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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: 12 U 88/06
Rechtsgebiete: InsO, ZPO, BGB


Vorschriften:

InsO § 129 Abs. 1
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 133 Abs. 1 S. 1
InsO § 146 Abs. 2
ZPO § 421
ZPO § 531 Abs. 2
BGB § 366 Abs. 2
BGB § 388
BGB § 389
BGB § 397 Abs. 2
BGB § 433 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

12 U 88/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 24.05.2007

Verkündet am 24.05.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 08. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski sowie die Richter am Oberlandesgericht Beckmann und van den Bosch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 29. März 2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin, Az.: 1 O 60/05, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter von dem Beklagten den Kaufpreis aus einem Vertrag betreffend den Kauf eines Pkw. Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, inwieweit der Beklagte gegenüber der Kaufpreisforderung mit einem Gegenanspruch betreffend Provisionsforderungen aufrechnen kann. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und gemeint, der sich aus dem Kaufvertrag ergebende Kaufpreisanspruch sei nicht durch Aufrechnung erloschen. Die Aufrechnung sei zwar zulässig, da der Beklagte die Möglichkeit der Aufrechnung nicht durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt habe, denn der Verkauf des Pkw sei weder nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO noch nach § 133 Abs. 1 S. 1 InsO anfechtbar. Die Aufrechnung sei jedoch unbegründet, da der Beklagte eine aufrechenbare Gegenforderung nicht hinreichend dargelegt habe. Es fehle Sachvortrag zu den konkreten Vermittlungsgeschäften und den jeweiligen, individuell getroffenen Provisionsabsprachen. Sein Beweisangebot durch Vernehmung des Zeugen V... stelle deshalb eine unzulässige Ausforschung dar. Die Kaufpreisforderung sei auch nicht durch die Ausgleichsquittung erloschen, denn der Insolvenzmasse gegenüber bleibe der Einwand des negativen Schuldanerkenntnisses gem. § 146 Abs. 2 InsO wirkungslos, da die Ausgleichsquittung durch eine anfechtbare Rechtshandlung gem. §§ 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erlangt worden sei.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 21.04.2006 zugestellte Urteil mit einem am 12.05.2006 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 21.07.2006 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht die Aufrechnung für unbegründet erachtet. Entgegen der Ansicht des Landgerichts habe der benannte Zeuge V... gehört werden müssen, denn ein Fall der unzulässigen Ausforschung liege nicht vor. Der Beklagte habe die beweiserhebliche Tatsache, den Abschluss eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages und die Höhe der daraus resultierenden Forderung vorgetragen und wolle damit nicht erst durch die Beweisaufnahme die beweiserhebliche Tatsache erfahren. Das Urteil sei auch deshalb unrichtig, weil dem Kläger entgegen dem entsprechenden Antrag nicht aufgegeben wurde, die maßgeblichen Unterlagen gem. § 421 ZPO vorzulegen, nachdem der Zeuge V... im Rahmen seiner Zeugenvernehmung angegeben habe, die Unterlagen über die verkauften Fahrzeuge dem Insolvenzverwalter überlassen zu haben. Es stelle im Übrigen eine unzulässige Beweisvereitelung durch den Kläger dar, wenn dieser Unterlagen nicht vorlege, deren Existenz und Inhaberschaft in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten worden sei.

Mit Schriftsatz vom 08.12.2006 legt der Beklagte vom Zeugen V... Ende November 2006 übermittelte Listen vor, aus denen sich nach seiner Auffassung sein Anspruch nunmehr hinreichend substanziieren lasse.

Der Beklagte beantragt,

auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 29.03.2006, Az.: 1 O 60/05, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, das Landgericht habe das Beweisangebot des Beklagten durch Zeugnis des Herrn V... zu Recht als unzulässigen Ausforschungsbeweis mangels hinreichenden Tatsachenvortrags abgelehnt.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 23.700,00 € aus § 433 Abs. 2 BGB zu.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass zwischen dem Beklagten und der Insolvenzschuldnerin ein Kaufvertrag über den Pkw zustande gekommen ist und damit ein Kaufpreisanspruch entstanden ist. Die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts werden mit der Berufung nicht in Frage gestellt.

Ebenso zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass zwar eine Aufrechnung gegenüber der Kaufpreisforderung grundsätzlich zulässig ist, diese jedoch gleichwohl nicht durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung erloschen ist, weil die Aufrechnung unbegründet ist. Der Beklagte hat Provisionsansprüche aus Vermittlungsgeschäften nicht schlüssig dargetan. In erster Instanz fehlte sowohl zu den zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten getroffenen Absprachen hinsichtlich der Zahlung von Provisionen als auch zu den einzelnen Vermittlungsgeschäften, die einen Provisionsanspruch hätten begründen können, hinreichend nachvollziehbarer Vortrag. Stattdessen hat der Beklagte für das Bestehen der Gegenforderungen lediglich Beweis angetreten durch das Zeugnis des Herrn V..., dem früheren Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin. Die Durchführung der Beweisaufnahme hätte damit dazu geführt, dass von dem Zeugen sämtliche Tatsachen hätten erfragt werden müssen, die geeignet gewesen wären, einen Anspruch des Beklagten aus einem entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag begründet erscheinen zu lassen. Dies stellt durchaus einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar, da jeglicher Tatsachenvortrag zu den einzelnen Geschäftsabschlüssen, hinsichtlich derer eine Provision hätte entstehen können, fehlte. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass ohnehin unklar ist, inwieweit der Zeuge V... überhaupt in der Lage gewesen wäre, die erforderlichen Angaben zu machen, da nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten in der Berufungsbegründung der Zeuge die maßgeblichen Unterlagen über die verkauften Fahrzeuge dem Insolvenzverwalter überlassen haben soll, weshalb nicht nachvollziehbar ist, inwieweit der Zeuge unter Berücksichtigung der Vielzahl der vom Beklagten behaupteten Geschäftsabschlüsse hätte in der Lage sein können, Einzelheiten über die Geschäftsabschlüsse mitzuteilen. Dem Kläger musste auch nicht gem. § 421 ZPO aufgegeben werden, die maßgeblichen Unterlagen vorzulegen, da es an einer konkreten Bezeichnung der vorzulegenden Urkunden im Sinne von § 421 ZPO fehlte.

An dieser Einschätzung hat sich auch durch die Vorlage der vom Zeugen V... erstellten Listen, die dieser dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten Ende November 2006 hat zukommen lassen, im Ergebnis nichts geändert. Zwar ist dieser neue Sachvortrag gem. § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da er nicht auf Nachlässigkeit des Beklagten zurückzuführen ist, sondern der ergänzende Sachvortrag auf dem Umstand beruht, dass der Zeuge erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht dem Beklagten die Unterlagen hat zukommen lassen, so dass der Beklagte nicht in der Lage war, die Listen zu einem früheren Zeitpunkt einzureichen. Entsprechend dem Beklagtenvortrag soll es sich bei den Listen um Ausdrucke der EDV-technischen Erfassung der Fahrzeugverkäufe bei der V... Automobile GmbH handeln. Die Auflistung enthält jeweils das Datum des Fahrzeugverkaufs, den Käufer des jeweiligen Fahrzeugs und die Provision. Darin kann zunächst einmal ein einlassungsfähiger Vortrag gesehen werden, dem der Kläger nicht mit Erfolg ohne weiteres damit begegnen kann, dass ihm keine Unterlagen zu den Umsatzgeschäften vorliegen. Die möglicherweise fehlende Zuarbeit des früheren Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin entpflichtet den Kläger als Insolvenzverwalter nicht, sich mit dem substantiierten Vorbringen zu den Gegenansprüchen näher auseinanderzusetzen. Der Umstand, dass sich die Provisionsansprüche des Beklagten möglicherweise nicht mit der Buchhaltung der Schuldnerin in Einklang bringen lassen, entkräftet die Richtigkeit des Beklagtenvortrags nicht.

Allerdings erweist sich die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nur zum Teil als schlüssig und führt deshalb nicht zum Erlöschen der Klageforderung. Der Kläger macht mit der Klage ausdrücklich eine Forderung aus dem zuletzt geschlossenen Kaufvertrag zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten vom 27.05.2003 über einen Pkw Audi A4 Avant zum Kaufpreis von 23.700,00 € geltend. Unter Hinzurechnung der bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlossenen Kaufverträge ergibt sich eine Gesamtforderung aus den Kaufverträgen in Höhe von 210.330,00 €. Dieser Forderung stellt der Beklagte eine Gegenforderung mit Provisionsansprüchen in Höhe von insgesamt 204.392,00 € gegenüber. Mit Schreiben vom 27.05.2003 (Bl. 85 d.A.) hat der Beklagte erklärt, dass er mit den von der Insolvenzschuldnerin gestellten Rechnungen seine noch offenen Rechnungen verrechne und den dann noch offenen Restbetrag von 5.938,00 € in den nächsten Tagen überweisen werde. Daraus wird deutlich, dass bereits in Höhe eines Betrages von 5.938,00 € eine Verrechnung, die i.S.v. § 388 BGB als Aufrechnung zu verstehen ist, nicht zum Erlöschen der Kaufpreisforderung gem. § 389 BGB geführt hat. Da der Beklagte keine ausdrücklichen Bestimmungen getroffen hat, ist davon auszugehen, dass gem. § 366 Abs. 2 BGB zunächst die ältere Schuld getilgt werden sollte. Demgegenüber geht der Kläger aus der zuletzt entstandenen Kaufpreisforderung vor; diese wäre nur dann unbegründet, wenn die Gegenansprüche tatsächlich in vollem Umfang bestehen würden, wobei davon auszugehen ist, dass aufgrund des unstreitigen Vorbringens der Parteien der Beklagte die aus seiner Sicht noch zu leistende Restzahlung von 5.938,00 € erbracht hat. Der Vortrag des Beklagten zum Bestehen etwaiger Gegenansprüche ist jedoch in Höhe eines Betrages von insgesamt 53.378,87 € unschlüssig, weshalb die Aufrechnung die mit der Klageforderung geltend gemachte Kaufpreisforderung nicht mehr erfasst. Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war bereits die Problematik der möglicherweise erfolgten Doppelabrechnung von Provisionsansprüchen seitens des Beklagten. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 08.12.2006 seine Forderungen in der Weise aufgeschlüsselt, dass er aus der Rechnung vom 17.01.2003 einen Betrag von 21.808,00 €, aus der Rechnung vom 03.02.2003 einen Betrag in Höhe von 20.764,00 € und aus der Rechnung vom 18.02.2003 einen Betrag von 30.044,00 € geltend macht. Diese Rechnungen sollen sich auf eine Vermittlungstätigkeit aus dem Zeitraum vom 20.01. bis 24.03.2000, vom 24.03. bis 26.04.2000 und vom 27.04. bis 27.06.2000 beziehen. In Bezug auf diesen Zeitraum hatte der Beklagte aber mit der Klageerwiderung vorgetragen, bereits Rechnung gelegt zu haben, und zwar unter dem 01.04.2000 über einen Betrag in Höhe von 46.400,00 DM, unter dem 26.06.2000 über einen Betrag in Höhe von 28.750,00 DM und unter dem 28.06.2000 über einen Betrag von 29.250,00 DM, worauf die Insolvenzschuldnerin auch gezahlt habe. Hieraus ergibt sich ein Gesamtbetrag von 104.400,00 DM, der umgerechnet einem Betrag von 53.378,87 € entspricht. Es kann dahinstehen, ob aufgrund dieser Unstimmigkeiten letztlich der gesamte nunmehr aus diesem Zeitraum geltend gemachte Betrag von insgesamt 72.616,00 € als unschlüssig anzusehen ist, oder nur von einer teilweisen Unschlüssigkeit dahin auszugehen ist, dass davon die bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgerechneten und gezahlten Beträge erfasst werden, da auch der Betrag in Höhe von 53.378,87 € eine Größenordnung darstellt, die jedenfalls die im vorliegenden Rechtsstreit zu bewertende zeitlich letzte Kaufpreisforderung nicht zu erfassen vermag. Vielmehr kann von einem Erlöschen der Kaufpreisforderung 210.330,00 € nur in Höhe von schlüssig dargelegten Gegenforderungen in Höhe von 151.013, 13 € zuzüglich der gezahlten 5.938,00 € ausgegangen werden. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörterte Problematik der möglichen Doppelabrechnung und die insoweit geäußerten Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Gegenforderung konnten seitens des Beklagten nicht ausgeräumt werden.

An diesem Ergebnis vermag auch die so genannte "Generalquittung" vom 05.06.2003 nichts zu ändern. Diese "Generalquittung", die ein negatives Schuldanerkenntnis im Sinne von § 397 Abs. 2 BGB darstellen kann, ist durch eine anfechtbare Rechtshandlung §§ 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erlangt worden. Die Vorraussetzungen der Anfechtbarkeit liegen, wie vom Landgericht dargestellt, vor. Auch insoweit führt der ergänzenden Sachvortrag des Beklagten zum Bestehen von Provisionsansprüchen nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar ist die Inkongruenz der Deckungshandlung vom Insolvenzverwalter zu beweisen; es genügt jedoch, wenn die Behauptung des Insolvenzgläubigers, zum Bestehen seines Deckungsanspruchs widerlegt wird (MünchKomm-Kirchhof, InsO, § 131 Rn. 59). Zwar ist es dem Kläger nach dem ergänzenden Sachvortrag des Beklagten nicht gelungen, das Bestehen der Gegenforderungen insgesamt zu widerlegen. Da es aber aus den genannten Gründen an hinreichend schlüssigem Vortrag zum Bestehen einer kongruenten Gegenforderung fehlt, bedarf es weiterer Nachweise des Klägers zur Inkongruenz der Deckungshandlung nicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1, 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die auch nicht von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht.

Streitwert für das Berrufungsverfahren: 23.700,00 €

Ende der Entscheidung

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