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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.01.2008
Aktenzeichen: 13 W 56/07
Rechtsgebiete: SGB VII, ZPO, BGB


Vorschriften:

SGB VII § 104 Abs. 1
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 13 a
ZPO § 114
BGB § 253 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluss

13 W 56/07

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Gerschner als Einzelrichter am 21. Januar 2008 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 7.6.2007 - Az.: 14 O 43/07 - wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerinnen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg; sie ist unbegründet.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht zu Recht den Antrag der Antragstellerinnen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und deliktische oder vertragliche Ansprüche des verstorbenen Verletzten und seiner Hinterbliebenen und Erben gegen die Antragsgegnerin aus dem tödlichen Unfalls vom 9.5.2005 nach § 104 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen seien. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die in vollem Umfang Bezug genommen wird. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Antragstellerinnen vermögen nicht zu überzeugen. Auch ihr weiteres Vorbringen in der Beschwerdeschrift rechtfertigt eine anderweitige Entscheidung nicht.

Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, nur dann Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Vorliegend kann den Antragstellerinnen die begehrte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil ihre beabsichtigte Rechtsverfolgung nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand steht ihnen oder dem Verletzten aus dem Unfallereignis vom 9.5.2005 gegenüber der Antragsgegnerin ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nicht zu.

Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, ist ein solcher Anspruch des verstorbenen Verletzten oder seiner Hinterbliebenen und Erben, der Antragstellerinnen, gegen die Antragsgegnerin durch die Regelung des § 104 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt haben. Hierbei ist die Antragsgegnerin als Unternehmerin von Schadensersatzansprüchen solcher Personen freigestellt, die bei einem Unfall zu ihrem Unternehmen in eine bestimmte Beziehung getreten sind, aufgrund der sie zu diesem Unternehmen versichert sind.

Dabei sind gegen Arbeitsunfall auch solche Personen versichert, die wie ein Versicherter im Unfallbetrieb tätig geworden sind. Dies erfordert keine arbeitsrechtlich als Arbeitsverhältnis zu qualifizierende Beziehung zwischen dem Verletzten und dem Unfallbetrieb; auch steht dem Versicherungsschutz nicht entgegen, dass der Verletzte nur spontan und punktuell für den Unfallbetrieb tätig geworden ist. Für die unfallversicherungsrechtliche Zuordnung der Tätigkeit des Verletzten kommt es darauf an, ob Aufgaben des Unfallbetriebes oder solche des eigenen Stammunternehmens der Tätigkeit das Gepräge gegeben haben. Die ist unter wertender Betrachtung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BGH VersR 1990, 994 f. m.w.N.). Ob die Tätigkeit des Verletzten nach dessen Vorstellung und Willen längere Zeit hindurch andauern sollte oder nur kurzfristig geschehen sollte, ist unerheblich; auch eine solche kann nützlich und arbeitserleichternd sein. Für die Annahme einer Eingliederung des Verletzten in den Betrieb der Antragsgegnerin kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob dadurch ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis begründet wurde und ob dessen Tätigkeit dem mutmaßlichen Willen der Antragsgegnerin entsprach; es genügt, dass sie diesem Willen nicht entgegenstand und die maßgebliche Tätigkeit nicht zu seinem eigenen Aufgabenbereich gehörte, sodass er nicht im Rahmen seines eigenen Stammunternehmens tätig wurde (BGH VersR 1977, 959 f.).

Nach diesen Beurteilungskriterien und dem bisherigen Sach- und Streitstand hat sich vorliegend der für die Betriebsangehörigen der Antragsgegnerin bestehende Unfallversicherungsschutz auch auf den Verletzten erstreckt. Seine Tätigkeit als Anschläger in der Baugrube beim Roheinzug einer Trinkwasserleitung zählte nicht zu seiner Arbeitsaufgabe und zum Leistungsinhalt des zwischen seinem Stammunternehmen, der Firma H... T... Containerdienst und der Antragsgegnerin abgeschlossenen Nachunternehmervertrages. Dies ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Antragstellerinnen. Danach beauftragte die Antragsgegnerin die Firma H... T... Containerdienst unter dem 26.05.2004 (Anlage K 6, Bl. 14 d. A.) mit dem Einsatz eines LKW/Kipper incl. Fahrer und zwar mit diversen Fahr- und Hilfstätigkeiten, wobei der Verletzte bei der Firma T... als Kraftfahrer angestellt war. Nach der von den Antragstellerinnen weiter in Bezug genommenen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 30.10.2006 (Anlage K 7, S. 3, Bl. 17 d. A.) sollte der Verletzte als LKW-Fahrer und bei Leerlaufzeiten als Bauhelfer für Handreichungen für die Antragsgegnerin arbeiten, wozu jedoch nicht eine - auch nach den weiteren Vorbringen der Antragsstellerinnen - hochspezialisierte und qualifizierte Tätigkeit als Anschläger im Schacht zählte. Nach dem ferner von ihnen in Bezug genommenen Unfalluntersuchungsbericht der BGF Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (Anlage K 9, S. 2, Bl. 32 d. A.) hatte der Verletzte am Unfalltag den Arbeitsauftrag Erdtransporte mit einem LKW mit Kipperaufbau für die Antragsgegnerin durchzuführen und nach Angaben seines Stammunternehmers und Arbeitgebers sollten bei Stillstandszeiten des LKW's leichte Nebenarbeiten für die Antragsgegnerin ausgeführt werden. Die auch nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerinnen hochspezialisierte und qualifizierte Tätigkeit eines Anschlägers im Rohreinzugverfahren kann indes hierzu nicht gerechnet werden. Nach dem von ihnen gleichfalls in Bezug genommenen Schreiben des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit B... vom 07.03.2006 (Anlage K 10, S. 3, Bl. 42 d. A.) hätte bei seiner eigentlichen Tätigkeit als Kraftfahrer und Bauhelfer eine solche Montagetätigkeit durch den Verletzten nicht ausgeführt werden dürfen. Danach gehörte die Tätigkeit als Anschläger beim unmittelbaren Rohreinzug nicht mehr zu dem der Firma H... T... erteilten Nachunternehmerauftrag, der nur darin bestanden hat, Fahr- und Bauhelfertätigkeiten zu verrichten. Wenn der Verletzte gleichfalls beim unmittelbaren Rohreinzug als Anschläger in der Baugrube arbeitete, erhielt seine Tätigkeit das entscheidende Gepräge durch die Interessen der Antragsgegnerin; sie war ausschließlich von diesem Zweck getragen und diente nicht mehr den Aufgaben seines Stammbetriebes. Auch nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerinnen war er bei seinem Stammbetrieb lediglich als Kraftfahrer und für Hilfstätigkeiten beschäftigt; irgendwelche Befähigungen und Befugnisse zur Arbeit im direkten Zusammenhang mit dem Rohreinzug besaß er indes nicht. Wenn er sich dann "möglicherweise, weil gerade Not am Mann war - selbst für die Arbeiten angeboten hat" (vgl. S. 2 des Schriftsatzes der Antragstellerinnen vom 27.03.2007, Bl. 54), diente seine Tätigkeit nicht mehr den Aufgaben seines Stammbetriebes, sondern allein der Antragsgegnerin, die im Auftrage der B.... Wasserbetriebe damit beschäftigt war, die Trinkwasserleitung zu erneuern.

Dabei kann an dem Vorliegen eines inneren Zusammenhangs mit dem Unternehmen der Antragsgegnerin ebenso wenig gezweifelt werden wie daran, dass die Tätigkeit des Verletzten wirtschaftlich als Arbeit zu werten ist und tatsächlich nur dem Unternehmen der Antragsgegnerin dienlich war. Denn der Arbeitnehmer eines Fremdbetriebes wird bereits dann zum Versicherten des Unfallbetriebes, wenn seine auch nur aushelfende Tätigkeit ohne weiteres dem Betrieb des Unfallunternehmens zuzuordnen ist. Für die Annahme einer Eingliederung des Geschädigten in dem Betrieb der Antragsgegnerin kommt es nicht darauf an, ob dadurch ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis begründet wurde und ob dessen Tätigkeit den mutmaßlichen Willen des Unternehmens entsprach; es genügt, dass sie - wie vorliegend - diesem Willen nicht entgegenstand. Auch der ist als eingegliedert anzusehen, der gegenüber den Arbeitern des fremden Unternehmens helfend tätig wird. Dies war hier der Fall, weil der Verstorbene eine unmittelbar nur der Antragsgegnerin obliegende Tätigkeit verrichtete. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Verletzte nicht über eine entsprechende Qualifikation verfügte und die eigenen Arbeitnehmer der Antragsgegnerin im Gegensatz zu ihm auf die Arbeitsabläufe spezialisiert waren und es sich bei ihnen um mehrfach eingewiesene und belehrte Fachkräfte handelte. Gleiches gilt für den Umstand, ob die Beschäftigten der Antragsgegnerin seine Leistung nicht hätten annehmen dürfen, weil sich die Antragsgegnerin gegenüber ihrer Auftraggeberin verpflichtete, sämtliche Arbeiten ausschließlich im eigenen Betrieb auszuführen. Denn die Begründung des Versicherungsschutzes hängt nicht davon ab, ob nach den Regelungen dieser Vertragsparteien die konkret verrichtete Tätigkeit erlaubt oder verboten war. Maßgeblich ist, dass der Arbeitnehmer des fremden Unternehmens wie ein Arbeiter des Unfallunternehmens tätig wird und für diesen nicht ersichtlich ist, dass seine Tätigkeit dem mutmaßlichen Willen des Unternehmens entgegenstand.

Wie das Landgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beteiligten eigenen Arbeitnehmer der Antragsgegnerin vorsätzlich gehandelt haben. Der Umstand, dass anstelle des für den Rohreinzug nach den Unfallverhütungsvorschriften vorgeschriebenen Lasthakens ein nicht zugelassener offener S-Haken mit einer unzureichenden Tragfähigkeit Verwendung fand und der darüber hinaus geschilderte Arbeitsablauf lassen weder den Schluss auf eine billigende Inkaufnahme des Unfallereignisses sowie des Eintritts des Versicherungsfalles zu noch ist ein solcher Schluss nahe liegend oder die Annahme eines gegebenenfalls grob fahrlässigen Handelns fern liegend. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Eintritt des Versicherungsfalles zumindest billigend in Kauf genommen worden ist. Ausgeschlossen sind demnach alle gesetzlichen Ansprüche zum Ersatz des Personenschadens. Betroffen sind insbesondere vertragliche Ansprüche und Ansprüche aus unerlaubter Handlung, soweit sie auf den Ersatz von Personenschäden gerichtet sind. Hierzu zählen auch Schmerzensgeldansprüche aus § 253 Abs. 2 BGB, obwohl die gesetzliche Unfallversicherung kein Schmerzensgeld vorsieht.

Die Berufung auf den Haftungsausschluss ist vorliegend auch nicht etwa widersprüchlich oder treuwidrig. Denn die Haftungsprivilegierung des Unternehmers rechtfertigt sich im Allgemeinen und so auch vorliegend zum einen durch seine allgemeine Beitragspflicht zur gesetzlichen Unfallversicherung (so genanntes Finanzierungsargument) und zum anderen unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Betriebsfriedens (so genanntes Friedensargument). Anders als in der von den Antragstellerinnen zitierten Entscheidung des BGH vom 24.01.2006 (VersR 2006, 548 f.) ist der Verletzte vorliegend nicht als Hilfeleistender im Rahmen eines Versicherungsverhältnisses nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 a SGB VII tätig geworden, bei denen der Versicherungsschutz des Nothelfers durch die Leistung der Nothilfe begründet wird und unmittelbar aus § 2 Abs. 1 Nr. 13 a SGB VII folgt und gerade nicht die Beziehung zu einem Unternehmen begründet, wie dies beim Verletzten der Fall war.

Nach alledem war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die hierfür in § 574 Abs. 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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