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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 11.04.2001
Aktenzeichen: 12 W 67/00
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2 | |
ZPO § 114 | |
ZPO § 124 Nr. 2 | |
ZPO § 124 | |
ZPO § 122 |
12 W 67/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht 11 OH 9/99 Landgericht Frankfurt (Oder)
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
In dem selbstständigen Beweisverfahren
hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgericht durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pastewski und die Richter am Oberlandesgericht Hütter und Beckmann
am 11. April 2001
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der die Prozesskostenhilfebewilligung aufhebende Beschluss der Rechtspflegerin beim Landgericht Frankfurt (Oder) vom 10. November 2000, Az.: 12 OH 9/99, aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Frankfurt (Oder) zurückverwiesen.
Gründe:
Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluss vom 10.11.2000 aufzuheben und Zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist.
Der Antragstellerin wurde mit Beschluss vom 3.11.1999 Prozesskostenhilfe ohne Raten bewilligt. Diesen Beschluss hat die Rechtspflegerin beim Landgericht auf Antrag des Bezirksrevisors beim Landgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 10.11.2000 aufgehoben mit der Begründung, die Antragstellerin habe noch Ansprüche aus ihrer Betreuertätigkeit für die Jahre 1998 und 1999, die sie bisher nicht Geltend gemacht habe. Die Voraussetzungen des § 114 ZPO lägen nicht vor, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin nicht geprüft werden könnten. Sie habe wissentlich unrichtige Angaben über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht, weshalb die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Nr. 2 ZPO aufzuheben sei. Der hiergegen gerichteten Beschwerde hat die Rechtspflegerin mit einem nicht begründeten Beschluss vom 15.12.2000 nicht abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Sowohl der Nichtabhilfebeschluss als auch der angefochtene Beschluss selbst sind unzureichend begründet worden. Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, mit dem die Rüge der Verletzung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör erhoben wurde und mit dem das Merkmal der "wissentlichen" unrichtigen Angabe der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegriffen wurde, hätte es einer Begründung des Nichtabhilfebeschlusses bedurft. Der Umstand der fehlenden Begründung führt aber aus prozessökonomischen Gründen nicht zur Rückgabe der Sache an die Rechtspflegerin beim Landgericht zur Nachholung einer Begründung, da die Rechtspflegerin erkennbar an ihrer mit Beschluss vom 10.11.2000 getroffenen Entscheidung festzuhalten beabsichtigt und dieser Beschluss ohnehin der Aufhebung unterliegt, so dass der Antragstellerin durch den Verzicht auf die Nachholung einer Begründung der Nichtabhilfeentscheidung keine Rechtsnachteile entstehen.
Der angefochtene Beschluss lässt nicht erkennen, wie weit das Landgericht von seinem gemäß § 124 ZPO auszuübenden Ermessen Gebrauch gemacht hat. Dieses Ermessen wird dem Gericht eingeräumt durch den Wortlaut der Vorschrift. wonach das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben "kann", wodurch vermieden werden soll, dass die Folgen der Aufhebung die Prozesskostenhilfe beanspruchende Partei übermäßig hart treffen (vgl. Zöller-Philippi. 22. Aufl. § 124 Rn. 3 m. w. N.). Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung ist auch der Grad der Vorwerfbarkeit des Fehlverhaltens der Partei zu berücksichtigen (OLG Düsseldorf, JurBüro 1991, 980, 981). Auch hierüber ergeben sich aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses keine Anhaltspunkte. Vielmehr wird ohne jegliche Begründung davon ausgegangen, die Antragstellerin habe "wissentlich" unrichtige Angaben über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht. Woraus das Gericht das Merkmal der Wissentlichkeit, das im Übrigen nicht im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut steht, der absichtlich oder grob nachlässig unrichtige Angaben der Partei über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verlangt, ableitet, bleibt mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen unklar. Gerade weil es aber bei der zu treffenden Ermessensentscheidung u. a. auch auf die Schwere der Schuld ankommt, sind konkrete Feststellungen zum in Betracht kommenden subjektiven Tatbestandsmerkmal des § 124 Nr. 2 ZPO erforderlich. Hierzu hätte es im vorliegenden Fall auch insbesondere deshalb näherer Feststellungen bedurft, weil der Bezirksrevisor den Antrag auf Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe in erster Linie damit begründet, dass die Antragstellerin ihr im Zeitpunkt der Antragstellung bereits zustehende Vergütungen für Betreuungsleistungen, die sie jedoch noch nicht ausgezahlt erhalten hat, nicht angegeben hat.
Unabhängig davon setzt die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe voraus, dass der Partei bei richtigen und vollständigen Angaben Prozesskostenhilfe nicht oder nur zu ungünstigeren Bedingungen, etwa gegen Ratenzahlung, gewährt worden wäre (OLG Düsseldorf, JurBüro 1991, 980, 981; OLG Bamberg, FamRZ 1987, 1170; OLG Frankfurt, KostRsp ZPO, § 124 Nr. 76; Zöller-Philippi, a.a.O., Rn. 5a; Thomas/Putzo, 22. Aufl, § 124 Rn. 3; MünchKomm-Wax, 2. Aufl., § 124 Rn. 3; Baumbach/Hartmann, 59. Aufl., § 124 Rn. 37; Musielak, 2. Aufl., § 124 Rn. 2; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, 2. Aufl., Rn. 840; Zimmermann, JurBüro 1993, 646). Manche Gerichte stellen darauf ab, dass § 124 Nr. 2 ZPO nicht nur als kostenrechtliche Maßnahme anzusehen ist, sondern der Vorschrift auch Sanktionscharakter beizumessen ist (OLG Koblenz. RPfleger 1996, 355; OLG Köln, FamRZ 1988. 740; OLG Hamm, RPfleger 1986, 238). Nach Ansicht des Senats sollen die Ziffern 1 bis 3 des § 124 ZPO sicherstellen, dass einer Partei, der mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen zu Unrecht Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, die ihr zugesprochene Vergünstigung wieder entzogen werden kann. Weitere Sanktionen lassen sich der Regelung nicht entnehmen, und sie widersprächen auch dem Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes, das sich aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip ergibt (BVerfGE NJW 1997, 2745; NJW 1991, 413 m. w. N.). Zwar ist keine vollständige Gleichstellung geboten, sondern eine weitgehende Angleichung, weshalb es gerechtfertigt ist, die Gewährung von Prozesskostenhilfe von den in § 114 ZPO geregelten Voraussetzungen abhängig zu machen. Bietet aber die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig und ist die Partei unter Berücksichtigung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als bedürftig im Sinne der Vorschriften zur Prozesskostenhilfe zu betrachten, so ist das Erfordernis der weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten nicht mehr gewährleistet, wenn dem Unbemittelten allein auf Grund der Abgabe unrichtiger und unvollständiger Erklärungen eine bereits bewilligte Prozesskostenhilfe aberkannt wird mit der Folge, dass die sich aus § 122 ZPO ergebenden Vergünstigungen der Prozesskostenhilfe nachträglich wieder entfallen. War also die Prozesskostenhilfe bewilligende Entscheidung - wenn auch nur im Ergebnis - richtig, weil unter Heranziehung der richtigen bzw. vollständigen Angaben Prozesskostenhilfe ebenso uneingeschränkt hätte bewilligt werden müssen, so ist dieser Umstand vor dem Hintergrund eines verfassungskonformen Verständnisses höher zu bewerten als die Oberflächlichkeit oder Unaufrichtigkeit des Antragstellers.
Vorliegend ist deshalb zu prüfen, ob und inwieweit der Antragstellerin bei vollständiger Darstellung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse gleichfalls hätte Prozesskostenhilfe bewilligt werden müssen. Eine solche Prüfung wurde seitens des Landgerichts nicht vorgenommen und kann auch derzeit vom Senat nicht abschließend bewertet werden. Unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin errechneten Verluste und der vom Bezirksrevisor bisher ermittelten, für den Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblichen Außenstände betreffend die Betreuervergütungen kann bisher nicht davon ausgegangen werden, dass im Falle der vollständigen Angabe der Außenstände Prozesskostenhilfe nicht bzw. nur gegen Raten bewilligt worden wäre.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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