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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 25.10.2007
Aktenzeichen: 12 U 38/07
Rechtsgebiete: ZPO, StVG, BGB, PflVG, StVO, SGB X


Vorschriften:

ZPO § 287
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
StVG § 7
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 7 Abs. 5
StVG § 17
StVG § 18
BGB § 247
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
PflVG § 3
StVO § 1 Abs. 2
SGB X § 119
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 38/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 25.10.2007

Verkündet am 25.10.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski sowie die Richter am Oberlandesgericht Beckmann und van den Bosch

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird das am 31. Januar 2007 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az.: 5 O 20/03, aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz in Bezug auf einen Verkehrsunfall vom 10.10.2002 auf der Autobahn A 9. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.

Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 75.000,00 € und zur Zahlung eines weiteren Betrages von 16.366,16 € verurteilt und hat dem Feststellungsantrag in vollem Umfang stattgegeben. Es hat gemeint, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Verschulden des Beklagten zu 1. nachgewiesen. Zwar stünden Einzelheiten zum Unfallgeschehen nicht fest, es könne jedoch nach den Angaben der Parteien sowie des Zeugen K... davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1. den linken Blinker gesetzt und nach links herüber gezogen sei, was zu einer Ausweichbewegung der Klägerin geführt habe, die adäquat kausal durch das Fahrmanöver des Beklagten zu 1. verursacht worden sei. Dieses Verhalten habe in der hier zu bewertenden Gefahrensituation eine normale und übliche Reaktion dargestellt. Der Beklagte zu 1. habe bei dem Spurwechsel die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, während der Klägerin kein Mitverschulden zur Last falle. Es sei nicht belegt, dass das Ausweichmanöver mit der Einleitung der Notbremsung nicht gerechtfertigt gewesen sei. Ein Unfallrekonstruktionsgutachten habe nicht eingeholt werden müssen, da wegen der fehlenden Berührung der Fahrzeuge ausreichende Anknüpfungstatsachen für weitere Erkenntnisse nicht erkennbar seien. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin erlittenen Verletzungen sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 DM (gemeint wohl Euro) angemessen. Aufgrund der Sachverständigenfeststellungen sei davon auszugehen, dass jedenfalls ein Teil der Beschwerden, an denen die Klägerin bis heute leidet, unfallursächlich seien; dies sei bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Darüber hinaus hätten die Beklagten 20.000,00 € zu leisten, wobei davon ausgegangen werde, dass jedenfalls bis zum Abschluss der Rehabilitationsmaßnahmen für 15 Monate ein Erwerbsminderungsschaden und ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 15.354,45 € eingetreten sei. Wegen des Haushaltsführungsschadens sei die Schadenshöhe nach § 287 ZPO zu ermitteln. Dass die Erwerbsunfähigkeit auch heute noch auf die Unfallfolgen zurückzuführen sei, stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen des Ehemannes der Klägerin für Besuche bestehe nicht, da die Klägerin keinen Beweis dafür angetreten habe, dass die Besuche für die Heilerfolge notwendig gewesen seien. Der Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, sei ebenfalls begründet.

Gegen das der Klägerin am 08.02.2007 und den Beklagten am 05.02.2007 zugestellte Urteil haben die Klägerin am 20.02.2007 und die Beklagten am 06.03.2007 Berufung eingelegt und diese mit einem am 22.03.2007 (Klägerin) bzw. am 10.04.2007 (Beklagten), dem Dienstag nach Ostern eingegangenen Schriftsatz, begründet.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es ihr günstig ist, rügt aber mit ihrer Berufung, das Landgericht habe fehlerhaft hinsichtlich der Zinsentscheidung jeweils 5 % über dem Basiszinssatz tenoriert, anstatt richtigerweise Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten. Ausweislich der Entscheidungsgründe habe es hinsichtlich des Antrages zu 2. den Schaden der Klägerin auf 20.000,00 € geschätzt, jedoch lediglich 16.366,16 € tenoriert. Schließlich sei auch die Kostenentscheidung des Landgerichts nicht nachvollziehbar.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 31.01.2007, Az.: 5 O 20/03, dahingehend abzuändern, dass

1. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2003 zu zahlen sind,

2. die Beklagten zu 1. und 3. verurteilt werden, gesamtschuldnerisch an die Klägerin 20.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2003 zu zahlen und

3. die Klägerin von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. und 3.

6 % zu zahlen hat und die Beklagten zu 1. und 3. 74 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten haben. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. trägt die Klägerin voll. Von den gerichtlichen Kosten haben die Klägerin 38 % und die Beklagten zu 1. und 3. 62 % zu tragen sowie

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen

und hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen

und hilfsweise

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Sie rügen, das Landgericht habe bereits zu Unrecht im Tatbestand als unstreitig dargestellt, dass der Fahrstreifenwechsel des Beklagten zu 1. in einem zeitlichen Zusammenhang zum Fahrmanöver der Klägerin stehe. Hierbei handele es sich um eine Wertung des Gerichts, und nicht um eine unstreitige Tatsache. Im Übrigen ergebe sich die vom Gericht unterstellte unmittelbare Nähe des Beklagtenfahrzeuges zu dem klägerischen Fahrzeug zum Zeitpunkt des (beabsichtigten) Fahrstreifenwechsels nicht sicher aus den Zeugenaussagen und Parteiangaben, sondern es handele sich um Spekulationen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin bereits nach seinen eigenen Angaben von dem Unfallgeschehen nicht viel mitbekommen habe. Der Beklagte zu 1. habe im Rahmen seiner Anhörung auch nicht angegeben, in den von der Klägerin benutzten Fahrstreifen eingefahren zu sein, sondern lediglich, den linken Blinker gesetzt zu haben, um in den mittleren Fahrstreifen hineinwechseln zu wollen. Der Umstand, dass sich das Beklagtenfahrzeug irgendwo in der Nähe des klägerischen Fahrzeugs befunden haben könne, stelle keinen Beweis dar. Nicht bewiesen und ebenfalls lediglich spekulativ seien die Ausführungen des Gerichts, wonach die Klägerin das Brems- und Ausweichmanöver nicht fehlerhaft eingeleitet haben soll. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, weswegen keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen für die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens vorliegen sollen, wenn das Gericht die vorliegenden Zeugenaussagen und Parteiangaben für ausreichend erachte, um eine adäquat kausale Verursachung des Unfalls feststellen zu können. Den entsprechenden Beweisantritt der Beklagten habe deshalb nachgegangen werden müssen. Schließlich müsse sich die Klägerin mindestens die Betriebsgefahr ihres eigenen Fahrzeuges zurechnen lassen, die hinter einem unterstellten Verschulden des Beklagten zu 1. nicht zurücktrete.

Auch die Ausführungen des Landgerichts zur Schadenshöhe seien fehlerhaft. Unabhängig davon, dass der ausgeurteilte Betrag in Höhe von 16.366,16 € nicht mit dem in den Entscheidungsgründen zugrunde gelegten Betrag von 20.000,00 € übereinstimme, fehle eine Erklärung in Bezug auf die Berechnung eines Haushaltsführungsschadens in Höhe von 15.354,45 €. Die Schätzgrundlagen würden nicht mitgeteilt. Hinsichtlich des Feststellungsantrages sei keine Beschränkung für die Zeit nach Abschluss der mündlichen Verhandlung vorgenommen worden und es werde die Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes nicht beachtet.

II.

Die Berufungen sind zulässig. Insbesondere wurden sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO), und zwar auch, soweit die Beklagte zu 2. gegen das Urteil Berufung eingelegt hat, denn diese soll ausweislich der Berufungsschrift ebenfalls Berufungsführerin sein. Zwar wurde gegenüber der Beklagten zu 2. die Klage mit Schriftsatz vom 22.12.2002 zurückgenommen, gleichwohl hat das Landgericht fehlerhaft eine Differenzierung im Rahmen der Tenorierung des Urteils hinsichtlich der Hauptaussprüche unterlassen. Sowohl hinsichtlich der Leistungsklage als auch hinsichtlich der Feststellungsklage werden nach dem Urteilstenor sämtliche drei Beklagten ohne jede Einschränkung verurteilt. Lediglich im Rahmen der Kostenentscheidung wird erkennbar, dass das Landgericht die im Tatbestand dargestellte Klagerücknahme scheinbar hat berücksichtigen wollen, indem es der Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. auferlegt hat. Zwar stützt die Beklagte zu 2. ihre Berufung nicht auf diesen Gesichtspunkt; gleichwohl genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO, denn die Einwendungen, die seitens der Beklagten insgesamt gegen das Urteil erhoben werden, erfassen letztlich auch die Beklagte zu 2., weshalb es unerheblich ist, dass bereits aus prozessrechtlichen Gründen eine Verurteilung der Beklagten zu 2. nicht hätte ergehen dürfen.

Die Berufungen haben insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führen.

Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Anspruch aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 3 PflVG zu.

Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG erfasst alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe, weshalb es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen auf diese Weise durch das Kraftfahrzeug mit geprägt worden ist. Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht, wobei es erforderlich ist, dass die Fahrweise oder der Betrieb dieses Fahrzeugs zu dem Entstehen des Unfalls beigetragen hat (BGH VersR 2005, 992; VersR 1988, 641). Mithin ist eine Kollision der Fahrzeuge nicht maßgeblich für eine Haftung nach § 7 StVG. Vielmehr kann selbst ein Unfall infolge einer voreiligen - also objektiv nicht erforderlichen - Abwehr- oder Ausweichreaktion im Einzelfall dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, das die Reaktion ausgelöst hat (BGH a.a.O.). Hierfür genügt ein Schlenker nach links, ohne dass die Fahrspur bereits gewechselt worden sein muss (vgl. dazu auch OLG Hamm NJW-RR 2001, 456). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob es bereits zu einem Fahrstreifenwechsel gekommen ist und sich daraus ein Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVG ergeben könnte, denn auch ein Ausscheren ohne Fahrspurwechsel kann unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO eine Gefährdung anderer bedeuten. Soweit das Landgericht gemeint hat, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Klägerin zu einer Ausweichreaktion durch das Verhalten des Beklagten zu 1. veranlasst wurde, so kann dem im Ergebnis gefolgt werden. Das Landgericht stützt sich dabei im Wesentlichen auf die im Rechtsstreit 5 O 19/03 durchgeführte Beweisaufnahme, die das Landgericht - vermutlich im Wege des Urkundenbeweises - verwertet hat, denn ausweislich des Tatbestandes wurden die Akten des vorgenannten Rechtsstreits zu Beweiszwecken herangezogen, wobei sich die Parteien mit einer Verwertung der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausdrücklich einverstanden erklärt haben. Zwar sind die Angaben der Parteien und auch des vom Landgericht für maßgeblich erachteten Zeugen K... nicht in jeder Hinsicht detailliert. Im Kern ergibt sich aber, insbesondere auch aus den Angaben des Zeugen K..., dass vom Beklagten zu 1. ein Fahrmanöver ausgegangen ist, welches die Klägerin zu einer Ausweichbewegung veranlasst hat. So hat der Zeuge angegeben, dass der auf der rechten Fahrspur befindliche VW-Bus des Beklagten zu 1. deutlich schneller fuhr als der vorausfahrende Lkw und er noch gedacht habe, "der wird doch wohl nicht in die mittlere Spur ausscheren, der Abstand ist zu gering". In diesem Moment sei aber auch schon der VW-Bus nach links ausgeschert und habe den Blinker gesetzt. Wie weit der Beklagte zu 1. nach links ausgeschert ist, hat der Zeuge nicht konkret angeben können. Er hat aber angegeben, es sei so gewesen, dass das Fahrmanöver des VW-Busses eine Reaktion des nachfolgenden später verunglückten Wagens aus seiner Sicht notwendig gemacht habe. Es handele sich dabei um einen Eindruck, den er nicht mit physikalischen Zahlen belegen könne. Auf weitere Nachfrage hat er angegeben, nach seiner Beobachtung sei der VW-Bus, als er nach links auf die mittlere Spur ausscherte, zu nahe an den später verunglückten Wagen herangefahren, ohne dies nach Meter oder Zentimeter berechnen zu können. Er hat das Fahrmanöver des Beklagten zu 1. als gefährlich angesehen. Wenn man berücksichtigt, dass sich ein solcher Vorgang üblicherweise in kürzester Zeit abspielt, sind seine nicht sehr präzisen Angaben verständlich. Gut nachvollziehbar und überzeugend hat er jedoch dargestellt, dass er das Fahrverhalten des VW-Busses als äußerst gefährlich eingeschätzt und dieses Verhalten eine Reaktion des nachfolgenden Fahrzeugs voraussehbar und nachvollziehbar machte, wobei der Zeuge auch eingeräumt hat, nicht beurteilten zu können, ob diese Reaktion hätte perfekter aussehen können, ob also ein leichteres Bremsen oder ein Ausweichmanöver in eine andere Richtung möglicherweise besser geeignet gewesen sein könnten, dem Fahrzeug auszuweichen. Er hat aber keinen Zweifel daran gelassen, dass eine Reaktion auf das Verhalten des Beklagten zu 1. durchaus veranlasst war. Konkrete Anhaltspunkte gegen die Glaubhaftigkeit der Bekundungen oder gar gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen, der als neutraler Verkehrsteilnehmer das Geschehen beobachtet hat, bestehen nicht und werden auch seitens der Parteien nicht erörtert. Die Angaben des Zeugen werden auch nicht entkräftet durch die Bekundungen des Zeugen Ke..., dem Beifahrer des vom Beklagten zu 1. geführten Fahrzeugs. Er hat vom Geschehen nur wenig wahrgenommen, sondern hat nach seinen eigenen Angaben "gedöst". Er meinte lediglich sich erinnern zu können, dass der Beklagte zu 1. ausgewichen sei, nachdem es zum Zusammenstoß zwischen dem Pkw und dem Lkw gekommen sei und der Beklagte zu 1. gebremst habe, weil der Lkw aufgrund des Zusammenpralls gebremst habe. Diese Angaben überzeugen jedoch nicht, zumal sie mit dem Vorbringen des Beklagten zu 1. nicht übereinstimmen, der angegeben hat, der vorausfahrende Lkw sei langsamer gefahren und er habe deshalb überholen wollen, habe etwas abbremsen müssen und auf die linke Spur ausscheren wollen. Er habe schon den linken Blinker gesetzt und auf die mittlere Fahrspur wechseln wollen auf der sich die Klägerin schon befunden habe. Diese sei dann irgendwie gegen den Lkw geraten. Dabei hat er eingeräumt, dass es durchaus sein könne, dass er irgendeinen Fahrfehler begangen habe. Auch hieraus folgt letztlich, dass der Beklagte zu 1., sollte er die Fahrspur noch nicht gewechselt haben, hierzu jedenfalls unmittelbar angesetzt hatte und damit eine Gefahrensituation geschaffen hatte, die eine Ausweichbewegung der Klägerin nachvollziehbar machte. Dass der Beklagte zu 1. vor seinem Ausscheren und dem Setzen des linken Blinkers in irgendeiner Form den nachfolgenden Verkehr beachtet hat, ergibt sich nicht einmal aus seinen eigenen Angaben.

Es ist zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes auch nicht geboten, ein Unfallrekonstruktionsgutachten einzuholen, wie es die Beklagten fordern. Soweit das Landgericht gemeint hat, dass wegen der fehlenden Berührung der Fahrzeuge ausreichende Anknüpfungstatsachen für weitere Erkenntnisse nicht erkennbar seien, zeigen die Beklagten solche auch mit der Berufung nicht auf. Konkrete Angaben zu Geschwindigkeiten oder etwaigen Entfernungen der Fahrzeuge voneinander liegen nicht vor, weshalb nicht erkennbar ist, woran sich ein Sachverständiger im Rahmen der Erstellung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens orientieren soll.

Soweit das Landgericht im Rahmen der Ausführungen zu einem Mitverschulden gemeint hat, ein solches Mitverschulden der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs, dass der Beifahrer sich als Halter gem. §§ 7 und 17 StVG zurechnen lassen müsse, sei nicht festzustellen, so ist dies in dieser Form nicht nachvollziehbar, da es vorliegend um ein Mitverschulden der Klägerin selbst geht und nicht um ein Verhalten der Fahrzeugführerin, welches dem klagenden Halter zuzurechnen ist. Vermutlich hat das Landgericht insoweit die hiesigen Parteirollen mit den Parteien des unter dem Az.: 5 O 19/03 geführten Rechtsstreits verwechselt, da sich gleich lautende Ausführungen im dortigen Vergleichsvorschlag befinden.

Im Ergebnis geht aber auch der Senat davon aus, dass die Klägerin kein Mitverschulden trifft. Soweit die Beklagten mit der Berufung meinen, die Klägerin habe sich nicht wie ein Idealfahrer verhalten, so mag dies so sein. Daraus lässt sich aber umgekehrt kein Verschuldensvorwurf herleiten, insbesondere nicht als erwiesen betrachten. Richtig ist lediglich, dass ausgehend davon, dass ein unabwendbares Ereignis zugunsten der Klägerin nicht bewiesen ist, die von ihrem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr zu berücksichtigen ist. In diesem Zusammenhang rügen die Beklagten zu Recht, dass sich hierzu in dem angefochtenen Urteil keinerlei Erwägungen finden. Aufgrund der latenten Gefahren, die von einem Fahrstreifenwechsel ausgehen (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 7 StVO, Rn. 16), trifft denjenigen, der einen Fahrstreifenwechsel unter Missachten der gesteigerten Sorgfaltspflicht vornimmt, regelmäßig die volle Haftung (Hentschel, § 17 Rn. 16 m.w.N.). Wenn man vorliegend berücksichtigt, dass der Beklagte zu 1. offenbar weder den (beabsichtigten) Fahrspurwechsel rechtzeitig angezeigt hat noch in diesem Zusammenhang den nachfolgenden Verkehr hinreichend beachtet hat, erscheint es sachgerecht, die von dem Klägerfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr hinter dem Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1. völlig zurücktreten zu lassen.

Da die Schmerzensgeldbemessung des Landgerichts, das ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 € für angemessen erachtet hat, mit der Berufung der Beklagten nicht in Frage gestellt wurde, sieht auch der Senat keine Veranlassung, zur Abänderung der Schmerzensgeldbemessung.

Unhaltbar sind demgegenüber die Ausführungen des Landgerichts zur Höhe des geltend gemachten Erwerbsminderungsschadens und des Haushaltsführungsschadens. Das Landgericht hat gemeint, hierfür sei - von der Klägerin unbeanstandet - nur ein Zeitraum von 15 Monaten zugrunde zu legen und hat den Schaden mit 15.354,45 € beziffert. Hinsichtlich des Haushaltsführungsschadens soll in diesem Zusammenhang eine Schätzung nach § 287 ZPO erfolgt sein. Weitere Erläuterungen hierzu enthalten die Entscheidungsgründe nicht. Schließlich wurde noch ein Betrag von 1.011,71 € betreffend Aufwendungen für Hilfs- und Rehamaßnahmen für erstattungsfähig gehalten. Dieser Betrag ergibt in der Addition mit dem Betrag von 15.354,45 € schließlich den titulierten Betrag von 16.366,16 €. Wie sich dazu dann aber die Feststellungen des Landgerichts verhalten, die Beklagten sei verpflichtet, an die Klägerin 20.000,00 € Schadensersatz zu zahlen (Seite 6 des angefochtenen Urteils), ist unklar. Das dieser Feststellung nachfolgende - undifferenzierte - Zahlenwerk lässt eine solche Feststellung nicht zu. Die Entscheidungsgründe lassen nicht nur jegliche Berechnung der jeweiligen Schäden vermissen, sondern es erfolgt nicht einmal eine Differenzierung zwischen Erwerbsschaden und Haushaltsführungsschaden, sondern es wird ein in keiner Weise nachvollziehbarer Betrag für beide Schadensarten ausgeworfen, und zwar ohne jede Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Beklagten hinsichtlich des Erwerbsschadens und des Haushaltsführungsschadens. Damit bleibt auch der Umfang der Zuerkennung einerseits und Aberkennung andererseits der jeweils geltend gemachten Schäden völlig unklar. Da damit dem Urteil die Berechnungsgrundlagen nicht zu entnehmen sind und im Übrigen - wie nachfolgend noch aufgezeigt wird - streitiger Vortrag zu beweiserheblichen Tatsachen übergangen wurde, ist entsprechend dem Hilfsantrag beider Parteien die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO geboten.

Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen:

Hinsichtlich des Erwerbsschadens hat die Klägerin zur Höhe hinreichend vorgetragen. Soweit sie in ihrem Schriftsatz vom 11.08.2006 eine geänderte Berechnung vorgenommen hat, ist seitens der Beklagten ein substanziiertes Bestreiten nicht erfolgt. Vielmehr betreffen die Einwendungen der Beklagten im Schriftsatz vom 19.10.2006 im Wesentlichen den Zeitraum nach dem vom Landgericht für berücksichtigungsfähig erachteten Zeitraum von 15 Monaten, so dass es auf dieses Bestreiten nicht mehr ankommt. Soweit die Beklagten mit Schriftsatz vom 17.08.2005 die Richtigkeit der Angaben der Klägerin u. a. zur Anrechnung etwaiger Überstunden und zur Zahlung eines 13. Monatsgehalts bestritten haben, ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin Unterlagen vorgelegt hatte, die ihr Vorbringen im Wesentlichen bestätigen. Neben den Gehaltsmitteilungen hatte sie bereits mit der Klageschrift eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers vom 06.11.2002 vorgelegt, mit der ihr ein bestimmter Bruttoverdienst für eine weitere Vollzeitbeschäftigung bescheinigt wurde. Diese Bescheinigung orientiert sich in etwa auch an den von ihr vorgelegten Gehaltsbescheinigungen. Insgesamt erlaubt der Vortrag der Klägerin zu ihren Einkünften eine Schätzung gem. § 287 ZPO, wobei aber unklar ist, weshalb die Klägerin in ihrer geänderten Berechnung des Erwerbsschadens die Beiträge zur Rentenversicherung nicht mehr berücksichtigt hat. Ursprünglich hatte sie von dem errechneten Erwerbsschaden von 98,28 DM einen Betrag von 78,50 DM abgezogen, der auch einen Betrag von 13,85 DM als Beiträge zur Rentenversicherung enthielt. Diese Beiträge hat sie dann in ihrer Neuberechnung ohne nähere Erläuterung weggelassen. Sollte es hier zu unfallbedingt nicht geleisteten Rentenversicherungsbeiträgen gekommen sein, so ist dieser Posten nicht ersatzfähig, sondern er geht auf den Rentenversicherungsträger nach § 119 SGB X über (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 9. Aufl., Rn. 44). Deshalb muss sich die Klägerin an ihrer ursprünglichen Berechnung fest halten lassen mit der Folge, dass zu dem für den Zeitraum vom 21.11.2000 bis 20.11.2001 errechneten Betrag von 3.691,37 € (Bl. 151) für die Zeit bis zum 10.01.2002 ein Betrag von weiteren 515,78 € (51 Tage x 19,78 DM = 1.008,78 DM) hinzuzurechnen wäre. Für den Erwerbsschaden ergibt sich damit bei Zugrundelegung eines Zeitraums von 15 Monaten ein Betrag von 4.207,15 €.

Zum Haushaltsführungsschaden hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.07.2005 näher vorgetragen und ihr Vorbringen unter Beweis gestellt. Die Tatsachen, die der Klägerin als Berechnungsgrundlage dienten, wurden seitens der Beklagten bestritten. Der verletzte Haushaltsführende hat darzulegen und - im Rahmen der Beweiserleichterungen des § 287 ZPO - zu beweisen, welche Tätigkeiten er ohne den Unfall im Haushalt ausgeübt hätte und welche er infolge der konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen infolge des Unfalls nicht mehr oder nur noch in reduziertem Umfang ausüben kann (Küppersbusch, Rn. 186). Welche Tätigkeiten die Klägerin im Haushalt erbracht hat, hat sie mit Schriftsatz vom 11.07.2005 ausgeführt. Soweit in diesem Zusammenhang eine Stundenzahl von täglich 2,3 ermittelt wurde, erscheint dies nicht überzogen. Klärungsbedürftig ist aber die bestrittene Behauptung, ob tatsächlich die Klägerin die gesamte Haushaltsführung allein bewältigt hat, ob also weder ihr Ehemann noch ihr Sohn sowie dessen Verlobte, die ebenfalls im Haushalt gelebt haben sollen, keinerlei Haushaltstätigkeiten übernommen haben. Da der Klägerin, wie ausgeführt, insoweit die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO zugute kommen, bedarf es insoweit nicht des Vollbeweises, sondern es genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Die Klägerin hat Zeugenbeweis für ihre Behauptungen angetreten. Dem entsprechenden Beweisantritt ist nachzugehen.

Haben nach dem Unfall entsprechend dem Vorbringen der Klägerin die übrigen Familienmitglieder die Hausarbeit verrichtet, ist Anhaltspunkt für die Schadensschätzung im Rahmen des § 287 ZPO der Nettolohn einer erforderlichen und geeigneten Hilfskraft (Küppersbusch, Rn. 188). Die sich daraus ergebende Formel der Schadensberechnung hat die Klägerin angewandt (Bl. 164). Es kann auch davon ausgegangen werden, dass die Klägerin in dem vom Landgericht für maßgeblich erachteten Zeitraum von 15 Monaten zu 100 % ausgefallen ist, denn sie hat sich in dieser Zeit ganz überwiegend in stationären Behandlungen einschließlich Reha-Maßnahmen befunden. Für den vom Landgericht zugrunde gelegten Zeitraum ist das Bestreiten der Beklagten deshalb unerheblich.

Zunächst ist jedoch über den Umfang der von der Klägerin behaupteten Haushaltsführung Beweis (4 Zeugen) zu erheben, wobei nicht auszuschließen ist, dass im Anschluss daran auch noch die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich werden kann.

Über die Zuerkennung eines Betrages von 1.011,71 € betreffend Aufwendungen für Hilfs- und Reha-Maßnahmen besteht im Berufungsverfahren kein Streit.

Zu Recht rügt die Klägerin, was das Landgericht zu berücksichtigen haben wird, dass das Landgericht Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz tenoriert hat anstelle der beantragten 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Die Klägerin gibt den Unterschied zwischen beiden Bezeichnungen in der Berufungsbegründung zutreffend wieder. Den Antrag auf Urteilsberichtigung hat das Landgericht mit der Begründung abgetan, soweit im Urteil der Zinssatz mit 5 % ausgewiesen sei, meine dies 5 Prozentpunkte. Dann aber hätte es aufgrund der Unterschiedlichkeit der Bedeutung einer Berichtigung bedurft, zumal sich auch aus der Begründung der Zinsentscheidung nicht entnehmen lässt, dass tatsächlich nur 5 Prozentpunkte gemeint gewesen sein können. Der Zinsanspruch wird allein auf § 247 BGB gestützt, der jedoch lediglich die Höhe des Basiszinssatzes beschreibt. Eine Anspruchsgrundlage stellte diese Norm nicht da, sondern insoweit ist auf §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB zurückzugreifen.

Die Angriffe der Beklagten gegen den Feststellungsanspruch überzeugen nicht. Richtig ist, dass das Schmerzensgeld einheitlich zu bemessen ist und das hiervon in der Regel auch künftige Beeinträchtigungen, so sie bereits jetzt absehbar sind, erfasst werden. Vorliegend lässt sich aber nicht ausschließen, dass es künftig noch zum Eintritt - weiterer - immaterieller Beeinträchtigungen kommt, da nicht sämtliche Spätfolgen absehbar sein dürften (vgl. dazu auch Slizyk, Beck'sche Schmerzensgeldtabelle, S. 104 f).

Auf die von der Klägerin in Frage gestellte Richtigkeit der Kostenentscheidung kommt es nicht mehr an, da das Landgericht insoweit ohnehin eine neue Kostenentscheidung zu treffen haben wird. Richtig ist, dass sich die vom Landgericht vorgenommene Quotierung hinsichtlich der Kostenentscheidung nicht aus § 91 ZPO herleiten lässt, sondern aus § 92 Abs. 1, wobei vor dem Hintergrund der Klagerücknahme auch § 269 Abs. 3 ZPO heranzuziehen gewesen wäre.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die auch nicht in Grundsatzfragen von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht.

Streitwert für das Berufungsverfahren:

200.663,70 € (196.979,86 € betreffend die Berufung der Beklagten und 3.633,84 € betreffend die Berufung der Klägerin)

Ende der Entscheidung

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