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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.12.2001
Aktenzeichen: 12 U 59/01
Rechtsgebiete: BGB, KO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 812 Abs. 1 S. 1, 1 Alt.
BGB § 291
BGB a. F. § 288 Abs. 1 S. 1
BGB § 284 Abs. 1
KO § 82
KO § 57 ff.
KO § 3 Abs. 1
KO § 17 Abs. 1
KO § 17
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 2 S. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 S. 1
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 59/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 06.12.2001

Verkündet am 06.12.2001

in dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski, den Richter am Oberlandesgericht Beckmann und den Richter am Landgericht van den Bosch

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 24. Januar 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Cottbus, Az.: 3 O 270/00, abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.461,96 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. August 2000 zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zinsanspruches wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer für den Beklagten: 22.461,96 DM

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch ist begründet aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1 Alt. BGB.

Durch die vom Kläger vorgenommene Zahlung der Rechnung des Beklagten betreffend die Lieferung von Wasser bzw. des Gebührenbescheides betreffend die Abwasserentsorgung vom 10.02.1999 hat der Beklagte etwas durch Leistung des Klägers erlangt. Dies erfolgte auch ohne Rechtsgrund.

1.)

Nach herrschender Ansicht kann die irrtümliche Bezahlung einer Konkursforderung als Masseschuld zu einem Rückzahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung führen (RGZ 23, 54, 61; BAG DB 1979, 847; Hess, KO, 6. Aufl., § 57 Rn. 5; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 57 Rn. 4; Palandt-Thomas, BGB, 60. Aufl., § 812 Rn. 82). Soweit das Landgericht den Rechtsgrund für die Zahlung aus dem Grundverhältnis hergeleitet hat (vgl. dazu auch LG Stuttgart ZIP 1985, 1518, 1519), hier also aus dem an die Gemeinschuldnerin gerichteten Gebührenbescheid bzw. dem zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten bestehenden Vertragsverhältnis, so vermag sich der Senat dieser Betrachtungsweise im Ergebnis nicht anzuschließen. Das Landgericht Stuttgart hat seine Auffassung damit begründet, dass die Bestimmungen der Konkursordnung Verfahrensvorschriften darstellen würden, bei deren Verletzung sich der Konkursverwalter nach § 82 KO schadensersatzpflichtig mache. Gerade der Umstand, dass sich der Konkursverwalter bei falscher Anwendung der Konkursordnung gegenüber den Gläubigern der Gemeinschuldnerin schadensersatzpflichtig mache, weise daraufhin, dass trotz Verstoßes gegen §§ 57 ff KO dennoch eine mit Rechtsgrund bewirkte Leistung vorliegen könne. Diese Auffassung wird dem Umstand nicht hinreichend gerecht, dass die §§ 57 ff KO dem Schutz der Massegläubiger dienen. Dieser Schutz gebietet es, dass Irrtümer des Konkursverwalters, die diesen Vorschriften zuwider laufen, korrigierbar sein müssen, und zwar zu Lasten dessen, der auf das aus der Masse Erlangte grundsätzlich keinen Anspruch hat, jedenfalls nicht im Wege der Vorwegbefriedigung. Ähnlich hat der BGH auch in der vom Kläger zitierten Entscheidung (BGHZ 71, 309 ff) argumentiert. Gegenstand der Entscheidung war ein Liquidationsvergleich mit Treuhänderstellung. Der BGH hat ausgeführt, aufgrund der Wirkungen des Liquidationsvergleiches könnten die Vergleichsgläubiger während der Liquidation nur eine Leistung verlangen, die alle Gläubiger gleich berücksichtige. Rechtsgrund dieser Leistung sei nicht nur die im Vergleichsverfahren angemeldete Forderung, sondern auch das durch den Vergleich geregelte Recht auf gleichmäßige Behandlung. Dem Sachwalter sei es deshalb verwehrt, während der Liquidation dem Gläubiger eine außerhalb der Gleichbehandlung liegende Leistung zu gewähren. Jede Sonderleistung werde vom Sachwalter unter Berücksichtigung des vorrangigen Gleichheitssatzes vom Sachwalter ohne Rechtsgrund bewirkt. Diese dem Schutz der Masse und damit der Massegläubiger gerecht werdende Auffassung verdient Zustimmung und ist auch auf den hier zu entscheidenden Fall übertragbar, auch wenn sich das Recht auf gleichmäßig Behandlung vorliegend nicht aus einem Vergleich (vgl. dazu auch § 8 Abs. 1 VerglO), sondern aus dem Gesetz ergibt. Aus den gesetzlichen Bestimmungen der Konkursordnung ergibt sich, weshalb die Gläubiger darauf vertrauen können, dass der Konkursverwalter entsprechend dieser gesetzlichen Vorgaben die Befriedigung vornimmt. Bringt der Konkursverwalter dieses Gefüge durcheinander, so kann dies im Einzelfall Schadensersatzansprüche gegenüber den benachteiligten Gläubigern auslösen; andererseits folgt daraus aber nicht zwingend, dass er Zahlungen, die er entgegen den Vorgaben der gesetzlichen Bestimmungen erbracht hat, nicht wieder zurückverlangen kann, wobei die sich aus § 82 KO ergebende Schadensersatzpflicht bei dieser Betrachtungsweise auch nicht gänzlich ins Leere läuft, da sie unter anderem in den Fällen zum Zuge kommen kann, in denen der Bereicherungsanspruch gegen den bevorteilten Gläubiger - zum Beispiel weil Entreicherung vorliegt - nicht durchsetzbar ist.

2.)

Bei der sich aus der Rechnung bzw. dem Gebührenbescheid vom 10.02.1999 ergebenden Forderung des Beklagten handelt es sich lediglich um eine Konkursforderung und nicht um eine Masseschuld, weshalb der Beklagte vorab keinen Anspruch auf Begleichung der Forderung hatte, sondern diese als Konkursforderung zur Tabelle anmelden muss. Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Forderung entsprechend seinem Vorbringen erst am 12.03.1999, mithin nach der am 09.02.1999 erfolgten Eröffnung des Konkursverfahrens, fällig geworden ist. Nach § 3 Abs. 1 KO dient die Konkursmasse zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger, welche einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch an den Gemeinschuldner haben. Begründet ist ein Anspruch nicht erst mit dessen Fälligkeit; vielmehr genügt es, wenn vor Konkurseröffnung die Grundlagen des Schuldverhälnisses gelegt worden sind, aus denen sich während des Konkurses später der eigentliche Anspruch ergibt (Kuhn/Uhlenbruck, § 3 Rn. 11). So liegt der Fall auch hier. Das einerseits privatrechtlich und andererseits öffentlichrechtlich ausgestaltete Schuldverhältnis in Bezug auf die Lieferung von Wasser und die Entsorgung des Wassers bestand bereits vor Konkursbeginn, wobei die streitgegenständliche Leistung auch noch vor Konkurseröffnung seitens des Beklagten erbracht wurde. Vor diesem Hintergrund erhebt der Umstand, dass die Forderung möglicherweise erst mit Rechnungslegung fällig wurde, sie nicht mehr zur Masseschuld. Gleiches gilt für die Beantwortung der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob der Kläger gem. § 17 Abs. 1 KO Erfüllung gewählt hat. Selbst wenn der Kläger Erfüllung gewählt haben sollte, so werden nach der neueren Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, die Ansprüche mit dem bisherigen Inhalt neu begründet, mit der Folge, dass in einem Fall, in dem der Vertragspartner des Gemeinschuldners vor Konkurseröffnung ihm obliegende teilbare Leistungen zum Teil erbracht hat, die Masse für die entsprechenden Gegenleistungen nicht aufzukommen hat (BGH ZIP 1997, 688, 689). Auch insoweit steht wiederum der Schutz der Masse im Vordergrund, denn es soll verhindert werden, dass die Masse Aufwendungen für Leistungen zu erbringen hat, die lediglich dem Gemeinschuldner, nicht aber ihr zugeflossen sind. Der bis zur Konkurseröffnung bestehende Anspruch wird nicht durch das Erfüllungsverlangen des Konkursverwalters neu begründet, sondern bleibt als Konkursforderung bestehen. Da der Vertragspartner auf die Erfüllungswahl des Konkursverwalters ohnehin keinen Anspruch hat, erscheint dieses Ergebnis auch nicht unbillig, weil ohne die Erfüllungswahl die der Vorleistung entsprechende Forderung ebenfalls Konkursforderung geblieben wäre (vgl. BGH a.a.O.). Sinn und Zweck des Wahlrechts ist es nicht, einer ohne die Erfüllungswahl als Konkursforderung zu behandelnden Forderung die Stellung einer Masseschuld zu verschaffen, sondern dem Konkursverwalter diejenigen noch ausstehenden Leistungen des Vertragspartners zu den bisherigen Vertragsbedingungen zu verschaffen, auf die er ohne die Erfüllungswahl einen durchsetzbaren Anspruch nicht hätte. Soweit der Beklagte also bis zum 31.12.1998 Wasser geliefert hat, hat die Masse für diese teilbare Leistung, die Bestandteil eines Sukzessivlieferungsvertrages war, nicht aufzukommen. Dies gilt erst recht in Bezug auf die mit dem Gebührenbescheid geltend gemachten Wassergebühren, die dem Anschluss- und Benutzungszwang nach § 15 der Brandenburgischen Gemeindeordnung unterliegen, folglich ohnehin keinen gegenseitigen Vertrag i. S. v. § 17 KO zum Gegenstand haben.

3.)

Der Zinsanspruch ist gem. §§ 291, 288 Abs. 1 S. 1 a. F. BGB begründet. Der Kläger kann Zinsen erst ab Rechtshängigkeit verlangen, denn das anwaltliche Schreiben vom 27.04.2000 stellt eine erstmalige Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs dar und kann nicht ohne weiteres zugleich als Mahnung gem. § 284 Abs. 1 BGB verstanden werden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 546 Abs. 2 S. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 ZPO.

Gründe, die Revision gem. § 546 Abs. 1 S. 2 ZPO zuzulassen, bestehen nicht.

Streitwert: 22.461,96 DM.

Ende der Entscheidung

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