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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.01.2002
Aktenzeichen: 12 U 126/01
Rechtsgebiete: ZPO, VOB/B, BGB, VOB/A, AGBG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 511 a. F.
ZPO § 511 a a. F.
ZPO § 516
ZPO § 518 a. F.
ZPO § 519 a. F
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 2 S. 1 a.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 S. 1
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 1 S. 2 a.F.
VOB/B § 16 Nr. 3
VOB/B § 2 Nr. 5
VOB/B § 2 Nr. 6
VOB/B § 2 Nr. 3
BGB § 631 Abs. 1
VOB/A § 9 Nr. 1
VOB/A § 9 Nr. 6
VOB/A § 9 Nr. 7
VOB/A § 9 Nr. 7 Abs. 2
VOB/A § 9
VOB/A § 9 Nr. 2
AGBG § 5
GKG § 14 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 126/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 17.01.2002

Verkündet am 17.01.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13.12.2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski, den Richter am Oberlandesgericht Beckmann und den Richter am Landgericht van den Bosch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 9. Mai 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder), AZ.: 13 O 441/00, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer für die Klägerin: 21.390,59 Euro (= 41.836,35 DM).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511 a. F., 511 a a. F., 516, 518 a. F., 519 a. F. ZPO. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Der Klägerin stehen weitere Werklohnansprüche, die allein Gegenstand dieses Rechtsstreits sind, aus den Bauvorhaben - Brücke über den H graben bei L und - Brücke über den L H graben in Z nicht zu.

1.

Die Klägerin hat hinsichtlich des Bauvorhabens - Brücke über den H graben bei L - keinen Anspruch auf Zahlung weiteren Werklohnes aus §§ 631 Abs. 1 BGB, 16 Nr. 3, 2 Nr. 5 VOB/B i. V. m. dem Vertrag vom 04./10.11.1997 wegen einer Ausführung der Spundwände in einer Höhe von 10m. Die Voraussetzungen eines Nachvergütungsanspruchs i. S. v. § 2 Nr. 5 VOB/B liegen nicht vor. Zwar ist die von der Entwurfsplanung abweichende Ausführung der Spundwände dem Bereich des § 2 Nr. 5 VOB/B zuzuordnen, es kommt insoweit nämlich allenfalls eine Abänderung der bisher vereinbarten Leistung in Betracht. Da der Gegenstand der der Klägerin übertragenen Leistung, die Errichtung der Spundwände, durch die von der Entwurfsplanung abweichende Ausführung nicht beeinflußt wurde, liegt insbesondere nicht die Beauftragung einer zusätzlichen Leistung entsprechend § 2 Nr. 6 VOB/B vor. Auch ein Fall des § 2 Nr. 3 VOB/B ist nicht gegeben. Die Ausführung der Spundwände in einer Gesamthöhe von 10m statt der in der Entwurfsplanung vorgesehenen Höhe von bis zu 7 m hat nämlich bereits deshalb nicht zu einer bei der Abrechnung zu berücksichtigenden Mehrmenge geführt, weil nach der vertraglichen Abrede der Parteien bei der Abrechnung lediglich der überirdische Teil der Spundwände zu berücksichtigen war, der von der Verlängerung der Spundwände nicht betroffen war. Die von der Entwurfsplanung abweichende Ausführung hat allerdings das Verhältnis des überirdischen Teils der Spundwände zu dem unterirdischen verschoben, welches die Klägerin bei ihrer Kalkulation mit 1 : 1 angesetzt hatte, und das in den von der Klägerin angebotenen Einheitspreis eingeflossen ist.

Auch ist es zur Ausführung der Spundwände in einer Gesamthöhe von 10m durch ein dem Auftraggeber zurechenbares Verhalten i. S. v. § 2 Nr. 5 VOB/B gekommen. Hierunter fallen nämlich auch Änderungen des Bauentwurfs, selbst wenn sie von dritter Seite veranlasst werden, soweit sie den Bereitstellungspflichten des Auftraggebers zuzurechnen sind. Der anordnende Eingriff des Auftraggebers liegt in diesen Fällen darin, dass er in Kenntnis der von dritter Seite gestellten Forderung den Auftragnehmer die veränderte Ausführung herstellen lässt, da hierin im Regelfall eine konkludente Anordnung des Auftraggebers zu sehen ist (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, Kommentar, 14. Aufl., B, § 2, Rn. 235 f). Eine solche konkludente Anordnung zur Abänderung der ursprünglichen Planung ist vorliegend darin zu sehen, dass die veränderte Ausführung der Spundwände in Kenntnis und mit Billigung des Beklagten von der Klägerin erbracht wurde, nachdem sich ein entsprechendes Erfordernis im Rahmen der Erstellung der Ausführungsplanung ergeben hatte.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es auch unschädlich, dass dieser die Vereinbarung eines neuen Vertragspreises vor Ausführung abgelehnt hat. Der Vergütungsanspruch gem. § 2 Nr. 5 VOB/B setzt nicht voraus, dass die Parteien vor Ausführung der Bauleistung einen neuen Preis vereinbaren oder dass eine solche Vereinbarung verlangt oder eine Mehrforderung angekündigt wird. Nach der Formulierung in § 2 Nr. 5 VOB/B "soll" der neue Preis vor der Ausführung vereinbart werden. Geschieht dies nicht, behält der Auftragnehmer dennoch seinen Anspruch auf die Festlegung des neuen Preises (BGH BauR 1978, S. 314 ff, S. 316; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Aufl., Rn. 1150 f).

Es fehlt vorliegend jedoch an einer Leistungsänderung, da die von der Entwurfsplanung abweichende Leistung bereits vom bestehenden vertraglichen Leistungsumfang erfasst wurde. In dem dem Vertrag zwischen den Parteien zugrunde liegenden Leistungsverzeichnis ist als Vorgabe "Verbau für Baugrube entsprechend statischen und konstruktiven Erfordernissen herstellen" festgehalten. Zugleich war den Angebotsunterlagen die Entwurfsplanung im Maßstab 1 : 100 beigefügt, in der die Höhe der Spundwände mit bis zu 7 m angegeben wird. Damit sind entgegen der Ansicht des Beklagten auch die Vorgaben der Entwurfsplanung bei der Bestimmung des Vertragsinhaltes zu berücksichtigen. Nach § 9 Nr. 1 VOB/A ist eine Leistung so eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Entsprechend § 9 Nr. 6 VOB/A soll die Leistung in der Regel durch eine allgemeine Darstellung der Bauaufgabe (Baubeschreibung) und ein in Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis beschrieben werden. Dabei sind nach § 9 Nr. 7 VOB/A erforderlichenfalls die Leistungen auch zeichnerisch darzustellen, wobei Zeichnungen, die für die Ausführung maßgebend sein sollen, eindeutig zu bezeichnen sind. Soweit eine Zeichnung daher dem Leistungsverzeichnis beigefügt wird, stellt sie zumindest ein Ergänzungsmittel i. S. v. § 9 Nr. 7 VOB/A dar. Unerheblich ist insoweit, dass die Entwurfsplanung laut Vertragsurkunde erst nach Zuschlagerteilung übergeben werden sollte. Die bereits mit Aushändigung der Ausschreibungsunterlagen erfolgte Übergabe konnte aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers nämlich nur so verstanden werden, dass die entsprechenden Vorgaben nach dem Vertrag umgesetzt werden sollten. Die Einbeziehung der Vorgaben der Entwurfsplanung in den Vertrag führt jedoch nicht zu einem Nachvergütungsanspruch infolge der später erforderlichen Abänderung der Entwurfsplanung. Die abgeänderte Ausführung wird nämlich noch von dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag erfasst. Ein Widerspruch zwischen dem schriftlich abgefassten Leistungsverzeichnis und den Vorgaben der Entwurfsplanung ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gegeben. Es kann daher dahinstehen, ob die schriftliche Leistungsbeschreibung den Ergänzungsmitteln zumindest dann vorgeht, wenn kein eindeutiger Hinweis auf die Maßgeblichkeit der Zeichnung in der Leistungsbeschreibung i. S. v. § 9 Nr. 7 Abs. 2 VOB/A enthalten ist (so Ingenstau/Korbion-Kratzenberg, a.a.O., A, § 9 Rn. 98), ob schriftliche und zeichnerische Darstellung grundsätzlich gleichwertig sind (so Ingenstau/Korbion-Keldungs, a.a.O., B, § 1 Nr. 27) oder ob es im Einzelfall auf eine Auslegung dessen ankommt, was aus Sicht des objektiven Empfängers zu erwarten war (so Kapellmann/ Schiffers, Vergütung, Nachträge und Beendigungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, 4. Aufl., Rn. 179 ff). Das schriftliche Leistungsverzeichnis enthält hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Position lediglich eine funktionale Leistungsbeschreibung, genaue Maße sind in ihm nicht enthalten. Diese ergeben sich erst aus der beigefügten Entwurfsplanung. Wesen der Entwurfsplanung ist es jedoch, dass diese nicht letztverbindlich die tatsächlich bei der Errichtung anfallenden Mengen und Massen wiedergibt. Die endgültigen Mengen und Massen sind vielmehr erst in der Ausführungsplanung enthalten, die aus der Entwurfsplanung entwickelt wird, dementsprechend allerdings auch von dieser noch abweichen kann soweit sich aus den statischen und konstruktiven Erfordernissen Änderungserfordernisse ergeben. Vertragsinhalt ist damit eine Ausführung der Spundwände entsprechend den Festlegungen der aus der vorgelegten Entwurfsplanung zu entwickelnden Ausführungsplanung, die nach dem verfahrensgegenständlichen Vertrag von der Klägerin zu erstellen war. Aus der Sicht eines objektiven Empfängers läßt sich die Formulierung des Leistungsverzeichnisses in Zusammenhang mit der übergebenen Entwurfsplanung nämlich nur so verstehen, dass erforderliche Änderungen ebenfalls zum vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungsumfang gehören sollten. Hiervon ging auch die Klägerin selbst aus, wie sich bereits daraus ergibt, dass sie ihrer Kalkulation nicht die in der Entwurfsplanung enthaltenen Maße sondern eine Spundwandhöhe von 8 m zugrundelegte. Die erforderliche Verlängerung der Spundwände war somit bereits Vertragsgegenstand des ursprünglichen Vertrages und hätte dementsprechend von der Klägerin bei ihrer Kalkulation berücksichtigt werden müssen.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Unwirksamkeit dieser Vereinbarung berufen. Die letztlich funktionale Vertragsgestaltung stellt einen hinreichend bestimmbaren Vertragsinhalt dar (BGH ZfBR 1997, S. 29 f; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, Kommentar, 9. Aufl., A, § 9 Rn. 5). Ein unter Umständen in dieser Art und Weise der funktionalen Leistungsausschreibung liegender Verstoß gegen § 9 VOB/A ist nicht zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, da die Vorschrift keine Außenwirkung in dem Sinne hat, dass ein Verstoß eines an die VOB/A gebundenen Auftraggebers unmittelbare rechtsgeschäftliche zugunsten des Auftragnehmers wirkt. Es kommt allenfalls eine mittelbare Auswirkung in der Weise in Betracht, dass ein Auslegungszweifel zugunsten einer der VOB/A entsprechenden Auslegung zu lösen ist (BGH a.a.O.). Mangels Auslegungszweifels kommt eine Vertragsanpassung aus diesem Gesichtspunkt jedoch nicht in Betracht. Zugleich greift auch § 5 AGBG bereits mangels einer bestehenden Unklarheit des Vertrages nicht ein. Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen § 9 Nr. 2 VOB/A vor. Nicht erfasst durch diese Vorschrift wird das sogenannte Bauwagnis, also ein Wagnis, das mehr oder weniger stark bei jedem Bauobjekt anfallen und sich dementsprechend auch über mehrere Baustellen hinweg ausgleichen kann (vgl. Ingenstau/Korbion, A, § 9 Rn. 32). Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt hier lediglich die Verwirklichung eines solchen Bauwagnisses vor.

Auch eine Anpassung des Vertrages über das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt nicht in Betracht. Hierzu reicht die wesentliche Veränderung bei einer Einzelposition nicht aus. Erforderlich ist zudem, dass diese Veränderung zu einem unerträglichen Mißverhältnis zwischen Gesamtpreis und Gesamtgegenleistung des Vertrages führt (Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 2492). Dies wird von der Klägerin selbst nicht vorgetragen.

2.

Die Klägerin hat auch hinsichtlich des Bauvorhabens Brücke über den L H graben in Z keinen Anspruch auf Zahlung weiteren Werklohnes aus §§ 631 Abs. 1 BGB, 16 Nr. 3, 2 Nr. 5 VOB/B i. V. m. dem Vertrag vom 21.10./03.11.1997 wegen einer Ausführung der Spundwände in einer Höhe von 10 m. Die Voraussetzungen eines Nachvergütungsanspruchs i. S. v. § 2 Nr. 5 VOB/B liegen ebenfalls nicht vor. Das oben Gesagte gilt entsprechend. Unerheblich ist insoweit, dass nicht nur die Spundwand verlängert wurde, sondern sich zugleich auch eine geringere Baugrubentiefe von 2,4 m anstelle der ursprünglich vorgesehenen 4 m ergab. Auch insoweit ist die geänderte Spundwanderstellung bereits Gegenstand des Ursprungsvertrages gewesen.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 546 Abs. 2 S. 1 a.F., 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 ZPO.

Gründe, die Revision gem. § 546 Abs. 1 S. 2 ZPO a.F. zuzulassen, bestehen nicht. Streitwert für die Berufungsinstanz: 21.390,59 Euro (= 41.836,35 DM), § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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