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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 27.03.2008
Aktenzeichen: 12 U 239/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 287
ZPO §§ 517 ff
BGB § 278
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 844
BGB § 844 Abs. 1
BGB § 1968
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 239/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 27.03.2008

Verkündet am 27.03.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski, den Richter am Oberlandesgericht Beckmann und die Richterin am Amtsgericht Eggers-Chemseddine

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.11.2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 12 O 63/06, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.237,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. November 2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 24 % und der Beklagte 76 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. §§ 517 ff ZPO eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg und führt zur teilweisen Abänderung des angefochtenen Urteils in tenoriertem Umfang, soweit die Klage begründet ist.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskosten für ihren verstorbenen Ehemann aus § 844 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB in Höhe von 9.237,81 €.

Nach dieser Vorschrift hat der Ersatzpflichtige im Falle der durch eine rechtswidrige und schuldhafte unerlaubte Handlung verursachten Tötung die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, dem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Beklagte jedenfalls aufgrund eines Aufklärungsfehlers haftet, der nicht durch eine hypothetische Einwilligung des Ehemannes der Klägerin gedeckt war.

Dabei kann dahinstehen, ob bereits die nicht indizierte Wahl der Diagnostikmethode, hier der Koloskopie, in sich fehlerhaft war und deshalb bereits einen Behandlungsfehler begründet, worauf sich nunmehr die Klägerin stützt, nachdem sie sich die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M... zu Eigen gemacht hat. Ein nicht indizierter Diagnoseeingriff kann bereits einen Behandlungsfehler darstellen (OLG Düsseldorf NJW 1984, 2636; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl., B, Rn. 34). Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. M..., denen sich der Senat anschließt, war, nachdem bereits durch den Beklagten ein Jahr zuvor am 08.04.2002 eine im Ergebnis unauffällige und vollständige Koloskopie bei dem Ehemann der Klägerin durchgeführt worden war, eine erneute Koloskopie im April 2003 medizinisch nicht angezeigt, weil eine Wiederholung der Untersuchung bei dieser Sachlage erst im Intervall von 10 Jahren empfohlen wird. Da der Beklagte im April 2002 als Blutungsquelle Fissuren und Hämorrhoiden, jedoch keinen Tumor festgestellt hatte, war bei erneuten peranalen Blutungen im Jahr 2003 zunächst eine erneute Blutung aus den bereits bekannten Hämorrhoiden anzunehmen, zu beweisen und gegebenenfalls zu behandeln gewesen. Hierzu hätte der Beklagte aufklären müssen. Allerdings war die Koloskopie bei dem Ehemann der Klägerin als multimorbiden Patienten nicht kontraindiziert. Ferner ist nach den Ausführungen des Sachverständigen bei ausgesprochenem Wunsch des Patienten nach Abklärung der peranalen Blutabgänge die Durchführung einer erneuten Koloskopie nachvollziehbar. Selbst wenn jedoch ein Patient oder der überweisende Hausarzt eine konkrete Behandlung oder Diagnostik wünschen sollte, entbindet dies den nicht lediglich konsiliarisch weiterbehandelnden Facharzt nicht davon, die Diagnose selbständig zu stellen und die Diagnostikmethode eigenverantwortlich zu wählen (Geiß/Greiner, a.a.O., B, Rn. 132 - 134). Dem Arzt ist in der Diagnostik- und Therapiemethode zwar grundsätzlich ein freies Ermessen eingeräumt (BGH NJW 1989, 1538), bei risikobehafteten diagnostischen Methoden hat der Arzt allerdings eine besonders sorgfältige Güterabwägung zwischen der zu erwartenden Aussagefähigkeit, den Klärungsbedürfnissen und den besonderen Risiken für den Patienten vorzunehmen.

Einer abschließenden Beurteilung, ob in der Durchführung der nicht veranlassten Koloskopie bereits ein Behandlungsfehler liegt, bedarf es nicht, da der Beklagte jedenfalls seine Aufklärungspflicht verletzt hat. Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Aufklärung des Arztes sind umgekehrt proportional zur Dringlichkeit und zu den Heilungsaussichten des Eingriffs. Die Aufklärungslast nimmt in dem Maße zu, in dem der Dringlichkeitsgrad des medizinischen Eingriffs und seine Heilungsaussicht abnehmen und umgekehrt. Gleichzeitig ist eine Aufklärung über Abwarten, Nichtstun oder alternative Behandlungsmethoden geboten (Geiß/Greiner, a.a.O., C, Rn. 8). Nicht unmittelbar Heilzwecken dienende diagnostische Eingriffe und nicht indizierte Eingriffe unterliegen erheblich genaueren Aufklärungsanforderungen als medizinisch zwingende Eingriffe zur Abwehr einer erheblichen Gesundheitsgefährdung. Bei Eingriffen zur Diagnose ohne therapeutischen Eigenwert sind allgemein strengere Anforderungen an die Aufklärung des Patienten und die damit verbundenen Risiken zu stellen (BGH NJW 1979, 1933, 1934; OLG Koblenz NJW-RR 2002, 816 und VersR 2006, 123). Deshalb ist auch auf Risiken hinzuweisen, die sich nur sehr selten verwirklichen (BGH NJW 1989, 1533, 1534; BGH NJW 1984, 1395, 1396). Im Rahmen der wenigstens vorzunehmenden Grundaufklärung über Art- und Schweregrad des Eingriffs ist es in aller Regel erforderlich, dass der Patient auch einen Hinweis auf das schwerste, möglicherweise in Betracht kommende Risiko erhält (BGH NJW 1991, 2346, 2347). Dies muss grundsätzlich wegen der lebensbeendenden Folge auch bei nur ganz geringfügigen Komplikationsraten angenommen werden (OLG Stuttgart VersR 1986, 581; OLG Zweibrücken NJW-RR 1995, 1305, 1306). Gerade die Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs gebietet einen aufklärenden Hinweis jedenfalls bei einem nicht dringlichen und medizinisch nicht indizierten Eingriff. Dabei bedarf es keiner weiteren sachverständigen Klärung, ob gemäß dem gerichtsärztlichen gastroenterologischen Gemeinschaftsgutachten vom 17.3.2005 die Mortalitätsrate bei heutigem Standard der Koloskopie kleiner als 0,001 % ist.

Die Tatsache, dass sich nach dem eigenen Befundbericht des Beklagten vom 08.04.2002 aus der von ihm durchgeführten Koloskopie bei dem Ehemann der Klägerin als Blutungsquelle Fissuren und Hämorrhoiden ergaben, hätte Anknüpfungspunkt für das Aufklärungsgespräch des Beklagten mit dem Ehemann der Klägerin dahingehend sein müssen, dass bei erneuten peranalen Blutungen ein Jahr später eine erneute Blutung aus den bereits bekannten Hämorrhoiden anzunehmen, zu beweisen und gegebenenfalls zu behandeln gewesen wäre, weil bei einer ein Jahr zuvor durchgeführten vollständigen und unauffälligen Koloskopie eine Wiederholung der Koloskopie erst nach 10 Jahren empfohlen wird. Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. M... eine Behandlung der Hämorrhoiden im Jahr 2002 offenbar nicht erfolgt ist. Angesichts der nicht indizierten Darmspiegelung kommt der Risikoaufklärung eine besondere Bedeutung zu. Insofern kann sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, dass die Überweisung zum Tumorausschluss durch die Hausärztin die Anforderungen an die Risikoaufklärung vermindern würde. Ob tatsächlich die Hausärztin die Darmspiegelung für indiziert hielt, bedarf keiner abschließenden Klärung. Dass der Hausarzt einen bestimmten Eingriff für indiziert hält und den Patienten zu einem bestimmten Eingriff überweist, enthebt nämlich den weiterbehandelnden Arzt nicht der Pflicht zur umfassenden Risikoaufklärung, auch nicht, wenn der von dem Hausarzt noch nicht ausreichend über den Eingriff vorinformierte Patient auf den Eingriff drängt. Was ein Patient in einer momentanen Notsituation laienhaft wünscht, kann Gefahren bergen, die nur der Arzt als Fachmann umfassend durchschaut und sachgemäß einschätzt. Daher kann nur ein vom Arzt über die Risikolage und -dichte informierter Patient einem operativen oder diagnostischen Eingriff wirklich zustimmen. Dem aus medizinischer Sicht unvernünftigen oder allzu risikoreichen Drängen eines Patienten - was selbst der Beklagte nicht behauptet - darf ein Arzt erst nachgeben, wenn er den Kranken über die allgemeinen und spezifischen Risiken informiert hat (OLG Koblenz VersR 2006, 123). Diesen Anforderungen an die Risikoaufklärung hat der Beklagte nicht genügt. Eine ordnungsgemäße Aufklärung ist bereits deshalb nicht vorgenommen worden, weil diese nach dem eigenen Vortrag des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten von seiner Arzthelferin, der Zeugin B..., vorgenommen worden ist. Die Aufklärung des Patienten ist aber eine ärztliche Aufgabe, die grundsätzlich dem behandelnden Arzt obliegt und unter bestimmten Umständen auf einen anderen Arzt, nicht aber auf hilfsärztliches Personal delegiert werden kann (BGH NJW 1974, 604; OLG Jena NJW-RR 2006, 135; OLG Celle VersR 1981, 1184). Die Annahme des Beklagten, sich zur Ausübung der Aufklärungspflicht im Rahmen von § 278 BGB "fachkundigen Personals bedienen zu können" ist nicht vertretbar. Die bloße Anwesenheit des Arztes im selben Raum, die hier zudem streitig ist, ändert daran nichts, zumal der Beklagte mit der Vorbereitung der Untersuchung beschäftigt gewesen sein will. Für eine ordnungsgemäße Aufklärung reicht es nicht aus, wenn der Arzt für etwaige Rückfragen zur Verfügung steht. Soweit der Beklagte geltend macht, es sei schließlich der schriftlich abgefasste Aufklärungsbogen übergeben und besprochen worden und zwar in seiner Gegenwart, so dass gegebenenfalls Fragen an ihn hätten gerichtet werden können, verkennt er den Sinn eines Aufklärungsgesprächs und insbesondere von Aufklärungsmerkblättern. Letztere können ein persönliches Arzt-Patienten-Gespräch nicht ersetzen, allenfalls vorbereiten oder unterstützen (Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., 2002, § 66 Rn. 14). Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die Klägerin diesen Tatsachenvortrag bestreitet. Ferner kann auch dahinstehen, ob die Klägerin richtige Adressatin dieser ungenügenden "Aufklärung" war.

Die Rechtswidrigkeit des Diagnoseeingriffs entfällt auch nicht deshalb, weil dieser von einer hypothetischen Einwilligung des Ehemannes der Klägerin gedeckt gewesen wäre. Der Beklagte hat nicht ausreichend darlegen können, dass sich der Ehemann der Klägerin auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu dem Eingriff entschlossen hätte. Insofern muss der darlegungs- und beweispflichtige Arzt substanziiert darlegen, warum der Patient eingewilligt hätte, z. B. wegen der Schwere der Erkrankung, der angewendeten, als Methode der Wahl anerkannten Therapie mit günstiger Erfolgsprognose oder den in der Regel geringen Belastungen (BGHZ 90, 96; NJW 1991, 2342). An die Feststellung, der Patient würde eingewilligt haben, sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH NJW 1998, 2734). Die Darlegungen des Beklagten genügen diesen Anforderungen insofern nicht. Der angeführte Tumorverdacht, zu dessen Ausschluss die Darmspiegelung erforderlich sein sollte, war aufgrund des Befundes der ein Jahr zuvor erfolgten Koloskopie, der Nichtbehandlung der Hämorrhoiden und Fissuren bei erneuten peranalen Blutungen ein Jahr später nicht angezeigt. Eine Notfallsituation lag nicht vor. Selbst wenn die Hausärztin des Ehemannes der Klägerin zu einem schnellen Termin zur Darmspiegelung in dem unstreitig geführten Telefonat gedrängt hätte oder auch der verstorbene Ehemann der Klägerin selbst einen ausdrücklichen Wunsch zur Darmspiegelung geäußert hätte, hätte dies den Beklagten nicht davon entbunden, selbstständig die Indikation zu prüfen bzw. zu überprüfen, nachdem die ein Jahr zuvor von ihm selbst durchgeführte Koloskopie gerade keinen Anhalt für einen Tumorverdacht ergeben hatte. Wenn es zutreffen sollte, wie die Klägerin behauptet, dass die Überweisung zu dem Beklagten als Facharzt nur dazu dienen sollte, die hausärztliche Diagnose des erneuen Hämorrhoidenbefalls abzuklären und zu bestätigen, gilt dies erst recht. Einer Einvernahme der von beiden Parteien als Zeugin benannten Hausärztin Frau Dr. K... bedarf es jedoch im Hinblick auf die unmissverständlichen Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. M... nicht.

Auch wenn die Darlegung der Umstände, die für eine hypothetische Einwilligung sprechen, für ausreichend gehalten würden, ist ein Entscheidungskonflikt des Verstorbenen plausibel von der Klägerin dargelegt. Wären die Einzelheiten im Rahmen der Risikoaufklärung mit dem Ehemann der Klägerin durch den Beklagten erörtert worden - bis hin zu der wenn auch seltenen Lebensgefahr -, so stand zu erwarten, dass dieser sich zunächst für die Behandlung der Hämorrhoiden entschieden hätte. Zu dem lediglich zu Kontrollzwecken dienenden diagnostischen Eingriff der Koloskopie steht das Komplikationsrisiko bis hin zur Lebensgefahr außer Verhältnis. In solchen Fällen ist es plausibel, dass der Betroffene von der Koloskopie Abstand genommen hätte.

Der mangels Einwilligung rechtswidrige Diagnoseeingriff des Beklagten war auch kausal für den Todeseintritt und die damit verbundenen Schadensfolgen. Unstreitig ist die Zerreißung der Dickdarmwand bei der Darmspiegelung als - wenn auch äußerst seltene aber bekannte - Komplikation entstanden, die nach dem Sektionsgutachten vom 26.11.2003 zu der Todesursache Blutung und Blähung des Bauches mit anschließendem Kreislaufversagen führte. Bei sachgerechtem Behandlungsverhalten, nämlich Beweis und ggf. Behandlung der Hämorrhoiden, wäre es nicht zur Darmperforation gekommen. Malignes Tumorgewebe war ausweislich des Befundberichtes vom 04.04.2003 nicht vorhanden. Vielmehr lagen beim Verstorbenen wiederum Hämorrhoiden vor.

Für eine Haftungsbegrenzung ist kein Raum. Der Aufklärungsfehler trägt grundsätzlich die Haftung für alle damit ursächlich verbundenen Schadensfolgen (BGH NJW 1986, 1541). Fehlt es an einer Grundaufklärung wie hier, haftet der Arzt auch dann, wenn sich ein nicht aufklärungspflichtiges Risiko verwirklicht (BGH NJW 2001, 2798). Im Hinblick auf die zuvor gemachten Ausführungen hat sich hier jedoch ein aufklärungsbedürftiges Risiko verwirklicht. Damit besteht auch der Zurechnungszusammenhang.

Ein Behandlungsfehler aufgrund des Verhaltens des Beklagten während, nach der Untersuchung oder aufgrund der Befunddokumentation ist nicht festzustellen. Der Senat folgt auch insofern den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M.... Danach war das ärztliche Verhalten des Beklagten während der Untersuchung nicht fehlerhaft, da eine Perforation der Darmwand in der Regel nicht zu erkennen ist. Auch eine Spülung zur genaueren Beurteilbarkeit des betroffenen Darmabschnittes und somit zur Klärung des makroskopischen Befundes hätte daran nichts geändert. Nach Abschluss der Koloskopie hätte der Beklagte keine Symptome erkennen müssen, da ein geblähtes Abdomen direkt nach der Koloskopie häufig ist. Der Nachweis wäre nur mit einer Röntgenuntersuchung möglich gewesen. Eine solche zu veranlassen hatte der Beklagte aber keinen Grund. Auch in einer einstündigen Nachbeobachtung und fehlenden Abschlussuntersuchung liegt kein Versäumnis. Eine vielstündige Nachbeobachtung ist angesichts der Seltenheit einer Perforation bei rein diagnostischer Koloskopie keine zu fordernde Sicherheitsmaßnahme. Die Befunddokumentation ist zwar deutlich spärlich, verletzt aber noch keine ärztlichen Standards und erfüllt damit die Mindestanforderungen. Dies gilt auch, soweit nicht dokumentiert worden ist, ob die festgestellte Blutung bei dem Vorschub des Koloskops oder erst bei dem Rückzug aufgefallen ist. Ob Befunde schon beim Vorschub oder erst beim Rückschub gesehen wurden, wird üblicherweise nicht dokumentiert, da es medizinisch belanglos ist und kleinere Befunde bei luftsparendem Vorschub mehrheitlich übersehen werden. Eine Blutung würde zwar wahrscheinlich schon beim Vorschub auffallen, eine leichte kapilläre Blutung aus einem Karzinom könnte aber ohne weiteres erst im Lauf der Untersuchung ausgelöst werden und somit erst beim Rückzug auffallen. Es ist aber auch plausibel, dass erst die Probeentnahmen die sichtbare Blutung ausgelöst haben. Dass der Beklagte die Blutung nicht als klinisch relevant eingeschätzt hat, ist nicht als fehlerhaft zu betrachten.

Der Umfang der Ersatzpflicht aus § 844 Abs. 1 BGB entspricht der Kostentragungspflicht des Erben für eine standesgemäße Beerdigung des Verstorbenen gem. § 1968 BGB. Danach hat der Erbe die Kosten für die Beerdigung oder Feuerbestattung zu tragen, beschränkt auf den Aufwand, der durch die Lebensstellung des Erblassers angemessen ist (OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1161). Dazu zählen die eigentlichen Beerdigungskosten wie auch die Kosten einer üblichen kirchlichen und bürgerlichen Feier, des Grabsteins sowie der Erstanlage der Grabstätte, ferner die Ausgaben für Trauerkleidung, Todesanzeigen, Danksagungen oder Verdienstausfall (Palandt-Edenhofer, BGB, 67. Aufl., § 1968 Rn. 2). Der vom Beklagten zu erstattende Betrag in Höhe von insgesamt 9.237,81 € setzt sich wie folgt zusammen:

Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören die Kosten für die Bestattung gemäß der Rechnung vom 02.05.2003 des Bestattungshauses G... GmbH in Höhe von 2.697,87 €. Soweit der Beklagte bestreitet, dass die geltend gemachten Kosten tatsächlich entstanden seien, weil die entsprechende Rechnung als "Zwischenabrechnung" bezeichnet sei, ist dieses nicht erheblich. Nachdem die Klägerin vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, dass es bei der erwarteten und von der Rechnung abgesetzten Zahlung der Krankenkasse in Höhe von 525,00 € geblieben sei, hat der Beklagte den Vortrag "zur vorgelegten Rechnung über die Bestattungskosten" nur unzureichend mit Nichtwissen bestritten. Dabei bleibt unklar, ob er die Richtigkeit der Rechnung, die Begleichung durch die Klägerin oder die Höhe des Krankenkassenbeitrages in Abrede stellen möchte. Des Weiteren sind die Kosten in Höhe von 180,00 € für das Grabmachen (Öffnen und Schließen des Grabes), die die Klägerin entsprechend der Quittung vom 16.04.2003 an das Bestattungshaus G... GmbH entrichtet hat, zu erstatten. Dies gilt auch für die Kosten der Trauerfeier über insgesamt 213,40 €, die sich aus 50,00 € Raummiete an die Gemeinde sowie der Bezahlung der Rechnung der Fleischerei L... vom 12.04.2003 über 163,40 € zusammensetzen. Erstattungsfähig ist desgleichen der Betrag, den die Klägerin für den Blumenschmuck zur Bestattung gemäß der Rechnung der Gärtnerei W... vom 15.04.2003 über 955,00 € aufgewandt hat. Die Klägerin kann auch die Kosten für den Trauerredner in Höhe von 175,00 € ersetzt verlangen. Dem nachgereichten Vortrag der Klägerin, dem Trauerredner auf dessen Rechnung über 175,00 € diesen Betrag gezahlt zu haben, ist der Beklagte nicht mehr substanziiert entgegengetreten. Entsprechendes gilt auch für den von der Klägerin geltend gemachten Betrag von 360,00 € für die Traueranzeige, nachdem diese ihren Vortrag durch Vorlage einer Quittung präzisiert hat. Die Kosten des Grabdenkmals (Grabstein) sind nur in Höhe der Kosten für ein Grabdenkmal eines Einzelgrabes in Höhe von 3.450,54 € erstattungsfähig. Die Kostentragungspflicht beschränkt sich auf Kosten, die für die Beerdigung (Bestattung), d. h. für den Beerdigungsakt selbst erforderlich sind. Das bedeutet, die Kostentragungspflicht des Erben ist beschränkt auf die Kosten der Beerdigung des Erblassers selbst. Auch wenn üblicher Weise beim Tode des erstversterbenden Ehegatten ein Doppelgrab angeschafft wird, sind nur diejenigen Kosten zu ersetzen, die der Beerdigung des Verstorbenen selbst zugerechnet werden müssen. Dazu können die (Mehr-) Kosten für ein Doppelgrab nicht gerechnet werden (BGH VersR 1974, 140).

Hinzu treten als erstattungsfähig die Kosten für die Gravur der Grabplatte in Höhe von 400,00 € sowie für die Grabvase in Höhe von 180,00 €. Diese Kosten sind durch die Beerdigung veranlasst. Soweit der Beklagte diese Kosten ohne weiteres für nicht angemessen hält, ist dieses unbeachtlich. Hinsichtlich der Kosten für das Grabdenkmal für ein Einzelgrab in Höhe von 3.450,54 € hat der Beklagte sein Bestreiten, 2.000,00 € wären angemessen, nach Vorlage des Angebots für das Einzelgrab nicht weiter aufrechterhalten. Im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die aufgewandten Kosten in Höhe von insgesamt 4.030,54 € nicht angemessen seien, weil sie nicht der Lebensstellung des Ehemannes der Klägerin entsprachen.

Hinsichtlich der Kosten für den Kauf der Grabstelle kann die Klägerin entsprechend den bereits dargelegten Grundsätzen gleichfalls nur die Kosten für eine Einzelgrabstelle und nicht für eine Doppelgrabstelle geltend machen, so dass ein Betrag von 200,00 € erstattungsfähig ist. Dazu kommen 26,00 € für die Benutzung der Trauerhalle.

Trauerkleidung kann die Klägerin gemäß der nach § 287 ZPO zulässigen Schätzung in Höhe von 400,00 € ersetzt verlangen. Zu den Kosten der Beerdigung i.S.v. § 844 Abs. 1 BGB zählen grundsätzlich auch die Kosten für eine angemessene Trauerkleidung für den nächsten Angehörigen (OLG Hamm VersR 1977, 1110; OLG Koblenz ZfSch 1982, 7; OLG Celle ZfSch 1981, 326 und 1987, 229; OLG Stuttgart ZfSch 1983, 325; Wagner in MüKo, BGB, 4. Aufl., § 844 Rn. 18). Ersatzfähig ist dabei nur die bei der Beerdigungszeremonie getragene Trauerkleidung. Darüber hinaus während der gesamten Trauerzeit getragene Kleidung hat der Ersatzpflichtige nicht zu erstatten (OLG Karlsruhe 1998, 258). Insofern kann die Klägerin nicht für die ein Jahr lang getragene Trauerkleidung Ersatz in vollem Umfang verlangen. Es sind nur die Kosten der für die Beerdigungsfeier erworbenen Kleidungsstücke erstattungsfähig. Legt man die Kosten entsprechend der Preisangaben der Klägerin für eine Winterjacke, eine Hose, ein T-Shirt und eine Bluse zugrunde, ergibt sich ein geschätzter Betrag von 400,00 €. Ob und in welchem Umfang bei der Trauerkleidung ein Abzug wegen Vorteilsausgleichs gemacht werden muss, weil andere Kleidung eingespart wird oder die schwarze Kleidung auch unabhängig vom Trauerfall getragen werden kann (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 9. Aufl., VII, Rn. 454 m.w.N.), bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Eine Anrechnung von Eigenaufwendungen ist auch in Anbetracht der vorgetragenen Trauerzeit nicht veranlasst, weil angesichts der Trauerkleidung, die die Klägerin darüber hinaus angeschafft haben will, eine messbare Eigenersparnis nicht eingetreten ist.

Die in Ansatz gebrachten Kosten für das Grundbuchamt in Höhe von 185,20 €, für den Erbschein in Höhe von 21,50 €, für Wasser- und Abfallgebühren für den Friedhof in Höhe von 400,00 € sowie die Kosten für die künftige Grabbepflanzung für 10 Jahre in Höhe von 500,00 €, insgesamt 1.106,70 €, sind demgegenüber nicht erstattungsfähig. Die Kostentragungspflicht beschränkt sich auf Kosten, die für den Bestattungsakt als solchen erforderlich sind. Dieser findet seinen Abschluss mit der Herrichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte. Die Kosten der Instandhaltung und Pflege der Grabstätte und des Grabdenkmals, die nicht mehr zu den Kosten der Beerdigung selbst zählen, müssen nach allgemeiner Auffassung von dem Erben nicht getragen werden und stellen dementsprechend auch keine ersatzfähigen Kosten gem. § 844 BGB dar (BGH VersR 1974, 140; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 9. Aufl., VII, Rn. 452, 453).

Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB begründet. Der Antrag der Klägerin war dahingehend auszulegen, dass Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrt werden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten vom 5.3.2008 bietet keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen. Es bedurfte vor der mündlichen Verhandlung keines rechtlichen Hinweises nach § 139 ZPO, dass der Senat einen Aufklärungsfehler des Beklagten annehmen könnte, weil sich die Klägerin im Rahmen der Stellungnahme zum Sachverständigengutachten die gutachterlichen Feststellungen zu Eigen gemacht hat, was zulässig ist. Sie hat unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Sachverständigen darauf verwiesen, dass die im Jahr 2002 festgestellten Fissuren und Hämorrhoiden als Blutungsquelle keiner Behandlung zugeführt worden sind und die Indikation für die erneute Koloskopie daher noch nicht gegeben war, weshalb die Klägerin einen Behandlungs- aber eben auch einen Aufklärungsfehler angenommen hat. Dazu hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten entgegen seiner allgemeinen Prozessförderungspflicht (§ 282 ZPO) keine Stellung genommen. Im übrigen stellt der Senat entgegen der Darstellung des Beklagten nicht allgemein darauf ab, dass eine Wiederholung der Koloskopie erst in einem Intervall von 10 Jahren angezeigt gewesen wäre, sondern darauf, dass hier aufgrund der ein Jahr zuvor von dem Beklagten selbst durchgeführten, im Ergebnis unauffälligen Koloskopie bei einer erneuten peranalen Blutung zunächst wieder Hämorrhoiden als Ursache anzunehmen, zu beweisen und ggf. zu behandeln waren, weshalb dies Gegenstand des Aufklärungsgesprächs hätte sein müssen, was im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert wurde, ohne dass sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten veranlasst sah, sich Vortrag hierzu vorzubehalten.

Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 12.190,13 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 S. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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