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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 28.09.2006
Aktenzeichen: 12 U 61/06
Rechtsgebiete: ZPO, StVO, GmbHG, AKB, StVG, BGB, PflVersG


Vorschriften:

ZPO § 241 Abs. 1
ZPO § 246
ZPO § 286
ZPO § 287
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
StVO § 3 Abs. 1
StVO § 3 Abs. 3 Nr. 2 c
StVO § 5 Abs. 3
StVO § 5 Abs. 3 Nr. 1
StVO § 9 Abs. 1
StVO § 9 Abs. 1 Satz 1
StVO § 9 Abs. 1 Satz 4
StVO § 9 Abs. 5
StVO § 529 Abs. 2 Satz 1
GmbHG § 60 Abs. 1 Ziff. 5
AKB § 10 Abs. 5
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 7 Abs. 2
StVG § 17
StVG § 17 Abs. 1
StVG § 18 Abs. 1 Satz 1
BGB § 249 Abs. 2 Satz 1
BGB § 251 Abs. 2 Satz 1
BGB § 254
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831 Abs. 1
PflVersG § 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 61/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 28.09.2006

Verkündet am 28.09.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski, den Richter am Oberlandesgericht Beckmann und den Richter am Oberlandesgericht Funder

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. Februar 2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az.: 1 O 611/04, teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner 2.587,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.08.2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 55 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 45 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO zulässig. Die Beklagten machen mit der Berufung Rechtsfehler geltend, indem sie vortragen, das Landgericht habe bei der Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge zu Unrecht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 5 StVO angenommen und darüber hinaus verkannt, dass eine unklare Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 StVO vorgelegen habe. Der Zulässigkeit der Berufung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2. ausweislich des im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Handelsregisterauszuges aufgrund der rechtskräftigen Abweisung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 60 Abs. 1 Ziffer 5 GmbHG aufgelöst ist und infolge des Todes ihres einzigen Liquidators H... O... im Laufe des Rechtsstreits prozessunfähig geworden ist. Die Berufung ist auch namens und in Vollmacht der Beklagten zu 2. wirksam eingelegt worden. Unabhängig davon, dass im Streitfall der Auftrag zur Einlegung der Berufung von der Beklagten zu 3. ausgegangen sein dürfte, die gemäß § 10 Abs. 5 AKB bevollmächtigt ist, entsprechende Erklärungen auch für ihre Versicherungsnehmerin, die Beklagte zu 2., abzugeben, ist seitens des Klägers nicht in Frage gestellt worden, dass die Beklagte zu 2. bei Rechtshängigkeit der Klage ordnungsgemäß durch ihren damaligen Geschäftsführer H... O... vertreten worden ist und ihrem Prozessbevollmächtigten wirksam Prozessvollmacht für den vorliegenden Rechtsstreit erteilt hat. Die einmal dem Prozessbevollmächtigten erteilte Prozessvollmacht gilt bis zur Beendigung des Rechtsstreits fort, auch wenn die Beklagte zu 2. im Laufe des Rechtsstreits prozessunfähig geworden ist (vgl. BGHZ 121, 263, 265 f.; BAG MDR 2000, 781). Da die Beklagte zu 2. sowohl in erster Instanz als auch im Berufungsverfahren von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten worden ist und diese auch im Berufungsverfahren postulationsfähig sind, ist davon auszugehen, dass das den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2. erteilte Mandat auch deren Vertretung in zweiter Instanz umfasst (BGH NJW 1994, 320).

Eine Unterbrechung des Rechtsstreits gemäß § 241 Abs. 1 ZPO infolge des Todes des alleinigen Liquidators der Beklagten zu 2. ist nicht eingetreten. Die Beklagte zu 2. war gemäß § 246 ZPO bei Eintritt der Prozessunfähigkeit durch einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten vertreten; ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ist nicht gestellt worden. Allein in der Mitteilung der Terminsvertreterin im Termin vor dem Landgericht, dass der Liquidator der Beklagten zu 2. verstorben ist, liegt noch kein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 246 Rn. 3).

2.

In der Sache hat die Berufung der Beklagten teilweise Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagten auf Schadensersatz aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG sowie aus §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 BGB jeweils in Verbindung mit § 3 Nr. 1 PflVersG nur in Höhe von 2.587,00 € zu. Auf den zugrunde liegende Sachverhalt ist die seit dem 01.08.2002 geltende Rechtslage anzuwenden, da sich der Verkehrsunfall am 16.01.2004 ereignet hat (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB).

a)

Die Klage ist auch gegenüber der Beklagten zu 2. zulässig, da nach den vorstehenden Ausführungen unter 1. die Beklagte zu 2. trotz des zwischenzeitlichen Todes ihres alleinigen Liquidators durch einen Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß vertreten ist.

b)

Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten nach § 7 Abs. 1 StVG sind gegeben, da bei dem Betrieb des Kraftfahrzeuges der Beklagten zu 2. das Fahrzeug des Klägers beschädigt worden ist. Da sich keine der Parteien auf einen Haftungsausschluss gemäß § 7 Abs. 2 StVG beruft und ein solcher auch nicht ersichtlich ist, ist gemäß § 17 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 StVG eine Haftungsabwägung der jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge vorzunehmen. Dabei hat das Landgericht zu Recht zu Lasten der Beklagten einen groben Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1. berücksichtigt, indem dieser gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO verstoßen hat. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Weg, in den der Beklagte zu 1. abbiegen wollte, um einen Waldweg, der einer in Grundstückseinfahrt im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO gleichzustellen ist, oder um eine Verbindungsstraße handelt. Für den Beklagten zu 1. galten jedenfalls auch bei einer gewöhnlichen Straßeneinmündung die Pflichten aus § 9 Abs. 1 StVO. Danach war der Beklagte zu 1. verpflichtet, die Absicht des Linksabbiegens gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO rechtzeitig anzukündigen, sich bis zur Mitte möglichst weit links einzuordnen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 StVO) und vor dem Einordnen nochmals vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten (§ 9 Abs. 1 Satz 4 StVO). Nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagte zu 1. gegen diese Pflichten verstoßen hat, indem er weder seine Abbiegeabsicht rechtzeitig angekündigt hat, noch beim Abbiegen der doppelten Rückschaupflicht genügt hat. Der Zeuge H... hat bekundet, dass der Beklagte zu 1. plötzlich ruckartig nach links herübergezogen sei, als sich der Zeuge bereits im Überholvorgang befunden habe. Das Herüberziehen und Blinken sei fast gleichzeitig erfolgt. Der Beklagte zu 1. habe sich auch nicht mittig eingeordnet. Der Zeuge K..., der an dem Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits erkennbar unbeteiligt ist und gegen dessen Glaubwürdigkeit oder die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen keine Bedenken bestehen, hat ebenfalls bekundet, dass zwischen dem Blinken des Fahrzeuges der Beklagten zu 2. und dessen Abbiegen in den Waldweg nur eine sehr kurze Zeit vergangen sei und der Beklagte zu 1. erst dann gebremst habe. Zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte zu 1. geblinkt habe, habe der Zeuge H... bereits zum Überholen angesetzt. Insoweit war sich der Zeuge sicher, dass der Transporter des Klägers sich bereits auf der Gegenfahrbahn befand, als der Beklagte zu 1. den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt habe.

Der Zeuge hat den Eindruck gehabt, dass der Beklagte zu 1. sich sehr kurz entschlossen habe, nach links abzubiegen (Bl. 51 GA). Dem entspricht die Aussage des Zeugen K... im Ermittlungsverfahren, wonach zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte zu 1. den Fahrtrichtungsanzeiger betätigte, der Zeuge H... bereits den Überholvorgang begonnen hatte. Da der Zeuge K... zudem bestätigt hat, das Fahrzeug des Klägers im Rückspiegel wahrgenommen zu haben, folgt daraus, dass das Fahrzeug des Klägers auch für den Beklagten zu 1. im Rückspiegel erkennbar gewesen sein muss und bei einem nochmaligen Blick im Rückspiegel vor Beginn des Abbiegevorganges durch den Beklagten zu 1. hätte erkannt werden können. Unter diesen Umständen kann der Umstand, dass es dennoch zum Zusammenstoß der Fahrzeuge gekommen ist, nur damit erklärt werden, dass der Beklagte zu 1. seiner doppelten Rückschaupflicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO nicht nachgekommen ist, da er andernfalls das Fahrzeug des Klägers hätte bemerken müssen. Soweit der Zeuge K... bekundet hat, der Beklagte zu 1. habe bereits vor der Autobahnbrücke den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt, hat er dies im weiteren Verlauf der Aussage dahingehend relativiert, dass es auch sein könne, dass der Beklagte zu 1. den Fahrtrichtungsanzeiger erst betätigt habe, als er schon unter der Autobahnbrücke war. Da nach der polizeilichen Unfallskizze zwischen der Autobahnbrücke und der Einmündung ein Abstand von 20,80 m liegt, steht aufgrund der Angaben des Zeugen K... fest, dass der Beklagte zu 1. den Fahrtrichtungsanzeiger erst gesetzt hat, als er sich unter der Autobahnbrücke befand zu einem Zeitpunkt, als der Zeuge H... bereits zum Überholen angesetzt hatte.

Demgegenüber ist ein Verstoß des Zeugen H... in § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO nicht bewiesen. Eine unklare Verkehrslage lag unter den gegebenen Umständen nicht vor. Eine solche ist gegeben, wenn nach den Umständen mit ungefährdetem Überholen nicht gerechnet werden darf, weil sich nicht verlässlich beurteilen lässt, was der Vorausfahrende jetzt sogleich tun wird (vgl. Henschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 5 Rn. 34). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass zu Beginn des Überholvorganges durch den Zeugen H... eine unklare Verkehrslage nicht bestand, da aufgrund der Angaben der Zeugen H... und K... feststeht, dass zu diesem Zeitpunkt der Beklagte zu 1. den Fahrtrichtungsanzeiger noch nicht gesetzt hatte. Weder der Beklagte zu 1. noch der Zeuge K... fuhren besonders langsam, so dass der Zeuge H... ohne besondere Umstände nicht davon ausgehen musste, dass der Beklagte zu 1. nach links abbiegen wollte, selbst wenn die Einmündung von der Autobahnbrücke bereits einsichtig gewesen sein sollte. Nachdem der Zeuge H... unter diesen Umständen den Überholvorgang ohne Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO beginnen durfte, war er nicht gehalten, den Überholvorgang abzubrechen, selbst wenn er möglicherweise gesehen hat, dass der Beklagte zu 1. den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hatte, da er andernfalls bei einem Einscheren hinter dem Fahrzeug des Beklagten zu 1. eine Gefährdung des Zeugen K... hervorgerufen hätte.

Weitere Verkehrsverstöße sind dem Zeugen H... nicht vorzuwerfen. Soweit die Beklagten in erster Instanz noch mit der Klageerwiderung, ohne dies näher auszuführen, pauschal vorgetragen haben, das Fahrzeug des Klägers habe sich mit weit überhöhter Geschwindigkeit von über 100 km/h bewegt, hat das Landgericht den pauschalen Vortrag bei seiner Entscheidungs-findung zu Recht nicht berücksichtigt. Dies wird von dem Beklagten mit der Berufung auch nicht weiter angegriffen, da sie in der Berufungsbegründung auf einen etwaigen Verstoß des Zeugen H... gegen § 3 Abs. 1 StVO bzw. § 3 Abs. 3 Nr. 2 c StVO nicht weiter abgestellt haben und auch einen etwaigen Verfahrensfehler dahingehend, dass das Landgericht diesbezüglichen Sachvortrag übergangen habe, nicht gerügt haben, so dass dies gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 StVO nicht zu berücksichtigen war.

Abweichend von der rechtlichen Wertung des Landgerichts hält der Senat im Ergebnis der vorzunehmenden Abwägung eine Haftungsverteilung auf der Basis von 80 zu 20 zugunsten des Klägers für angemessen. Soweit das Landgericht die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Klägers hinter dem Verschulden des Beklagten zu 1. in vollem Umfang hat zurücktreten lassen, vermag sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen. Zwar ist eine im Berufungsverfahren beachtliche Rechtsverletzung bei einer Ermessensentscheidung nur dann gegeben, wenn die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nicht vorgelegen haben, ein Ermessen nicht ausgeübt worden ist, die Grenzen der Ermessensausübung nicht eingehalten worden sind oder nicht alle wesentlichen Umstände Beachtung gefunden haben (vgl. BGH NJW-RR 1998, 1373; BGHZ 20, 290, 292 f; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 546 Rn. 14). Eine Ermessensentscheidung in diesem Sinne hat das Gericht dabei auch bei der Bemessung der Verursachungsbeiträge im Rahmen des § 254 BGB bzw. § 17 StVG zu treffen (vgl. BGH, NJW 1993, 2674; NJW-RR 1998 a.a.O.; Zöller/Greger, a.a.O., 287 Rn. 2). Etwas anderes gilt für die das Mitverschulden begründenden Tatsachen, auf die § 286 ZPO Anwendung findet (vgl. BGH NJW 1979, 2142; Zöller/Greger, a.a.O., Münchener Kommentar/Prütting, ZPO, 2. Aufl., § 287 Rn. 15). Danach ist die Mitverschuldensquote dahingehend nachzuprüfen, ob tatrichterlich alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt worden sind und in erster Instanz nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen worden ist bzw. ab rechtsirrtümliche Erwägungen von der ersten Instanz angestellt worden sind (vgl. BGH NJW-RR 1998, a.a.O.; BGH NJW 1969, 653 ff; BGH NJW 1993, 622). Dies führt dazu, dass das Berufungsgericht im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Rechtsmittels nicht auf die Kontrolle der von dem Berufungsführer aufgezählten Ermessensfehler beschränkt ist, sondern eine umfassende Überprüfung der Grundlagen der Ermessensentscheidung stattzufinden hat. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist im Streitfall von einem Ermessensfehler des Landgerichts auszugehen, da aus den Entscheidungsgründen nicht ersichtlich ist, dass das Landgericht bei seiner Abwägung berücksichtigt hat, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs aufgrund der Tatsache, dass der Überholvorgang bereits begonnen hatte, erhöht war. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nach den Bekundungen der Zeugen der Beklagte zu 1. den linken Fahrtrichtungsanzeiger vor dem Abbiegen gesetzt hatte, nach den Bekundungen des Zeugen K... bereits zu einem Zeitpunkt, als sich das Fahrzeug noch unter der Autobahnbrücke befand. Steht danach fest, dass der Beklagte zu 1. seine Abbiegeabsicht angezeigt hat - wenn auch nicht rechtzeitig im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO -, ist das Verschulden des Beklagten zu 1. im Hinblick darauf nicht als derart schwerwiegend einzustufen, dass gerechtfertigt wäre, die erhöhte Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges dahinter vollständig zurücktreten zu lassen.

c)

Der Kläger kann Ersatz für die Beschädigung des Fahrzeuges im Streitfall nur bis zur Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) verlangen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, dass er das Fahrzeug nach einer teilweise von ihm selbst durchgeführten Notreparatur veräußert hat. Nach den §§ 249 Abs. 2 Satz 1, 251 Abs. 2 Satz 1 BGB kann Schadensersatz nur insoweit verlangt werden, als er zur Schadensbeseitigung erforderlich ist. Bei der Beschädigung eines gebrauchten Kraftfahrzeuges kann der Geschädigte grundsätzlich zwischen Reparatur- und Wieder- bzw. Ersatzbeschaffung wählen. Ersatz kann er aber nur insoweit beanspruchen, als er die Maßnahme wählt, die den geringsten Kostenaufwand erfordert. Beschränkt sich der Geschädigte darauf, Reparaturkosten auf der Basis eines Gutachtens geltend zu machen, die - wie im vorliegenden Fall - über dem Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeuges liegen, können diese grundsätzlich nur dann verlangt werden, wenn die Reparaturkosten konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem Umfange repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt. Andernfalls ist die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt (vgl. BGZ 115, 364, 369 ff; BGH NJW 2005, 1110, 1111; KG NZV 2002, 89; OLG Köln, NZV 1999, 333; OLG Hamm NJW-RR 1993, 1436; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 249 Rn. 28; Hentschel, a.a.O., § 12 StVG, Rn. 24).

Im Streitfall hat der Kläger das Fahrzeug jedoch nicht entsprechend dem von ihn eingeholten Gutachten reparieren lassen, sondern es nach einer Reparatur weiter veräußert. In diesem Fall fehlt es an dem erforderlichen Integrationsinteresse, das es rechtfertigen würde, dem Geschädigten Reparaturkosten auch dann zuzuerkennen, wenn sie den Wiederbeschaffungswert übersteigen. Die von dem Kläger geltend gemachten Reparaturkosten in Höhe von 6.258,20 € netto übersteigen den nach dem Sachverständigengutachten ermittelten Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes in Höhe von insgesamt 4.279,31 € netto deutlich, ohne dass dies durch ein Integritätsinteresse gerechtfertigt wäre. Ein möglicherweise zu Beginn des Rechtsstreits vorhandenes Integritätsinteresse hat die Kläger jedenfalls dadurch aufgegeben, dass er das Fahrzeug mittlerweile veräußert hat, ohne eine Reparatur auf der Basis der von dem Sachverständigen G... ermittelten Kosten durchgeführt zu haben. Dies hat zur Folge, dass der Kläger Ersatz der fiktiven Reparaturkosten nur bis zur Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes, hier also 4.279,31 €, ersetzt verlangen kann. Soweit die Beklagten in erster Instanz auf ein Restwertangebot einer Firma S... vom 28.01.2004 Bezug genommen haben, ist dieses Restwertangebot offensichtlich irrtümlich nicht zu den Akten gelangt worden, da die vorgelegte Anlage B 1 nicht das Fahrzeug des Klägers, sondern offensichtlich das der Beklagten zu 2. betrifft. Dies kann jedoch dahinstehen, da die Beklagten jedenfalls mit der Berufungsbegründung den von dem Sachverständigen G... ermittelten Restwert von 2.100,00 € nicht konkret angegriffen haben, sondern vielmehr ihrerseits ihrer Schadensberechnung zugrunde gelegt haben. Mangels durchgeführter Reparatur besteht somit auch kein Anspruch auf Nutzungsausfall.

Der Kläger hat ferner Anspruch auf Ersatz der ihm infolge des Unfalls entstandenen Unkosten, die das Landgericht pauschal mit 30,00 € angesetzt hat. Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass ohne weitere Nachweise eine Unkostenpauschale nur in Höhe von 20,00 € anzusetzen ist. Die vom Landgericht insoweit gemäß § 287 ZPO vorgenommene Schätzung ist jedoch im Rahmen der Berufung nur dahingehend überprüfbar, ob Fehler bei der Ausübung des dem Landgericht insoweit zustehenden Ermessens ersichtlich sind. Derartige Fehler bei der Ausübung des Ermessens sind von den Beklagten mit der Berufungsbegründung jedoch nicht dargelegt worden.

Somit ergibt sich folgende Abrechnung:

 Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert4.279,31 €
zzgl. Unkostenpauschale30,00 €
gesamt:4.309,31 €
abzüglich 20 % Mithaftung861,68 €
abzüglich geleisteter Zahlung in Höhe von860,45 €
Restbetrag:2.587,00 €

II.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Im Hinblick darauf, dass die Entscheidung des Senats einen Einzelfall betrifft, hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 3 ZPO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 5.697,75 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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