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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 05.12.2007
Aktenzeichen: 13 U 34/07
Rechtsgebiete: VGF 2001, BGB, ZPO


Vorschriften:

VGF 2001 § 12
BGB § 166
BGB § 241 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 254
BGB § 280
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 311 Abs. 2
BGB § 311 Abs. 3
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 531
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 34/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 5.12.2007

Verkündet am 5.12.2007

in dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Trimbach und die Richterinnen am Oberlandesgericht Surkau und Rieger

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.2.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam teilweise zu Ziffer 1. des Tenors dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 10.806,11 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2.3.2006 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 449,96 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.6.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die weitergehende Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte zu 90 %, der Kläger zu 10 %.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

1.

Bis Ende 2002 unterhielt der Kläger bei der D... AG (im Folgenden: A...) eine Wohngebäudeversicherung für sein Wohngebäude ...straße 26 in W.... Die Versicherungssumme 1914 ist im Versicherungsschein mit 23.900 Mark angegeben. Nach Ziff. 3 des Versicherungsscheins ist sie nach Kubikmetern umbauten Raums ermittelt worden. Die Versicherung enthielt einen Verzicht des Versicherers auf den Unterversicherungseinwand. Mit Schreiben vom 9.5.1996 bestätigte die A... dem Kläger den Versicherungswert von 1914. Gleichzeitig teilte sie mit, dass dieser Wert einem Neubauwert 1996 in Höhe von 604.000 DM entspräche.

Da der Kläger, der seine übrigen Versicherungen bei der Beklagten unterhält, einen Wechsel der Wohngebäudeversicherung erwog, um einen einheitlichen Ansprechpartner für seine Versicherungen zu haben, kam es im Herbst 2002 im Haus des Klägers zu einem Beratungsgespräch mit dem Versicherungsagenten der Beklagten, dem Zeugen P.... Unter dem 10.9.2002 unterbreitete der Zeuge P... dem Kläger einen schriftlichen Vorschlag für eine Wohngebäudeversicherung. Darin heißt es zur Versicherungssumme wörtlich: "23.900 Mark 1914, das entspricht einem geschätzten Neubauwert von 247.000 € in 2002".

Unter dem 28.11.2002 fertigte die Beklagte den Versicherungsschein für die ab 1.1.2003 in Kraft tretende Versicherung "Sicherheitspaket Optimal" aus und übersandte ihn dem Kläger. Im letzten Abschnitt unter "Abweichung vom Antrag" heißt es: "Der Versicherungsschein weicht in folgendem Punkt vom Antrag ab: Es gilt die Unterversicherungsregelung gemäß § 12 VGF 2001".

Am 22.9.2005 entstand im klägerischen Wohngebäude ein Wasserschaden. Der Gebäudeschaden belief sich auf 40.613 €. Zusätzlich entstanden Kosten durch den Einsatz von Trocknungsgeräten und die Beauftragung eines Architekten. Diese sind noch nicht abgerechnet. Die Beklagte zahlte unter Berufung auf eine ihrer Ansicht nach bestehende Unterversicherung auf den Schaden 29.754,89 €.

Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung der vollen Schadenssumme in Anspruch. Er hat behauptet, der Versicherungsagent P... habe ihm zugesagt, der von ihm mit der Beklagten vermittelte Versicherungsvertrag würde denselben Versicherungsschutz wie der Vertrag bei der A... zu günstigeren Konditionen enthalten. Es sei vereinbart worden, dass lediglich Wohnhaus ohne Garage und Nebengebäude versichert werden sollten. Nach Rücknahme der Klage in Höhe von 2.423,04 € zuzüglich anteiliger Zinsen hat der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.858,11 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 449,96 € zuzüglich Zinsen seit 29.6.2006 zu zahlen und

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche nach den Bedingungen des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages versicherten Aufwendungen des Klägers aufgrund des Leitungswasserschadens vom 22.9.2005 zu ersetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, aufgrund der bestehenden Unterversicherung zur Versicherungsleistung über die gezahlte Quote hinaus nicht verpflichtet zu sein. Der im Anschluss an den Eintritt des Schadensfalls ermittelte Versicherungswert 1914 sei richtig. Maßgeblich sei der ermittelte Versicherungswert des gesamten Objektes (Wohngebäude einschließlich aller Nebengebäude und Einrichtungen). Soweit sie sich vorprozessual darauf eingelassen habe, dass nur das Wohnhaus Versicherungsobjekt sei, binde sie dies nicht.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte sich nicht auf eine etwa bestehende Unterversicherung berufen könne. Sie habe den Kläger wegen Verletzung ihrer Beratungspflichten so zu stellen, als ob sie ihn ordnungsgemäß beraten hätte. Aufgrund der besonderen Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Versicherungssumme 1914 hätte es der Beklagten oblegen, den Kläger auf die Schwierigkeiten der Festlegung des Versicherungswertes und die Gefahren einer falschen Festlegung hinzuweisen. Dass sie dies getan habe, habe sie selbst nicht behauptet. Allein aus der Tatsache, dass der Kläger bereits vor Eingehung des Versicherungsverhältnisses zur Beklagten eine Wohngebäudeversicherung bei einem anderen Versicherer auf derselben Basis (Versicherungswert 1914) unterhalten habe, könne auf besondere Kenntnisse des Klägers in Bezug auf die Berechnung und die Gefahren einer falschen Berechnung dieses Versicherungswertes nicht geschlossen werden. Auch ergäbe sich ein fehlendes Beratungsbedürfnis des Klägers nicht aus den Umständen der Angabe "Kd wünscht 23.900 M 1914". Die in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen der Beklagtenseite seien sämtlich Mutmaßungen und Behauptungen. Selbst wenn der Kläger persönlich dem Versicherungsagenten P... den Versicherungswert 1914 von 23.900 Mark angegeben haben sollte, stelle dies keine im Rahmen von § 254 BGB zu berücksichtigende Obliegenheitsverletzung des Klägers dar. Der Versicherungsagent habe anlässlich der vorgenommenen Hausbesichtigung einen Einblick gewonnen und hätte den Kläger darauf hinweisen können und müssen, falls der Versicherungswert unzutreffend bzw. zu niedrig angesetzt sei. Hätte der Versicherungsagent oder die Beklagte den Kläger ausreichend beraten, so sei entsprechend der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Kläger den Versicherungsvertrag über einen ausreichenden Versicherungswert abgeschlossen hätte.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, der Inhalt ihrer Schriftsätze und die dargebotenen Beweise seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Da sie erstmals am 2.11.2006 Kontakt zum Zeugen P... habe herstellen können, um bei ihm nähere Erkundigungen zum Abschluss des Vertrages einzuholen, habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft von einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung abgesehen. Die Behauptung des Klägers, dem Zeugen P... das Schreiben der A... aus dem Jahr 1996 vor dem Antrag auf Versicherungsschutz bei der Beklagten vorgelegt und ihm die Unterlagen zur alten Versicherungspolice übergeben zu haben, sei unwahr. Der Zeuge P... habe bei den damaligen Vertragsverhandlungen das Papier nicht gekannt und erst Recht nichts von einem Neubauwert 1996 von ca. 604.000 Mark gewusst. Tatsächlich habe der Kläger dem Zeugen P... die Versicherungssumme von 23.900 Mark ohne weitere Erläuterung vorgegeben; der Zeuge habe diesen Wert lediglich in Euro mit Stand 2002 umgerechnet. Daraus habe sich der Betrag von 247.000 € ergeben. Die Frage wie es damals tatsächlich zur Angabe dieses Wertes von 23.900 Mark gekommen sei, sei deshalb entscheidungserheblich gewesen. Außerdem könne keine Rede davon sein, dass der Kläger mit dem Wert von 23.900 M nichts habe anfangen können. Gänzlich abwegig sei die Vermutung, dem Kläger sei während der Vertragsverhandlungen mit dem Zeugen P... möglicherweise der Inhalt des A...-Schreibens nicht mehr geläufig gewesen. Unwahr sei auch die Behauptung des Klägers, er habe dem Zeugen P... den neu ausgefertigten Versicherungsschein vorgelegt und dieser habe ihm gesagt, es sei alles in Ordnung. Der Versicherungsschein sei dem Zeugen P... niemals vorgelegt worden. Auch entsprechende Äußerungen des Zeugen seien zu keiner Zeit gefallen. Soweit das Landgericht davon ausgegangen sei, der Zeuge P... habe bei seiner Hausbesichtigung den Wert des Hauses zutreffend ermitteln können, weist sie darauf hin, dass nicht jeder Versicherungsagent gleichzeitig ein Bausachverständiger sei.

Sie beantragt,

das am 22.2.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Gründe für Verfahrensfehler, insbesondere eine Verpflichtung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz, habe die Beklagte nicht dargelegt. Im Übrigen aber habe er bereits im Antwortschreiben vom 10.2.2006 darauf hingewiesen, dass dem Zeugen P... vor Abschluss des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages die Anlage K 4 vorgelegt worden sei. Soweit die Beklagte ihre Behauptungen in der Berufungsbegründung wiederhole und sie erstmals durch den Zeugen P... unter Beweis stelle, sei sie mit diesem Vortrag gemäß § 531 ZPO präkludiert. Bei richtiger Beratung hätte er seinen bei der A... bestehenden Versicherungsvertrag nicht gekündigt.

2.

Die gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung der Beklagten bleibt im Ergebnis ganz überwiegend ohne Erfolg.

Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht einen Anspruch auf Auskehrung der Versicherungsleistung in Höhe der Urteilssumme des Berufungsurteils zuerkannt. Mit ihren dagegen mit der Berufung geltend gemachten Einwendungen dringt die Beklagte nicht durch.

Der Anspruch des Klägers auf Ersatz der erlittenen Gebäudeschäden in vollem Umfang ist unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verletzung vorvertraglicher Beratungspflichten, §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3, 280 Abs. 1 BGB begründet.

Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die Beklagte bei Abschluss einer Wohngebäudeversicherung grundsätzlich eine Beratungs- und Aufklärungspflicht in Bezug auf die Wertermittlung der Versicherungssumme 1914 trifft. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist bei Abschluss von Wohngebäudeversicherungen in Bezug auf die Angaben zum Versicherungswert 1914 angesichts der Schwierigkeiten der Wertermittlungen eine gesteigerte Beratungspflicht des Versicherers anerkannt (VersR 89, 472 f).

Diese gesteigerte Beratungspflicht hat die Beklagte gegenüber dem Kläger verletzt. Daran ändert auch ihr unter Beweis durch Zeugnis des damaligen Abschlussvertreters P... gestelltes Vorbringen in der Berufungsbegründung nichts.

Soweit die Beklagte eine Beratungspflicht gegenüber dem Kläger unter Hinweis darauf in Abrede stellt, dass dieser aus Sicht des Zeugen P... nicht beratungsbedürftig, weil sachkundig, gewesen sei, dringt sie damit nicht durch. Allerdings ist für die Frage der Kenntnis von bestehendem Beratungsbedarf des Versicherungsnehmers die des Abschlussvertreters maßgeblich, § 166 BGB. Er ist als Wissensvertreter der Beklagten anzusehen. Die Beklagte hat indessen schon nicht dargelegt, aufgrund welcher konkreten Umstände der Zeuge P... annehmen konnte und durfte, dass der Kläger der höchstrichterlich grundsätzlich geforderten Beratung nicht bedurfte. Allein aus dem - zwischen den Parteien streitigen - Umstand, dass der Kläger gegenüber dem Zeugen P... den Versicherungswert 1914 ohne nähere Angaben mit 23.900 Mark angegeben hat, lässt sich mangelnde Beratungsbedürftigkeit aufgrund besserer eigener Kenntnis des Klägers nicht ableiten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Fall des Klägers - keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kunde selbst als Bausachverständiger tätig ist oder sonst über besondere Kenntnisse auf diesem Gebiet verfügt. Dass ein solcher Fall hier vorliegt, macht die Beklagte selbst nicht geltend. Auch das übrige Verhalten des Klägers und die im Einzelnen streitige Vorgeschichte zum Abschluss des Versicherungsvertrages rechtfertigen die von der Beklagten unterstellte Annahme mangelnden Beratungsbedarfs in der Person des Klägers selbst auf der Grundlage ihres eigenen Vorbringens nicht.

Ausweislich der bei den Akten befindlichen "Durchschrift für den Antragsteller" enthielt das vom Kläger unterzeichnete und an die Beklagte überreichte Antragsformular die Angaben zum Versicherungswert 1914 noch nicht. Um diese ist der Antrag des Klägers vielmehr erst bei dessen Bearbeitung in der Vertragsabteilung der Beklagten ergänzt worden. Eben so unstreitig hatte der Kläger bereits bei Ausfüllen des Antragsformulars angegeben, bei der A... eine Vorversicherung zu unterhalten. Wenn dann im Zuge der Bearbeitung des unvollständig ausgefüllten Versicherungsantrages des Klägers - veranlasst durch wen auch immer - eine Ergänzung um Angaben zum Versicherungswert 1914 erfolgt, lässt dies bei Fehlen jeglicher ergänzender Erläuterungen des Kunden zu dem von ihm mitgeteilten Versicherungswert allenfalls den Rückschluss darauf zu, dass dieser seine ergänzenden Angaben zum Versicherungswert 1914 dem Versicherungsschein zum Vorvertrag entnommen hat. Unabhängig davon, ob eine dahin gehende Schlussfolgerung bei Kenntnis von einem Vorvertrag gerechtfertigt und - was die Beklagte nicht ausdrücklich vorbringt - von ihr auch so gezogen worden ist, konnte und durfte sie daraus allerdings nicht den weiteren Schluss ziehen, dass es einer Beratung des Klägers nicht bedurfte. Die nach dem Vortrag der Beklagten allenfalls zu unterstellende Übertragung einer Wertangabe aus einem Vorvertrag belegt gerade, ob und ggf. in welchem Umfang Beratungsbedarf in diesem Punkt besteht. Gerade mit Blick auf die bei Wohngebäudeversicherungsverträgen anerkannte gesteigerte Beratungspflicht kann der Versicherer nicht ohne Weiteres annehmen, dass sich der Kunde, selbst wenn er - wie die Beklagte behauptet - einen Versicherungswert 1914 vorgibt, der Schwierigkeiten der Wertermittlung und insbesondere der sich bei Annahme eines unrichtigen Versicherungswertes bestehenden Risiken im Schadensfall bewusst ist. Das Vertrauen des Versicherers auf die Entbehrlichkeit einer umfassenden (erneuten) Beratung zum Versicherungswert 1914 könnte allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn ihr bekannt ist, dass bei Abschluss der Vorversicherung eine umfassende Beratung erfolgt ist, der Versicherungswert 1914 eine fest stehende, keinen Schwankungen unterworfene Größe darstellt und der angestrebte neue Versicherungsschutz ansonsten mit dem aus der bestehenden Versicherung völlig identisch ist. An den v. g. Voraussetzungen fehlt es hier.

Zunächst ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten kein konkreter Anhalt dafür, dass sie auf eine umfassende Beratung des Klägers im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vorvertrages vertrauen durfte. Ohne Weiteres aber konnte die Beklagte sich nicht darauf verlassen, dass der Kläger bei Abschluss des Vorversicherungsvertrages umfassend über die Schwierigkeiten der Ermittlung des Versicherungswertes 1914 und dessen Bedeutung für den Schadensfall aufgeklärt worden war und aus diesem Grund einer (erneuten) Beratung durch sie nicht bedurfte. Zum einen kann sich ein Vertragspartner nicht darauf verlassen, dass ein früherer Vertragspartner seine Beratungspflichten gegenüber dem Kunden vollständig und zuverlässig erfüllt. Zum anderen hätte sie allenfalls dann von einer umfassenden Beratung und infolge dessen mangelndem Beratungsbedarf des Klägers ausgehen können und dürfen, wenn der bei ihr beantragte Versicherungsschutz zu denselben Konditionen gewährt werden sollte wie der bestehende, insbesondere einen Verzicht auf die Unterversicherung enthalten würde; bei inhaltlich unveränderter Übernahme der Konditionen des Vorvertrages durch die Beklagte wäre die zutreffende Angabe zum Versicherungswert 1914 mit Blick auf den gleichzeitigen Verzicht auf den Unterversicherungseinwand für den angestrebten Vertrag nicht von entscheidender Bedeutung, Beratungsbedarf des Klägers nicht gegeben gewesen. Eine solche, die Beklagte von der Beratungspflicht befreiende, Fallgestaltung liegt hier indessen nicht vor. Dem Zeugen P... waren nach ihrem eigenen Vorbringen die Einzelheiten der bestehenden Vorversicherung nicht bekannt. Ihm sollen bei den Vertragsverhandlungen mit dem Kläger weder der Versicherungsschein des früheren Versicherungsvertrages noch das Schreiben der A... aus dem Jahre 1996 vorgelegen haben. Ohne jegliche Kenntnis von den Versicherungsbedingungen des Vorvertrages bestand gerade kein begründeter Anlass zu der Annahme, dass eine etwaige umfassende Aufklärung des Klägers zum Versicherungswert 1914 gelegentlich des Abschlusses des Vorversicherungsvertrages bei der A... für den nunmehr angestrebten Vertragsschluss Geltung beanspruchen und auf eine erneute Beratung verzichtet werden konnte. Um ihren aus Treu und Glauben folgenden gesteigerten Beratungspflichten nachzukommen, hätte sie sich spätestens bei Bearbeitung des Antrags des Klägers über noch bestehenden Beratungsbedarf vergewissern und klären müssen, 1. auf welcher Grundlage die ergänzenden Angaben des Klägers zum Versicherungswert 1914 beruhen und 2. ob der frühere Vertrag im Übrigen, insbesondere hinsichtlich der Unterversicherungsverzichtsregelung dem beabsichtigten Vertrag inhaltlich vollständig entspricht. Dies gilt umso mehr, als sie selbst nicht geltend gemacht hat, den Kläger über die Risiken, die sich aus einem etwaigen Unterversicherungsverzicht ergeben, beraten zu haben. Die Übertragung eines möglicherweise unzutreffenden Versicherungswertes 1914 aus dem Vorvertrag wäre bei gleichzeitiger Übertragung des Verzichts auf den Unterversicherungseinwand folgenlos geblieben. Darauf weist der Kläger in seiner Erwiderung auf die Berufung zu Recht hin. Eine entsprechende Verpflichtung traf sie umso mehr, als sie selbst ausweislich der Anlage K7 auf dem ihrer Vertragsabteilung vorliegenden Antragsformular auf der Grundlage der Angaben des Klägers zur Größe des zu versichernden Objekts einen deutlich höheren Versicherungswert 1914 als den vom Kläger persönlich oder über den Zeugen P... mitgeteilten Versicherungswert 1914 ermittelt und auch die Angaben zum Unterversicherungsverzicht durch Ankreuzen des Kästchens "ohne Unterversicherungsverzicht" ergänzt hat. Bei entsprechender Nachfrage und Beratung wäre nämlich bemerkt worden, dass es - wie bei seinem Vorvertrag - auf die zutreffende Ermittlung des Versicherungswertes 1914 allenfalls dann nicht ankommt, wenn zugleich ein mit dem Vorvertrag inhaltlich übereinstimmender Unterversicherungsverzicht vereinbart wird.

Dem Kläger ist entgegen der Ansicht der Beklagten ein seinen Anspruch minderndes oder gar ausschließendes Mitverschulden gemäß § 254 BGB nicht anzulasten. Er hat im Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Vertrages keine Obliegenheit zur Schadensverhinderung oder -abwendung verletzt.

Den Geschädigten trifft ein Mitverschulden an der Schadensentstehung, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 254 Rn. 9 mwN.). An einem solchen dem Kläger vorwerfbaren Verhalten im Vorfeld des Vertragsschlusses fehlt es hier.

Anknüpfungspunkt für ein Mitverschulden des Klägers könnte zunächst die ungeprüfte bzw. nicht hinreichend geprüfte Übertragbarkeit und Übertragung der Daten aus dem Vorvertrag auf den angestrebten Vertrag bei der Beklagten sein. Ausweislich des Vorschlags des Zeugen P... vom 10.9.2002 erstreckt sich der dem Kläger vorgeschlagene Versicherungsschutz bei der Beklagten auf Nebengebäude und sonstige Grundstücksbestandteile. Ausweislich der Police des Vorvertrags demgegenüber waren die Nebengebäude ausdrücklich vom Versicherungsschutz der Wohngebäudeversicherung ausgenommen. Der vorgeschlagene Wohngebäudeversicherungsvertrag könnte daher gegenüber dem bestehenden eine Erweiterung beinhalten. Eine etwaige Erweiterung des Versicherungsumfanges könnte zur Folge haben, dass die Versicherungssumme 1914 entsprechend anzupassen wäre. Ungeachtet der Frage, ob eine gegenüber dem Vorvertrag vorgenommene Erweiterung dem Kläger auffallen und ihm unter Umständen Veranlassung zur Nachfrage hätte geben müssen, würde die Annahme einer entsprechenden Obliegenheit des Klägers voraussetzen, dass ihm die Bedeutung der Angaben zum Versicherungswert 1914 bekannt sind. Schon davon kann nicht ausgegangen werden. Hinzu kommt, dass im Vorschlag des Zeugen P... als versicherte Sache vergleichbar den Angaben in der Police zur Vorversicherung des Klägers lediglich das Wohngebäude bezeichnet ist. Wenn danach allein auf der Grundlage des Vorschlags des Zeugen P... schon nicht hinreichend deutlich eine Abweichung des vorgeschlagenen vom bestehenden Vorvertrag erkennbar war, bestand für eine Nachfrage nach deren möglichen Auswirkungen kein Anlass.

Eben so wenig begründet der unterlassene Widerspruch des Klägers gegen die im Versicherungsschein der Beklagten zum Ausdruck gebrachten Abweichungen vom Antrag zum Verzicht auf den Unterversicherungseinwand ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB. In diesem Zusammenhang kann dahin stehen, ob der Zeuge P... den Kläger durch beschwichtigende Äußerungen von einem Widerspruch abgehalten hat. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hat nicht die mangelnde Nachfrage des Klägers, sondern die unterlassene Beratung der Beklagten den nunmehr eingetretenen Schaden herbeigeführt. Bei ausführlicher und entsprechender Beratung des Klägers hätte dieser, den mit der A... bestehenden Vorvertrag nicht gekündigt, so dass jedenfalls der Unterversicherungseinwand nicht hätte erhoben werden können.

In der Rechtsfolge ist der Kläger so zu stellen wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Beratungspflicht gestanden hätte. Er macht dazu unwidersprochen geltend, bei richtiger Beratung durch die Beklagte seine bestehende Wohngebäudeversicherung bei der A... nicht gekündigt zu haben. Nach dem Versicherungsvertrag mit der A... wäre wegen des darin vereinbarten Unterversicherungsverzichtseinwandes die volle Schadenssumme ersetzt worden. Danach kann er Schadensersatz in Höhe der ihm nach dem Vertrag mit der A... zustehenden Versicherungsleistung beanspruchen ohne dass - entsprechend der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens - ein etwaiger erhöhter Versicherungsbeitrag bei Annahme eines höheren Versicherungswertes 1914 oder eines vertraglichen Unterversicherungsverzichts - davon in Abzug gebracht würde.

Allerdings muss er sich im Wege der Vorteilsausgleichung die infolge Kündigung des Vertrages mit der A... ersparten Versicherungsprämien auf seinen Schaden anrechnen lassen. Nach seinem eigenen Vortrag sind das jährlich 9 €, insgesamt mithin 45 € für die Jahre 2003 bis 2007.

Wegen des Anspruchs auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden, die dem Grunde nach aus dem Vorstehenden folgt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden und erschöpfenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie der Zinsen ist unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 280, 286 Abs. 1 BGB begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden und erschöpfenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 und 2 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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