Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.03.2007
Aktenzeichen: 12 W 6/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 141
ZPO § 141 Abs. 3 S. 1
ZPO § 380 Abs. 3
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 569 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

12 W 6/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Beckmann als Einzelrichter

am 14. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Ordnungsgeldbeschluss der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam vom 20. Dezember 2006, Az.: 6 O 482/04, aufgehoben.

Beschwerdewert: 250,00 €

Gründe:

Das Landgericht hat gegen den Kläger, dessen persönliches Erscheinen mit der Ladungsverfügung vom 26.10.2006 angeordnet worden war, mit Beschluss vom 20.12.2006 ein Ordnungsgeld in Höhe von 250,00 DM wegen unentschuldigten Fernbleibens zum Termin am 13.12.2006 festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers vom 08.01.2007 ist in entsprechender Anwendung der §§ 380 Abs. 3, 567 Abs. 1 ZPO als sofortige Beschwerde zulässig. Es ist davon auszugehen, dass die sofortige Beschwerde fristgerecht innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt wurde. Eine ordnungsgemäße Zustellung des Ordnungsgeldbeschlusses lässt sich den Akten nicht entnehmen. Ausweislich eines Vermerks auf der Rückseite des angefochten Beschlusses soll eine Beschlussabschrift an den Klägervertreter gegen Empfangsbekenntnis am 31.01.2007 abgesandt worden sein. Ein konkreter Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass die am 16.02.2007 per Fax und am 20.02.2007 im Original eingegangene Beschwerde rechtzeitig erfolgt ist.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes gem. § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO ist nicht ermessensfehlerfrei erfolgt. Richtig ist allerdings, dass der Kläger zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 13.12.2006 unentschuldigt nicht erschienen ist. Der Kläger hatte nach Erhalt der Ladung über mehrere Wochen hinweg Gelegenheit, rechtzeitig einen Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu stellen. Gründe dafür, warum dies erst zwei Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung erfolgte, sind nicht erkennbar. Der Kläger konnte nicht ohne vorherige Nachfrage darauf vertrauen, dass seinem Antrag stattgegeben werden würde; die hierfür angegebenen Gründe sind nicht tragfähig. So trifft es bereits nicht zu, dass es sich bei dem Termin am 13.12.2006 um den vierten Verhandlungstermin gehandelt hat, sondern es handelte sich erst um den dritten Verhandlungstermin und der Kläger war auch nicht zu den beiden vorangegangenen mündlichen Verhandlungen erschienen und hatte sich dort zur Sache geäußert, sondern lediglich zur mündlichen Verhandlung am 09.11.2004, indem er aber ausweislich des Sitzungsprotokolls nicht gem. § 141 ZPO zum Unfallhergang persönlich angehört wurde.

Gleichwohl rechtfertigt nicht jedes unentschuldigte Ausbleiben einer Partei zur mündlichen Verhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes. Hierdurch soll nicht die Institution des Gerichts geschützt werden, sondern in erster Linie ein ordnungsgemäßer und zügiger Ablauf des Verfahrens mit einer weitgehenden Aufklärung des Sachverhalts. Dementsprechend liegt der Zweck des Ordnungsgeldes in der Verfahrensförderung (Senatsbeschluss vom 24.10.2000, MDR 2001, 411 = NJW-RR 2001, 1649 m.w.N.). Bei der Ausübung seines Ermessens muss daher das Gericht im Einzelfall von dem sich aus § 141 ZPO ergebenden Zweck der Erleichterung und Beschleunigung zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts ausgehen, woran sich auch durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.07.2001 nichts geändert hat (OLG Hamm, Beschluss vom 26.11.2003, Az.: 9 W 36/03). Will eine Partei im Termin zur Sachverhaltsaufklärung nichts beitragen und ist der Rechtsstreit ungeachtet dessen entscheidungsreif, ist das mit der Anordnung nach § 141 ZPO verfolgte Ziel grundsätzlich erreicht. Für die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist dann nur noch eingeschränkt Raum. Im vorliegenden Fall ist auch zu berücksichtigen, dass die Verhängung eines Ordnungsgeldes erst nachträglich erfolgte, nämlich eine Woche nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung, also zu einem Zeitpunkt, in dem davon auszugehen war, dass die Anhörung der ordnungswidrig ausgebliebenen Partei eine Verzögerung des Rechtsstreits nicht mehr begründen konnte. Sofern dies zum Beginn der mündlichen Verhandlung noch nicht festgestanden haben sollte, hätte Veranlassung bestanden, sogleich gegen den Kläger ein Ordnungsgeld zu verhängen, da, wie im Protokoll ausdrücklich hervorgehoben wird, kein sachlicher Grund für das Nichterscheinen des Klägers genannt worden war. Einer Verhängung eines Ordnungsgeldes zu diesem Zeitpunkt stand also grundsätzlich nichts entgegen.

Darüber hinaus lässt die vom Landgericht gegebene Begründung nicht hinreichend erkennen, inwieweit das persönliche Erscheinen des Klägers dem Zweck diente, den Sachverhalt weiter aufzuklären und um sich vom Kläger einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Welche Erkenntnisse sich das Landgericht neben dem schriftsätzlichen Vortrag des Klägers durch eine persönliche Anhörung hat verschaffen wollen, lässt sich der Begründung der Entscheidung nicht entnehmen und ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungsgründen des am 29.01.2007 verkündeten Urteils. In Bezug auf die Unaufklärbarkeit des Unfallherganges würdigt das Landgericht die Bekundungen der Zeugen sowie die Feststellungen des Sachverständigen und hat in diesem Zusammenhang nicht die Überzeugung erlangen können, dass entweder der vom Kläger geschilderte Unfallhergang oder der von den Beklagten geschilderte Unfallhergang als erwiesen feststeht. Inwieweit an dieser Einschätzung eine persönliche Anhörung des Klägers etwas hätte ändern können, ist nicht hinreichend erkennbar, zumal der Beklagte zu 2. in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört wurde, ohne dass seine Angaben offenbar von Erkenntniswert waren. Jedenfalls verhalten sich die Entscheidungsgründe zu seinen Angaben nicht. Dem Umstand, dass der Kläger im Rahmen einer persönlichen Anhörung gem. § 141 ZPO aufgrund seines Nichterscheinens keine Gelegenheit mehr hatte, den Unfallhergang aus seiner Sicht darzustellen und damit das Gericht von der Richtigkeit seines Vortrages zu überzeugen, ist bereits dadurch Rechnung getragen, dass es zu einer für ihn nachteiligen Entscheidung des Landgerichts gekommen ist. Da durch das Nichterscheinen des Klägers eine Verfahrensverzögerung nicht eingetreten ist und nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass eine persönliche Anhörung des Klägers geeignet gewesen wäre, dem nach Vernehmung der Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens offene Beweisergebnis eine andere Wendung zu geben, beispielsweise weil noch bestimmte Tatsachen einer Klärung bedurften, stellt sich die Verhängung des Ordnungsgeldes als ermessensfehlerhaft dar.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Insoweit hält der Senat an seiner Auffassung fest (MDR 2001, 411), dass die im Rechtsstreit unterlegene Partei im Rahmen der Kostenerstattung für die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzukommen hat, wie dies im Falle der Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen Zeugen ebenso der Fall wäre.

Ende der Entscheidung

Zurück