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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 11.07.2002
Aktenzeichen: 12 U 182/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, ArbStättV


Vorschriften:

ZPO § 511
ZPO § 511 a
ZPO § 516
ZPO § 518
ZPO § 519 a.F.
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 320
BGB § 631 Abs. 1
BGB § 633 Abs. 2
BGB § 633 Abs. 3
ArbStättV § 17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 182/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht 25

Anlage zum Protokoll vom 11.07.2002

Verkündet am 11.07.2002

in dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2002 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 8. August 2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az: 14 O 307/00, abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO a.F.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Klägerin kein fälliger Werklohnanspruch gemäß § 631 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten zu, da sie im Ergebnis ein unbrauchbares Werk erstellt hat, das der Beklagte zu Recht nicht abgenommen hat und das daher auch nicht abnahmefähig ist: Der Beklagte ist nach § 320 BGB berechtigt, die Zahlung des eingeklagten Werklohns zu verweigern, da er nach § 633 Abs. 2 BGB die Beseitigung der Mängel, die im Wesentlichen - abgesehen vom Fundament, das auch nach dem Vortrag des Beklagten noch verwendbar ist - eine Neuerstellung des Werkes erfordert, verlangen kann. Der Beklagte hat unter Vorlage von Lichtbildern (vgl. 204 ff) und Ablichtungen der Schreiben des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik ... vom 12.04.2000 (Bl. 140) und 05.06.2000 (Bl. 260) sowie des Landkreises ... vom 23.07.2001 (Bl. 142 c) - wegen der näheren Einzelheiten dieser Schreiben wird auf die Anlagen B 12, B 14 und die Anlage zum Protokoll vom 06.06.2002 verwiesen - substantiiert dargelegt, dass die von der Klägerin errichteten drei Treppen an seinem Verwaltungsgebäude mangelhaft sind. Dem ist die vor der Abnahme für den Umstand der Mangelfreiheit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Ihre Leistung ist schon deshalb mangelhaft, weil die Treppenanlagen Stufenhöhen von über 19 cm aufweisen. Bei der Treppe zum Haupteingang, die der Sachverständige B... begutachtet hat, hat dieser - abgesehen von der Antrittsstufe, deren Steigungshöhe 31,2 bis 32,8 cm beträgt - bei der zweiten und dritten Steigung Steigungshöhen von 20,5 cm festgestellt. Auch hinsichtlich der übrigen Treppen ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben, dass die Stufenhöhe über 19 cm liegt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Höhe der Antrittsstufe der Haupttreppe in den Verantwortungsbereich der Klägerin oder des Beklagten fällt. Schon die Stufenhöhe der übrigen Stufen, die über 19 cm hinausgeht, führt dazu, dass die Treppenanlagen für den Beklagten nicht nutzbar sind, da die Stufenhöhe nicht der Arbeitsstättenverordnung (vgl. § 17 (1)) sowie den Arbeitsstättenrichtlinien (ASR 17/1.2 Ziff. 3.1.) entspricht, was die Klägerin zu vertreten hat. Gemäß § 17 Arbeitsstättenverordnung müssen Verkehrswege u. a. so geschaffen und bemessen sein, dass sie je nach ihrem Bestimmungszweck sicher begangen werden können. Verkehrswege sind u. a. für den innerbetrieblichen Fußgängerverkehr bestimmte Bereiche, zu denen insbesondere auch Treppen zählen (vgl. Kollmer, ArbStättV, 2001, § 17 ASR 17/1, 2, Rdnr. 5, S. 301). Nach den Bestimmungen der Arbeitsstättenrichtlinien sollen Auftritte und Steigungen unterschiedlicher Treppen bei gewerblichen Bauten eine Steigerung von 16 bis 19 cm aufweisen. Ein Fehler des Werkes liegt vor, wenn wie hier der tatsächliche Zustand des Werkes (Ist-Be-schaffenheit) von demjenigen abweicht, den die Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrages vereinbart oder gemeinsam - auch stillschweigend - vorausgesetzt haben (Soll-Beschaffen-heit). Der Unternehmer verpflichtet sich, sofern nichts anderes vereinbart, in der Regel stillschweigend zur Beachtung der anerkannten Regeln seines Faches, wie sie u. a. in Regeln des Handwerks, DIN - Normen, europäischen Normen, Unfallverhütungsvorschriften, VDE Bestimmungen niedergelegt sein können. Ein Verstoß hiergegen stellt auch ohne Schadenseintritt einen Fehler dar (vgl. Palandt/Sprau, 61. Auflage, § 633, Rn. 2 a m. w. N.). Da die Klägerin wusste, dass sie Treppen für das Verwaltungsgebäude des Beklagten und damit für einen gewerblichen Bau errichtete, hätte sie die dargelegten Regelbestimmungen der Arbeitsstättenrichtlinien, die der Unfallverhütung dienen, einhalten müssen. Sie kann sich nicht mit Erfolg auf den Standpunkt zurückziehen, dass es sich bei der Steigungsangabe (16 bis 19 cm) um eine bloße "Soll"-Regelung und nicht um eine "Muss"-Bestimmung handelt. Sie konnte bei Errichtung der Treppe gerade nicht davon ausgehen, dass der Beklagte von den genannten Richtlinien abweichende Treppenanlagen haben wollte. Hierfür hat die Klägerin weder einen nachvollziehbaren Grund vorgetragen, noch ist dies sonst ersichtlich. Insbesondere hat sie nicht dargelegt, dass die vorliegende Stufenhöhe (trotz entsprechender Belehrung, dass diese den genannten Vorschriften zuwiderlaufe) vertraglich mit dem Beklagten vereinbart wurde. Welche gravierenden Folgen die dargelegte Abweichung von den Arbeitsstättenrichtlinien hat, verdeutlichen die Reaktionen des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik ... und des Landkreises ... . Beide Behörden beanstanden in den bereits genannten Schreiben maßgeblich auch den vorbezeichneten Verstoß. Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die vom Beklagten zu den Akten gereichte Ablichtung des Schreibens des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik ... vom 12.04.2000 den Inhalt des Originalschriftstücks nur unvollständig wiedergebe. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte eine vollständige Ablichtung eines Schreibens des Amtes vom 09.06.2002 überreicht, in dem das Amt auf Grund einer erneuten Besichtigung der Firma des Beklagten vom 06.02.2002 zur Steigung der Stufen dieselben Feststellungen trifft, wie bereits im ersten Schreiben. Die Klägerin hat aber hinsichtlich der im Termin vom Beklagten überreichten Ablichtung, nachdem sie Gelegenheit zur Einsichtnahme hatte, nicht gerügt, dass diese nicht mit dem Originalschreiben übereinstimmt.

Soweit der Beklagte geltend macht, die Steigungshöhe sei - von der von ihm aufgebrachten Holzhilfskonstruktion abgesehen - nicht behebbar, ist die Klägerin dem nicht konkret entgegengetreten. Kann aber eine Werkleistung nicht durch eine "Nachbesserung" zur mangelfreien Werkleistung gebracht werden, muss der Unternehmer grundsätzlich die Kosten der Neuherstellung auf sich nehmen (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Auflage, Rdnr. 1553, 1554 m. w. N.).

Der Beklagte kann allerdings keine Rechte aus dem Umstand herleiten, dass die Treppenanlagen nur drei Stufen aufweisen: Die Skizzen Blatt 10 und 11 der Akten, auf die Bezug genommen wird, sind Vertragsgegenstand geworden. Wie aus diesen Skizzen ersichtlich ist , war nur die Errichtung von drei Stufen (einschließlich des Podestes) vertraglich vereinbart. Zutreffend hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Beklagte nicht substantiiert bestritten hat, dass diese Skizzen Vertragsgegenstand geworden sind. Nach wie vor ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Beklagte in der Skizze Nr. 1 eine handschriftliche Eintragung vorgenommen hat. Sein Vortrag, die Skizzen nicht zu kennen, ihm seien andere Skizzen im Rahmen der Auftragsverhandlung vorgelegt worden, ist vor diesem Hintergrund nicht ausreichend. Wenn er dem Vortrag der Klägerin substanziiert hätte begegnen wollen, wäre er gehalten gewesen, konkret mitzuteilen, welche Skizzen stattdessen bei der Auftragsverhandlung vorgelegen haben sollen. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte sein Vorbringen hierzu nicht zu konkretisieren vermocht, obwohl er hierzu Gelegenheit erhalten hatte.

Ferner kann der Beklagte keine Rechte unter dem Gesichtspunkt geltend machen, die Schwel-le sei mangelhaft, da sie für Besucher eine Stolpergefahr darstelle. Eine mangelhafte Werkleistung der Klägerin kann der Senat in diesem Zusammenhang nicht feststellen. Insoweit hat der Sachverständige B... in seinem Gutachten vom 08.04.2001 (vgl. Seite 8/9 des Gutachtens) ausgeführt, die Anordnung einer Schwelle, insbesondere in Außentürbereichen entspreche den anerkannten Regeln der Baukunst. Dabei hat er auch die Höhe der Schwelle berücksichtigt, wie sich aus dem Zusammenhang seiner Ausführungen ergibt. Seine Erläuterungen zu dieser Frage, Gebäudeeingangstüren/Außentüren bildeten die Nahtstelle zwischen Innen- und Außenraum, sie trennten den Bereich mit unterschiedlichen, meist gegensätzlichen klimatischen Bedingungen und sollten immer mit einer Schwelle ausgebildet werden, sind nachvollziehbar und überzeugend, so dass sich der Senat insoweit dem Sachverständigen anschließt.

Der Beklagte hat entgegen der Auffassung der Klägerin mit Anwaltschreiben vom 27.12.1999 (Bl. 38) keine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ausgesprochen. In diesem Schreiben heißt es u. a.: "Sollte bis zur erstgenannten Frist die geforderte Erklärung nicht eingehen und/ oder bis zur Frist die Mängelbeseitigung diese nicht erfolgt sein, wird unsere Mandantin die aufgeführten Mängel durch Dritte auf Ihre Kosten beseitigen lassen und behält sich insoweit die Geltendmachung von Vorschuss vor." Eine Auslegung dieses Schreibens gemäß §§ 133, 157 BGB ergibt, dass der Beklagte von seinen Anwälten gerade keine Ablehnungsandrohung hat aussprechen lassen. Gerade der Hinweis auf die Geltendmachung von "Vorschuss" zeigt auch für die Klägerin erkennbar, dass mit der vorstehenden Fristsetzung eine Inverzugsetzung im Sinne von § 633 Abs. 3 BGB erfolgen sollte. Es fehlt demgegenüber eine ausdrückliche Erklärung - sei es durch Gebrauch der Worte des Gesetzgebers, sei es durch andere Redewendungen, die das Gleiche zum Ausdruck bringen (vgl. hierzu BGH BauR 83, S. 258), dass nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist die Mängelbeseitigung abgelehnt werde. Ein Wille des Beklagten, nach Fristablauf keine Nachbesserung durch die Klägerin als Unternehmerin mehr zuzulassen, ist nicht feststellbar.

Die prozesssualen Nebenentscheidungen folgen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Streitwert und Wert der Beschwer für die Klägerin: 6.745,06 € (=13.192,20 DM).

Ende der Entscheidung

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