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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 15.02.2007
Aktenzeichen: 12 U 180/06
Rechtsgebiete: ZPO, StVG, PflVG


Vorschriften:

ZPO § 287
ZPO §§ 517 ff.
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 847 a.F.
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 18 Abs. 1
PflVG § 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 180/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 15.02.2007

Verkündet am 15.02.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25.01.2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski, den Richter am Oberlandesgericht van den Bosch und die Richterin am Landgericht Dr. Scheiper

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.08.2006 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 17 O 273/03, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten aus dem Verkehrsunfallereignis vom 09.02.1999 kein Schadensersatzanspruch mehr zu. Die zu Gunsten der Klägerin gemäß § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 847 BGB a.F. (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB), § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG entstandenen Ansprüche sind durch die von der Beklagten zu 2) vorprozessual geleisteten Zahlungen erloschen.

Im Ergebnis der durch das Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme erlitt die Klägerin unfallbedingt lediglich eine HWS-Beschleunigungsverletzung leichteren Grades, eine Kontusion des Brustkorbes (Brustbein, obere Rippen links) sowie multiple Weichteilprellungen mit Gewebseinblutungen. Zu allen diesen Verletzungen hat der vom Gericht beauftragte Sachverständige Prof. Dr. S... ausgeführt, dass diese spätestens nach 12 Wochen nach dem Unfall folgenlos ausgeheilt gewesen seien. Selbst wenn es sich bei der Auffälligkeit im Röntgenbild des Brustbeins um eine Fissur gehandelt hätte, was der Sachverständige nicht annahm, wäre auch eine solche Verletzung nach den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen binnen gleicher Frist folgenlos ausgeheilt gewesen. Auf dieser Grundlage kann keine der Behandlungen, denen sich die Klägerin ab November 2000 unterzog und auf deren Grundlage sie die geltend gemachten materiellen Schäden berechnet, aufgrund der Unfallfolgen erforderlich gewesen sein. In Anbetracht der vom Sachverständigen festgestellten unfallbedingten Verletzungen hätte auch das vorprozessual an die Klägerin gezahlte Schmerzensgeld von 4.000,- DM als angemessener Ausgleich selbst dann genügt, wenn eine Brustbeinfissur vorgelegen hätte.

Die von der Klägerin dargelegten Beschwerden, die aus der Erkrankung ihrer rechten Schulter herrühren, sind keine Folge des Verkehrsunfalls. Damit kann die Klägerin weder die aus der Behandlung der rechten Schulter herrührenden materiellen Schäden ersetzt verlangen, noch können die durch die Erkrankung der Schulter verursachten immateriellen Beeinträchtigungen zu einer Erhöhung des den Unfallfolgen angemessenen Schmerzensgeldes führen.

Eine Traumatisierung eines Schultergelenks durch das Einwirken einer stumpfen Gewalt bei einem Verkehrsunfall ist zwar nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S... grundsätzlich möglich. Auch ein Impingment-Syndrom, wie es bei der Klägerin diagnostiziert wurde, kann bei einem Unfallgeschehen ausgelöst werden. Es bedarf nach den Ausführungen des Sachverständigen hierzu allerdings einer Einwirkung im Bereich der Rotatorenmanschette von erheblichem Gewicht. Die erforderliche Gewalteinwirkung muss von ihrer Intensität und Richtung her geeignet sein, den Gelenkkopf aus der Pfanne hebeln zu können. Anhaltspunkte für derartige Einwirkungen hat der Sachverständige indessen nicht feststellen können, zumal die unmittelbar nach dem Unfallgeschehen ärztlicherseits festgehaltenen klinischen Befunde keinerlei Anhalt für eine Gewalteinwirkung auf die rechte Schulter zeigten. Auch aus den sekundär im Rahmen der Operationen am Schultergelenk erhobenen Befunden ergaben sich keine Anhaltspunkte für ein Verletzungsmuster des rechten Schultergelenks. Vielmehr hatte sich bei der Arthroskopie am 09.01.2001 die Rotatorenmanschette als intakt gezeigt. Gestützt durch die Ergebnisse des Sachverständigen St..., der ein kollisionsanalytisches Gutachten erstellt hatte, ist der Sachverständige Prof. Dr. S... darüber hinaus zum Schluss gelangt, dass die beim Unfall aufgetretenen Unfallmechanik und Biomechanik gegen eine direkte Gewalteinwirkung auf das rechte Schultergelenk sprächen.

Diese nachvollziehbar begründete Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen, dass die Erkrankung der rechten Schulter der Klägerin unfallunabhängig entstand, wird gestützt durch das von der Beklagten zu 2) in Auftrag gegebene Privatgutachten Dr. L..., auf welches die Klägerin in der Berufung selbst zurückgreift. Die Gutachterin Dr. L... hatte sogar - über die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen hinaus - ausgeführt, dass es sich bei der Erkrankung der rechten Schulter der Klägerin um eine rein degenerative Erkrankung bei anatomisch enger Anlage des Schultereckgelenkes handele.

Die Angriffe der Klägerin gegen die vom Landgericht durchgeführte Beweiserhebung und die Beweiswürdigung greifen nicht durch.

Das Landgericht war zunächst nicht gehalten, wegen etwaiger Kopfverletzungen der Klägerin zusätzlich zum unfallchirurgischen Gutachten ein neurologisches Zusatzgutachten einzuholen. Es fehlt insoweit am erforderlichen Vortrag der Klägerin zu einer beweisbedürftigen Tatsache. Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. S... ausgeführt, nur mittels eines derartigen Zusatzgutachtens könne geklärt werden, ob die Klägerin Kopfverletzungen erlitten habe, die die Ursache für die von ihr etwa 3 Wochen nach dem Unfall geklagten Beschwerden "Vergesslichkeit, Konzentrationsmängel" gewesen seien. Es lässt sich jedoch nach dem Sachvortrag der Klägerin nicht feststellen, dass die insoweit von ihr geklagten Beschwerden ein solches Gewicht gehabt hätten, dass sie eine Erhöhung des angemessenen Schmerzensgeldbetrages zur Folge hätten. Über das Ausmaß dieser Störungen trägt die Klägerin ebenso wie über deren Dauer oder ein Behandlungserfordernis auch in der Berufung nichts vor. Unter Zugrundelegung des von ihr behaupteten heutigen Beschwerdebildes, in dem die Beeinträchtigungen "Vergesslichkeit, Konzentrationsmängel" nicht genannt sind, muss davon ausgegangen werden, dass sich diese Beeinträchtigungen zu einem von ihr nicht genannten Zeitpunkt von selbst zurück gebildet haben. Auch im Verhältnis zu den gesamten vom Sachverständigen bestätigten unfallbedingten Beeinträchtigung kann es sich damit nur um eine eher geringfügigere Störung gehandelt haben, die weder eine Erhöhung des Schmerzensgeldes zur Folge haben noch im Zusammenhang mit den der Klägerin ab November 2000 entstandenen materiellen Schäden stehen kann.

Die Beweisaufnahme des Landgerichts ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil der gerichtliche Sachverständige das Privatgutachten Dr. L... nicht zur Verfügung gehabt hätte bzw. das Gericht es mangels Vorlage von Seiten der Beklagten nicht in seine Erwägungen hätte einbeziehen können. Wie der Sachverständige Prof. Dr. S... eingangs seines Gutachtens bei der Zusammenstellung der von ihm ausgewerteten ärztlichen Unterlagen ausgeführt hat, hatte ihm die Klägerin persönlich anlässlich der klinischen Untersuchung u. a. das Privatgutachten Dr. L... überreicht; dementsprechend hat der Sachverständige das Gutachten Dr. L... bei der Erstellung des Gutachtens ausgewertet. Auch dem Landgericht lag das Gutachten Dr. L... vor, nachdem es der Sachverständige Prof. Dr. S... ebenso wie die anderen von ihm ausgewerteten Unterlagen als Anlage dem für das Gericht bestimmten Exemplar seines Gutachtens beigefügt hatte.

Das Landgericht war nicht gehalten, die von der Klägerin für ihre Behauptung, nach dem Verkehrsunfall hätten Schwellungen im Bereich ihrer rechten Schulter bestanden, benannten Zeugen zu vernehmen. Die in das Wissen der Zeugen gestellten Tatsachen sind durch keinen medizinischen Befund belegt. Bei den von der Klägerin benannten Zeugen handelt es sich um medizinische Laien. Auf dieser Grundlage ist eine medizinische Erheblichkeit von Schwellungen, selbst wenn die Zeugen diese bestätigen würden, nicht erfassbar. Die in das Wissen der Zeugen gestellten Tatsachen sind damit nicht geeignet, die Bewertung des Sachverständigen, die Erkrankung der Klägerin im Schultergelenk sei keine Folge des Unfalls, in Zweifel zu ziehen. Dies gilt umso mehr, als dass wegen der zur Schädigung eines Schultergelenkes erforderlichen gewichtigen Einwirkungen der Sachverständige eine von seiner Begutachtung abweichende Einschätzung nur dann für denkbar gehalten hatte, wenn nach dem Unfall Schwellungen am rechten Schultergelenk diagnostiziert und mit weiteren ergänzenden Befunden untermauert worden wären. Eine derartige medizinische Diagnose und Befundung kann jedoch durch die in das Wissen der Zeugen gestellten Tatsachen nicht nachgeholt werden.

Darüber hinaus sprechen die ärztlichen Befundberichte, die sich über die unmittelbar nach dem Unfallgeschehen festgestellten medizinischen Befunde verhalten, auch gegen die Annahme der Klägerin, die in das Wissen der Zeugen gestellten Tatsachen seien im medizinischen Sinne von Bedeutung gewesen. Aus dem Bericht der Rettungsstelle des Krankenhauses E... ergibt sich über Befunde im Bereich der rechten Schulter, insbesondere über Prellungen an der Schulter nichts. Der sodann von der Klägerin wiederholt zu Rate gezogene Facharzt für Chirurgie Dr. Lo... hielt bei seinen Befundergebnissen zwar auch solche leichterer Art wie Prellungen und Blutergüsse fest, aber Befunde im Bereich der rechten Schulter dokumentierte er nicht. Dass Dr. Lo... medizinische Befundtatsachen fehlerhaft nicht dokumentiert oder die Klägerin gegebenenfalls sogar fehlerhaft behandelt hätte, macht die Klägerin indessen nicht geltend. Hierfür bestünden auch keine Anhaltspunkte.

Die Rüge der Klägerin, das Landgericht habe sich im Rahmen seiner Beweiswürdigung mit dem von ihm eingeholten unfallanalytischen Gutachten nur unzureichend auseinander gesetzt, greift ebenfalls nicht durch. Selbst wenn die Klägerin, wie sie behauptet, gegen das Lenkrad geprallt wäre, wäre damit nicht bewiesen, dass sie hierdurch eine Verletzung im rechten Schultergelenk erlitt. Im Übrigen ist ein Anprall der Klägerin gegen das Lenkrad entsprechend der Ausführungen des Sachverständigen St... gerade nicht wahrscheinlich. Der Sachverständige hat vielmehr ausgeführt, dass die Klägerin wahrscheinlich nach links gegen die Seitenscheibe geprallt ist, was die nach dem Unfall ärztlicherseits festgestellten linksbetonten Verletzungen erklärt. Einen Anprall der Klägerin gegen das Lenkrad hat der Sachverständige nur unter besonderen Bedingungen für möglich gehalten, deren Vorliegen er im Nachhinein weder bestätigen noch ausschließen konnte.

Soweit die Klägerin geltend macht, sie leide bis heute an den Folgen eines HWS-Traumas, hat sich dies in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Der Sachverständige Prof. Dr. S... hat bei seiner klinischen Untersuchung eine leichte Einschränkung der aktiven HWS-Drehung und der aktiven Linksseitneigung des Kopfes festgestellt, deren Ausmaß aber als so geringfügig beschrieben, dass die vorgefundene Abweichung vom Normbereich sogar dem Untersuchungszeitpunkt geschuldet sein könne. Die Verursachung dieses geringfügigen Befundes durch ein traumatisches Geschehen an den Bändern oder Bandscheiben hat der Sachverständige deshalb für ausgeschlossen gehalten, weil ein Geschehen im HWS-Bereich, wie es die Klägerin behauptet, durch eine unmittelbar nach dem Unfall einsetzende akute Symptomatik charakterisiert ist, an der es hingegen fehlte. So ist im Notfallschein der Rettungsstelle des Krankenhauses E... noch festgehalten "Halswirbelsäule frei", und auch der Chirurg Dr. Lo... dokumentierte über die am Tag nach dem Unfall durchgeführte Untersuchung keine Nackenschmerzen. Kann damit das erlittene HWS-Schleudertrauma lediglich von einem geringeren Grad gewesen sein, so fehlt es an Anhaltspunkten, dass dieses Schleudertrauma die Ursache der heute vorhandenen geringgradigen Einschränkungen der Beweglichkeit ist. Derartige Anhaltspunkte sind aber auch für das erforderliche Beweismaß des hier anwendbaren § 287 ZPO erforderlich, denn auch nach § 287 ZPO bedarf es zumindest einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit, dass bestehende Beeinträchtigungen Folge einer erlittenen Primärverletzung sind (BGH NJW 2004, 777 m.w.N.).

Auf Grundlage der somit vom Landgericht zu Recht als bewiesen angesehenen eingangs dargestellten Beeinträchtigungen und Verletzungen der Klägerin ist die Ermessensausübung des Landgerichts hinsichtlich der Schmerzensgeldbemessung nicht zu beanstanden. Beeinträchtigungen durch HWS-Distorsionen, welche mit Prellungen im Bereich des Schädels und/oder des Brustkorbes verbunden sind und über mehrere Monate hinweg Beschwerden verursachen, werden in der Rechtsprechung regelmäßig unter oder höchstens mit 2.000,00 EUR bemessen (vgl. die Zusammenstellung bei Jäger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. E 969 bis E 993). Soweit die Klägerin auf eine Entscheidung des AG Hannover vom 03.11.1994 Bezug nimmt, dürfte es sich um ein Fehlzitat handeln.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil Gründe für eine Zulassung nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Im Hinblick darauf, dass die vorliegende Entscheidung einen Einzelfall betrifft und der Senat nicht von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht, hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 3 ZPO auf 9.125,10 EUR festgesetzt. Es entfallen auf den Antrag zu 1) 2.045,00 EUR, auf die Anträge zu 2) und 3) 6.080,10 EUR und auf den Feststellungsantrag 1.000,00 EUR.

Ende der Entscheidung

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