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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 11 Wx 54/06
Rechtsgebiete: AufenthG, FGG


Vorschriften:

AufenthG § 57 Abs. 3
AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5
AufenthG § 62 Abs. 2 S. 4
FGG § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

11 Wx 54/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Zurückschiebungshaftsache

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Hütter und den Richter am Oberlandesgericht Pliester

am 7. Dezember 2006

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 28. September 2006 - Az.: 7 T 357/06 - wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe für das landgerichtliche Verfahren wendet.

Insoweit trägt der Betroffene die Kosten der Beschwerde.

Gegenstandswert insoweit: 250,00 €

2. Im Übrigen wird der Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 28. September 2006 - Az.: 7 T 357/06 - unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Aufrechterhaltung der Zurückschiebungshaft auf Grund des Beschlusses des Amtsgerichts Cottbus vom 25. August 2006 seit dem 30. August 2006 bis zum 27. September 2006 rechtswidrig war.

Die notwendigen Auslagen des Betroffenen im Beschwerdeverfahren und Rechtsbeschwerdeverfahren hat die Bundesrepublik Deutschland zu tragen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Sachverhalt in dem angefochtenen Beschluss sorgfältig und vollständig wie folgt wiedergegeben:

Der Betroffene, der ausländischer Herkunft ist, wurde am 24. August 2006 gegen 07:40 Uhr im Stadtgebiet F... ohne jegliche Ausweispapiere aufgegriffen. Bei der Durchsuchung des Betroffenen und seines Begleiters wurden polnische Zigaretten, eine polnische Telefonkarte und eine europäische Landkarte in russischer Schrift aufgefunden.

Im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung verweigerte er Angaben zu seiner Herkunft.

Im Anschluss daran wurde die Zurückschiebung des Betroffenen im vereinfachten Verfahren nach Polen versucht, was jedoch aufgrund der ungeklärten Staatsangehörigkeit scheiterte (Bl. 9 d. A.).

Am 25. August 2006 beantragte der weitere Beteiligte die Anordnung von Haft zur Sicherung der Zurückschiebung für die Dauer von 5 Wochen (Bl. 1 f d. A.).

Im Rahmen der Anhörung vor dem Amtsgericht Cottbus am 25. August 2006 (Bl. 4 f d. A.) erklärte der Betroffene, nicht sagen zu wollen, wo er geboren sei und wohne; er möchte nicht zurück nach Hause; er wolle nach Italien zu seiner Tante M..., die in F... wohne; er wolle dort wegen seiner Lungenkrankheit zu einem Arzt.

Mit Beschluss vom 25. August 2006 ordnete das Amtsgericht Cottbus die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung für die Dauer von 5 Wochen an (Bl. 6 f d. A.), was dem Betroffenen im Anhörungstermin bekannt gegeben wurde. Das Amtsgericht hat seine Entscheidung auf den Haftgrund aus §§ 57 Abs. 3 i.V.m. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (unerlaubte Einreise) gestützt. Auf die weitere Beschussbegründung wird Bezug genommen.

Aus der Haft heraus stellte der Betroffene einen Asylantrag, der am 29. August 2006 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einging. Im Rahmen des sodann durchgeführten Vorgesprächs zum Einreisebegehren am 31. August 2006 (Bl. 12 f d. A.) erklärte der Betroffene, alle Angaben gemacht zu haben, die er machen könne und um Haftbeschwerde einzulegen. Die weitergeleitete Haftbeschwerde ging am 1. September 2006 beim Amtsgericht Cottbus ein.

Im Rahmen der Anhörung vor dem BAMF am 5. September 2006 tätigte der Betroffene wiederum keine weiteren Angaben zu seiner Person und erklärte u. a. auf Nachfrage zum Erlernen der russischen Sprache, dass dort, wo er geboren sei und gelebt habe, Russisch gesprochen werde (Bl. 37 f d. A.); einen Sprachtest verweigerte er aber. Er wisse zwar, wo er gelebt habe, sage dies aber nicht, weil er nicht dorthin zurückgebracht werden wolle. Ferner nahm er seine Asylantrag zurück (Bl. 36 d. A.), woraufhin das Asylverfahren mit Bescheid des BAMF vom 6. September 2006 eingestellt wurde (Bl. 39 ff d. A.).

Zur Begründung der Beschwerde erklärte der Betroffene mit Schriftsatz vom 8. September 2006 (Bl. 20 d. A.), dass er keine Kenntnis gehabt habe, sich auf deutschem Territorium zu befinden und sich daher keines Verstoßes gegen die deutsche Gesetzgebung bewusst gewesen zu sein.

Wegen des Verdachts auf Tuberkulose wurde der Betroffene am 12. September 2006 ins Krankenhaus E... eingeliefert.

Der Antragsteller nahm mit Schriftsatz vom 13. September 2006 zur Beschwerde Stellung (Bl. 32 d. A.) und erklärte, dass zur Sicherstellung der Zurückschiebung ein Personenfeststellungsverfahren und eine Passbeschaffung erforderlich seien sowie die Angaben des Betroffenen zu seiner Minderjährigkeit noch geprüft werden würden; eine Überprüfung der Eurodac-Datei sei negativ ausgefallen.

Aufgrund einer ärztlichen Stellungnahme des Dr. med. M... K... vom 14. September 2006 (Bl. 43 d. A.) wurde der Anhörungstermin im Beschwerdeverfahren vom 15. September 2006 aufgehoben (Bl. 44 d. A.).

Mit Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 20. September 2006 wurde auf Antrag des Weiteren Beteiligten die Sicherungshaft bis zum 25. Februar 2007 verlängert (Bl. 56 f d. A.).

Am 21. September 2006 wurde der Betroffene in das Haftkrankenhaus der JVA ... verlegt. Gemäß einer Stellungnahme des dortigen Oberarztes P. S... vom 22. September 2006 ist der Betroffene an einer ansteckenden Tuberkulose erkrankt und könne nach einer Behandlungsdauer von 14 Tagen bei voller Empfindlichkeit der Erreger keine Ansteckungsfähigkeit mehr bestehen (Bl. 62 d. A.)

Darauf wurden die Beteiligten unter dem 25. September 2006 darauf hingewiesen, dass das Beschwerdegericht beabsichtige, von einer Anhörung abzusehen (Bl. 63 d. A.).

Mit Schriftsatz vom 26. September 2006 (Bl. 65 f d. A.) erklärte der Antragsteller, dass dem Anschein nach von einer Falschangabe des Geburtsdatums auszugehen sei; eine Unterbringung in einer Jugendeinrichtung sei aufgrund TBC-Erkrankung und dem augenscheinlichen Alter nicht angezeigt; am 21. September 2006 sei die AG Passersatzbeschaffung der Bundespolizeiinspektion Sonderdienste mit der Passersatzbeschaffung bzw. dem Personenfeststellungsverfahren beauftragt worden.

Mit Schriftsatz vom 26. September 2006 (Bl. 67 d. A.) führte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen weiter aus, dass die Ablehnung der Übernahme von polnischer Seite berechtigt erfolgt sei, da eine Einreise über Polen nicht nachweisbar sei; mangelnde Mithilfe dürfte dem Betroffenen nicht zum Nachteil gereichen; wegen der Erkrankung bestehe eine absolute Reiseunfähigkeit, so dass ein Abschiebungshindernis vorliege, welches auch nicht in naher Zukunft wegfallen werde; das durch die vorliegende Krankheit lediglich ab gebrochene Asylverfahren werde wieder aufgenommen werden; der Betroffene werde sich nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus einem Sprachtest unterziehen; wegen nicht bekannter Identität, Nationalität und fehlender Dokumente könne eine Zurückschiebung nicht vorgenommen werden; das Ergebnis das Asylverfahrens sei abzuwarten.

Am 29. September 2006, nach Erlass des angefochtenen Beschlusses, teilte die Krankenabteilung der JVA ... mit, dass der Betroffene an einer multiresistenten und hochvirulenten Tuberkulose leide. Die Therapieaussichten seien unklar; jedenfalls sei mit einer Therapiedauer von mindestens zwei Jahren zu rechnen. Es könne nicht vorausgesagt werden, ab wann eine Gefährdung für andere sicher auszuschließen sei.

Zwischenzeitlich hatte das Amtsgericht Eisenhüttenstadt mit Beschluss vom 20. September 2006 die Verlängerung der Haftdauer bis zum 25. Februar 2006 angeordnet. Nach Rücknahme des Haftantrags durch den Antragsteller ist dieser Beschluss durch das Landgericht Frankfurt/ Oder am 6. Oktober 2006 aufgehoben worden; die Haftentlassung wurde am gleichen Tage angeordnet.

Durch den hier angefochtenen Beschluss des Landgerichts Cottbus ist die Beschwerde gegen die ursprüngliche Haftanordnung vom 25. August 2006 zurückgewiesen worden. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt:

Die Haft könne nicht mehr darauf gestützt werden, dass der Betroffene unerlaubt eingereist sei. Nach der Stellung des Asylantrags habe der Betroffene eine Aufenthaltsgestattung erlangt. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang die Rücknahme des Asylantrags; denn die unerlaubte Einreise sei nicht mehr kausal für die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht. Es lägen jedoch die Voraussetzungen eines Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG vor. Als Umstände, die den Verdacht begründeten, der Betroffene werde sich der Zurückschiebung entziehen, hat das Landgericht angesehen:

Der Betroffene habe angegeben, nicht in sein Heimatland zurückkehren, sondern nach Italien weiterreisen zu wollen. Zudem sei der Betroffene seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, indem er weitere Angaben zur Person und zur Einreise verweigert habe.

Die Drei-Monats-Frist des § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG sei gewahrt. Sollte der Betroffene nicht innerhalb dieser Frist zurückgeschoben werden können, so sei dies auf seine mangelnde Mitwirkung bei der Klärung seiner Nationalität zurückzuführen. Die TBC-Erkrankung stehe der Haftanordnung ebenfalls nicht entgegen, weil sich aus der ärztlichen Stellungnahme des Oberarztes vom 22. September 2006 ergebe, dass die Ansteckungsgefahr bereits bei einer Behandlungsdauer von 14 Tagen beseitigt werden könne.

Vor diesem Hintergrund sei Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren mangels Erfolgsaussicht nicht zu gewähren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlusses, welcher seinem Bevollmächtigten am 5. Oktober 2006 zugestellt worden ist, wird auf die bei den Akten befindliche Leseabschrift (Bl. 69 ff.) Bezug genommen. Gegen den Beschluss richtet sich der Betroffene mit seiner am 19. Oktober 2006 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde, mit der er die Feststellung begehrt, dass die Haftanordnung vom 25. August 2006 rechtswidrig gewesen sei; daneben wird die Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe im Verfahren vor dem Landgericht angegriffen.

Der Betroffene begründet sein Rechtsmittel wie folgt:

Da die Haftanordnung des Amtsgerichts sich durch Zeitablauf erledigt habe, sei deren Rechtswidrigkeit festzustellen, weil er ein Rehabilitationsinteresse habe.

Die Anordnung der Zurückschiebungshaft sei rechtswidrig gewesen; denn die Zurückschiebung hätte nicht innerhalb von drei Monaten erfolgen können. Die Abschiebung einer Person ohne Papiere und ohne Hinweise auf ihre Nationalität könne in so kurzer Frist unter keinen Umständen durchgeführt werden, wie die Reaktion der polnischen Grenzschutzbehörden belege. Die TBC-Erkrankung und sein Allgemeinzustand habe der Zurückschiebung ebenfalls längerfristig entgegengestanden.

Weiterhin habe der Antragsteller auch nicht dargelegt, welche Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens ergriffen worden seien, insbesondere im Hinblick auf die Nationalitätsklärung und die Beschaffung der Papiere.

Der Senat hat die Akten 23 XIV 239/06 Amtsgericht Eisenhüttenstadt (= 15 T 129/06 Landgericht Frankfurt/Oder) beigezogen.

II.

1.

Das Rechtsmittel ist unzulässig, soweit sich der Betroffene gegen die Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe durch das Landgericht wendet.

Nach § 14 FGG finden die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechende Anwendung. Diese Vorschriften sind in den §§ 114 ff. ZPO enthalten und sie gelten auch hinsichtlich der Statthaftigkeit von Rechtsmitteln (vgl. BayObLG FGPrax 2002, 182). Nach der Änderung der Vorschriften über das Beschwerdeverfahren durch das seit dem 1. Januar 2002 geltende Zivilprozessreformgesetz ist eine sofortige Beschwerde nur vorgesehen, soweit die Ablehnung von Prozesskostenhilfe in erster Instanz erfolgt ist (§§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 ZPO). Gegen in der Beschwerdeinstanz ergangene Entscheidungen ist ein Rechtsmittel in Gestalt der Rechtsbeschwerde nur noch dann zulässig, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn sie durch das Beschwerdegericht in seiner Entscheidung ausdrücklich zugelassen wurde (§§ 584 Abs. 1 Nr. 1, 2 ZPO). Dies gilt nicht nur, wenn das Landgericht die Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss des Amtsgerichts zurückweist, sondern auch, wenn es - wie hier - für das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnt. In Ermangelung einer Zulassung durch das Landgericht ist das Rechtsmittel insoweit mithin unstatthaft und unterliegt der Verwerfung als unzulässig (vgl. OLG Frankfurt; Beschluss vom 7. April 2006, 20 W 108/06, mit weiteren Nachweisen).

Als Beschwerdewert hat der Senat die geschätzten Kosten angesetzt, die dem Betroffenen im (Erst-)Beschwerdeverfahren durch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts entstanden sind (vgl. Nr. 6300 der Anl. 1 zum RVG).

2.

Soweit sich der Betroffene gegen den Haftbeschluss richtet, ist das Rechtsmittel statthaft gem. § 29 Abs. 2 FGG. Der Rechtsbeschwerdeführer hat ein Rechtsschutzbedürfnis daran festzustellen, ob die durch Zeitablauf erledigte Haftanordnung des Amtsgerichts rechtswidrig war (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 24. Juli 2002, Az.: 2 BvR 2266/00).

Die sofortige weitere Beschwerde ist teilweise begründet.

a.

Der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 25. August 2006 ist allerdings zunächst rechtmäßig ergangen. Das Amtsgericht hat die Haft mit der Erfüllung des Tatbestands des § 62 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG begründet und ist hierbei davon ausgegangen, dass die Umstände der Ergreifung die Annahme rechtfertigten, der Betroffene sei in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Ergreifung in G... aus der Republik Polen kommend unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist. Hierfür spricht zunächst die Nähe des Aufgreifungsortes zur polnischen Grenze; außerdem ist das Auffinden von polnischen Zigaretten und einer polnischen Telefonkarte ein deutliches Indiz dafür, dass der Betroffene von Polen in die Bundesrepublik eingereist ist. Belegt wird dies letztlich auch durch die Einschätzung der polnischen Grenzbehörden, die die Rücknahme des Betroffenen lediglich damit begründen, dass seine Nationalität nicht festgestellt sei. Da die Umstände der Ergreifung die Vermutung rechtfertigen, der Betroffene wolle die Bundesrepublik nicht freiwillig verlassen, war die Haftanordnung des Amtsgerichts auch verhältnismäßig.

Dem steht das Vorbringen des Betroffenen nicht entgegen, er sei sich des Grenzübertritts nicht bewusst gewesen. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass dem Betroffenen der Grenzübertritt nicht verborgen geblieben sein kann; zudem ist ein Vorsatz für das Vorliegen einer unerlaubten Einreise im Sinne des § 14 Abs. 1 AufenthG und der Vollziehbarkeit der hieraus folgenden Ausreisepflicht (§ 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG) nicht erforderlich.

Auch die beim Betroffenen schließlich diagnostizierte TBC-Erkrankung, von deren Vorhandensein das Amtsgericht nicht ausgehen konnte, stand der Rechtmäßigkeit der Haft nicht entgegen. Gegenüber dem Amtsgericht hat der Betroffene (Protokoll vom 25. August 2006) lediglich erklärt, er habe eine Lungenkrankheit. Die vorläufige Diagnose "TBC" lag erst seit dem 22. September 2006 vor. Selbst zu diesem Zeitpunkt war noch davon auszugehen, dass die Reisefähigkeit innerhalb von etwa vier Wochen nach Therapiebeginn wieder hergestellt werden könnte, weil dann die Ansteckungsgefahr nach der Einschätzung der behandelnden Ärzte behoben sein könnte. Erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens hat sich herausgestellt, dass die Erkrankung des Betroffenen so schwer war, dass seine Rückführung in den Herkunftsstaat auf absehbare Zeit nicht möglich war. Auf diesen Zeitpunkt kommt es für die Entscheidung des Senats allerdings nicht an, weil die Haftfortdauer schon vorher aus anderen Gründen rechtswidrig war.

b.

Mit Eingang des Asylantrags des Betroffenen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 29. August 2006 ist die Haft nämlich unzulässig geworden.

Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Betroffene aus der Haft heraus einen beachtlichen Asylantrag gestellt hat (§§ 55 Abs. 1 S. 3 in Verbindung mit 26 a AsylVerfG). Über die Frage, ob die Einreise aus Polen als einem sicheren Drittstaat einem erfolgreichen Asylantrag letztendlich entgegensteht (vgl. § 29 a AsylVerfG) hatte der Haftrichter nicht zu entscheiden (vgl. Beschluss des Senats vom 02. September 2004; 11 Wx 38/04).

Mit der Stellung des Asylantrags hat der Betroffene eine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 S. 3 AsylVerfG erlangt. Im Gegensatz zu der Rechtsauffassung des Landgerichts war die Aufrechterhaltung der Haft von diesem Zeitpunkt an nicht ausnahmsweise gem. § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 und 5 AsylVerfG zulässig.

Die Vorschrift des § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AsylVerfG findet keine Anwendung, denn der Betroffene befand sich nicht in Sicherungshaft nach §§ 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG. Wie sich aus der Begründung der amtsgerichtlichen Entscheidung eindeutig ergibt, ist die Haftanordnung ausschließlich auf § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG gestützt worden. Mit der Frage, ob der Betroffene sich voraussichtlich der Zurückschiebung entziehen werde, hat sich das Amtsgericht nicht befasst. Die in dem Beschluss wiedergegebene Vermutung, der Betroffene werde sich der Abschiebung entziehen, ist lediglich im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme erwähnt worden.

Es kommt auch nicht darauf an, dass möglicherweise zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Haftanordnung außerdem die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG gegeben gewesen sein könnten. § 14 Abs. 3 AsylVerfG knüpft nicht an das Bestehen von Haftgründen an, sondern an den formell zu bestimmenden Haftgrund, wie er sich aus der Haftanordnung ergibt.

Auch die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 liegen nicht vor. Auf Grund der Umstände ist, wie ausgeführt, davon auszugehen, dass der Betroffene in zeitlicher Nähe zum Aufgreifen am 24. August 2006 in die Bundesrepublik eingereist ist und daher keinesfalls länger als einen Monat vor der Entscheidung über die Haft im Bundesgebiet aufhältig war.

c.

Durch die Einstellung des Asylverfahrens (Bescheid des BAMF vom 6. September 2006; Bl. 39 d. A.) ist die Haftanordnung nicht wieder rechtmäßig geworden.

Wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, ist die Ursächlichkeit der unerlaubten Einreise für die Ausreisepflicht mit der Stellung des Asylantrags entfallen. Ob der genannte Bescheid des BAMF eine Ausreisepflicht begründet, obgleich ein Zielstaat noch nicht benannt werden konnte, ist letztlich unerheblich. Die durch den Wegfall der Aufenthaltsgestattung begründete, erneute Ausreiseverpflichtung wäre zwar im Rahmen eines neuen Haftantrags relevant. Ein solcher neuer Antrag ist indes beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt erst am 19. September 2006 gestellt worden.

d.

Die Inhaftierung des Betroffenen ist nicht seit dem 28. September 2006 (Datum des landgerichtlichen Beschlusses) wieder rechtmäßig geworden.

Die Aufrechterhaltung der Haft ist mit dem Ablauf des 29. August 2006, wie ausgeführt, rechtswidrig; dementsprechend hätte der Haftbeschluss des Amtsgerichts aufgehoben und der Betroffene aus der Haft entlassen werden müssen. Für das weitere Verfahren stellte der Haftbeschluss des Amtsgerichts demgemäß keine verfahrensrechtliche Grundlage mehr dar.

Das Landgericht war auch nicht befugt, auf Grund der seit dem Beschluss vom 25. August 2006 geänderten Sachlage erneut - wie ein Erstgericht - über die Haftanordnung zu befinden. Zwar hat sich der Antragsteller - anders noch als bei dem Antrag vom 25. August 2006 - im Beschwerdeverfahren (Schriftsatz vom 13. September 2006; Bl. 32 d. A.) ausdrücklich auch auf den Haftgrund des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG bezogen. Hierin liegt indes eine Erweiterung des Antrags, die in zweiter Instanz nicht mehr vorgenommen werden konnte. Denn die Haftgründe des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG unterscheiden sich, wie schon § 14 Abs. 3 Nr. 4 und 5 AsylVerfG belegt, maßgeblich. In der erstmaligen Berücksichtigung des Antrags nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG in der Beschwerdeinstanz liegt demgemäß eine unzulässige Erweiterung des Verfahrensgegenstandes (vgl. hierzu Bumiller/Winkler, § 23 FGG RN 3). Hinzu kommt, dass der Grund für die Ausreisepflicht sich nach der Rücknahme des Asylantrags ebenfalls maßgeblich geändert hat, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Wollte man die erstmalige Berücksichtigung dieser neuen Sachlage im Beschwerdeverfahren und demgemäß eine auf gänzlich neuer Grundlage fußende Haftanordnung durch das Landgericht zulassen, wäre dies ein Verstoß gegen die in § 3 FEVG normierte Zuständigkeitsordnung.

Demgemäß ist die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung seit dem 30. August 2006 festzustellen und die sofortige weitere Beschwerde im Übrigen zurückzuweisen. Der zeitliche Umfang der Feststellung ist durch den amtsgerichtlichen Beschluss vom 25. August 2006 begrenzt; seit dem 28. September 2006 beruhte die Haft auf dem hier nicht verfahrensgegenständlichen Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 20. September 2006 (Az.: 23 XIV 239/06; Bl. 5 der Beiakte).

3.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Entscheidung über die Auslagen des Betroffenen folgt aus § 16 Abs. 1 FEVG. Das teilweise Unterliegen des Betroffenen im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren fällt verhältnismäßig nicht ins Gewicht.

Ende der Entscheidung

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