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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 12 U 48/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StVG, PflVG


Vorschriften:

ZPO § 286
ZPO § 287
ZPO § 397
ZPO § 402
ZPO § 412
ZPO § 520 Abs. 3 Nr. 2
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 847 a. F.
StVG § 7
StVG § 18 a. F.
PflVG § 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 48/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 08.03.2007

Verkündet am 08.03.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Beckmann, den Richter am Oberlandesgericht Funder und den Richter am Oberlandesgericht van den Bosch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 10. Februar 2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az.: 1 O 164/02, wird insoweit als unzulässig verworfen, wie der Kläger Zahlung von 517,25 € verlangt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Tenor des angefochtenen Urteils wird dahingehend berichtigt, als er zu Ziffer 2. richtig lautet:

2. Die Beklagten zu 1) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 2.477,42 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 28.03.2002 zu zahlen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall vom 24.04.1998. Er befand sich als Beifahrer in einem PKW, auf welchen die Beklagte zu 1) mit einem PKW hinten auffuhr. Halter des von der Beklagten zu 1) geführten Fahrzeugs war die Beklagte zu 2), Haftpflichtversicherer war die Beklagte zu 3).

Die alleinige Einstandspflicht der Beklagten für sämtliche dem Kläger entstandenen unfallbedingten materiellen Schäden ist ebenso wie die Einstandspflicht der Beklagten zu 1) und 3) für sämtliche immateriellen Schäden zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger behauptet, ihm sei aufgrund einer unstreitig erlittenen HWS-Distorsion ein Dauerschaden verblieben. Dieser Dauerschaden habe letztlich zu seiner Erwerbsunfähigkeit geführt. Mit der Klage begehrt er Verdienstausfall und Schmerzensgeld, Ersatz ihm durch Arztbesuche und Teilnahme an einer Rehabilitierungsmaßnahme entstandener Fahrtkosten sowie Porto- und Kopierkosten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage nur wegen eines geringen Teils stattgegeben. Es ist davon ausgegangen, dass unfallbedingte Beeinträchtigungen des Klägers lediglich während des ersten Jahres nach dem Unfallgeschehen vorgelegen hätten. Dementsprechend hat es einen Anspruch des Klägers auf Ersatz der ihm im ersten Jahr nach dem Unfall angefallenen Fahrtkosten angenommen. Unter Abzug einzelner Fahrten (zum Internisten Dr. R... und zur Akupunkturbehandlung), die das Landgericht nicht der Behandlung der HWS-Distorsion hat zuordnen können, hat es den durch die Fahrten entstandenen Schaden auf 1.536,44 € geschätzt. Zuzüglich einer Pauschale für unfallbedingte Aufwendungen in Höhe von 25,00 € hat es der Klage wegen materieller Schäden von insgesamt 1.561,44 € stattgegeben. Wegen der im ersten Jahr nach dem Unfallgeschehen als bewiesen angesehenen immateriellen Beeinträchtigungen des Klägers hat das Landgericht ein Schmerzensgeld von 3.500,00 € für angemessen gehalten. Unter Berücksichtigung des vorprozessual auf das Schmerzensgeld gezahlten Betrags hat es deshalb der Klage wegen eines weiteren Anspruchs von 2.477,42 € stattgegeben.

Wegen sämtlicher Ansprüche, die der Kläger aus Beeinträchtigungen und Aufwendungen für die ein Jahr nach dem Unfallgeschehen übersteigende Zeit herleitet, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, da es angesichts des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme nicht von einem Zusammenhang etwaiger Beschwerden und dem Unfall ausgegangen ist. Wesentlicher Punkt hierbei ist die Versagung eines Anspruchs auf Ersatz von Verdienstausfall sowie der Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige materielle Schäden.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren bis auf eine geringfügige Korrektur des Zinsantrags weiter. Er beanstandet die Beweiserhebung und -würdigung seitens des Landgerichts. Hierbei rügt er im Wesentlichen, das Landgericht habe die Sachverständigen Dr. G... und P... auch mündlich anhören müssen, ferner sei der von ihm benannte Zeuge Dr. V... zu hören gewesen. Weiter habe das Landgericht zu Unrecht das Beweismaß des § 286 ZPO als erforderlich angesehen.

Bei einer nach Beendigung des landgerichtlichen Verfahrens durchgeführten Untersuchung sei eine multisegmentale Spondylarthrose festgestellt worden. Unter Berücksichtigung dieses Befundes sei von einer Kausalität der HWS-Distorsion für seine heutigen Beschwerden auszugehen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 10.02.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az.: 1 O 164/02,

1.

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn weitere 72.743,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 9.452,97 € seit dem 28.03.2002, aus 6.418,85 € seit dem 16.09.2002, aus 2.567,54 € seit dem 29.10.2002, aus 11.553,98 € seit dem 13.08.2003, aus 31.945,35 € seit dem 26.04.2005 sowie aus 10.805,04 € seit dem 07.11.2005 zu zahlen;

2.

die Beklagten zu 1) und 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.03.2002 zu zahlen;

3.

festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, darüber hinaus die Beklagten zu 1) und 3) gesamtschuldnerisch auch die immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 24.04.1998, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Die Einführung neuer Untersuchungsergebnisse sei verspätet. Selbst wenn diese einbezogen würden, sei eine Kausalität der vom Kläger beklagten Beschwerden mit dem Unfallgeschehen nicht feststellbar, denn es stehe nicht fest, dass die bei den neuen Untersuchungen als festgestellt vom Kläger behaupteten Erscheinungen unfallbedingt seien. Es könne sich vielmehr um degenerative Erscheinungen handeln.

Der Senat hat Beweis erhoben durch ergänzende mündliche Anhörung des Sachverständigen Dr. G.... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2007 (Bl. 629 ff. d.A.) verwiesen.

II.

1) Die Berufung ist hinsichtlich eines geringen Teils der vom Kläger eingeforderten materiellen Schäden unzulässig. Dies betrifft eine Teilforderung von 517,25 €. Von diesem Betrag entfallen 347,68 € auf Fahrtkosten zu dem Internisten Dr. R... (17 Fahrten zu je 100 km für 0,40 DM/km) und 169,57 € auf Porto- und Kopierkosten (Differenz zwischen erstinstanzlich geltend gemachter 194,57 € und vom Landgericht zugesprochener 25,00 €).

Für die Zulässigkeit einer Berufung ist es gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erforderlich, dass die Berufungsbegründung erkennen lässt, aus welchen Umständen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben soll. Der Berufungskläger muss sich mithin mit dem angefochtenen Urteil inhaltlich auseinander setzen. Bei einem teilbaren Streitgegenstand muss sich die Berufungsbegründung in hinreichend bestimmter Weise auf alle Teile des Urteils erstrecken, deren Änderung beantragt wird. Soweit eine solche Begründung fehlt, ist die Berufung unzulässig (BGH NJW-RR 2000, 1015). Teilbar ist ein Streitgegenstand auch bei Schadensersatzpositionen, die Einheitlichkeit des Anspruchs steht also nicht entgegen (vgl. BGH MDR 2004, 701).

Da der Kläger seine erstinstanzlich geltend gemachten Schadenspositionen in vollem Umfang weiter verfolgt, wäre er mithin gehalten gewesen, sich bezüglich aller Positionen, soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat, mit dem Urteil auseinander zu setzen. Die Darlegungen des Landgerichts zu den betreffenden Positionen sind jedoch in der Berufungsbegründung nicht erwähnt. Es ist mithin nicht erkennbar, weshalb der Kläger meint, das Landgericht habe fehlerhaft die Klage wegen der Kosten der Fahrten zum Internisten sowie der 25,00 € übersteigenden Porto- und Kopierkosten abgewiesen.

Eine eigenständige Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Erwägungen des Landgerichts ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Landgericht mehrere Positionen mit einer einheitlichen Begründung abgewiesen hätte, und sich die Auseinandersetzung des Klägers mit einer der anderen Schadenspositionen zugleich auf die hier fraglichen erstrecken würde. Die Begründung des Landgerichts, bei Fahrtkosten zum Internisten sei ein Zusammenhang zwischen dem HWS-Trauma und den Behandlungen des Internisten nicht dargelegt, und konkrete, den Pauschalbetrag von 25,00 € übersteigende Kosten für Porto etc. habe der Kläger nicht hinreichend substantiiert dargelegt, bezieht sich nur und ausschließlich auf die fraglichen Schadenspositionen.

2) Die im Übrigen zulässige Berufung (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) ist unbegründet.

Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien sind die schadensersatzrechtlichen Vorschriften in der vor Juli 2002 gültigen Fassung anzuwenden, da das schädigende Ereignis vor dem 01.08.2002 eingetreten ist.

Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweiserhebung des Landgerichts und der durchgeführten ergänzenden mündlichen Anhörung des Sachverständigen Dr. G... nicht davon überzeugt, dass die vom Kläger beklagten Beschwerden auch insoweit Folgen des Unfallereignisses vom 24.04.1998 sind, wie es um den Zeitraum ab dem 25.04.1999 geht. Da sämtliche in der Berufung noch geltend gemachten Schäden und Beeinträchtigungen einschließlich der immateriellen Schäden den genannten Zeitraum betreffen, steht dem Kläger kein Anspruch auf Schadensersatz wegen dieser Beeinträchtigungen gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 847 BGB a. F., §§ 7, 18 StVG a. F., § 3 Nr. 1 PflVG zu.

Die Frage, ob die beklagten Beschwerden Folgen des Unfallereignisses sind, ist allerdings nicht nach den strengen Anforderungen des § 286 ZPO zu beurteilen, sondern in Anwendung der freieren Maßgaben des § 287 ZPO. Gemäß § 286 ZPO beurteilt sich nur der Nachweis des Haftungsgrundes (die haftungsbegründende Kausalität), wohingegen die Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Haftungsgrund und dem eingetretenen Schaden (die haftungsausfüllende Kausalität) dem Anwendungsbereich des § 287 ZPO unterliegt. Steht eine Primärverletzung fest, so ist es deshalb gerechtfertigt, hinsichtlich der Feststellung der Schadensfolgen auf Wahrscheinlichkeitserwägungen und damit das Beweismaß des § 287 ZPO zu verweisen (BGH NJW 2004, 777). Bezogen auf ein HWS-Trauma und die sich aus ihm ergebenden Folgen bedeutet dies, dass lediglich die Entstehung des HWS-Traumas nach § 286 ZPO bewiesen werden muss. Folgebeschwerden körperlicher und psychischer Art betreffen die haftungsausfüllende Kausalität, es ist also das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO anzuwenden (Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28.06.2005, 4 U 236/04; OLG Stuttgart, Urteil vom 19.03.1999, 2 U 150/98; OLG Köln VersR 1998, 1249; OLG Hamm NZV 1994, 189). Da zwischen den Parteien bereits erstinstanzlich unstreitig war, dass der Kläger anlässlich des Unfallgeschehens ein Schleudertrauma und damit eine Primärverletzung erlitt, kommt es wegen der beklagten Folgeschäden auf das Beweismaß des § 287 ZPO an.

Auf dieser Grundlage muss der Kläger nicht beweisen, dass die von ihm beklagten Beeinträchtigungen tatsächlich bestehen und dass sie auf den Unfall zurückzuführen sind. Es genügt, je nach Lage des Einzelfalls, eine erhebliche, höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit. Der Annahme einer Kausalität zwischen einem Schleudertrauma und verbliebenen Folgeschäden würde es damit auch nicht entgegen stehen, wenn in einem der jeweiligen Sachlage angemessenen Umfang andere, weniger wahrscheinliche Verlaufsmöglichkeiten nicht mit der sonst erforderlichen Wahrscheinlichkeit auszuschließen sind (vgl. BGH NJW 2004, 777; OLG Stuttgart, Urteil vom 19.03.1999, 2 U 150/98).

Gleichwohl war es nicht erforderlich, wie der Kläger meint, dass die vom Landgericht beauftragten Sachverständigen nochmals gehört und auf das anzuwendende Beweismaß hingewiesen werden müssten. Es besteht zwar Veranlassung, einem Sachverständigen, der die Kausalität zwischen einer Verletzung und nachfolgenden Beschwerden beurteilen soll, das anzuwendende Beweismaß zu erläutern. Unterbleibt ein derartiger Hinweis, so bedarf das Gutachtenergebnis gegebenenfalls einer besonders kritischen Würdigung (OLG Hamm NZV 1994, 189). Für die Befürchtung des Klägers, die Sachverständigen hätten gegebenenfalls die im Sozialrecht geltende (strengere) Kausalitätstheorie ihrer Beurteilung zu Grunde gelegt (vgl. dazu OLG Köln VersR 1998, 1249; OLG Hamm NZV 1994, 189; Lemcke, NZV 1996, 341), besteht kein Anlass. Zwischen den Parteien stand nie in Frage, ob die geklagten Beschwerden ihre Ursache in einem früheren Schadens- oder Krankheitsereignis fänden, ob sie also mehr auf den hier zu beurteilenden Unfall oder mehr auf ein anderes Ereignis zurückzuführen sind. Dementsprechend haben sich auch die Sachverständigen mit einer solchen Frage nicht beschäftigt.

In Anwendung des Beweismaßes des § 287 ZPO ist der Senat davon überzeugt, dass die vom Kläger geklagten Beschwerden, wenn sie vorliegen sollten, keine physische und auf den Unfall rückführbare Ursache haben. Der Sachverständige Dr. G... ist auf Grundlage der Auswertung der vorhandenen medizinischen Unterlagen und der von ihm selbst vorgenommenen Untersuchungen zum Schluss gekommen, dass eine vorgefundene Einschränkung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule des Klägers nicht durch eine unwillkürliche, sondern durch eine willkürliche Muskelanspannung bedingt sei. Eine echte mechanische Blockierung der Wirbelsäulenbeweglichkeit nahm der Sachverständige nicht an. Grundlage dieser Bewertung des Sachverständigen war seine Beobachtung, dass eine Flexion der Halswirbelsäule dem Kläger dann normal möglich war, wenn der Sachverständige den Kläger abzulenken vermochte. Ebenso beobachtete der Sachverständige eine leichte Schonhaltung des Klägers im Stehen und im Sitzen, zugleich aber eine sofortige Geradstellung der Halswirbelsäule zur Normalposition, sobald der Kläger beide Arme zur Waagerechten anhob. Zugleich stellte der Sachverständige eine beidseits normale und seitengleiche Entwicklung von Schulter- und Nackenmuskulatur fest, Muskelhärten waren weder im Bereich der Halsmuskulatur noch im Bereich der Schulter-Nacken-Muskulatur nachweisbar. Eine Objektivierung der vom Kläger beklagten Schmerzen war dem Sachverständigen nicht möglich. Dies gilt auch für die vom Kläger angegebenen Sensibilitätsstörungen in den Fingern bzw. Händen, da die Bereiche, in denen der Kläger Störungen angab, sich keinem der drei Armnerven eindeutig zuordnen ließen. Motorische Ausfälle vermochte der Sachverständige ebenso wenig festzustellen wie Verschmächtigungen der Muskulatur.

Unabhängig von diesem Untersuchungsbefund hat der Sachverständige darüber hinaus darauf hingewiesen, dass durch Schleudertraumata verursachte mikrostrukturelle Verletzungen, wenn sie nicht vollständig ausheilen, zu Sekundärveränderungen führen, die später durch bildgebende Verfahren erkennbar werden. Fehlt es an solchen Sekundärveränderungen, so ist von einer folgenlosen Ausheilung des Schleudertraumas auszugehen. Den Zeitraum, in dem eine HWS-Verletzung des Schweregrades, wie sie der Kläger aufgrund der objektivierten Befunde erlitten hatte, zur Ausheilung benötigt, hat der Sachverständige mit maximal einem Jahr angegeben.

Diese Bewertung des Sachverständigen wird durch den vom Kläger zweitinstanzlich vorgelegten Untersuchungsbefund des Gr... Instituts für Mikrotherapie vom 06.03.2006 nicht in Zweifel gezogen. Die dort gefertigten Röntgenaufnahmen zeigten eine multisegmentale Spon-dylarthrose mit Betonung der unteren HWS-Segmente. Wie der Sachverständige Dr. G... ausgeführt hat, wirkt sich ein Wirbelsäulenschaden nach einem Unfall regelmäßig aber nicht in allen Wirbelsäulensegmenten aus. Darüber hinaus hat auch der Sachverständige Dr. G... Röntgenaufnahmen gefertigt, bei denen derartige Veränderungen nicht zu sehen waren, obgleich die Untersuchung durch den Sachverständigen rund fünf Jahre nach dem Unfall erfolgte und, wenn die Veränderungen unfallbedingt gewesen sein sollten, eine Sichtbarkeit auf dem Röntgenbild etwa zwei bis drei Jahre nach dem Unfall zu erwarten gewesen wäre. Gegen einen Zusammenhang zwischen den Beschwerden, die der Kläger aus dem Unfall herleitet, und den Befundergebnissen des Gr...-Instituts spricht außerdem die rechtsseitige Betonung der beklagten Symptomatik, während die Röntgenbilder linksbetonte Veränderungen anzeigen.

Auch einen Zusammenhang der vom Kläger beklagten Schwindelzustände und Ohrensausen mit dem Unfallgeschehen vermochte der Sachverständige Dr. G... nicht anzunehmen. Für Erkrankungen im Bereich der Halswirbelsäule, des Rückenmarks, der Nervenwurzeln, des Halsmarkes oder der Hirn-Blutgefäße, die derartige Beschwerden verursachen könnten, fand der Sachverständige keinen Anhalt. Der Senat hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit der sehr überzeugenden und gut nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen zu zweifeln. Seine schriftlichen Ausführungen sind ebenso klar und präzise, wie seine Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und berücksichtigen zudem das anzulegende Beweismaß.

Diesen Bewertungen des Sachverständigen stehen die Untersuchungsergebnisse des vom Kläger vorgelegten Privatgutachtens Dr. T... (V...-Klinikum der C...) nicht entgegen, da den dort erfolgten Feststellungen keine objektivierbaren Befunde zu Grunde lagen. Weder wurden seinerzeit pathologische Veränderungen der Wirbelsäule dokumentiert, noch wurde die angenommene Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule mit muskulärer Dysbalance mit einem objektivierten Befund belegt.

Ist somit aus unfallchirurgischer Sicht nicht anzunehmen, dass die vom Kläger beklagten Beschwerden unfallbedingt sind, so besteht auch keine Wahrscheinlichkeit einer unfallbedingten psychisch vermittelten Fehlreaktion. Dies ergibt die Würdigung des Sachverständigengutachtens P....

Der Sachverständige P... hat herausgearbeitet, dass die vom Kläger bei früheren Untersuchungen ebenso wie bei den Untersuchungen des Sachverständigen geklagten Beschwerden einerseits einer objektiven Beurteilbarkeit nur schwer zugänglich sind, andererseits eine große Varianz zeigen. Angegebene Sensibilitätsstörungen ließen sich bei den verschiedenen Untersuchungsterminen nicht reproduzieren und waren keiner anatomischen Struktur zuzuordnen. Die zunächst vom Sachverständigen geforderte mündliche Beschreibung des Umfangs der Beeinträchtigungen ließ sich bei Hinterfragung der einzelnen Gliedmaßen nicht mehr bestätigen. Generell vermochte der Sachverständige konkrete Beschreibungen von Beeinträchtigungen durch den Kläger kaum zu erreichen. Beeinträchtigungen des Leistungsvermögens, die der Kläger gegenüber dem Sachverständigen angegeben hatte, bestätigten sich bei den Untersuchungen nicht. So vermochte der Kläger trotz seines als schlecht bezeichneten Gesundheitszustands in einem Untersuchungstermin konzentriert 2 1/2 Stunden zu arbeiten. Weiter fielen dem Sachverständigen Veränderungen der Körperhaltung des Klägers auf: Lediglich beim ersten Untersuchungstermin passte die Körperhaltung des Klägers zu den von ihm angegebenen Beschwerden. Insgesamt kam der Sachverständige zum Schluss, dass der Kläger Krankheitssymptome darstelle, die so nicht existierten. Anhaltspunkte, dass dieses Verhalten auf ein psychiatrisches Krankheitsbild zurückzuführen sei, konnte der Sachverständige hingegen nicht finden. Auch wenn der Kläger ihm gegenüber angab, er habe einen Gerechtigkeitswunsch, so lagen keine Anhaltspunkte für dessen krankhafte Verfestigung vor. Sie ergaben sich auch nicht aus dem vom Sachverständigen veranlassten testpsychologischen Zusatzgutachten, die insgesamt kein klares Bild liefern konnten, sondern die Deutung einer Neurose wie auch einer Simulation gleichermaßen zuließen.

Eine mündliche Anhörung des Sachverständigen P... durch den Senat war nicht erforderlich. Eine Partei hat zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorgelegt werden. Beschränkungen dieses Rechts ergeben sich nur aus den Gesichtspunkten des Rechtsmissbrauchs und der Prozessverschleppung; das Gericht muss daher einen Sachverständigen schon dann laden, wenn eine Partei auch nur allgemein angibt, in welche Richtung sie durch Fragen an den Sachverständigen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht (BGH, Urteil vom 29.10.2002, VI ZR 353/01 m.w.N.). Zwar ist das Landgericht der erstinstanzlich vom Kläger vorgetragenen Bitte, den Sachverständigen P... zu laden, zunächst nicht nachgekommen. Es hat aber stattdessen eine ergänzende schriftliche Stellungnahme eingeholt, mit der der Sachverständige die vom Kläger aufgeworfenen Fragen beantwortet hat. Dass der Kläger danach noch weitere Fragen an den Sachverständigen hätte richten wollen, ist nicht erkennbar, und der Kläger hat auch im Berufungsverfahren nicht angegeben, in welche Richtung er weitere Aufklärung wünsche.

Soweit der Kläger mit der Berufung rügt, das Landgericht habe Dr. V... als sachverständigen Zeugen laden müssen, so fehlt es an der Benennung eines dem Zeugenbeweis zugänglichen Beweisthemas. Der Kläger will mit dem Zeugenbeweisantritt seine Behauptung zur Kausalität zwischen dem Unfall und den geklagten Beeinträchtigungen stützen. Dies ist indessen kein Umstand, der den Wahrnehmungen eines Zeugen zugänglich ist. Eine Ladung des Dr. V... als Sachverständiger kam jedoch nicht in Betracht, da der Senat keinen Anlass im Sinne des § 412 ZPO sieht, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 S. 1 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht.

Der Streitwert wird auf 165.096,74 € festgesetzt. Davon entfallen auf den Zahlungsantrag wegen materieller Schäden 72.743,72 € und auf das begehrte weitere Schmerzensgeld 22.522,78 €. Den Feststellungsantrag bemisst der Senat mit insgesamt 69.830,24 €. Soweit der Kläger Feststellung wegen der Ersatzpflicht für materielle Schäden begehrt, begründet er dies mit Verdienstausfall. Ein auf Verdienstausfallersatz gerichteter Leistungsanspruch wäre gemäß § 42 Abs. 2 GKG mit dem fünffachen Jahresbetrag des Verdienstausfalls zu bemessen. Da der Wert einer Feststellungsklage nicht höher sein kann als der Wert der betreffenden Leistungsklage, ist diese Wertbegrenzungsvorschrift auch bei der Feststellungsklage zu berücksichtigen (BGH NZM 2004, 423). Auf dieser Grundlage ergibt sich eine Bemessungsgrundlage von 81.037,80 €, zu der weitere 5.000,00 € für mögliche über den Verdienstausfall hinausgehende materielle und immaterielle Schäden zu addieren sind. Vom Gesamtbetrag hat der Senat 80 % angesetzt.

Ende der Entscheidung

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