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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.03.2001
Aktenzeichen: 13 U 202/00
Rechtsgebiete: ZPO, AVBEltV, DDR-ELB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 145
ZPO § 287
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 515 Abs. 3
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 3
AVBEltV § 2
DDR-ELB § 2 Abs. 1
BGB § 780
BGB § 781
BGB § 812 Abs. 1 Satz I (1). Alternat.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 202/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht 18 O 535/98 Landgericht Frankfurt (Oder)

Anlage zum Protokoll vom 07.03.2001

verkündet am 07.03.2001

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kahl, den Richter am Oberlandesgericht Boiczenko und die Richterin am Oberlandesgericht Fladée

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) wird das am 28. Juli 2000 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Az.: 18 O 535/98 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz trägt die Klägerin, Die Kosten II. Instanz werden wie folgt verteilt:

Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagte zu 4) 20 % und die Klägerin 80 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und zu 2) trägt die Klägerin. Im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das Urteil beschwert die Klägerin in Höhe von 10.889,04 DM.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.889,04 DM festgesetzt.

Tatbestand:

(abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)

Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von Stromkosten in Höhe von 10.879,04 DM in Anspruch. Der Strom wurde über den in einer Baracke in B installierten Zähler mit der Nr. 5171312 in dem Zeitraum vom 25.03.1993 bis zum 22.04.1996 entnommen.

Die Klägerin hat in dem Verfahren zunächst alle Mieter der Baracke, insgesamt 4 Parteien, in Anspruch genommen. Die Verfahren gegen den als Beklagten zu 3) in Anspruch genommenen Herrn A. K sowie die Beklagte zu 4) wurden von dem Landgericht gemäß § 145 ZPO abgetrennt.

Durch das angefochtene Urteil vom 28.07.2060 hat das Landgericht der Klage - mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderung - stattgegeben. Das Landgericht hat in den Entscheidungsgründen die Auffassung vertreten, daß zwischen den Parteien gemäß § 2 AVBEltV ein Vertrag geschlossen worden sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagter zu 1) und 2). Die Beklagte zu 4), die ursprünglich ebenfalls Berufung eingelegt hatte, hat diese in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Die Beklagten zu 1) und 2) vertreten die Ansicht, ein Vertrag mit der Klägerin über die Stromlieferung sei nicht zustandegekommen. Sie meinen, die AVBEltV sei bereits deshalb nicht anwendbar, da sie das Gebäude bereits zum 05.05.1990 und damit vor der Geltung der AVBEltV angemietet hätten. Zudem habe ein - vorrangig zu berücksichtigender - Vertrag zwischen dem Versorgungsunternehmen und dein Grundstückseigentümer bestanden.

Sie beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Az.: 18 O 535/98 - vom 28.06.2000 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten zu 1) und zu 2) ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten 10.879,04 DM nebst Zinsen zu.

1. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Zahlung der für die Baracke in der über Zähler Nr. 5171312 entnommenen Stromkosten besteht nicht aufgrund eines mit den Beklagten abgeschlossenen Energielieferungsvertrages. Der Abschluß eines derartigen Energielieferungsvertrages zwischen der Klägerin und den Beklagten ist hier nicht gegeben.

a. Ein Vertragsschluß durch ausdrückliche Erklärung der Parteien liegt nicht vor. Die Beklagten haben insbesondere, die einer "Firma F" ausweislich des auf dem Schreiben des Amtes W an die O Energieversorgung vom 08.03.1993 befindlichen Vermerkes zugeschickte Anmeldekarte weder ausgefüllt noch an die Klägerin zurückgeschickt. Streitig ist zudem, ob den Beklagten eine solche Karte überhaupt erhalten haben.

b. Die Übernahme eines vor der Wiedervereinigung bereits abgeschlossenen Energielieferungsvertrages kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Klägerin selbst trägt nämlich vor, daß vor März 1993 ein Vertrag zwischen den Beklagten und dem Versorgungsunternehmen nicht nach § 2 Abs. 1 DDR-ELB abgeschlossen worden sei. Die Fortsetzung solcher Verträge ist deshalb nicht möglich.

c. Auch ein Vertragsschluß durch konkludentes Handeln liegt nicht vor. Die Beklagten haben ein Angebot der Klägerin auf Lieferung von Strom nicht durch konkludentes Handeln angenommen.

Eine Realofferte der Klägerin liegt in dem Bereitstellen der Energie in der Baracke über Zähler Nr. 03363709. Das Angebot des Stromversorgers ist in Gestalt der Vorhaltung der Versorgungsleistung und Bereitstellung der Energie durch das Versorgungsunternehmen zu sehen (vgl. Ludwig/Odenthal, Kommentar zum Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, AVBEltV § 2 Rdnr. 13 und 17).

Es fehlt jedoch an einer Annahme des Angebotes durch die Beklagten. Grundsätzlich gilt folgendes: Nimmt der Kunde vorgehaltene Versorgungsleistungen ohne ausdrückliche Erklärung ab, so kann dies als sozialtypisch bezeichnete Handlung und damit als konkludente Annahme des Angebotes gewertet werden (vgl. Ludwig/Odenthal, a.a.O., § 2 Rdnr. 17). Der Beklagte zu 1) bezog - dies ist zumindest in der Berufungsinstanz unstreitig - für das von ihm betriebene Büro im streitgegenständlichen Zeitraum Strom. Eine konkludente Annahme eines Vertrages durch die Beklagte zu 2) ist bereits deshalb zweifelhaft, weil sie im streitgegenständlichen Zeitraum selbst keinen Strom für ein von ihr betriebenes Büro bezogen hat; sondern lediglich in dem Büro ihres Ehemannes mitgearbeitet hatte. Die Beklagte zu 2) hat nämlich bereits in erster Instanz vorgetragen, daß sie zum 31.12.1991 aus dem Handelscenter N ausgeschieden sei und ihr Gewerbe zum 31.12.1991 abgemeldet habe. Etwas anderes hat die Klägerin weder substantiiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Nach 1992, so trägt die Beklagte zu 2) unwidersprochen vor, ist sie aus dem ursprünglich gemeinsam mit dem gesondert in Anspruch genommenen Beklagten zu 3) betriebenen Geschäft ausgeschieden. Eine Verpflichtung der Beklagten zu 2) zur Kündigung - wie dies das Landgericht festgestellt hat - bestand nicht.

Aber auch der Beklagte zu 1) hat durch die Stromentnahme im streitgegenständlichen Zeitraum nicht die Annahme der Klägerin auf Abschluß eines Energielieferungsvertrages angenommen. Der Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses steht entgegen, daß es jedenfalls zunächst ein Vertragsverhältnis zwischen dem Versorgungsunternehmen und einem Dritten, nämlich dem Amt W gab und der Beklagte zu 1) keine Kenntnis von der Beendigung dieses grundsätzlich vorrangig zu berücksichtigenden Vertragsverhältnisses hatte. Ein bereits bestehendes Vertragsverhältnis zwischen dem Versorgungsunternehmen und einem Kunden spricht grundsätzlich gegen die Annahme, daß ein Dritter, an den der Kunde die vom Versorgungsunternehmen bezogene Energie weiterleitet, der im Verhältnis zum Versorgungsunternehmen nicht in Erscheinung getreten ist, vertraglich Energieabnehmer wird (Ludwig/Odenthal, a.a.O., § 2 Rdnr. 118). Ein Vertragsschluß durch schlüssiges Verhalten kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn kein anderes wirksames Vertragsverhältnis mit dem Stromversorger besteht (so auch OLG Brandenburg OLG-NL 2000, 171). Zwar war zum 25.03.1993 kein vorrangiges Vertragsverhältnis mehr gegeben. Da der Beklagte zu 1) hiervon jedoch keine Kenntnis hatte; hat die Stromentnahme nicht die Bedeutung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung.

Der zunächst mit dem Amt W bestehende Energielieferungsvertrag wurde, unabhängig davon, ob das Schreiben des Amtes W vom 08.03.1993 eine wirksame Kündigungserklärung enthält, jedenfalls infolge einvernehmlicher Aufhebung beendet. Die Klägerin hat sich nämlich mit der Kündigung des Amtes W einverstanden erklärt, in dem sie das Amt W mit Schreiben vom 18.03.1993 aufgefordert hat, den Endzählerstand zu benennen, um eine Schlußrechnung erstellen zu können. Einer einvernehmlichen Aufhebung steht nicht entgegen, daß die Gemeinde B offensichtlich weiterhin zumindest einen Raum der Baracke gelegentlich genutzt hat.

Von der Beendigung des Energielieferungsvertrages hatte der Beklagte zu 1) jedoch keine Kenntnis. Ihm ist insbesondere keine Anmeldekarte der Klägerin, die diese an eine "Firma F" abgeschickt hatte, zugegangen. Hiervon geht der Senat aufgrund des entsprechenden Vortrages der Beklagten aus, weil die insofern darlegungs- und beweispflichtige Klägerin für ihren Sachvortrag keinen Beweis angetreten hat. Von einer konkludenten Willenserklärung kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Tatbestandsmerkmale einer Willenserklärung vorliegen. Voraussetzung hierfür ist insbesondere, daß der Erklärende mit Handlungswillen und Erklärungsbewußtsein gehandelt hat (Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., Einführung zu § 116, Rdnr. 16 und 17). Hier handelte der Beklagte zu 1) bei der Entnahme von Energie seit dem 25.03.1992 ohne Erklärungsbewußtsein, da er weiterhin davon ausging, daß das Amt W - wie bislang auch - Bezieher des Stromes und Vertragspartner der Klägerin ist. Eine Zurechnung der Handlung als Willenserklärung kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil der Beklagte zu 1) bei dem Erklärungsempfänger nicht fahrlässig das Vertrauen auf einen bestimmten Erklärungsinhalt hervorgerufen hat (vgl. hierzu BGB NJW 1995, 953). Die Klägerin konnte nicht darauf vertrauen, daß die Entnahme von Strom durch die Nutzer der Baracke nach Kündigung des Vertrages mit dem Amt W einen bestimmten Erklärungsinhalt hatte, weil die ausweislich des schon erwähnten Vermerkes an die "Firma F" geschickte Anmeldekarte nicht zurückgeschickt worden ist. Es hätte der Klägerin daher oblegen, die Strombezieher zu ermitteln und entsprechend zu informieren. Soweit die Klägerin meint, dem Beklagten zu 1) sei bewußt gewesen, daß die Gemeinde B sich Ende Oktober 1992 auflöste und mit dem Amt auszog, ist dies nicht geeignet, dem Verhalten den Charakter einer Willenserklärung zu geben.

2. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten aufgrund eines schriftlichen oder mündlichen Anerkenntnisses gemäß §§ 780, 781 BGB ist ebenfalls nicht gegeben.

Eine Haftung der Beklagten zu 2) aufgrund eines Anerkenntnisses besteht nicht. Die Klägerin selbst hat nicht vorgetragen, daß diese die Rechnung schriftlich oder mündlich auch in eigenem Namen anerkannt hat.

Aber auch der Beklagte zu 1) hat kein Anerkenntnis i.S.v. §§ 780, 781 BGB abgegeben. Das Schreiben der Beklagten zu 2) im Namen des Beklagten zu 1) vom 07.04.1997 enthält bereits kein Anerkenntnis. Hiermit sollte nur zum Ausdruck gebracht werden, daß eine interne Überprüfung erfolgt; die Klägerin konnte das Schreiben nicht so verstehen, daß die Beklagten sich hiermit zur Zahlung verpflichten wollten.

Mündlich hat die Beklagte zu 2) gegenüber einer Mitarbeiterin der Klägerin die Forderung ebenfalls nicht im Namen des Beklagten zu 1) anerkannt. Hiervon geht der Senat nach Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugin D A im Termin vom 7. Februar 2001 aus. Die Zeugin hat bekundet, daß sie nicht mehr sagen kann, ob in dem Telefonat die Zusage erfolgte daß die Rechnung der Firma F beglichen würde. Sie konnte sich nur noch daran erinnern, daß die Beklagte zu 2) bei ihr angerufen hatte und ihr mitgeteilt habe, daß die Bezahlung der Rechnung erst eine tatsächliche Aufklärung voraussetzen würde. Eine solche Mitteilung der Beklagten zu 2) beinhaltet jedoch kein Anerkenntnis.

3. Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz I (1). Alternat. BGB gegen die Beklagten kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Norm ist anwendbar, da kein vorrangiges Leistungsverhältnis gegeben ist. Unabhängig davon, ob tatsächlich eine Bereicherung der Beklagten gegeben ist, kann die Klägerin jedoch nur das Entgelt für den tatsächlich von den Beklagten verbrauchten Strom verlangen. Die Beklagte zu 2) hatte im streitgegenständlichen Zeitraum selbst keine Büroräume angemietet, so daß ein Anspruch bereits aus diesem Grunde ausscheidet. Der Beklagte zu 1) hatte lediglich einen Raum angemietet. Die Klägerin hätte daher die auf den Beklagten zu 1) entfallenden Kosten konkret möglicherweise anhand der Gesamtgröße der vermieteten Räume ermitteln müssen. Dies ist nicht erfolgt. Mangels weitere Angaben war auch für den Senat keine ausreichende Grundlage für eine Schätzung gem. § 287 ZPO vorhanden.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 515 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung der Beschwer erfolgt gemäß § 546 Abs. 2 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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