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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 11.09.2008
Aktenzeichen: 11 Wx 63/08
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 62 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt nicht.

Gründe:

I.

Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 24.07.2008 zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen die Anordnung von Sicherungshaft vorerst für die Dauer von 3 Monaten. Mit Beschluss vom 24.07.2008 hat das Amtsgericht die beantragte Sicherungshaft gem. §§ 62 Abs. 2, 106 AufenthG für die Dauer von 3 Monaten mit sofortiger Wirksamkeit angeordnet. Wegen der Einzelheiten wird auf den vorbezeichneten Beschluss verwiesen. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen diesen Beschluss hat das Landgericht mit Beschluss vom 14.08.2008 zurückgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen des zugrunde liegenden Sachverhalts und der rechtlichen Erwägungen des Landgerichts auf den vorbezeichneten Beschluss Bezug genommen. Gegen den ihn am 19.08.2008 zugestellten Beschluss des Landgerichts hat der Betroffene mit einem bei dem Landgericht am 29.08.2008 eingegangenen Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:

Der angefochtene Beschluss sei aufzuheben, weil das Gericht seiner Sachermittlungspflicht nicht nachgekommen sei.

Das Landgericht habe in seiner Entscheidung dargelegt, er habe in Italien keinen Aufenthaltstitel und sei deswegen unerlaubt in die Bundesrepublik eingereist. Dies sei unzutreffend. Er bedürfe keines Titels, um ein legales Aufenthaltsrecht zu besitzen, sofern die Voraussetzungen des Europa-Mittelmeer-Abkommens erfüllt seien. Ein auszustellender Titel habe nur deklaratorischen und nicht Status begründenden Charakter. Er habe mit der unbefristeten Arbeitserlaubnis die Voraussetzungen eines erlaubten Aufenthaltes in Italien gemäß der Entscheidung des europäischen Gerichtshofs vom 04.12.2006 - C 97/05 - = "Gattoussi" erfüllt. Sein Aufenthalt in Italien sei zunächst legal gewesen, ohne dass es der Erteilung eines Titels bedurft hätte. In der Anhörung vor dem Landgericht habe geklärt werden können, dass die AZR-Ausschreibung in Italien auf einer Personenverwechselung in Sizilien beruht habe, so dass sich darauf nicht das Erlöschen des EU-Aufenthaltsrechts habe stützen lassen. Zwar sei seine nationale Aufenthaltserlaubnis in Italien 2006 trotz Antrages nicht verlängert worden. Dagegen sei jedoch in Italien ein Rechtsmittel anhängig. Gemäß der RL 64/221/EWG des Rates vom 25.02.1964 hätten jedoch Rechtsmittel aufschiebende Wirkung, wenn EU-Rechte geltend gemacht würden. Sein Aufenthalt sei deshalb bis zur Entscheidung des italienischen Gerichts rechtmäßig. Deshalb sei auch der Kurzzeitaufenthalt innerhalb eines Schengenstaates rechtmäßig. Voraussetzung hierfür sei lediglich, dass der Drittstaatsangehörige einen Aufenthaltstitel besitze, der nicht mit dem Sichtvermerk über den Aufenthaltstitel gleichzusetzen sei. Der Umstand, dass er sich problemlos beim Bezirksamt B. habe anmelden können, und dass er anlässlich einer weiteren Kontrolle der Berliner Polizei nicht festgenommen worden sei, belege die Legalität seines Aufenthaltes.

Im Übrigen verstoße der angefochtene Beschluss gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da er sich ordnungs- und vorschriftsgemäß bei den deutschen Meldestellen angemeldet habe. Unzutreffend sei auch das Landgericht davon ausgegangen, er dürfe nicht nach Italien ausreisen. Die AZR-Eintragung sei - wie ausgeführt - unzutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Rechtsbeschwerdeschrift vom 28.08.2008 Bezug genommen.

Der Antragsteller verteidigt demgegenüber die angefochtene Entscheidung. Auf den Schriftsatz vom 10.09.2008 wird insoweit verwiesen.

II.

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die angefochtene Beschwerdeentscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 FGG).

Mit durchweg zutreffender Begründung geht die Kammer davon aus, dass der Betroffene wegen einer unerlaubten Einreise in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG verwirklicht hat und er aufgrund dessen vollziehbar ausreisepflichtig ist. Auch das Rechtsbeschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende, für den Betroffenen günstigere Entscheidung. Die vom Betroffenen in der Rechtsbeschwerdeschrift und im Schriftsatz vom 03.08.2008 zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betreffen jeweils andere Sachverhaltskonstellationen. Die Rechtsausführungen sind auf den vorliegenden Fall - was der Senat geprüft hat - deshalb nicht übertragbar. Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung sind auch die Vorschriften über das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) anwendbar. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Art. 21 des SDÜ nicht vorliegen.

Ergänzend ist zu bemerken, dass gem. Art. 2 Nr. 15 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) unter "Aufenthaltstitel" verstanden werden:

a) Alle Aufenthaltstitel, die die Mitgliedstaaten nach dem einheitlichen Muster gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 des Rates vom 13.06.2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige ausstellen;

b) alle sonstigen von einem Mitgliedsstaat einem Drittstaatsangehörigen ausgestellten Dokumente, die zum Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet oder zur Wiedereinreise in sein Hoheitsgebiet berechtigen, ausgenommen vorläufige Aufenthaltstitel, die für die Dauer der Prüfung eines ersten Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach a) und eines Asylantrages ausgestellt worden sind.

Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass der Betroffene einen in diesem Sinne zu verstehenden Aufenthaltstitel gerade nicht besitzt.

Im Übrigen ist die Anordnung der Sicherungshaft nicht unverhältnismäßig. Zwar würde es gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen, wenn die Abschiebungshaft aufgrund bloßer Tatbestandserfüllung angeordnet worden und es offensichtlich wäre, dass sich der Betroffener nicht der Abschiebung entziehen will (vgl. hierzu Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 AufenthG, Rn. 11 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Die Erwägung des Landgerichts, dass bislang nicht feststeht, ob dem Betroffenen die Einreise oder die Rückführung nach Italien möglich ist, sind zutreffend. Hinzu kommt, dass der Betroffene einen Asylantrag gestellt hat. Hieraus ergibt sich, dass er nicht nach Tunesien zurückkehren will. Vor diesem Hintergrund ist die Prognose, dass sich der Betroffene einer Abschiebung entziehen wird, nicht von der Hand zu weisen. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Betroffene bei den Meldestellen angemeldet hat. Zu berücksichtigen ist bei der Würdigung der Gesamtumstände, dass dem Betroffenen zum Zeitpunkt seiner An- bzw. Ummeldungen eine Abschiebung nach Tunesien gerade noch nicht konkret in Aussicht gestellt worden war.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes ist nicht veranlasst.



Ende der Entscheidung

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