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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 05.07.2006
Aktenzeichen: 13 U 41/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Im Namen des Volkes

Urteil

13 U 41/06

Anlage zum Protokoll vom 05.07.2006

verkündet am 05.07.2006

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2006 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufungen der Verfügungsbeklagten werden unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das am 6. März 2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam (Az.: 1 O 101/06) und das am 7. April 2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam (Az.: 1 O 147/06) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an einem dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten, dem Schüler F... S..., wohnhaft ..., bis zum Ablauf des Schuljahres 2005/2006 die Teilnahme am Schulunterricht der ... in K... zu gestatten und von dem Hausverbot, ausgesprochen mit Schreiben vom 2. Februar 2006 und mit Schreiben vom 21. März 2006 keinen Gebrauch zu machen.

Im Übrigen werden die Anträge der Verfügungskläger auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Von den Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz tragen die Verfügungskläger 3/4 und die Verfügungsbeklagte 1/4.

Gründe:

I.

Der am ... geborene Sohn F... der Verfügungskläger besucht seit mehreren Jahren die von der Verfügungsbeklagten betriebene internationale Ganztagsschule in K.... Der Schulbesuch erfolgt zuletzt auf der Grundlage des von den Prozessparteien am 05./07.02.2003 abgeschlossenen Schulvertrages.

Am 02.02.2006 sprach die Verfügungsbeklagte die fristlose Kündigung des Schulvertrages sowie ein gegen den Schüler gerichtetes Hausverbot aus. Die Verfügungsbeklagte führte als Kündigungsgrund ernsthaftes Fehlverhalten des Schülers an. Am 19.01.2006 hatte der seinerzeit 17-jährige Sohn der Verfügungskläger mit einer ein Jahr jüngeren Mitschülerin, beide Schüler der 11. Klasse, in einer der Kabinen der Mädchentoilette des Grundschulbereichs sexuelle Handlungen vorgenommen. Es war zumindest zum Versuch ungeschützten Geschlechtsverkehrs und zum Oralverkehr gekommen. Die Mitschülerin hatte am 31.01.2006 zunächst einen Lehrer und sodann die Schulpsychologin von dem Vorfall unterrichtet und erklärt, zu den sexuellen Handlungen gezwungen worden zu sein. Auf Strafanzeige des Vaters der Mitschülerin hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Sohn der Kläger aufgenommen.

Mit Schreiben vom 03.02.2006 (Bl. 340 d. A.) informierte die Verfügungsbeklagte sämtliche Eltern ihrer Schüler, dass "gegen einen unserer Schüler Strafanzeige erstattet wurde und von der Kriminalpolizei wegen des Anfangsverdachts der Vergewaltigung einer Mitschülerin" ermittelt wird. Weiter heißt es, der Schüler habe die Schule verlassen.

Mit dem Vortrag, die sexuellen Handlungen seien im Einvernehmen der Beteiligten erfolgt, haben die Verfügungskläger beantragt, der Verfügungsbeklagten im Wege einstweiliger Verfügung aufzugeben, bis zur Entscheidung in der Hauptsache ihrem Sohn die Teilnahme am Schulunterricht zu gestatten und das Hausverbot aufzuheben.

Die Verfügungsbeklagte ist dem Antrag entgegengetreten und hat geltend gemacht, es bestehe jedenfalls ein Anfangsverdacht der Vergewaltigung und/oder sexuellen Nötigung. Dieser Verdacht berechtige zur fristlosen Kündigung. Abgesehen davon sei die fristlose Kündigung auch unter Zugrundelegung der Sachdarstellung der Verfügungskläger gerechtfertigt, weil die Vornahme sexueller Handlungen im Schulgebäude, erst recht im Bereich der Grundschultoilette eine schwerwiegende Störung des Schulbetriebs bedeute, die nicht mehr hingenommen werden könne.

Das Landgericht hat mit dem am 06.03.2006 verkündeten Urteil (Az.: 1 O 101/06) die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen. Dagegen hat die Verfügungsbeklagte Berufung eingelegt (Az.: 13 U 41/06).

Nach Erlass des Urteils unterrichtete die Verfügungsbeklagte die Eltern ihrer Schüler mit Schreiben vom 08.03.2006 (Bl. 228 d. A.). Sie nahm Bezug auf ihre Mitteilung vom 03.02.2006 und führte aus, dass der Schulvertrag des beschuldigten Schülers fristlos gekündigt sei. Weiter informierte die Verfügungsbeklagte über den Ausgang des Verfahrens auf Erlass der einstweiligen Verfügung und ihre Absicht, sich gegen das Urteil im Wege der Berufung zur Wehr zu setzten.

Am 14.03.2006 richteten die Verfügungskläger eine Internet-Homepage mit der Adresse "www....info.de" ein (die seit Jahren von der Verfügungsbeklagten verwendete Adresse lautet "www.....de") und stellten dort das landgerichtliche Urteil ungekürzt ein. In der Einleitung heißt es: "Liebe Eltern und Lehrer der ..., da die Schule den Sachverhalt der sexuellen Handlung zwischen zwei Schülern der ... einseitig schildert, möchten wir durch Veröffentlichung des Urteils ... unverfälscht allen Lehrern und Eltern die Wertung des Gerichts zur Kenntnis geben ...". Die Internet-Homepage verfügte zunächst nicht über ein Impressum (Angabe zum Betreiber der Seite). Per e-mail mit dem Absender "p... b...i....de" wandten sich die Verfügungskläger an Eltern und Lehrer der Schule und wiesen auf die Bekanntgabe des Urteils unter der genannten Homepage hin.

Diesen Sachverhalt nahm die Verfügungsbeklagte am 21.03.2006 zum Anlass, den Verfügungsklägern erneut eine fristlose Kündigung des Schulvertrages und abermals ein Hausverbot auszusprechen (Bl. 360 - 361 d. A.).

Auf Antrag der Verfügungskläger hat das Landgericht mit Beschluss vom 24.03.2006 im Wege einstweiliger Verfügung angeordnet (Az.: 1 O 147/06), dem Sohn der Verfügungskläger einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache über die Wirksamkeit der Kündigung vom 21.03.2006 die Teilnahme am Schulunterricht zu gestatten und das Hausverbot aufzuheben. Auf den dagegen gerichteten Widerspruch der Verfügungsbeklagten hat das Landgericht die Beschlussverfügung mit Urteil vom 07.04.2006 bestätigt. Gegen diese Entscheidung hat die Verfügungsbeklagte ebenfalls Berufung eingelegt (Az.: 13 U 59/06).

Der Senat hat die Berufungsverfahren (Az: 13 U 41/06 und 13 U 59/06) durch Beschluss vom 08.05.2006 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen 13 U 41/06 verbunden. Wegen der Einzelheiten der landgerichtlichen Sachbeurteilung und des zu Grunde liegenden Tatsachenstoffs nimmt der Senat Bezug auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Urteile (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

II.

Die zulässigen Berufungen der Verfügungsbeklagten (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) führen in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zur Abänderung der vom Landgericht in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes getroffenen Anordnungen. Auf die zulässigen Verfügungsanträge der Verfügungskläger bleibt es bei der Verpflichtung der Verfügungsbeklagten, den Sohn der Verfügungskläger bis zum Ende des laufenden Schuljahres 2005/2006 am Schulunterricht teilnehmen zu lassen. Auf eine weitergehende Zulassung zum Schulbesuch haben die Verfügungskläger und ihr Sohn keinen Anspruch, weil der Privatschulvertrag durch wirksame außerordentliche Kündigung der Verfügungsbeklagten zum Schuljahresende beendet ist.

A.

Zu Recht hat das Landgericht die auf Erlass einstweiliger Verfügungen gerichteten Anträge der Verfügungskläger, mit denen sie sich gegen die von der Verfügungsbeklagten ausgesprochenen Kündigungen des Schulvertrages und die damit einhergehenden Hausverbote wenden, als zulässig angesehen (§§ 935, 940 ZPO). Für die erstrebte vorläufige Zulassung zum Schulunterricht besteht aus dem Gesichtspunkt der Abwendung eines drohenden wesentlichen Nachteils ein Verfügungsgrund. Die erforderliche Dringlichkeit ist gegeben, weil ohne die vorläufige Regelung unumkehrbare Verhältnisse geschaffen wären.

B.

In der Sache sind die Verfügungsanträge nur mit der Einschränkung gerechtfertigt, dass die Verfügungsbeklagte zur Erfüllung des Schulvertrages bis zum Ablauf des laufenden Schuljahres verpflichtet ist. Für die Zeit danach ist ein Verfügungsanspruch nicht gegeben, weil die Verfügungsbeklagte das Vertragsverhältnis auf der Grundlage der im Verfügungsverfahren feststehenden Tatsachen zu Recht aus wichtigem Grund gekündigt hat. Die Beurteilung im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz darf sich nicht auf eine nur eingeschränkte Sachprüfung zurückzuziehen und die endgültige rechtliche Prüfung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Ausgehend von dem Sachverhalt, wie er unstreitig oder auf der Grundlage der Glaubhaftmachung der Parteien festzustellen ist, muss der materiell-rechtliche Anspruch in rechtlicher Hinsicht erschöpfend bewertet werden. Im Streitfall führt die Prüfung zu dem Ergebnis, dass die von der Verfügungsbeklagten ausgesprochene Vertragskündigung wirksam ist.

1. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht den Privatschulvertrag als Dienstverhältnis im Sinne des § 611 BGB qualifiziert und die zwischen den Parteien umstrittenen fristlosen Kündigungen auf der Grundlage der Vorschrift des § 626 BGB i.V.m. § 6 des Schulvertrages geprüft.

Ein Recht zur ordentlichen Kündigung nimmt die Verfügungsbeklagte nicht für sich in Anspruch, ein solches ist nach den vertraglichen Regelungen der Schule auch nicht eingeräumt.

Nach § 6 des Schulvertrages kann die Schule den Vertrag im Falle eines vom Schüler verursachten ernsthaften Fehlverhaltens oder einer von ihm verursachten schweren Disziplinarmaßnahme fristlos kündigen (Bl. 32 d. A.). Diese Bestimmung ist - wie das Landgericht richtig ausgeführt hat - im Lichte des § 626 BGB zu verstehen, sodass die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls abhängt.

2. Entgegen der landgerichtlichen Beurteilung hat die fristlose Kündigung der Verfügungsbeklagten vom 02.02.2006 zur Beendigung des Privatschulvertrages zum Ende des Schuljahres 2005/2006 geführt.

a. Die formalen Kündigungsvoraussetzungen (§ 626 Abs. 2 BGB) hat das Landgericht zutreffend festgestellt. Die Verfügungsbeklagte hat die Kündigung durch Schreiben vom 02.02.2006 innerhalb der Frist von 2 Wochen nach Bekanntwerden des von ihr zur Kündigung herangezogenen Sachverhalts vom 19.01.2006 und nach vorheriger Anhörung der Verfügungskläger, ihres Sohnes und der vom Sachverhalt betroffenen Mitschülerin ausgesprochen.

b. Die Kündigung des Privatschulverhältnisses vor Erreichen des nach dem Vertrag vorgesehenen Beendigungszeitpunkts ist gerechtfertigt, denn sie stützt sich auf einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Anders als es das Landgericht gesehen hat, ist es der Verfügungsbeklagten nicht zuzumuten, dass Vertragsverhältnis über das - im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bis auf wenige Tage abgelaufene - Schuljahr 2005/2006 hinaus fortzusetzen.

a.a. Einen wichtigen Grund zur Kündigung gibt allerdings nicht der gegen den Sohn der Verfügungskläger hinsichtlich des Geschehens vom 19.01.2006 aufgekommene Verdacht einer gegen die sexuelle Selbstbestimmung einer Mitschülerin gerichteten strafbaren Handlung ab. Die Kündigung wegen Verdachts einer Straftat setzt einen durch feststehende objektive Anhaltspunkte getragenen dringenden Tatverdacht voraus, mit anderen Worten, es muss eine auf Beweisanzeichen gestützte große Wahrscheinlichkeit für die Tat bestehen. Eine solche Sachlage hat das Landgericht mit tragfähigen Erwägungen, auf die Bezug genommen wird, verneint. Die Berufung der Verfügungsbeklagten zeigt keine Umstände auf, die eine andere Bewertung zulassen.

b.b. Die Kündigung erweist sich aber auf der Grundlage des feststehenden Sachverhalts als gerechtfertigt. Sie stellt unter Außerachtlassung jedweden Verdachtsmoments eines sexuellen Übergriffs die angemessene Reaktion der Verfügungsbeklagten auf den Vorfall vom 19.01.2006 dar, weil der Schule angesichts des schwerwiegenden Fehlverhaltens des Schülers - das in den Risikobereich der Verfügungskläger als Vertragspartner fällt (§ 278 BGB) - die Fortsetzung des Schulverhältnisses unzumutbar geworden ist.

Die Ausübung sexueller Akte in den Räumen der Schule, zumal im Bereich der Grundschule bedeutet eine der ungeschriebenen Schulordnung offensichtlich zuwiderlaufende, grob fehlerhafte Verhaltensweise, die das Ordnungsgefüge einer Schule nicht unerheblich in Mitleidenschaft zieht und die schulische Ordnung in einem Maße stört, dass die Schule Gefahr läuft, ihren Erziehungsauftrag gegenüber den übrigen Schülern nicht mehr hinreichend zu erfüllen. Die Vornahme intimen Verkehrs unter Mitschülern während des Schulbetriebs auf dem Gelände der Schule hat - wie im landgerichtlichen Urteil zutreffend hervorgehoben ist - bedeutenden Einfluss auf das Miteinander der Schüler und die Einhaltung der Erziehungsgrundsätze der Schule, es beeinträchtigt die innere und äußere Ordnung der Schule deutlich. Auch unter Berücksichtigung des jugendlichen Entwicklungsstandes des Sohnes der Verfügungskläger stellt das in Rede stehende Geschehen eine eklatante Verletzung der Schülerpflichten im Hinblick auf die Einhaltung der Schulordnung dar. Der Sohn der Verfügungskläger war im Januar 2006 nahezu 18 Jahre alt, die betroffene Mitschülerin ist etwa ein Jahr jünger. Wenngleich es für dieses Alter typisch ist, dass die Jugendlichen sich in sexueller Hinsicht ausprobieren und erste Erfahrungen sammeln, so ist ein intimer Kontakt während des Schulbetriebs und im Schulgebäude eine grobe Missachtung der Schulordnung, wie sie einem 17-jährigen Schüler unter Anlegung eines durchschnittlichen Entwicklungsstandes ohne weiteres aufgrund allgemeingültiger Verhaltensregeln einsichtig ist. Einem 17-jährigen Jugendlichen ist üblicherweise bekannt, dass sexuelle Handlungen in den Privatbereich gehören und an Orten, die dritten Personen zugänglich, mindestens als anstößig empfunden werden. Dass intime Kontakte in der Schule eine schwerwiegende Verletzung der schulischen Ordnung bedeuten, liegt dabei geradezu auf der Hand. Weiter zu berücksichtigen ist der Umstand, dass die sexuellen Handlungen in den Toilettenräumen des Grundschulbereichs zu einer Zeit vorgenommen worden sind, in der geradewegs damit zu rechnen war, dass unter anderem auch Grundschüler die Räume aufsuchen und der Handlungen gewahr werden.

Dem Fehlverhalten kommt nach pädagogischen Erwägungen unter Einschluss von Ausrichtung und Zuschnitt des Privatschulbetriebs der Verfügungsklägerin ein solches Gewicht zu, dass es im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages und wegen des Schutzes der Mitschüler nicht mehr hingenommen werden kann, sondern dem betroffenen Schüler mit der einschneidenden Maßnahme der Kündigung in dieser Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nicht geduldet werden kann. Die Abwägung der Umstände unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen führt zu dem Ergebnis, dass die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist und die Verfügungsbeklagte nicht auf eine weniger schwerwiegende Maßnahme zu verweisen ist, um den Schüler zu disziplinieren und die Belange der Schule hinreichend zu wahren.

Zu Recht hat das Landgericht herausgehoben, dass das Interesse der Verfügungskläger und ihres Kindes an einer Fortsetzung der Schulvertrages mit der Verfügungsbeklagten gerade deshalb besonders groß ist, weil der Schüler bei Weiterführung der Ausbildung voraussichtlich zum Ende des kommenden Schuljahres die Schulausbildung mit dem von der Verfügungsbeklagten angebotenen, dem deutschen Abitur gleichgestellten und international anerkannten ...-Abschluss nach insgesamt 12 Jahren abschließen würde. Die schulischen Leistungen des Schülers geben unstreitig keinerlei Anlass, das Erreichen des Ausbildungsziels als zweifelhaft anzusehen. Ob nach einem Ausschluss aus der Schule der Verfügungsbeklagten eine Fortsetzung der auf den ...-Abschluss ausgerichteten Ausbildung an einer anderen Privatschule in Deutschland oder im Ausland tatsächlich zu erreichen ist, wird von den Parteien unterschiedlich vorgetragen. Während die Verfügungskläger geltend machen, die von ihrem Sohn an der Schule der Verfügungsbeklagten gewählte Fächerkombination werde allenfalls ganz ausnahmsweise angeboten, trägt die Verfügungsklägerin vor, die konkrete Fächerkombination sei nicht unüblich.. Die Aussicht einer Fortsetzung und Beendigung der ...-Diplom-Ausbildung ohne zeitlichen Verlust ist jedenfalls zweifelhaft. Im Falle des Wechsels auf ein staatliches Gymnasium oder eine sonstige Privatschule außerhalb des ...-Programms wäre, abgesehen von der nicht zu erreichenden besonderen Qualifikation, wie sie der englischsprachige ...-Abschluss bedeutet, eine Verlängerung der Schulausbildung um ein Jahr nach einhelligem Vortrag der Parteien unausweichlich. Hinzu kommt, dass die Verfügungskläger, obgleich ihnen derzeit - bis zum Ende des laufenden Schuljahres - ein von der Schule gewährtes Stipendium in Höhe von 80 % des Schulgeldes zugute kommt, über mehrere Jahre nicht unerhebliche finanzielle Belastungen für die Schulausbildung ihres Sohnes im Programm der Verfügungsbeklagten getragen haben. Der sich daraus ergebenden Interessenlage der Verfügungskläger steht aber nach Lage der Dinge ein überwiegendes Interesse der Verfügungsbeklagten an der Auflösung des privatrechtlichen Dienstverhältnisses gegenüber.

Die Schule ist aus pädagogischer Sicht gehalten, das Fehlverhalten des Schülers angemessen zu ahnden und die zur Wahrung der schulischen Ordnung gebotene Maßnahme zu ergreifen. Bei der Beurteilung, welche Maßnahme unter pädagogischen Gesichtspunkten zur Wahrung einer unbeeinträchtigten Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule als angemessen angezeigt ist, sind die konkreten Gegebenheiten der Schule zu berücksichtigen. Hier fällt ins Gewicht, dass die Verfügungsbeklagte eine international ausgerichtete Schule betreibt, in der Schüler aus rund 40 Nationen lernen, wobei der Anteil aus dem Ausland stammender Schüler im Schuljahr 2005/2006 mehr als 60 % beträgt. Bei dieser Ausrichtung der Schule stellt - wie die Verfügungsbeklagte mit Recht anführt - die schulische Ordnung besondere Anforderungen im Hinblick auf die vielfältigen gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Wurzeln der Schüler und deren Eltern als Vertragspartner der Schule. Unter diesen Gegebenheiten ist der Schulausschluss mit Rücksicht auf die der Schule zuzubilligende pädagogische Hoheit nicht als überzogen anzusehen. Daneben können, da die Schulausbildung auf privatrechtlicher Grundlage angeboten wird, Gesichtspunkte des Renommees der Schule und wirtschaftliche Aspekte nicht außer Betracht bleiben. Die Schule der Verfügungsbeklagten spricht mit ihrem Ausbildungsangebot in erster Linie Angehörige ausländischer Botschaften oder Vertretungen und ein sonst in gehobenen gesellschaftlichen Verhältnissen lebendes Klientel an. Sie finanziert sich hauptsächlich durch exponierte Schulgelder und ist als wirtschaftlich geführter Betrieb auf zahlende Vertragspartner auch angewiesen. Die wirtschaftliche Existenz der Schule ist in erheblichem Maße von ihrem Ruf nach außen abhängig, wie er sich in umfassender Betrachtung der Ergebnisse ihres Wissen vermittelnden und erzieherischen Auftrages darstellt. Gerade mit Rücksicht auf den kulturkreisübergreifenden Zuschnitt der Schule ist es der Verfügungsbeklagten nicht zu verwehren, einen strengen Maßstab an das Verhalten ihrer Schüler anzulegen.

Durch Eingehung des Schulvertrages mit der Verfügungsbeklagten haben die Verfügungskläger sich und ihren Sohn den für eine international ausgerichtete Privatschule anzusetzenden besonderen Verhaltensanforderungen unterworfen, sodass in der Gesamtabwägung das Interesse der Schule an der Durchsetzung ihrer schulischen Ordnung und der Sicherstellung der Erfüllung ihres Schulauftrages durch Ausschluss des Sohnes der Verfügungskläger ohne vorherige Abmahnung wegen groben Fehlverhaltens überwiegt.

Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Verfügungsbeklagte wegen des in Rede stehenden Vorfalls vom 19.01.2006 bislang allein gegen den Sohn der Verfügungskläger, nicht aber gegen die betroffene Mitschülerin, die fristlose Kündigung ausgesprochen hat. Eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ist der Verfügungsbeklagten nicht vorzuwerfen. Im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs Anfang Februar 2006 konnte die Schule eine disziplinarische Maßnahme gegen die Mitschülerin als ausgeschlossen ansehen, weil unter Berücksichtigung der Beurteilung der angehörten Schulpsychologin ein Anfangsverdacht einer sexuellen Handlung gegen den Willen der Mitschülerin auf Seiten der Schule nicht zu verneinen war. Dass die Verfügungsbeklagte ihre Reaktion der Mitschülerin gegenüber nunmehr vom Ausgang der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abhängig macht, ist nicht zu beanstanden. Die Mitschülerin hat die Einrichtung der Verfügungsbeklagten zwischenzeitlich auch verlassen.

Die Verfügungskläger müssen sich das den Kündigungsausspruch tragende Verhalten in ihrer Rechtsposition als Vertragspartner der Verfügungsbeklagten zurechnen lassen, weil es den von ihnen im Vertragsverhältnis geschuldeten Pflichtenkreis betrifft (vgl. BGH NJW 1984, 2093, 2094).

c. Die außerordentliche Kündigung führt unter den Gegebenheiten des Streitfalls zur Vertragsbeendigung mit Ablauf des Schuljahres. Die vorübergehende Fortsetzung bis zum Schuljahresende - welches bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unmittelbar bevorsteht - ist deshalb gerechtfertigt, weil ein Schulwechsel jetzt, so kurz vor Ablauf des Schuljahres nicht mehr erreicht werden kann und das für den Schüler - auch wenn er durch sein Verhalten den Kündigungsgrund gesetzt hat - eine unbillige Härte bedeutete. Da die Kündigung der Verfügungsbeklagten keine Stütze in dem von ihr herangezogenen Verdacht eines gegen eine Mitschülerin gerichteten strafbaren Verhaltens findet und mit Rücksicht auf die faktische Situation, die infolge der von den Verfügungsklägerin erstinstanzlich erwirkten vorläufigen Zulassung zum Schulbesuch eingetreten ist, kann der Verfügungsbeklagten der Verbleib des Schülers bis zum Schuljahresende auch noch zugemutet werden.

d. Ob das Verhalten der Verfügungskläger nach Erwirken des landgerichtlichen Urteils auf die Kündigung vom 02.02.2006 für sich oder aber im Zusammenhang mit dem vorangegangen, ihnen zurechnenden Fehlverhalten einen wichtigen Grund zur fristlosen Vertragsbeendigung wegen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses infolge vertragswidrigen Verhaltens rechtfertigt, kann letztlich auf sich beruhen. Das Landgericht ist unter Würdigung der gegebenen Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass die beanstandete e-mail-Information der Verfügungskläger mit Rücksicht auf Art und Inhalt der vorangegangenen Informationsmaßnahmen der Verfügungskläger nicht eine solche Verletzung der Belange der Schule darstellt, dass die Fortsetzung des Schulvertrages dadurch unzumutbar geworden wäre. Auf die dagegen gerichteten Berufungsangriffe und die von den Verfügungsbeklagten ergänzend für sich ins Feld geführten Argumente muss nicht näher eingegangen werden, weil auch eine vom landgerichtlichen Urteil abweichende Beurteilung zu keinen anderen Ergebnis führte, als es mit der Zulassung zum Schulbesuch beschränkt auf das Ende des Schuljahres der Fall ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, § 542 Abs. 2 ZPO.

Der Streitwert im Berufungsrechtszug wird auf je 10.000,- € bis zur Verfahrensverbindung und auf 20.000,- € seit Verfahrensverbindung festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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