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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 10.06.2008
Aktenzeichen: 12 W 20/08
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 406 Abs. 1
ZPO § 406 Abs. 2
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 406 Abs. 5
ZPO § 411 Abs. 4
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 569 Abs. 1
ZPO § 574 Abs. 2
GKG § 48 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

12 W 20/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Amtsgericht Eggers-Chemseddine als Einzelrichterin

am 10. Juni 2008

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Einzelrichter - vom 26. März 2008, Az. 142 O 52/04, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 19.3856,56 €

Gründe:

I.

Der Sachverständige Dr. G... hatte aufgrund der Beschlüsse des Landgerichts vom 21.09.2004 und 03.11.2004 ein erstes schriftliches Sachverständigengutachten unter dem 25.04.2004 erstattet, zu dem er ein erstes Ergänzungsgutachten unter dem 31.08.2005 fertigte und das er in den Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.01.2007 erläuterte. Des Weiteren hatte der Sachverständige aufgrund des Beschlusses vom 02.05.2007 i.V.m. dem Beweisbeschluss vom 24.07.2006 ein weiteres schriftliches Gutachten unter dem 02.08.2007 erstattet. Aufgrund des Beschlusses des Landgerichts vom 19.11.2007 beauftragte das Landgericht den Sachverständigen Dr. med. M... G... mit der Erstellung eines weiteren schriftlichen Ergänzungsgutachtens, das dieser unter dem 15.12.2007 erstattete. Mit Beschluss vom 17.12.2007, zugestellt am 08.01.2008, erhielten die Parteien Gelegenheit, binnen 3 Wochen zum Ergänzungsgutachten Stellung zu nehmen, worauf der Kläger innerhalb verlängerter Frist bis zum 15.02.2008 mit am 15.02.2008 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz den Sachverständigen Dr. G... wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Zur Begründung beruft er sich darauf, er habe gegen den Sachverständigen wegen dessen Ausführungen auf Seite 2 und 3 des Gutachtens (vom 15.12.2007) Misstrauen. Dem Gutachter stehe es nicht zu, ob ein Arztbericht oder eine gegenteilige Zeugenaussage einen höheren Beweiswert habe. Mit seiner Äußerung auf Seite 2 greife er einer Beweiswürdigung vor, die ihm 25.04.2004 nicht zustehe. Aus seinen Ausführungen zeige sich eine Befangenheit gegenüber dem Kläger. Er verwerte auch eine Vermutung Dr. L.... Auch Punkt 1 b) zeige, dass der Gutachter Tatsachen hinsichtlich der Wertung der Epikrise des Dr. H... vom 09.02.2000 verdrehe. Auch stelle er im Hinblick auf die Aussage der Zeugin S... nur Vermutungen an. Er habe eine vorgefertigte Auffassung, dass ein mündliches Revidieren gegenüber dem schriftlichen Niedergelegten eins Arztes nicht möglich sei. Der Gutachter meine auch fälschlich, die Wortgruppe "zeitweilige Stuhlinkontinenz" sei nicht auslegbar, und als feste Diagnose zu werten. Die Voreingenommenheit ergebe sich auch durch die Formulierung im Gutachten 2. Absatz auf Seite 32. Es werde auch an der fachlichen Kompetenz des Gutachters gezweifelt, weil es sich oftmals in Vermutungen ergehe. Hilfsweise werde der Sachverständige abgelehnt, weil er den Kläger nicht ausreichend untersucht habe, was dafür spreche, dass der Gutachter seinen vorliegenden Aufgaben nicht gewachsen sei.

Mit Beschluss vom 26.03.2008 hat das Landgericht das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, das Gesuch sei zwar nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Einreichungsfrist des Befangenheitsgesuchs zulässig, aber nicht begründet. Der Gutachter habe mit den angegriffenen Passagen im schriftlichen Gutachten vom 15.12.2007 keine Beweiswürdigung vorweggenommen. Auch aus seinen Ausführungen zur Frage des Begriffs "zeitweilige Stuhlinkontinenz" sei keine Voreingenommenheit zu erkennen, weil er ausgeführt habe, wie der Begriff medizinisch zu verstehen sei. Auch aus der nicht durchgeführten Untersuchung folge kein Ablehnungsrecht, im Übrigen vermöge mangelnde Sachkunde allein die die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Mit am 21.04.2008 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger sofortige Beschwerde gegen den am 04.04.2008 zugestellten Beschluss des Landgerichts eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er halte an den mit Schriftsatz vom 15.02.2008 angebrachten Bedenken fest. Der Gutachter halte an der missverständlichen Formulierung Dr. Se... und Dr. L... in dem Verlegungsbericht vom 13.03.2000 als Originaldokumentation fest, obwohl diese durch deren Bescheinigung vom 29.07.2000 richtig gestellt worden sei. Er sei auch im Ergebnis inkonsequent. Auch hinsichtlich der korrigierten Aussage der Dr. S... sei nicht nachvollziehbar, wieso Dr. G... meine, das bei eindeutiger Sachlage und sicherem Erinnerungsvermögen dieses klärende Gespräch nicht mehr notwendig gewesen wäre. Er unterstelle auch, dass die schriftliche Korrektur nur aufgrund des Gedächtnisses der Ärztin erfolgt sein könne.

Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Der vom Landgericht zurückgewiesene Ablehnungsantrag des Klägers gemäß § 406 Abs. 1 ZPO ist zulässig, jedoch unbegründet.

Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag spätestens binnen zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen anzubringen. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist die Frist des § 406 Abs. 2 ZPO Satz 2 maßgebend. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Fall nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich geltend zu machen, was bedeutet, dass der Ablehnungsantrag ohne schuldhaftes Zögern, d.h. innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist anzubringen ist. Muss sich die Partei zur Begründung ihres Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen, läuft die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit im Allgemeinen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO ab (BGH NJW 2005, 1869). Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger den am letzten Tag der verlängerten Frist zur Stellungnahme am 15.02.2008 gestellten Ablehnungsantrag noch rechtzeitig gestellt.

Im Übrigen folgt der Senat ebenfalls der Auffassung des Landgerichts, dass die Ablehnung des Sachverständigen auch in der Sache keinen Erfolg hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers liegen keine Gründe vor, die geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Für die Besorgnis der Befangenheit genügt jede Tatsache, die ein auch nur subjektives Misstrauen einer Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann (BGH NJW 1975, 1363; NJW-RR 1997, 8923). Dies kann der Fall sein, wenn Umstände vorliegen, die aus der Sicht einer vernünftigen, nüchtern denkenden Partei die Befürchtung rechtfertigt, der Sachverständige habe sich einseitig festgelegt und glaube den Angaben der einen Partei mehr als den Angaben der anderen bzw. halte eine streitige Behauptung zulasten einer Partei für bewiesen (OLG München NJW 1992, 1569; OLG Nürnberg VersR 2001, a.a.O.). Ein vergleichbarer Fall ist vorliegend nicht gegeben.

Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die Ausführungen in dem Ergänzungsgutachten vom 15.12.2007 unter Punkt 1 a) keine Beweiswürdigung vorwegnehmen. Das Ergänzungsgutachten nimmt Stellung zu den Einwänden des Klägers im Schriftsatz vom 10.09.2007 hinsichtlich des zuvor erstatteten Ergänzungsgutachten vom 02.08.2007, mit dem der Gutachter u. a. ergänzend klären sollte, ob sich aus den Aussagen der Zeugen im Termin am 21.03.2007, dem er beiwohnte, aus sachverständiger Sicht Tatsachen ergeben, welche zu einer Veränderung der bisherigen gutachterlichen Beurteilung führen. Mit Gutachten vom 02.08.2007 hat er ausgeführt, dass sich aus den Zeugenaussagen aus seiner Sachverständigensicht keine Tatsachen ergeben, die zu einer Veränderung der bisherigen gutachterlichen Beurteilung führen. Wenn er dann auf Einwände und Nachfragen des Klägers hin diese Ausführungen unter Punkt 1 a) erläutert, stellt dies keine Würdigung einer streitigen Behauptung einer Partei dar, diese obliegt weiter dem Gericht, welches dem Gutachter gerade kein Ergebnis der Zeugenbeweisaufnahme für die weitere Beantwortung der Beweisfragen vorgegeben hat. Dass der Gutachter davon ausgehe, dass das einmal Geschriebene immer richtig sei und praktisch durch einen Arzt im Nachhinein nicht mehr zu korrigieren sie, lässt sich gerade nicht schlussfolgern. Aus dem Gutachten vom 02.08.2007 Seite 3 lässt sich ersehen, dass der Sachverständige die Präzisierung des Krankenhausentlassungsberichtes vom 09.02.2000 durch die ärztliche Bescheinigung vom 20.07.2000 im Lichte der Aussagen der Zeugen Dr. Se... und L... entsprechend dem Gutachtenauftrag mit seinen bisherigen gutachterlichen Feststellungen abgeglichen hat und aus ärztlicher Sicht bewertet hat. Dies kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Auch hinsichtlich der Bewertung der Tatsachen, die aus der Aussage der Zeugin Dr. E... für den Sachverständigen folgen, hat das Landgericht zutreffend eine Beweiswürdigung nicht erkennen können. Richtigerweise ist festzuhalten, dass der Gutachter auf Seite 3 2. Absatz des Gutachtens vom 15.12.2007 selbst gerade darauf verwiesen hat, die Beweiswürdigung der Dokumentation vom 09.02.2000 und der schriftlichen Stellungnahme Dr. S... dazu vom 20.06.2005 obliege dem Gericht.

Die behauptete mangelnde Sachkunde kann für sich allein nicht Grundlage eines Ablehnungsgesuchs sein, im Übrigen hat der Sachverständige den Kläger ausweislich seines Gutachtens vom 25.04.2005 am 19.04.2005 untersucht und dies auf Seite 10 und 11 des Gutachtens dokumentiert. Dass er ihn nicht hat ausreichend untersucht hätte, weil er sich wie auf Seite 6 1. Absatz des Gutachtens vom 15.12.2007 in Vermutungen ergehe, ist unzutreffend. Vielmehr hat er auf die Einwände des Klägers hin seine Ausführungen auf Seite 7 bis 10 des Gutachtens vom 02.08.2007 erläutert und insbesondere noch einmal zum Operationsbericht Prof. G... vom 05.04.2000 und zu der Problematik der Narbenplatte Stellung genommen. Schließlich folgt auch aus den Ausführungen im Zusammenhang mit dem Begriff der "zeitweiligen Stuhlinkontinenz" keine Voreingenommenheit des Sachverständigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen im Beschluss des Landgerichts Bezug genommen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers bereits aus der Nr. 1811 der Anlage 1 zum GKG ergibt und das erstinstanzliche Verfahren gerichtsgebührenfrei ist. Außergerichtliche Gebühren werden nicht erstattet, da es sich bei dem Verfahren betreffend Richter- oder Sachverständigenablehnung nicht um ein kontradiktorisches Verfahren handelt (vgl. Beschl. des Senates v. 30.04.2002, OLG-NL 2002, 181; OLG Köln OLGR 1996, 256; OLG München MDR 1994, 627; OLG Düsseldorf OLGR 1993, 63; OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 510; OLG Hamm MDR 1989, 917; a. A. OLG Koblenz MDR 1992, 310; OLG Hamm JurBüro 1987, 1088; OLG Nürnberg MDR 1980, 1026). Anders kann zu verfahren sein, wenn der Beschwerdegegner zur Stellungnahme im Beschwerdeverfahren aufgefordert wird oder sich von sich aus aktiv am Beschwerdeverfahren beteiligt. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO. Nach der Rechtsprechung des Senates (OLG-NL a.a.O.) bemisst sich der Wert für das Beschwerdeverfahren in Bezug auf eine Sachverständigenablehnung mit einem Bruchteil von 1/10 des Wertes des Hauptsacheverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Gründe gegeben ist. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Ende der Entscheidung

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