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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 14.02.2007
Aktenzeichen: 13 U 21/06
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB Art. 229 § 5
BGB § 675
BGB § 611
ZPO § 91a
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 21/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 14.02.2007

Verkündet am 14.02.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Hänisch als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 3. Januar 2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Mai 2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage - soweit sie nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt ist - abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist als Ärztin in eigener Praxis tätig. Die beklagte Steuerberatergesellschaft bearbeitete sämtliche steuerliche Belange der Klägerin. Bei der Erstellung der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2000, 2001 und 2002 unterliefen der Beklagten Fehler. Sie ordnete eine betriebliche Forderung der Klägerin aus dem Jahr 1999 unrichtig dem Jahr 2000 zu und brachte fehlerhaft den Wert der von der Klägerin erworbenen Praxis mit einer Abschreibung über 15 Jahre anstatt über 5 Jahre in Ansatz.

Die Fehler führten für die Veranlagungsjahre 2000 bis 2002 zunächst zu einer steuerlichen Mehrbelastung. Unter Zuziehung ihres Prozessbevollmächtigten erreichte die Klägerin die Korrektur der Fehlbuchung der aus dem Jahr 1999 stammenden Forderung im Wege eines Änderungsantrags. Die infolge der Fehlbuchung eingetretene erhöhte Steuerbelastung entfiel, die Klägerin erreichte insoweit einen Zinsvorteil von 37,00 €.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 19.514,13 € nebst Zinsen beansprucht. Sie hat 18.217,59 € als Schadensersatz wegen steuerlicher Mehrbelastung infolge fehlerhaft angesetzten Abschreibungszeitraums sowie Ersatz von Anwaltskosten verlangt.

Im Verlauf des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klägerin durch Tätigwerden ihres Prozessbevollmächtigten die Nachholung der Abschreibung des Praxiswertes unter Ansatz des zutreffenden Abschreibungszeitraums von 5 Jahren erreicht. Die geltend gemachte Mehrbelastung für die Jahre 2000 bis 2002 ist dadurch bei Eintritt eines steuerlichen Vorteils in Höhe von 199,01 € kompensiert worden.

Die Klägerin hat deshalb den Rechtsstreit in Höhe von 18.401,23 € für erledigt erklärt und Zahlung von noch 1.112,90 € nebst Zinsen verlangt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen, sie hat auf Klageabweisung angetragen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Klage als von Anfang an unbegründet beurteilt, weil die für einen Schadensersatzanspruch erforderliche Aufforderung zur Nachbesserung/Nacherfüllung (§ 634 BGB a.F., §§ 634 Nr. 4, 280, 201 BGB n.F.) fehle. Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung mit den Anträgen eingelegt, die Beklagte zur Zahlung von 16,23 € nebst Zinsen zu verurteilen und die Erledigung der Hauptsache im Betrag von 18.415,02 € festzustellen. Die Beklagte hat sich im Verlauf des Berufungsverfahrens der Erledigungserklärung mit widerstreitendem Kostenantrag angeschlossen, im Übrigen hat sie Zurückweisung der Berufung beantragt.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) führt zur Verurteilung der Beklagten auf den zuletzt verfolgten Zahlungsantrag in Höhe von 16,23 € nebst Zinsen. Im Übrigen ist eine Sachentscheidung nicht mehr zu treffen, weil die Parteien den im Rechtsmittelzug weiter anhängigen Teil des Streitgegenstandes übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Der von der Beklagten im Berufungsrechtszug erklärte Anschluss an die Teilerledigungserklärung der Klägerin ist zulässig (§ 91 a ZPO). Die beklagte Partei kann sich der Erledigungserklärung der klagenden Partei in jeder Instanz anschließen, auch dann, wenn - wie hier - in der Vorinstanz eine streitige Entscheidung über die anfangs bestrittene Erledigung ergangen ist (vgl. OLG Hamburg NJW 1970, 762; Zöller/Vollkommer ZPO, 26. Aufl., § 91a Rn. 17).

1. Das Zahlungsverlangen in Höhe von 16,23 € nebst Zinsen ist aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verletzung einer aus dem Steuerberatervertrag resultierenden Pflicht im Sinne einer nach Art. 229 § 5 EGBGB im vorliegenden Falle noch zur Geltung kommenden positiven Vertragsverletzung i.V.m. §§ 675, 611 BGB begründet. Die Schadensersatzpflicht besteht wegen der zur Aufdeckung der unrichtigen Forderungsbuchung aufgewendeten Rechtsanwaltskosten.

a. Das Vertragsverhältnis der Parteien stellt einen Dienstvertrag nach §§ 611 ff BGB mit dem Gegenstand einer Geschäftsbesorgung dar. Die umfassende Übertragung der Wahrnehmung der steuerlichen Belange auf einen Steuerberater ist als Dienstleistung einzuordnen, weil die dabei geschuldeten Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit nicht auf einen Erfolg im Sinne des Werkvertragsrechts gerichtet sind, vielmehr eine Dienstverpflichtung zur Geschäftsbesorgung darstellen (vgl. BGH DStR 2006, 202, 203; BGHZ 115, 382 ff m.w.N.).

b. Die Schlechterfüllung der Geschäftsbesorgung in objektiver und subjektiver Hinsicht steht auf der Grundlage des unstreitigen Sachvorbringens der Parteien fest. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die von ihr für die Klägerin gefertigten Steuerklärungen die gerügten Fehler im Punkt der Forderungsbuchung und hinsichtlich des Ansatzes des Abschreibungszeitraums aufgewiesen haben.

c. Auf fehlende Einräumung eines Nachbesserungsrechts kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen. Der gegenteiligen - auf die bislang herrschende obergerichtliche Rechtsprechung gestützten - Beurteilung des Landgerichts ist nicht zu folgen, nachdem der Bundesgerichtshof mit der nach Erlass des landgerichtlichen Urteils ergangenen Entscheidung vom 11. Mai 2006 (DStR 2006, 1247, 1248) die Rechtsfrage anders entscheiden hat. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass ein Nachbesserungsrecht des Steuerberaters jedenfalls dann nicht gegeben ist, wenn der Fehler erst nach Mandatsbeendigung von einem neu beauftragten Steuerberater entdeckt worden ist. Ein solcher Fall liegt hier vor.

d. Infolge der fehlerhaften Buchung der aus dem Jahr 1999 stammenden Forderung im Jahr 2000 sind der Klägerin Rechtsanwaltskosten entstanden, die sie von der Beklagten als Schadensfolgekosten ersetzt verlangen kann (§ 249 BGB).

Die Klägerin hat unter Zuziehung ihres Prozessbevollmächtigten die Fehlbuchung ermittelt und deren Korrektur durch Änderungsantrag bei der Finanzbehörde vorprozessual erreicht. Die dabei angefallenen Rechtsanwaltsgebühren sind als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung erstattungsfähig. Zu den notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung gehören sachgemäße Aufwendungen zur Schadensfeststellung, mithin die Kosten der Fehlersuche (vgl. KGR Berlin 2006, 237 ff; OLGR Düsseldorf 2003, 52 ff). Dabei sind die Gebühren eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts, hier eines Fachanwalts für Steuerrecht dann erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Steuerfachmanns erforderlich und zweckmäßig war. Letzteres ist zu bejahen, weil die Klägerin über die in Rede stehenden Kenntnisse des Steuerrechts nicht verfügt.

Die anwaltliche Gebührenforderung, wie sie die Klägerin ihrer Schadensberechnung zuletzt mit dem Betrag von 215,24 € zugrunde legt (Beratungsgebühr Nr. 2100 VV RVG nach dem Satz von 0,55 bei einem Wert von 4.479,41 € nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) ist nach Grund und Höhe nicht zu beanstanden und wird von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen.

Unter Anrechnung letztlich eingetretener steuerlicher Vorteile in Höhe von 199,01 € ist der der Betrag von 16,23 € als Schaden bei der Klägerin verblieben. Die Beklagte hat deshalb 16,23 € zu erstatten.

2. Auf den zu erstattenden Betrag von 16,23 € gebühren der Klägerin die beantragten Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe (§§ 291, 288 BGB).

III.

Soweit die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden, im Übrigen richtet sich die Kostenentscheidung nach den allgemeinen Bestimmungen. Die Kostenmischentscheidung führt im Streitfall zur Kostenlast der Klägerin.

1. Hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils der Hauptsache (18.415,02 €) sind der Klägerin die Kosten aufzuerlegen, weil sie mit ihrem ursprünglichen Zahlungsverlangen ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses mit Ausnahme eines wertmäßig nicht ins Gewicht fallenden Teils unterlegen wäre.

a. Eine ursprünglich begründete Klageforderung über den bis zuletzt streitig gebliebenen Betrag von 16,23 € hinaus ist nur in dem restlichen Teil der Rechtsanwaltskosten von insgesamt 215,24 €, also in Höhe von 199,01 € zu sehen. Insoweit ist auf die Gründe zu II. 1. zu verweisen. Die im Übrigen zugrunde gelegte Ersatzforderung von 18.216,01 € wegen steuerlicher Mehrbelastung infolge fehlerhaften Ansatzes des Abschreibungszeitraums war demgegenüber unbegründet.

Zwar stellt der Ansatz des unrichtigen Abschreibungszeitraums einen von der Beklagten zu vertretenden Fehler der Geschäftsbesorgung dar. Der auf den Fehler zurückzuführende Schaden ist aber nicht in der steuerlichen Mehrbelastung für die Steuerjahre 2000 bis einschließlich 2002 zu sehen, wie ihn die Klägerin in Ansatz gebracht hat. Der wegen Schlechtleistung ersatzpflichtige Berater hat den Mandanten durch Schadensersatzleistung so zu stellen, wie er bei pflichtgemäßem Handeln des Beraters stünde. Danach muss die tatsächliche Vermögenslage derjenigen gegenübergestellt werden, die sich ohne den Fehler des Beraters ergeben hätte. Das erfordert einen Gesamtvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen erfasst (vgl. BGH WM 2005, 999 f; OLG Düsseldorf GmbHR 2003, 1434 ff; OLGR Düsseldorf 2002, 332 f). Diesen Anforderungen genügt die Schadensberechnung der Klägerin, wie die Beklagte schon in erster Instanz mit Grund beanstandet hat, nicht. Die Klägerin hat als Schaden den Betrag beziffert, der sich aus dem Vergleich der steuerlichen Ist-Belastung bei Ansatz der Abschreibung über 15 Jahre und dem Ansatz der Soll-Belastung bei Abschreibung über 5 Jahre für die Steuerjahre 2000 bis einschließlich 2002 ergibt. Mit dieser Berechnung anhand der ersten 3 Jahre der Abschreibung hat die Klägerin die Gegenüberstellung der Vermögenslage mit und ohne Steuerberaterfehler nur ausschnittsweise und damit untauglich vorgenommen. Im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Abschreibungszeiträume von 15 und 5 Jahren wäre es erforderlich gewesen, die Auswirkungen einer Abschreibung über 15 Jahre denen einer Abschreibung über 5 Jahre gegenüberzustellen. Nur eine derart vollständige Gegenüberstellung der steuerlichen Belastung ggf. unter Einschluss von Zinsnachteilen, Kapitalertrag etc. hätte eine taugliche Grundlage zur Schadensberechnung abgegeben. Das zeigt sich im Streitfall deutlich daran, dass sich eine Abschreibung über 15 Jahre auch im 6. bis 15. Jahr noch steuerlich auswirkt, während die Wirkungen der Abschreibung über 5 Jahre dann bereits beendet sind.

Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Ermittlung der zukünftigen steuerlichen Belastung nicht allein vom Ansatz des Abschreibungszeitraums, sondern auch von weiteren Faktoren, insbesondere der zukünftigen Einkommenshöhe abhängt. Hier hätten die in den Jahren 2000 bis 2003 gegebenen Verhältnisse als hinreichend sichere Prognose- und Schätzgrundlagen nach § 287 ZPO herangezogen werden können. Die Vorschrift des § 287 ZPO erfasst grundsätzlich auch die Fälle, in denen zur Bemessung eines Schadens eine Zukunftsprognose erforderlich ist (vgl. BGH NJW-RR 2001, 1450 ff).

b. Eine Kostenbelastung der Beklagten ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht mit dem Argument verspäteter Erledigungserklärung gerechtfertigt. Diese Erwägung kommt allein zu Lasten der klagenden Partei in Betracht, sofern sie besondere Kosten dadurch verursacht, dass sie nach Eintritt des erledigenden Ereignisses vorerst an dem (erledigten, aber bis zur Erledigung begründeten) Hauptsachebegehren festhält (vgl. dazu OLGR Frankfurt 1998, 71; KGR 2006, 74 f).

2. Das Unterliegen der Beklagten in der Hauptsache ist wertmäßig geradezu nebensächlich, so dass unter Anwendung von § 92 Abs. 2 ZPO die Klägerin die Kosten insgesamt zu tragen hat.

IV.

Die Revision ist nicht zuzulassen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert im Berufungsrechtszug wird auf bis zu 4.000,- € festgesetzt. Auch die Terminsgebühr der Rechtsanwälte (VV 3202 RVG) ist nach diesem Gegenstandswert angefallen, weil sowohl über die Hauptsache als auch über die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils verhandelt worden ist.

Ende der Entscheidung

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