsantrages der Streithelferin die Beweisaufnahme insoweit wiederholt werden müsste.
Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung des Landgerichtes, dass die Ablehnung des Sachverständigen auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hat.
II.
Das Landgericht hat ebenfalls zu Recht die Streitverkündung der Beschwerdeführerin gegenüber dem Sachverständigen W... vom 17. März 2006 für unzulässig erklärt und den Streitverkündungsschriftsatz nicht zugestellt. Das Beschwerdevorbringen bietet keine Veranlassung, von der im Ergebnis zutreffenden Entscheidung abzuweichen.
1.
Die von der Beschwerdeführerin in dem hier vorliegenden selbständigen Beweisverfahren erklärte Streitverkündung gegenüber dem Sachverständigen W... ist rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig.
Es kann dahinstehen, ob der Sachverständige, der Gehilfe des Gerichts ist, schon nicht als "Dritter" im Sinne des § 72 ZPO anzusehen ist, wozu der Senat neigt. Jedenfalls ist im vorliegenden Fall die Streitverkündung als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt vor, wenn das Recht allein zu Zwecken missbraucht wird, die zu schützen unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt ist (BGH, NJW 1987, 1946), was nicht der Fall wäre, wenn (darüber hinaus) noch ein schutzwürdiges Interesse erkennbar ist (BGH, NJW 1995, 1223).
Aufgrund des bisherigen Verfahrensverlaufs ist der Senat davon überzeugt, dass die Beschwerdeführerin keine weiteren Interessen verfolgt, sondern damit nur bezweckt, den Sachverständigen aus dem Verfahren herauszudrängen und damit Einfluss auf das Beweisverfahren zu nehmen. Zwar ist die Verfolgung vorrangig prozesstaktischer Ziele für sich genommen noch nicht rechtsmissbräuchlich (BGH, NJW 1987, 3138). Aber hier stellt die Streitverkündung eine über das bloße prozesstaktische Verhalten hinausgehende rechtsmissbräuchliche Handlung dar, da ein schutzwürdiges Interesse der Beschwerdeführerin an der Streitverkündung nicht erkennbar ist, vielmehr ausschließlich ein Ziel verfolgt wird, für das die Streitverkündung nicht gedacht ist. Die Beschwerdeführerin hat zwar die Streitverkündung gegenüber dem Sachverständigen damit begründet, dass sie in Bezug auf das vorliegende Gutachten vom 31. Januar 2006 Schadensersatzansprüche wegen unzutreffender und über die Beweisbeschlüsse hinausgehender Feststellungen des Gutachters im Rahmen des § 839 a BGB absichern wolle. Dem kann die Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren jedoch nicht dienen. Eine zulässige Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren hat zur Folge, dass dem Streitverkündeten das Ergebnis der Beweisaufnahme entsprechend § 68 ZPO in einem nachfolgenden Prozess entgegengehalten werden kann (BGH, BauR 1997, 347). Das bisher erzielte Ergebnis der Beweisaufnahme ergibt sich vorliegend ausschließlich aus dem Gutachten des Sachverständigen W... vom 31. Januar 2006, an das er sich auch unabhängig von einer etwaigen Streitverkündung festhalten lassen muss. Anders als in einem ordentlichen Rechtsstreit wird im selbständigen Beweisverfahren über Rechtsfolgen nicht entschieden; vielmehr geht es den Parteien im Vorgriff auf ein ordentliches Verfahren nur um die schnellstmögliche Feststellung von Tatsachen. Mithin kann es nicht um das - in einem ordentlichen Rechtsstreit möglicherweise vorliegende - objektiv schutzwürdige Interesse der Beschwerdeführerin gehen, sich nur mittels der Streitverkündung vor dem Einwand des Sachverständigen im Folgeprozess zu schützen, die Entscheidung im Vorprozess sei aus einem anderen, von der Unrichtigkeit des Gutachtens unabhängigen Grund richtig (vgl. Bockholdt, NJW 2006, 122).
Es ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin die Wirkungslosigkeit der Streitverkündung bewusst war und sie den Verweis auf § 839 a BGB nur vorgeschoben hat, um die Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes an den Sachverständigen in der Hoffnung zu erreichen, dass dieser letztendlich vom Verfahren ausgeschlossen wird. Die Beschwerdeführerin hat bereits am 15. Juni 2004 den Sachverständigen W... wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Diesem Ablehnungsgesuch blieb jedoch auch in der Beschwerdeinstanz vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (Beschluss vom 30. Dezember 2004, Az.: 11 W 93/04) der Erfolg versagt. Nunmehr hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 17. März 2006 beantragt, den Sachverständigen erneut wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Da sie auch in diesem Fall damit rechnen musste, dass ihr Befangenheitsgesuch erfolglos bleibt, hat sie im selben Schriftsatz die Streitverkündung gegenüber dem Sachverständigen erklärt. Ihre Begehren hat sie jeweils damit begründet, dass der Sachverständige unrichtige bzw. über die Beweisbeschlüsse hinausgehende Feststellungen getroffen hat.
Obwohl die Beschwerdeführerin durch den mit zahlreichen Zitaten versehenen angefochtenen Beschluss auf den in Rechtsprechung und Literatur überzeugend vertretenen Standpunkt der Unzulässigkeit einer gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen erklärten Streitverkündung hingewiesen wurde, hat sie ihr Begehren weiter verfolgt, ohne auf die dagegen sprechenden Argumente einzugehen und ihr besonderes Interesse an der Streitverkündung zu verdeutlichen, was nochmals den Schluss auf einen rechtsmissbräuchlichen Zweck nahe legt.
Soweit zugunsten der Beschwerdeführerin ein Interesse an einem ordnungsgemäß erstellten und inhaltlich richtigen Gutachten zu unterstellen ist, ist dies kein den Rechtsmissbrauch ausschließendes schutzwürdiges Interesse. Die Zivilprozessordnung sieht dafür andere, unmittelbarere Hilfsmittel vor. So steht der durch sachverständige Feststellungen belasteten Partei vor allem das sich aus § 411 Abs. 4 ZPO ergebende Recht zu, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen, was zu einer ergänzenden Befragung des Sachverständigen führt. Darüber hinaus kann sie gem. § 411 Abs. 3 ZPO die mündliche Erläuterung des schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen beantragen, woraufhin das Gericht verpflichtet ist, den Sachverständigen zur Erläuterung des Gutachtens zu laden (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 411 Rn. 5a). Weiterhin bleibt der Partei in begründeten Fällen die Möglichkeit, den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, 406 ZPO.
2.
Da die gegenüber dem Sachverständigen erklärte Streitverkündung rechtsmissbräuchlich ist, war das Landgericht Neuruppin auch dazu berechtigt, die Zustellung der Streitverkündungsschrift an den Sachverständigen W... zu verweigern.
Gemäß § 73 S. 2 ZPO hat das Gericht üblicherweise den Streitverkündungsschriftsatz dem Betroffenen zuzustellen, ohne die Zulässigkeit der Streitverkündung zu prüfen, denn das Gericht hat nur Zustellungshilfe für die Partei zu leisten, die den Schriftsatz eingereicht hat (OLG Celle, IBR 2006, 61). Die Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit der Streitverkündung ist in der Regel dann erst vom Gericht des Folgeprozesses zu prüfen (Zöller/ Vollkommer, § 72 Rn. 1). Dies gilt aber dann nicht, wenn sich, wie in diesem Fall, die Streitverkündung als Eingriff in die ordnungsgemäße Funktion der Rechtsprechung und somit als rechtsmissbräuchliche Prozesshandlung einer Partei darstellt (OLG Celle, BauR 2006, 140). Bei rechtsmissbräuchlichen Anträgen besteht kein Anspruch des Antragstellers auf Bearbeitung und Entscheidung (Zöller/Vollkommer, Einl. Rn. 48 a). Vielmehr hat das Landgericht es zu Recht abgelehnt, den Rechtsmissbrauch durch Zustellung der Streitsverkündung zu unterstützen.
In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landgericht dabei insbesondere auch die Interessen aller Beteiligten an der ungestörten Fortsetzung des Beweisverfahrens, das eine schnelle Beweissicherung ermöglichen soll, beachtet. Dieses Fortsetzungsinteresse wäre aber im Falle einer Zustellung der Streitverkündungsschrift an den Sachverständigen gefährdet: Will der Sachverständige sich angesichts des ihm angedrohten Regressprozesses frühzeitig verteidigen und tritt er dem Verfahren bei, ist er auf den Ablehnungsantrag einer Partei gemäß §§ 406 Abs. 1, 42 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit vom Prozess auszuschließen. Das Gericht verliert seinen Sachverständigen und ist auf eine erneute Begutachtung angewiesen (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 413 Rn. 4, § 460 Rn. 15). Einem solchen Risiko sollte das vorliegende Verfahren, das bereits seit dem 29. Juli 1999 anhängig ist, jedoch nicht ohne beachtlichen Grund ausgesetzt werden. Der Sachverständige hat am 31. Januar 2006 ein sehr umfangreiches Gutachten über Rissbildungen an einer Vielzahl von Wohnobjekten vorgelegt, dem Beweis- und Ergänzungsbeschlüsse aus den Jahren 1999, 2000, 2001 und 2005 zugrunde lagen. Im Anschluss daran wird der Sachverständige nunmehr, wie von den Verfahrensbeteiligten beantragt, noch offene Fragen schriftsätzlich bzw. in einem Verhandlungstermin beantworten müssen. In diesem Verfahrensstadium muss das Interesse der Beschwerdeführerin an der Zustellung einer rechtsmissbräuchlichen Streitverkündungsschrift durch das Gericht gegenüber den Interessen der weiteren Beteiligten an der ungestörten Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens zurücktreten.
III.
Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 ZPO. Der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Annahme des Rechtsmissbrauchs bei Streitverkündung an einen gerichtlich bestellten Sachverständigen kommt aufgrund der hier erfolgten Einzelfallbetrachtung keine grundsätzliche Bedeutung zu, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Im Übrigen ist dieser Fall in seiner besonderen Ausgestaltung nicht mit den übrigen durch die Oberlandesgerichte entschiedenen Fälle der Streitverkündung an einen gerichtlich bestellten Sachverständigen vergleichbar, so dass weder die Fortsetzung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundgerichtshofes erfordert, § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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