Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 10.03.2005
Aktenzeichen: 11 Wx 3/05
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 27
FGG § 29
FGG § 69 g Abs. 1
BGB § 1896 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

11 Wx 3/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Betreuungssache

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Groß und den Vorsitzenden Richter am Landgericht Pliester

am 10.03.2005

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 27. Dezember 2004 - 5 T 455/04 - wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin ist die Tochter der Betroffenen. Durch notarielle Vollmacht vom 11.01.1999 bevollmächtigte diese die Beschwerdeführerin zur Vermeidung einer Betreuung, sie auch nach dem Eintritt eines Zustandes der Geschäftsunfähigkeit sowohl in Vermögensangelegenheiten als auch in persönlichen Angelegenheiten umfassend zu vertreten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Vollmacht (Bl. 55 ff d. A.) verwiesen.

Die Betroffene ist nach einer Multiinfarkt-Demenz und einem Morbus Parkinson jedenfalls seit dem Jahre 2003 umfassend pflegebedürftig, geschäftsunfähig und nicht mehr in der Lage sich zu äußern.

Nach einem Bericht des Hausarztes der Betroffenen vom 17.03.2004 (Bl. 92 d. A.), hat das Amtsgericht nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens zum Zustand und zur Betreuungsbedürftigkeit der Betroffen (Gutachten vom 12.05.2004, Bl. 297 d. A.) ungeachtet der Vollmacht eine Betreuung angeordnet und einen Berufsbetreuer bestellt.

Die gegen die Entscheidung des Amtsgerichts gerichtete Beschwerde der Tochter der Betroffenen hat das Landgericht nach Einholung eines Gutachtens zu der Frage, ob die Beschwerdeführerin geeignet sei, ihre Mutter zu betreuen und zu pflegen (Gutachten vom 23.10.2004, Bl. 615 ff d. A.) zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Tochter der Betroffenen mit ihrer weiteren Beschwerde, mit der sie in der Sache erstrebt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung unter Aufhebung der Entscheidung des Amtsgerichts Brandenburg den Antrag auf Einrichtung einer Betreuung für ihre Mutter zurückzuweisen.

Sie macht geltend, entgegen den Feststellungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung sei sie selbst in der Lage, die Pflege ihrer Mutter sicherzustellen. Der bestellte Berufsbetreuer sei ungeeignet; jedenfalls mit entsprechender professioneller Hilfe könne sie die persönliche Pflege und Betreuung ihrer Mutter wieder ohne weiteres übernehmen.

II.

1.)

Die weitere Beschwerde ist gem. §§ 27, 29, 69 g Abs. 1 FGG statthaft und in der rechten Form eingelegt.

2.)

In der Sache bleibt sie ohne Erfolg.

Mit zutreffenden Gründen hat das Landgericht die Beschwerde der Tochter der Betroffenen gegen die Entscheidung des Amtsgericht, für die Betroffene einen Betreuer zu bestellen, zurückgewiesen.

a)

Die Betroffene ist betreuungsbedürftig.

Sie ist aufgrund ihrer umfassenden Erkrankung nicht mehr in der Lage, auch nur noch irgendwelche ihrer Angelegenheiten selbst zu besorgen. Sie kann sich nicht mehr äußern und ist umfassend pflegebedürftig. Dies steht auf der Grundlage der eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten fest und wird auch von der Beschwerdebegründung nicht in Zweifel gezogen.

b)

Die Einrichtung einer Betreuung und die Bestellung eines Betreuers ist auch erforderlich. Der Bestellung eines Betreuers steht die von der Betroffenen im Jahre 1999 der Beschwerdeführerin erteilte Vollmacht nicht entgegen.

Nach umfänglicher Sachaufklärung hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage ist, die Pflege und Betreuung ihrer Mutter sachgerecht sicherzustellen. Auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles können daher vorliegend die Belange der Betroffenen durch die von ihr Bevollmächtigte, die Beschwerdeführerin, nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB).

Nach der Bestimmung des § 1896 Abs. 2 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in dem die Betreuung erforderlich ist. Nach der klaren gesetzlichen Regelung scheidet die Bestellung eines Betreuers aus, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Das Betreuungsrecht ist nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 1896 Abs. 2 BGB vom Grundsatz der Subsidiarität beherrscht. Der Wille des Betroffenen, den dieser zu einer Zeit geäußert hat, in der er zu einer eigenständigen Willensbildung uneingeschränkt in der Lage war, ist zu beachten. Hat er durch eine Vollmacht für die Zeit späterer Geschäftsunfähigkeit vorgesorgt, scheidet die Einrichtung einer Betreuung in Bereichen, für die die Vollmacht erteilt worden ist, gem. § 1896 Abs. II BGB regelmäßig aus. (BayObLG FamRZ 2004, 403, Schwab in MüKo zum BGB, 4. Aufl., § 1896 Rn. 48; Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1896 Rn. 11; Entscheidung des Senates vom 28.10.2003 - 11 Wx 38/03). Der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende Gedanke der Subsidiarität der staatlichen Betreuung gegenüber der von dem Betroffenen noch in den Zeiten seiner Geschäftsfähigkeit selbst geregelten privaten Betreuung war einer der wesentlichen Grundgedanken des neuen Betreuungsrechts (Klie, FPR 2004, 671, 672). Die Vorschrift ist Ausdruck des allgemeinen Regelungsgedanken des Betreuungsrechts, dass der noch zu Zeiten eigener Entscheidungsfähigkeit des Betroffenen gebildete Wille Vorrang vor abstrakten Wertungen hat, soweit er sich aus schriftlichen Zeugnissen, allgemeinen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen des Betroffenen hinreichend sicher ermitteln lässt (BGH NJW 2003, 1588; mit Anm. Langenfeld, ZEV 2003, 449 ff).

Trotz Erteilung einer Vollmacht ist die Anordnung einer Betreuung dennoch möglich und geboten wenn die Wirksamkeit der vorgelegten Vollmacht zweifelhaft ist (BayObLG FamRZ 1994, 720), wenn die erteilte Vollmacht den Anforderungen an eine Vorsorgevollmacht nicht genügt (OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 1156), oder wenn der Bevollmächtigte die Vollmacht zum Nachteil des Betroffenen missbraucht hat (BayObLG FamRZ 2003, 1219 m.w.N.).

Die Bestellung eines Betreuers ist indes nicht auf diese Fallgestaltungen beschränkt.

Nach dem gesetzlichen Wortlaut steht die erteilte Vollmacht der Bestellung eines Betreuers nur dann entgegen, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Die Vorschrift ist unglücklich formuliert, da sie den entscheidenden Richter zum Vergleich des durch die Vollmacht von dem Betroffenen selbst gestalteten privaten Vorsorgekonzept mit einem öffentlichen Vorsorgekonzept professioneller Hilfe zwingt. Ein direkter Vergleich zweier schon im Ansatz derartig unterschiedlicher Ausgangssituationen ist kaum möglich (Damrau, Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 1896 BGB, Rn. 78 "Äpfel und Birnen"; ebenso Zimmermann in Soergel, BGB, 2000, § 1896 Rn. 79). Bei dem vom Gesetzgeber hier jedenfalls angeordneten Qualitätsvergleich (Bienwald in Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 1896 Rn. 126) bietet sich ein Rückgriff auf die zu § 1897 Abs. 4 BGB entwickelten Kriterien an. Beide Vorschriften beruhen auf den gleichen Regelungsgedanken (Entscheidung des Senates vom 28.10.2003, 11 Wx 38/03). Aus dem Rückgriff auf diese Bestimmung lässt sich entnehmen, dass die Bestellung eines Betreuers trotz bestehender Vollmacht möglich ist, wenn die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch den Betreuer dem Wohl des Betreuten klar zuwiderläuft. Es genügt also nicht, dass aus der objektivierten Sicht des Richters die Interessen des Betroffen eher oder besser durch einen professionellen Betreuer als durch den Bevollmächtigten wahrgenommen werden können (Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1897 Rn. 20; Schwab FamRZ 1990, 685). Auch genügt es nicht, dass die Wertvorstellungen des Bevollmächtigten, nach denen er die Vollmacht ausübt, in Teilbereichen allgemeinen Wertvorstellungen zuwiderlaufen (LG Frankfurt/M. FamRZ 2003, 632). Auch Spannungen zwischen dem Bevollmächtigten einerseits und dem Pflegepersonal oder behandelnden Ärzten andererseits genügen nicht, die Vollmacht unbeachtet zu lassen und statt dessen eine Betreuung einzurichten (OLG Oldenburg RUP 2003, 102).

Die Angelegenheiten des Betroffenen können aber dann durch den Bevollmächtigten nicht mehr ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden, wenn die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch den Bevollmächtigten eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet (BayObLG FamRZ 2003, 704 zu § 1897 BGB). Dies ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Interessen des Betroffenen sachgerecht wahrzunehmen und er aus in seiner Person liegenden Gründen zur Zeit nicht in der Lage ist, professionelle Hilfsangebote bei der Betreuung wahrzunehmen. Die Nachrangigkeit der Betreuung darf sich nicht gegen den Betroffenen selbst wenden (BayObLG OLGR 2004, 285).

Diese Voraussetzungen hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerfrei bejaht.

Die von dem Landgericht geschilderten Vorfälle, die sich aus dem Bericht des Hausarztes im Jahre 2004 und aus dem Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 21.03.2004 ergeben, zeigen deutlich, dass die Beschwerdeführerin zum Schluss nicht mehr in der Lage war, die Pflege ihrer Mutter umfassend, vollständig und sorgfältig sicherzustellen.

Diese Feststellung wird gestützt durch die Ausführungen der ärztlichen Gutachten vom 27.08.2003 und vom 12.05.2004. Sie werden bestätigt durch das von der Kammer eingeholte psychiatrisch-neurologische Gutachten vom 23.10.2004, in dem der Sachverständige auf der Grundlage der vorliegenden Daten nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Beschwerdeführerin zur Zeit nicht in der Lage ist, die Pflegebedürfnisse ihrer Mutter sachgerecht und mit der gebotenen Distanz zu erkennen und eine sach- und fachgerechte Pflege der Mutter sicherzustellen.

Die Bevollmächtigte ist auch nicht in der Lage, die mangels eigener Eignung zwingend erforderliche professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Derartige Hilfen, die es dem Bevollmächtigten - ungeachtet der im Einzelfall möglicherweise unvermeidbaren persönlichen Überforderung - ermöglichen würde, die Pflege selbst zu organisieren, wären der Bestellung eines fremden Betreuers jedenfalls vorzuziehen. Sie sind daher vor der Bestellung eines Dritten zum Betreuer auszuschöpfen (OLG Oldenburg FamRZ 2004, 1320). Aus den Feststellungen des Landgerichts, die durch die Gutachten und letztlich auch durch das Verhalten der Beschwerdeführerin im Verfahren bestätigt werden, ergibt sich indes, dass es der Beschwerdeführerin nicht gelingt sachgerecht mit anderen Pflegestellen zusammenzuarbeiten, vielmehr von dort ausgehende Anregungen als unerwünschte Einmischung in ihre Beziehung zu ihrer Mutter betrachtet.

Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus Vorwürfe gegen die Amtsführung des bestellten Betreuers erhoben hat, finden diese Vorwürfe weder in den Feststellungen des Landgerichts noch in dem sonst aus den Akten Ersichtlichen eine Stütze. Das Auflaufen von Mietrückständen beruhte ganz offensichtlich darauf, dass der Betreuer eine gewisse Zeit benötigte, um überhaupt in den Besitz der erforderlichen Unterlagen zu kommen. Im Übrigen hat der Betreuer eine sachgerechte medizinische Betreuung und Pflege der Betroffenen sichergestellt.

Die angefochtene Entscheidung erweist sich damit als zutreffend, so dass die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen war.

Der Senat sieht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass es - auch - Aufgabe des vom Landgericht bestellten Betreuers ist, die Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrer Mutter zu ermöglichen und zu fördern, jedenfalls sobald die Aufregungen im Zusammenhang mit der Durchführung des gerichtlichen Verfahrens abgeklungen sind.

3.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a FGG i.V.m. § 131 Abs. 3 KostO. Der Senat geht dabei davon aus, dass die Beschwerdeführerin die weitere Beschwerde aus ihrer Sicht auch im Interesse der Betreuten eingelegt hat.

Ende der Entscheidung

Zurück