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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: 12 U 114/06
Rechtsgebiete: ZPO, AKB, VVG, StGB


Vorschriften:

ZPO § 447
ZPO § 448
ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 546
AKB § 7 Abs. 2 I.
AKB § 12 Abs. 1 II. e)
AKB § 12 Abs. 1 I. e)
VVG § 6 Abs. 3
StGB § 142
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 114/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 14.12.2006

Verkündet am 14.12.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30.11.2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski, den Richter am Oberlandesgericht Funder und den Richter am Oberlandesgericht van den Bosch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 8. Mai 2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az.: 2 O 283/05, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Der Kläger stützt sein Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe bei der Annahme des Verstoßes gegen die Aufklärungspflicht zu Unrecht die Verwirklichung des Tatbestandes einer Unfallflucht angenommen und dabei seinen Vortrag nicht hinreichend berücksichtigt, dass es an einem Fremdschaden fehle, da nach den Angaben der zuständigen Straßenmeisterei an der Unfallstelle weder eine Beschädigung festzustellen sei noch eine außerordentliche und daher Kosten verursachende Überprüfung der Leitplanken vorgenommen worden wäre. Der Kläger zeigt damit eine Rechtsverletzung auf, auf der das Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO.

2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 12 Abs. 1 II. e) AKB in Verbindung mit dem von den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag verneint.

Der Kläger hat bereits den Eintritt eines Versicherungsfalles nicht nachgewiesen. Zwar hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt, dass das Fahrzeug des Klägers überhaupt durch einen Unfall im Sinne von § 12 Abs. 1 I. e) AKB beschädigt worden ist, also durch ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkenden Ereignis. Vielmehr stützt sich die Beklagte ausdrücklich darauf, dass es eine Kollision mit einer Leitplanke gegeben hat. Die Beklagte hat jedoch bestritten, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug am 18.12.2004 gegen 01:20 Uhr nachts auf der B ... zwischen B... und Ba... mit der linken Seite gegen eine aus Beton gefertigte Abtrennung zur Gegenfahrbahn geraten und es dabei zu den Schäden am Unfallwagen gekommen ist. Auch die Lage der Unfallstelle ist aber eine für die Individualisierung des geltend gemachten Versicherungsfalles notwendige Angabe und gehört mithin zu den vom Versicherungsnehmer darzulegenden und nachzuweisenden Umständen (vgl. hierzu auch OLG Hamm r+s 2005, S. 194; Veith/Gräfe, Der Versicherungsprozess, § 5, Rn. 89; etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungen des OLG Hamm in r+s 1998, S. 456 und des OLG Köln in r+s 2002, S. 321, da in beiden Fällen nicht die Unfallstelle, sondern lediglich der Unfallhergang streitig war). Ein tauglicher Beweisantritt für die Richtigkeit seiner Behauptung ist seitens des Klägers nicht erfolgt. Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Parteivernehmung des Klägers angeboten hat, war dem Beweisantritt nicht nachzukommen, da die Beklagte der Einvernahme widersprochen hat, § 447 ZPO. Auch eine Vernehmung des Klägers von Amts wegen gem. § 448 ZPO konnte nicht erfolgen. Eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO setzt voraus, dass aufgrund des bisherigen Verfahrens eine gewisse, nicht notwendig hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung bereits erbracht ist (BGH NJW 1999, S. 363; Zöller-Greger, ZPO, Kommentar, 25. Aufl., § 448, Rn. 4). Hieran fehlt es vorliegend. Vielmehr spricht der Umstand, dass nach Angaben des Klägers Unfallschäden an der Fahrbahnbegrenzung nicht feststellbar waren, obwohl das von ihm geführte Fahrzeug erheblich beschädigt worden ist, gegen seine Darstellung; jedenfalls Farbspuren hätten durch die Kollision zurückbleiben müssen.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass selbst im Falle des Nachweises der Kollision an der angegebenen Stelle eine Leistungsfreiheit der Beklagten nach §§ 7 I. Abs. 2 AKB in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Kläger eingetreten wäre, weil der Kläger die Unfallstelle verlassen hat, ohne seinen aus § 142 StGB folgenden Pflichten Genüge zu tun. Auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung umfasst die vertragliche Aufklärungsobliegenheit die strafrechtlich sanktionierte Rechtspflicht aus § 142 StGB. Das Verlassen der Unfallstelle stellt daher immer dann eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit dar, wenn der Tatbestand des § 142 StGB erfüllt ist. Bei fehlendem Verstoß gegen § 142 StGB ist dagegen auch keine entsprechende Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gegeben (BGH VersR 2000, S, 22; NJW 1987, S. 2374; Prölss/Martin-Knappmann, VVG, Kommentar, 27. Aufl., § 7 AKB, Rn. 17 und 24). Ist ein Dritter weder am Unfall beteiligt noch dadurch geschädigt, scheidet § 142 StGB und mithin auch eine Verletzung der Aufklärungspflicht aus. Ein Fremdschaden ist dabei dann nicht gegeben, wenn der Schaden so gering ist, dass mit Ansprüchen Dritter nicht gerechnet werden muss. Ein Bagatellschaden in diesem Sinne ist jedenfalls bei Beträgen über 100,00 DM zu verneinen (Prölss/Martin-Knappmann, a. a. O., Rn. 25). Zutreffend hatte das Landgericht insoweit ausgeführt, dass das Vorliegen eines nicht lediglich belanglosen Schadens nach objektiven Kriterien ex ante zu beurteilen ist, sodass die Warte- und Anzeigepflichten schon bestehen, wenn lediglich zweifelhaft ist, ob ein größerer Schaden entstanden ist oder sich entwickeln wird (OLG Düsseldorf VM 1974, S. 46; Schönke/Schröder-Cramer/Sternberg-Lieben, StGB, Kommentar, 27. Aufl., § 142, Rn. 13). Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht einen solchen Fall auch hier angenommen. Zwar hat der Kläger behauptet, er habe sich unmittelbar nach der Kollision überzeugt, dass die Fahrbahnbegrenzungen an der Unfallstelle unbeschädigt waren. Dieses Vorbringen steht jedoch im Widerspruch zu den Angaben des Klägers im Termin vor dem Landgericht, er wisse nicht mehr, ob er schon mit der Leitplanke oder nur mit den aus Beton bestehenden Fahrbahnbegrenzungen kollidiert sei. Wenn dem Kläger jedoch die genaue Kollisionsstelle nicht bekannt ist, war ihm auch eine hinreichende Überprüfung (bei Nacht auf einer vierspurigen Bundesstraße) nicht möglich, aufgrund derer er davon ausgehen konnte, dass Schäden an der Fahrbahnbegrenzung nicht bestanden. Vielmehr bestanden aufgrund der erheblichen Beschädigungen am klägerischen Fahrzeuges, die sich über die gesamte linke Fahrzeugseite erstreckten, aus objektiver Sicht im Unfallzeitpunkt erhebliche Zweifel, ob es nicht auch zu einer Beschädigung der Leitplanken gekommen war, sodass die Warte- und Anzeigepflichten des § 142 StGB unabhängig davon zu beachten waren, ob ein solcher Schaden tatsächlich eingetreten war, insbesondere war nicht damit zu rechnen, dass eine Überprüfung und ggf. eine Ausbesserung durch die Straßenmeisterei nicht erfolgen würde. Unerheblich ist diesbezüglich schließlich, dass der Kläger am Folgetag Schäden an der Unfallstelle nicht feststellen konnte. Die Obliegenheitsverletzung des Klägers ist auch schuldhaft erfolgt. Der Kläger hat die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG nicht widerlegt (vgl. auch BGH VersR 2002, S. 173; OLG Düsseldorf VersR 2001, S. 1019). Der Beklagten ist es auch nicht nach § 6 Abs. 3 VVG verwehrt, sich auf die Obliegenheitsverletzung zu berufen. Vorsätzliche folgenlose Verstöße führen zwar nur bei versicherungsrechtlicher Relevanz zur Leistungsfreiheit, d. h. bei genereller Eignung, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, ohne dass es auf den konkreten Fall ankommt (Prölss/Martin-Knappmann, a.a.O., § 7 AKB, Rn. 79). Dies ist bei einer Unfallflucht jedoch zu bejahen.

Schließlich beruht entgegen der Auffassung des Klägers das angefochtene Urteil nicht auf einem Verfahrensfehler, weil die von ihm erwartete Beweiserhebung nicht erfolgt ist und das Landgericht stattdessen ein Urteil verkündet hat. Anlass für den Kläger, in jedem Fall von einer Beweiserhebung durch das Landgericht auszugehen, bestand nicht. Zwar hat das Landgericht zu Beginn des Termins am 06.04.2006 den Hinweis protokolliert, es komme darauf an, ob die Fahrbahnbegrenzung an der behaupteten Unfallstelle von Betonteilen oder einer Leitplanke gebildet werde, was für einen Sachverständigen ohne weiteres zu ermitteln sei. Nachdem der Kläger in der Folge jedoch seinen bisherigen Vortrag, er sei gegen einen Betonpfeiler gestoßen, durch die Angabe modifiziert hat, er wisse nicht mehr, ob er bereits die Leitplanke berührt habe, konnte er nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass das Landgericht weiterhin die Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich halten würde. Auch ist mangels Darlegung des Klägers, ihm sei durch das Vorgehen des Landgerichtes ein bestimmter Vortrag abgeschnitten worden, nicht ersichtlich, dass eine etwaige Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs oder der Erlass einer Überraschungsentscheidung sich zu seinen Lasten ausgewirkt haben (vgl. hierzu Musielak-Stadler, ZPO, Kommentar, 4. Aufl., § 139, Rn. 4).

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Wert der Beschwer für den Kläger: 6.121,78 €.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 6.121,78 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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