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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.04.2007
Aktenzeichen: 12 W 1/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
ZPO § 286
ZPO § 348 Abs. 1 Nr. 2 e
ZPO § 348 Abs. 3 Nr. 1
ZPO § 348 Abs. 4
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 253 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

12 W 1/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski, den Richter am Oberlandesgericht Funder und die Richterin am Landgericht Kyrieleis

am 17. April 2007

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer - Einzelrichter - vom 5. Juli 2006, Az.: 17 O 65/06, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er die Antragsgegnerin als Trägerin des Kreiskrankenhauses P... auf Schmerzensgeld wegen einer nicht fachgerechten Thromboseprophylaxe in Anspruch nehmen will.

Der Antragsteller wurde in dem Zeitraum vom 26.01.2004 bis zum 04.03.2004 stationär im Kreiskrankenhaus P... wegen des Verdachts auf Lungenentzündung behandelt. Es wurde ein Thromboseprophylaxe mit dem Arzneimittel Clexane (subkutane Injektion) eingeleitet. Die Verabreichung der Thrombosespritzen wurde ab dem 30.01.2004 abgesetzt. Ab dem 13.02.2004 traten bei dem Antragsteller erneut zunehmende Schmerzen im linken Brustkorbbereich auf. Ab dem 17.02.2004 wurde die Thromboseprophylaxe erneut begonnen. Am selben Tag wurde der Antragsteller auf die Intensivstation verlegt. Bei einer Ultraschalluntersuchung wurde am 18.02.2004 bei dem Antragsteller eine Becken- und Beinvenenthrombose sowie eine Lungenarterienembolie diagnostiziert.

Der Antragsteller macht unter Bezugnahme auf ein fachinternistisches Gutachten einer Dr. F... C... vom 13.03.2005 ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 22.000,00 €, geltend mit der Begründung, die Thromboseprophylaxe sei nicht ausreichend gewesen. Nach den Feststellungen der Gutachterin sei eine zur Beendigung der Thromboseprophylaxe ausreichende Mobilität erst ab dem 12.02.2004 dokumentiert worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage zur Klageschrift eingereichte Kopie des Gutachtens (Bl. 8 ff GA) Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Erteilung eines entsprechenden rechtlichen Hinweises mit dem angefochtenen Beschluss durch den Einzelrichter den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Antragsteller habe nicht schlüssig dargelegt, dass die fehlerhafte Thromboseprophylaxe kausal für die eingetretene Thrombose und die Lungenarterienembolie gewesen sei. Aus dem von dem Antragsteller in Bezug genommenen fachinternistischen Gutachten der Dr. C... ergebe sich, dass sich ein zweifelsfreier kausaler Zusammenhang zwischen der fehlerhaften ärztlichen Behandlung und der eingetretenen Thrombose und der Lungenarterienembolie nicht feststellen lasse. Die Feststellungen der Gutachterin seien grundsätzlich für die Würdigung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage geeignet. Ein grober Behandlungsfehler der Mitarbeiter der Antragsgegnerin liege weder nach dem Vortrag des Antragstellers noch nach dem Gutachten vor. Unabhängig davon habe der Antragsteller nicht vorgetragen, welche konkreten Beeinträchtigungen er durch die fehlerhafte Behandlung in seiner Lebensführung erlitten habe, so dass trotz eines entsprechenden Hinweises maßgebliche Tatsachen zur Würdigung der Höhe des Schmerzensgeldes nicht vorgetragen seien. Den Kausalzusammenhang unterstellt, würde die beabsichtigte Klage danach allenfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € rechtfertigen, so dass die Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts nicht erreicht sei.

Gegen den Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner am 25.07.2006 beim Landgericht per Telefax eingegangenen sofortigen Beschwerde. Zur Begründung führt er aus, zum Nachweis der Kausalität reiche es aus, dass er vor der streitgegenständlichen Behandlung an keiner Thrombose gelitten habe. Er ist der Auffassung, im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens seien weitere Darlegungen zur Höhe des Schmerzensgeldes nicht erforderlich.

Die Antragsgegnerin ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten. Sie behauptet, die Behandlung des Antragstellers sei sach- und fachgerecht gewesen. Der Antragsteller sei bereits ab dem 29.01.2004 ausreichend mobil gewesen. Auch könne eine umfassende und vollständige Thromboseprophylaxe das Auftreten einer Thrombose nicht mit der gewünschten Sicherheit ausschließen. Unabhängig davon ergebe sich auch die fehlende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage aus dem im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten zu berücksichtigenden vorgerichtlichen Gutachten.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 21.12.2006 der sofortigen Beschwerde des Antragstellers nicht abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache bleibt sie ohne Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit zutreffender Begründung zurückgewiesen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 S. 1 ZPO).

1.

Soweit das Landgericht über das Prozesskostenhilfegesuch durch die Einzelrichterin entschieden hat, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich wegen der in Arzthaftungssachen regelmäßig bestehenden Schwierigkeiten sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht die Beweiserhebung und Entscheidung nicht durch den Einzelrichter, sondern durch das vollbesetzte Kollegium zu erfolgen hat (vgl. BGH NJW 1994, 801, 802; Brandenburgisches OLG OLG-NR 2001, 5, 6 jeweils m.w.N.; OLG Karlsruhe NJW-RR 2006, 205, 206), so dass - da beim Landgericht Frankfurt (Oder) senatsbekannt eine Zuständigkeit der Zivilkammer nach dem Geschäftsverteilungsplan gem. § 348 Abs. 1 Nr. 2 e ZPO nicht begründet ist - die Kammer auf die nach § 348 Abs. 3 Nr. 1 ZPO gebotene Vorlage des originären Einzelrichters zur Übernahme berufen ist (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl., Rn. E 35). Im Rahmen der Entscheidung über Prozesskostenhilfegesuche für eine beabsichtigte Arzthaftungsklage dürfte somit nichts anderes gelten, zumal wenn - wie hier - im Rahmen der im Prozesskostenhilfeverfahren eingeschränkt zulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung bereits mit der Klageschrift vorgelegte Gutachten zu würdigen sind. Dies kann jedoch letztlich offen bleiben, da die unterlassene Vorlage an die Kammer gem. § 348 Abs. 4 ZPO im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht überprüfbar ist und ein etwaiger Verfahrensfehler sich auf die Endentscheidung auch nicht ausgewirkt hat, da die Entscheidung der Einzelrichterin in der Sache jedenfalls zutreffend ist.

2.

Der Antragsteller hat einen Schmerzensgeldanspruch gegen die Antragsgegnerin aus §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB jeweils i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB nicht schlüssig dargetan. Zwar ist zutreffend, dass an die Substanziierungspflicht der klagenden Partei in Arzthaftungsprozessen nur geringe Anforderungen gestellt werden dürfen. So ist grundsätzlich der Vortrag, dass die im Hause der Antragsgegnerin durchgeführte Thromboseprophylaxe nicht ausreichend gewesen sei, was zu einer Thrombose und zu einer Lungenarterienembolie geführt habe, zur Darlegung eines ärztlichen Behandlungsfehlers und des Ursachenzusammenhangs zwischen dem ärztlichen Behandlungsfehler und dem eingetretenen Schaden ausreichend. Im Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, dass sich der Antragsteller zur Substanziierung seines Vorbringens gerade auf das fachinternistische Gutachten der Dr. F... C... vom 13.03.2005 bezieht und sich den Inhalt dieses Gutachtens zu Eigen macht. Aus diesem Gutachten ergibt sich jedoch gerade, dass der Ursachenzusammenhang zwischen der nach den Angaben des Antragstellers verfrüht eingestellten Thromboseprophylaxe und der eingetretenen Thrombose und der Lungenarterienembolie nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, da der Zeitpunkt der Diagnose einer Thrombose bzw. der nachfolgenden Lungenarterienembolie nicht mit dem Zeitpunkt des Auftretens gleichzusetzen ist und aus diesem Grunde nicht ausgeschlossen werden kann, dass sowohl die Thrombose als auch die Lungenarterienembolie auf Ereignisse zurückzuführen sind, die bereits vor der stationären Aufnahme im Hause der Antragsgegnerin stattgefunden haben (Bl. 13 GA). Die gem. § 286 ZPO vom Antragsteller nachzuweisende Kausalität des fehlerhaften Behandlungsgeschehens für die bei dem Antragsteller eingetretenen Gesundheitsschäden ist demnach nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachweisbar. Im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 ZPO sind auch mit der Klage vorgelegte vorgerichtliche Gutachten zu würdigen (vgl. OLG Köln VersR 1990, 311; OLG Oldenburg OLGR 1998, 167). Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Frage des Ursachenzusammenhangs kommt demnach in einem Hauptsacheverfahren nur dann in Betracht, wenn substanziiert dargelegt wird, dass die Feststellungen und Erkenntnisse der Gutachterin, auf die sich der Antragsteller zur Begründung seines mit der Klage geltend gemachten Anspruches bezieht, nicht erschöpfend, lückenhaft und aus sonstigen Gründen unrichtig oder unvollständig sind. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit die Feststellungen der Gutachterin Dr. C... zur Frage der Kausalität unrichtig oder unvollständig sind, auch vom Antragsteller wird hierzu nichts vorgetragen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Einholung eines weiteren Gutachtens zu anderen Ergebnissen als in dem vom Kläger vorgelegten vorgerichtlichen Gutachten führen würde.

Dem Antragsteller kommen im Streitfall auch keine Beweiserleichterungen zugute. Dass es sich bei der nach den Behauptungen des Antragstellers verfrühten Absetzung der Thromboseprophylaxe um einen groben Behandlungsfehler handelt, der zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität der eingetretenen Gesundheitsschädigungen führen würde, ist vom Antragsteller nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Auch ein Anscheinsbeweis zugunsten des Antragstellers greift nicht ein. Dies setzt voraus, dass ein typischer Geschehensablauf vorliegt, bei dem nach der Lebenserfahrung vom Vorliegen einer feststehenden Primärschädigung auf einen schuldhaften Behandlungsfehler geschlossen werden kann. An einem solchen typischen Geschehensablauf fehlt es im vorliegenden Fall jedoch, da der Eintritt einer Thrombose selbst bei einer ordnungsgemäß durchgeführten Thromboseprophylaxe nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Zudem würde die Annahme eines Anscheinsbeweises voraussetzen, dass die Thrombose erst nach der Einstellung der Thromboseprophylaxe tatsächlich aufgetreten ist, was nach den Feststellungen der Gutachterin Dr. C... jedoch gerade nicht feststeht.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Pflicht des Antragstellers zur Tragung der Gerichtsgebühren ergibt sich aus 1811 KV (Anlage 1 zu § 3 GKG). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der Zulassung nach § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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