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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.03.2006
Aktenzeichen: 12 U 127/05
Rechtsgebiete: BGB, SGB VII, BaustellenVO


Vorschriften:

BGB § 831
BGB § 823
BGB § 847 a. F.
BGB § 840 Abs. 2
SGB VII § 106 Abs. 3 3. Alt.
BaustellenVO § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 127/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht 012

Anlage zum Protokoll vom 09.03.2006

Verkündet am 09.03.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung des Beklagten zu 2. gegen das am 12. Dezember 2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus, Az.: 2 O 304/01, werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 65 % und der Beklagte zu 2. zu 35 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. hat der Kläger allein zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Zwangsvollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der jeweils andere vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger hat die Beklagten (den Beklagten zu 1. als Fahrzeugführer und den Beklagten zu 2. als Haftpflichtversicherer des an dem Unfall beteiligten Lkw) auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens aus einem Unfallgeschehen in Anspruch genommen, das sich am 10.05.1999 im Rahmen der Durchführung von Straßenbauarbeiten ereignete. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird Bezug genommen auf die Sachverhaltsdarstellung im Urteil des 14. Zivilsenats vom 26.11.2003. Nachdem der 14. Zivilsenat die Berufung, soweit sie sich gegen die Abweisung der gegen den Beklagten zu 1. gerichteten Klage gerichtet hat, als unzulässig angesehen und den Beklagten zu 2. zur Zahlung eines Schmerzensgeldbetrages von 50.000,00 € verurteilt und dem Feststellungsbegehren des Klägers gegenüber dem Beklagten zu 2. hinsichtlich künftiger materieller und immaterieller Schäden stattgegeben hat, hat der Beklagte zu 2. Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die der BGH zugelassen hat, soweit der Beklagte zu 2. verurteilt worden ist, an den Kläger Schmerzensgeld zu zahlen und die Ersatzpflicht des Beklagten zu 2. hinsichtlich sämtlicher immaterieller Schäden aus dem Unfall vom 10.05.1999 festgestellt worden ist. Insoweit hat der BGH mit Urteil vom 10.05.2005 das Urteil des 14. Zivilsenats aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, weil das Berufungsgericht außer Acht gelassen habe, dass unter den Umständen des Streitfalles ein Ausschluss der Haftung des Beklagten zu 2. nach den §§ 831, 823, 847 BGB a. F. nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld in Betracht kommt. Deshalb, so der BGH, komme es für die Entscheidung des Falles darauf an, ob der Beklagte zu 1. schuldhaft gehandelt hat, denn dann würde seine Haftungsprivilegierung zu einer Störung des Gesamtschuldverhältnisses mit der Folge führen, dass der Beklagte zu 2. dem Kläger nicht für den Ersatz immateriellen Schadens haften würde.

Die Parteien halten an ihren im Urteil des 14. Zivilsenats im Einzelnen dargestellten Anträgen fest.

II.

Die Berufung des Klägers hat, soweit über sie noch zu entscheiden war, in der Sache keinen Erfolg. Hinsichtlich der Anschlussberufung des Beklagten zu 2. bedurfte es aufgrund der insoweit sich aus dem Urteil des 14. Zivilsenats vom 26.11.2003 ergebenden Rechtskraft keiner Entscheidung mehr. Vielmehr war nach der teilweisen Aufhebung der Entscheidung des 14. Zivilsenats nur noch die Haftung des Beklagten zu 2. auf Ersatz des immateriellen Schadens des Klägers zu klären. Eine solche Haftung besteht nicht. Dem Kläger steht ein Anspruch nach den §§ 831, 823, 847 BGB a. F. nicht zu. Unter Heranziehung der Grundsätze der gestörten Gesamtschuld ist die Haftung des Beklagten zu 2. ausgeschlossen. Zur Begründung dazu, dass diese Grundsätze auf den hier zur Entscheidung stehenden Fall anzuwenden sind, wird auf Ziffer II. der Entscheidungsgründe des Urteils des BGH vom 10.05.2005 Bezug genommen. Ist im Verhältnis der beiden Gesamtschuldner (Beklagter zu 1. und Beklagter zu 2.) der Beklagte zu 1. nach § 840 Abs. 2 BGB allein verpflichtet, weil er nachweislich schuldhaft gehandelt hat, hat seine sich aus § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII ergebende Haftungsprivilegierung eine Störung des Gesamtschuldverhältnisses zur Folge, aufgrund deren der Beklagte zu 2. dem Kläger nicht für den Ersatz immateriellen Schadens haftet. So liegt der Fall hier, denn nach dem nunmehr weitgehend übereinstimmenden Vorbringen der Parteien trifft den Beklagten zu 1. ein Verschulden an dem Unfall, da er sich während des Kippvorganges nicht eines Einweisers bedient hat. Die Frage, ob es überhaupt eines Einweisers bedurfte, war zwischen den Parteien ohnehin zu keiner Zeit streitig. Eine dahingehende Verpflichtung hat der Beklagte zu 1. auch ausdrücklich zugestanden. Dass es sich bei den Arbeiten um besonders gefährliche Arbeiten handelte, ergibt sich im Übrigen auch aus dem Anhang 2 zu § 2 BaustellenVO, wonach besonders gefährliche Arbeiten solche in einem geringeren Abstand als 5 m von Hochspannungsleitungen sind. Darüber hinaus ist ausweislich einer Niederschrift des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitsschutz Cottbus aufgrund bestehender Unfallverhütungsvorschriften ein Schutzabstand zur spannungsführenden Leitung von 3 m zu gewährleisten (Bl. 16 d. A.). Dieser Abstand wurde hier offensichtlich unterschritten, da es ansonsten zu dem Unfall nicht hätte kommen können, wobei unerheblich ist, ob die Kippmulde die Leitung tatsächlich berührt hat oder ob es aufgrund einer zu geringen Entfernung zwischen Kippmulde und Leitung zu einem Stromüberschlag gekommen ist. Zur Vermeidung einer Berührung der Leitung bzw. der Unterschreitung des erforderlichen Mindestabstandes war der Beklagte zu 1. dazu verpflichtet, sich während des Hochfahrens der Kippmulde eines Einweisers zu bedienen, da er aus dem Führerhaus des Lkw heraus nicht in der Lage war, die Annäherung an die Leitung einzusehen.

Der Kläger hat die erforderliche Einweisung von Anfang an mit Nachdruck in Abrede gestellt. Insbesondere hat er die in erster Linie seitens der Beklagten behauptete Einweisung durch ihn selbst in Abrede gestellt. Der Kläger hat damit stets hinreichend substanziiert ein Fehlverhalten des Beklagten zu 1. dargestellt, woraus sich allerdings für die nunmehr zu berücksichtigende Rechtslage ergibt, dass sein Vortrag in Bezug auf das Bestehen eines Anspruchs aus §§ 831, 823 BGB unschlüssig ist, da er ein Verschulden des Beklagten zu 1. vorgetragen hat, welches aufgrund des gestörten Gesamtschuldverhältnisses zum Haftungsausschluss des Beklagten zu 2. führt. Da sich der Beklagte zu 2. dem Vorbringen des Klägers zum Vorliegen eines Verschuldens nunmehr angeschlossen hat, besteht letztlich kein Streit mehr zwischen den Parteien darüber, dass eine Einweisung des Beklagten zu 1. nicht erfolgt ist. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung auf diese Ausgangslage hingewiesen und in diesem Zusammenhang den dieser Rechtslage nicht in vollem Umfang gerecht werdenden Hinweis im Schreiben vom 08.12.2005 richtig gestellt. Soweit in der mündlichen Verhandlung seitens des Klägers angegeben wurde, dass davon ausgegangen werde, dass üblicherweise hinsichtlich der Einweisung eine Abstimmung zwischen dem Fahrer des Fertigers und dem Fahrer des Kippladers erfolge und man deshalb davon ausgehe, dass eine solche Abstimmung auch im vorliegenden Falle erfolgt sein könne, führt dies nicht zu der Annahme, dass der Kläger seinen ursprünglichen Vortrag zum Vorliegen eines Verschuldens des Beklagten zu 1. in prozessual beachtlicher Weise aufgegeben hat. Vielmehr handelt es sich um eine Mutmaßung, die nicht nur im Widerspruch zu der früheren anders lautenden Behauptung steht, sondern die im Übrigen auch widerlegt ist durch die Angaben des Beklagten zu 1. in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2002, wonach er - jedenfalls unmittelbar vor dem Schadensereignis - in erster Linie durch den Kläger eingewiesen worden sein will und insbesondere auch durch die Bekundungen des Zeugen R..., bei dem es sich um den Fertigerfahrer gehandelt hat und der eine Einweisung durch ihn ausdrücklich ausgeschlossen und überdies auch in Abrede gestellt hat, überhaupt dazu verpflichtet zu sein, darauf zu achten, dass die Mulde des Lkw nicht zu dicht an die Freileitung herankommt. Vor diesem Hintergrund ist aufgrund des nunmehr zu berücksichtigenden beiderseitigen Parteivortrages von einem Verschulden des Beklagten zu 1. auszugehen, weshalb es keiner eingehenden Erörterung der Frage bedarf, inwieweit den Beklagten zu 2. für das Vorliegen der Voraussetzungen der gestörten Gesamtschuld, mithin eines Verschuldens des Beklagten zu 1., die Beweislast trifft. Davon wird unter Berücksichtigung des Grundsatzes, wonach derjenige, der eine Rechtsfolge für sich in Anspruch nimmt - hier einen Haftungsausschluss, der nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht kommt - die rechtsbegründenden und rechtserhaltenen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen hat (vgl. dazu Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 25. Aufl., vor § 284 Rn. 23), auszugehen sein, zumal dies auch der Beweislastverteilung im Innenverhältnis zum anderen Gesamtschuldner entspricht (vgl. dazu Palandt-Grüneberg, 65. Aufl., § 426 Rn. 7).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1, 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht. Die im vorliegenden Fall noch zu berücksichtigenden Rechtsfragen sind durch die Entscheidung des BGH vom 10.05.2005 höchstrichterlich geklärt. Die Verschuldensfrage war aufgrund der im Einzelfall zu berücksichtigenden Umstände zu klären, weshalb ihr keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt.

Ende der Entscheidung

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