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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.07.2008
Aktenzeichen: 12 W 30/08
Rechtsgebiete: HGB, ZPO, GVG


Vorschriften:

HGB §§ 84 ff.
HGB § 84 Abs. 1
HGB § 89
HGB § 89 Abs. 1
HGB § 89 Abs. 1 Satz 1
HGB § 89 a Abs. 1
HGB § 89 b
HGB § 92 b Abs. 3
ZPO § 114 Satz 1
ZPO § 118 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 287 Abs. 2
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 2
GVG § 23 Nr. 1
GVG § 71 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

12 W 30/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Amtsgericht Eggers-Chemseddine als Einzelrichterin

am 18. Juli 2008

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Einzelrichter - vom 30. Mai 2008, Az. 14 O 44/08, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage, mit der sie nach Kündigung seitens der Antragsgegnerin restliche Vergütung und Ausgleich für ihre Akquisetätigkeit für den Softwareverkauf begehrt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Sachverhaltsdarstellung im Beschluss des Landgerichts vom 15.04.2008 Bezug genommen, mit dem das Landgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen hat, die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zwar sei die Antragstellerin als Handelsvertreterin gemäß §§ 84 ff. HGB anzusehen, so dass die Kündigungsfristen nicht entgegen § 89 Abs. 1 HGB vereinbart werden konnten und nur zum 31.08.2007 gekündigt werden konnte. Der restliche Vergütungsanspruch für den Monat August reiche aber nicht aus, um die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts begründen zu können, da der Antragstellerin die weiter geltend gemachten Ansprüche nicht zustünden.

Die Antragstellerin habe keinen erheblichen Vorteil für den Ausgleichsanspruch schlüssig dartun können. Auch könne sie mangels konkreter Darlegung einer abweichenden Vereinbarung zu der schriftlichen Vereinbarung der Parteien keine weitere Vergütung verlangen.

Gegen den ihr zu Händen ihres Verfahrensbevollmächtigten am 21.04.2008 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit einem am 20.05.2008 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie vertieft ihre Auffassung, ihre Rechtsverfolgung sei aussichtsreich. Zur Begründung des Ausgleichsanspruchs und der Behauptung, dass auch noch nach ihrem Ausscheiden noch zahlreiche Termine stattgefunden hätten und es noch zahlreiche Kaufinteressenten gegeben habe, wie auch Kaufvertragsabschlüsse schon festgestanden hätten bzw. noch getätigt würden, bezieht sie sich auf eine beigefügte Liste mit offenen Kaufentscheidungen und Terminen.

Die mündliche Vereinbarung über die zusätzliche Vergütung sei am 22.06.2007, nicht am 22.07.2007 - dies sei in dem Klageentwurf nur ein Übertragungsfehler - getroffen worden. Dieses Übereinkommen habe die Antragsgegnerin auch mit Schreiben vom 07.08.2007 bestätigt.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30.05.2008 der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Nach § 114 Satz 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe nur bewilligt werden, wenn die Antragstellerin wegen ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage ist, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig ist.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die beabsichtigte Klage lediglich in einem Umfang allenfalls Erfolg versprechend ist, für den das Landgericht nach den §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG nicht zuständig ist, sodass eine vor dem Landgericht erhobene Klage aufgrund der fehlenden sachlichen Zuständigkeit als unzulässig abzuweisen wäre (vgl. BGH NJW-RR 2004, 1237).

Es bedarf im Rahmen der Beschwerdeentscheidung zunächst keiner weiteren Aufklärung, ob die Antragstellerin selbstständige Handelsvertreterin im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB im Hauptberuf ist, wofür die "Handelsvertreter-Vereinbarung" der Parteien vom 14.03.2007 sprechen könnte, was die Antragsgegnerin zwar nicht ausdrücklich in Abrede gestellt hat, die aber die Anwendung der §§ 84 ff. HGB zu Recht in Frage stellt. Handelsvertreter ist, wer die Handelsvertretung als Gewerbe betreibt, selbstständig ist und in dieser Eigenschaft von einem anderen Unternehmer auf Dauer wirksam verpflichtet worden ist, für diesen Geschäfte mit Dritten, den Kunden oder Abnehmern des Produkts des Unternehmers, zu vermitteln oder im Namen und auf Rechnung des Unternehmers abzuschließen. Entscheidend für die Selbstständigkeit in Abgrenzung zum Arbeitnehmer ist die persönliche Freiheit, die sich darin zeigt, dass die Tätigkeit im Wesentlichen frei gestaltet werden kann, wie auch die Arbeitszeit frei bestimmt werden kann. Dabei ist entscheidend das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und tatsächlichen Handhabung. Gegen die Selbstständigkeit spricht die Bestimmung der täglichen Arbeitszeit, die Vorgabe des Arbeitsortes und des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber/Unternehmer (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 84 Rn 35 f.; Boecker in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl. § 59 Rn 10). Die Bezeichnung der Parteien kann für die Abgrenzung nur Indiz, aber wegen des nicht geschützten Begriffes des Handelsvertreters nicht bestimmend sein. Des Weiteren bedarf es keiner abschließenden Wertung, ob die Antragstellerin als Handelsvertreterin im Hauptberuf tätig war. Eine weitere Tätigkeit des Handelsvertreters stellt sich nach der gemäß § 92 b Abs. 3 HGB maßgeblichen Verkehrsauffassung als eine dem Nebenberuf übergeordnete Tätigkeit dann als Hauptberuf dar, wenn der Handelsvertreter sich ihr nach Zeit, Art und Ausmaß seines Arbeitseinsatzes überwiegend widmet, wobei der Zeitaufwand nicht das entscheidende Kriterium sein muss. Zieht er aus der weiteren Tätigkeit seine überwiegenden Erwerbseinkünfte, ist auch dies nicht in jedem Fall das ausschlaggebende Kriterium. So üben Studenten oder Hausfrauen eine Handelsvertretertätigkeit im Nebenberuf aus (Hopt, a.a.O. § 92 b, RN 2; Löwisch, a.a.O., § 92 b RN 4). Da die Antragstellerin lediglich mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 17,5 Stunden arbeitete und ausweislich ihrer Erklärung zum Prozesskostenhilfeantrag Promotionsstudentin ist, ist nach den dargelegten Abgrenzungskriterien, auch wenn die aus der Tätigkeit für die Antragsgegnerin erzielten Einkünfte ihre überwiegenden Erwerbseinkünfte dargestellt haben sollten, zweifelhaft, ob sie die Handelstätigkeit hauptberuflich im Sinne der maßgeblichen Verkehrsauffassung ausgeübt hat. Darauf könnte sich die Antragsgegnerin allerdings nur berufen, wenn sie die Antragstellerin ausdrücklich als Handelsvertreterin im Nebenberuf beauftragt hatte (§ 89 Abs. 2 HGB), was sich jedenfalls nicht aus der schriftlichen "Handelsvertreter-Vereinbarung" ergibt.

Selbst wenn ihre Tätigkeit entsprechend als selbstständige Handelsvertretung einzuordnen ist, so dass §§ 89 und 89 b HGB anzuwenden sind, und die in der Handelsvertretervereinbarung der Parteien in § 10 entgegen § 89 Abs. 1 HGB vereinbarte Kündigungsfrist von 7 Tagen nicht maßgeblich ist, so dass nur zum 31.08.2007 gekündigt werden konnte, weil die zwingende gesetzliche Regelung des § 89 Abs. 1 Satz 1 HGB gilt (Hopt, a.a.O., § 89 RN 28), reichte der Vergütungsanspruch von 1.234,57 € für August 2007 nicht aus, um die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts zu begründen. Ein fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 89 a Abs. 1 HGB ist bereits deshalb nicht anzunehmen, weil eine solche klar und eindeutig zu bezeichnen ist (BGH Z 27, 225), woran es hier fehlt und die nicht entsprechend bezeichnete wie hier als ordentliche Kündigung gilt.

Desgleichen genügte auch der weitere geltend gemachte Vergütungsanspruch aufgrund zusätzlicher behaupteter mündlicher Abrede in Höhe von 2.160,49 € weder allein noch mit dem Klageantrag zu 1), eine Zuständigkeit des Landgerichts zu begründen. Im Übrigen ist auch mit der Beschwerdebegründung eine entsprechende dafür erforderliche Vereinbarung der Parteien vom 22.06.2007 nach wie vor nicht schlüssig dargelegt und unter Beweis gestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die Ausführungen des Landgerichts im Beschluss von 30.05.2008 Bezug genommen werden.

Der Antragstellerin steht auch ein Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB in Höhe von 10.134,28 € nicht zu.

Der Handelsvertreter kann auch § 89 Abs. 1 Satz 1 HGB von dem Unternehmer dann nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat; der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits geschlossenen oder künftig zustande gekommenen Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte und die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht. Dabei steht der Werbung eines neuen Kunden gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht. (§ 89 Abs. 1 Satz 2 HGB).

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Vortrag der Antragstellerin nicht genügt, um das Vorliegen dieser Voraussetzungen annehmen zu können.

Soweit sie mit der Anlage K 3 eine Liste vorgelegt hat, die sie mit dem Auszug aus dem Onlinekalender als Anlagenkonvolut K 5 nunmehr ergänzt hat, ergibt sich daraus nicht ohne entsprechende schriftsätzliche Darlegung, welchen der 20 Termine sie mit Neukunden, die sie selbstständig akquiriert hat, vereinbart hat, die ihr nicht nur ggf. als Stammkunden benannt worden sind oder die lediglich an Hotline- oder Updateverträgen interessiert waren, welche nach eigenem Vortrag der Antragstellerin von ihrer Tätigkeit für die Antragsgegnerin ausgenommen waren. Des Weiteren waren nach ihrem Vortrag an Großkunden wie die Ca..., die Di... oder der D... von dem Softwareverkauf ausgenommen, so dass bereits 3 oder 4 der aufgelisteten Kunden für einen späteren Provisionsanspruch ausschieden. Schließlich ersetzt die Vorlage des auch mit Abkürzungen arbeitenden und damit nicht ohne weiteres aus sich heraus klar nachvollziehbaren Onlinekalenders nicht substantiierten und unter Beweis gestellten Vortrag, wann mit welcher Pflegeeinrichtung ein Termin vereinbart worden ist. Schließlich ist zweifelhaft, ob lediglich die Übermittlung des Angebotes an Kunden, auch wenn unterstellt wird, es handele sich um Neukunden, für einen Ausgleichsanspruch, der Ersatz für eine ansonsten verdiente Provision darstellt, ausreicht, da erst bei einer Terminsvereinbarung durch den Kunden von einem Kaufinteresse auszugehen ist und die Antragstellerin den telefonischen Rückruf nach Angebotsabgabe zur Herbeiführung der Vereinbarung eines Präsentationstermines bei den in der 2. Hälfte der Anlage K 3 aufgelisteten Einrichtungen nicht mehr persönlich leistete.

Zwar ist der Antragstellerin zuzubilligen, dass im Rahmen des § 89 b HGB eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zulässig ist, wenn ihr genauere Angaben, welche Einrichtungen nach ihrem Tätigkeitsende Kaufabschlüsse vornahmen, nicht möglich sind. Voraussetzung ist jedoch, dass überhaupt eine Schätzungsgrundlage besteht, woran es hier fehlt. Schließlich begegnet es auch im Rahmen der Billigkeitsprüfung erheblichen Bedenken, dass die Antragstellerin der Höhe nach einen Ausgleichsanspruch geltend macht, den sie umgerechnet auf ihre achtmonatige Tätigkeit wegen des das monatliche Fixum von 1.000,00 € überwiegend nicht überschreitenden Umsatzes nicht erreicht hatte.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin bereits aus der Nr. 1812 der Anlage 1 zum GKG ergibt und das erstinstanzliche Verfahren gerichtsgebührenfrei ist und außergerichtliche Gebühren nicht erstattet werden §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Gründe gegeben ist. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Ende der Entscheidung

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