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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.03.2001
Aktenzeichen: 14 U 44/00
Rechtsgebiete: SGB VII, BGB, StVG, PflVG, RVO, ZPO


Vorschriften:

SGB VII § 8 Abs. 1
SGB VII § 8 Abs. 2 Ziff. 1
SGB VII § 104 ff.
SGB VII § 105
SGB VII § 8 Abs. 2 Nrn. 1 - 4
SGB VII § 105 Abs. 1 Satz 1
SGB VII § 105 Abs. 1
BGB § 823
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847 Abs. 1
BGB § 831
BGB § 288 Satz 1
StVG § 7
StVG § 18
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 18 Abs. 1
PflVG § 3
PflVG § 3 Ziff. 1
RVO § 550 Abs. 2 Nr. 1
RVO § 636
RVO § 637
RVO § 550 Abs. 1
RVO § 548 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

Anlage zum Protokoll vom 07.03.2001

Verkündet am 07.03.2001

in dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2001 durch

den Richter am Oberlandesgericht Braunsdorf, den Richter am Landgericht Dr. Tiemann und die Richterin am Landgericht Woerner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 5. April 2000 wie folgt abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger über den bereits ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 50,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 16. Januar 1999 bis zum 30. April 2000 und ab dem 1. Mai 2000 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.500,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am gegen Uhr auf der B zwischen E und F ereignete.

Der Beklagte zu 1. fuhr am mehrere Mitarbeiter der Beklagten zu 2., darunter auch den Kläger, mit deren Transporter mit dem amtlichen Kennzeichen, der bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversichert ist, von der Tagesarbeitsstätte "K" zur Betriebsstätte in F zurück. Für einen Reifenwechsel wurde von der üblichen Fahrtroute abgewichen und eine Tankstelle angefahren. Bei der Weiterfahrt auf der B schlief der Beklagte zu 1., der ebenfalls bei der Beklagten zu 2. angestellt war, wegen Übermüdung kurzzeitig ein. Der Transporter geriet deshalb gegen Uhr im Abschnitt bei Kilometer auf die Gegenfahrbahn und stieß frontal mit einem entgegenkommenden Lkw zusammen.

Der Kläger erlitt infolge des Unfalls einen doppelt verschobenen Speichenbruch am linken Unterarm, eine Fleischwunde am rechten Unterschenkel, einen Jochbeinbruch und einen schweren Schädelbasisbruch. Sein Unterkiefer wurde ausgerenkt, seine Gesichtshaut im Bereich von Stirn und Schädel vollständig abgerissen und er verlor einen Zahn. Ferner erlitt er Prellungen am rechten Auge und einen Riss im Pupillarsaum. Der Kläger wurde mit einem Rettungsfahrzeug in das Klinikum gebracht, wo eine fünfstündige Notoperation durchgeführt wurde. Er befand sich anschließend bis zum in stationärer Behandlung und bedarf bis heute der ambulanten Nachbehandlung. Länger als zwei Monate war er krankgeschrieben. Die Beweglichkeit und Belastbarkeit seines linken Handgelenks ist eingeschränkt und es kam zu Muskeldegenerationen am linken Arm. Er leidet unter einer beginnenden Arthrose im linken Handgelenk und unter Empfindungsstörungen und narbenbedingten Verziehungen im Stirnbereich. Damit geht ein unvollständiger Augenlidschluss einher. Das rechte Auge ist verstärkt blendungsempfindlich, der Pupillenschließmuskel ist gelähmt. Aufgrund seiner Augenverletzung ist der Kläger gezwungen, auch bei geringer Helligkeit eine Sonnenbrille zu tragen. Infolge des Verlustes eines Zahnes mußte er für längere Zeit eine Zahnspange tragen. Er erhält wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % als vorläufige Entschädigung von der Berufsgenossenschaft eine Teilrente.

Aufgrund dieser Unfallfolgen begehrt der Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dass er mit ca. 70.000,00 DM beziffert, ferner macht er materielle Schäden geltend, die er in erster Instanz auf 912,95 DM beziffert hat. Hinsichtlich der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf die Klageschrift verwiesen. Unter dem 30. Dezember 1998 forderte er die Beklagte zu 3. zur Erstattung des Sachschadens und eines Schmerzensgeldvorschusses in Höhe von 25.000,00 DM auf. Die Beklagte zu 3. zahlte daraufhin auf die materiellen Schäden eine Pauschale von 300,00 DM.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Januar 1999 zu zahlen,

2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 612,95 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 16. Januar 1999 zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung aus dem Verkehrsunfall vom gegen Uhr auf der B zwischen E und F zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, die Beklagten seien von der Haftung für den Verkehrsunfall befreit. Der Transport von Betriebsangehörigen von der Tagesarbeitsstelle zur Betriebsstätte im firmeneigenen Transporter sei eine Werksfahrt und somit eine "innerbetriebliche Angelegenheit". Ein Verkehrsunfall. der sich im Zuge eines solchen Transports ereigne, stelle einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 1 SGB VII dar, für den das Haftungsprivileg der §§ 104 ff. SGB VII eingreife.

Das Landgericht hat dem Kläger lediglich einen Teil seines materiellen Schadens zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Ersatz des noch nicht regulierten Sachschadens aus §§ 823 BGB, 7, 18 StVG, 3 PflVG, Ansprüche auf Ersatz von Personenschäden und Schmerzensgeld seien hingegen von der Haftungsfreistellung der §§ 104, 105 SGB VII erfasst. Der Unfall habe sich auf einer sogenannten betriebsbezogenen Fahrt bzw. Werksfahrt ereignet. Die bisherige Rechtslage, wonach Unfälle auf solche Fahrten dem Haftungsprivileg unterlagen, habe sich durch die Ablösung der Vorschriften in der RVO durch das SGB VII nicht geändert.

Gegen das ihm am 12. April 2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. Mai 2000 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13. Juli 2000 an jenem Tag begründete Berufung des Klägers, mit der er seine Ansprüche weitgehend weiter verfolgt.

Er vertritt die Auffassung, es handle sich bei dem Unfall um einen Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Ziff. 1 SGB VII, für den nach der Neuregelung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerhaftung bei Arbeitsunfällen die Haftung nicht mehr ausgeschlossen sei. Der Unfall habe sich auf einem Weg im Sinne dieser Vorschrift ereignet, denn die Fahrt zur Betriebsstätte sei als Heimfahrt von der Arbeit, nicht als Fahrt in Ausübung der verrichteten Tätigkeit anzusehen. Mit der Neuregelung seien die Bestimmungen der RVO nicht bloß übernommen, sondern modifiziert und umgestaltet worden. Insbesondere sei der Versicherungsschutz in § 8 Abs. 2 Nrn. 1 - 4 SGB VII, der § 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO abgelöst habe, erweitert worden.

Er beantragt,

1. unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 50,00 DM sowie ein angemessenes Schmerzensgeld. mindestens jedoch 70.000,00 DM, nebst 4 % Zinsen vom 16. Januar 1999 bis 30. April 2000 und weiter Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1. Mai 2000 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die ihm nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung aus dem Verkehrsunfall vom gegen Uhr auf der B zwischen F und F entstehen, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meinen, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Erweiterung des Haftungsprivilegs beabsichtigt und realisiert. Erklärtes Ziel sei es gewesen, die im internationalen Vergleichwettbewerbsverzerrenden hohen Belastungen der deutschen Unternehmer abzubauen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch nur geringfügig Erfolg.

1.

Das Landgericht hat dem Begehren des Klägers auf Zahlung eines Schmerzensgeldes mit zutreffender Begründung nicht stattgegeben. Ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes aus §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB besteht weder gegen den Beklagten zu 1. als Verursacher des Verkehrsunfalls noch gegen die übrigen Beklagten.

Der Beklagte zu 1. hat zwar die körperliche Unversehrtheit und Gesundheit des Klägers schuldhaft und rechtswidrig verletzt, indem der von ihm geführte Transporter infolge seiner kurzzeitigen Unaufmerksamkeit auf die Gegenfahrbahn geriet und mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidierte. Er wäre daher nach allgemeinen Grundsätzen zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet, § 847 Abs. 1 BGB. Hierfür hätte auch die Beklagte zu 2. gem. § 831 BGB wegen vermuteten eigenen Verschuldens grundsätzlich einzustehen, da sie den ihr obliegenden Entlastungsbeweis für sorgfältige Auswahl und Überwachung ihres Verrichtungsgehilfen, des Beklagten zu 1., nicht geführt bat. Der Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gegen den Beklagten zu 1. - und damit auch gegen die Beklagten zu 2. und 3. - ist jedoch gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen.

Nach den §§ 104, 105 SGB VII werden Unternehmer und sonstige in dem Betrieb beschäftigte Personen, die einen Versicherungsfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursachen, von der Haftung für Personenschäden freigestellt, sofern der Versicherungsfall nicht vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 - 4 SGB VII versicherten Weg verursacht wurde.

Der Beklagte zu 1. gehört zu dem nach § 105 Abs. 1 SGB VII geschützten Personenkreis. Er löste den Versicherungsfall als Beschäftigter des Betriebes der Beklagten zu 2. durch eine betriebliche Tätigkeit aus. Darunter fällt jede Tätigkeit, die aus Betriebsgründen ausgeführt wird und dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht (Schmitt SGB VII, 1998, § 105 Rdnr. 5). Die Fahrt der Mitarbeiter der Beklagten zu 2. mit dem betriebseigenen Fahrzeug von der Tagesarbeitsstätte in E zum Betriebssitz in F erfüllt zweifellos diese Voraussetzung.

Der Beklagte zu 1. hat den Versicherungsfall weder vorsätzlich noch auf einem nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 - 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt.

Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gehört auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit, gegebenenfalls mit Umwegen (Schmitt a.a.O., § 8 Rdnr. 138 ff.), zu den versicherten Tätigkeiten. Die Vorschrift nennt lediglich den "Ort der Tätigkeit" als Endpunkt des Hinweges und Ausgangspunkt des Heimwegs, der andere Grenzpunkt des versicherten Weges ist im Gesetz nicht festgelegt. In der Regel ist dies der Ort des häuslichen Wirkungskreises, innerhalb dessen kein Versicherungsschutz besteht (Kater/Leube Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII, 1997, § 8 Rdnr. 153). § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII erfasst demnach diejenigen Wege, die die Versicherten zurücklegen müssen, um der versicherten Tätigkeit überhaupt nachgehen zu können. Hiervon zu unterscheiden sind die sogenannten Betriebs- und Arbeitswege, die der versicherten Tätigkeit selbst zugeordnet und somit nach § 8 Abs. 1 SGB VII versichert sind (Kater/ Leube a.a.O., § 2 Rdnr. 53). Hierunter sind diejenigen Wege zu verstehen, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit ausgeführt werden.

Der von dem Beklagten zu 1. verschuldete Verkehrsunfall ereignete sich auf einem solchen Betriebsweg, der nicht den nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 - 4 SGB VII versicherten Wegen zuzuordnen ist und somit von der Haftungsbeschränkung des § 105 Abs. 1 SGB VII erfasst wird.

Der Kläger und der Beklagte zu 1. befanden sich zum Unfallzeitpunkt mit dem Betriebsfahrzeug auf dem Rückweg von der Tagesarbeitsstätte zum Sitz der Beklagten zu 2. in F.

Wenngleich die Mitarbeiter der Beklagten zu 2. somit ihre eigentliche betriebliche Tätigkeit auf der Tagesarbeitsstätte beendet hatten, befanden sie sich noch nicht auf dem Heimweg. Denn beabsichtigt war nach dem übereinstimmenden Parteivorbringen nicht die direkte Fahrt von der Tagesarbeitsstätte in E nach Hause, sondern der Rücktransport der Mitarbeiter zum Betriebssitz in F, zumal mit einem betriebseigenen Fahrzeug. Das Zurücklegen dieses Weges von einer externen Baustelle, bei der der Versicherte eingesetzt ist, zum Sitz des Unternehmens unterliegt als Betriebsweg der Regelung in § 8 Abs. 1 SGB VII (Schnitt a.a.O., § 8 Rdnr. 138; vgl. auch Rolfs, Die Neuregelung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerhaftung bei Arbeitsunfällen durch das SGB VII NJW 1996, 3177, 3179; Waltermann, Änderungen im Schadensrecht durch das neue SGB VII NJW 1997, 3401, 3402).

Für die Abgrenzung eines Betriebsweges von einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII versicherten Weg ist nicht von Bedeutung, ob der Versicherte den Weg, den er im Auftrag oder im Interesse des Betriebs ausführt, innerhalb oder außerhalb der Betriebsstätte zurücklegt (Kater/Leube a.a.O., § 2 Rdnr. 53). Der Versicherungsschutz knüpft vielmehr an einem rechtlich wesentlichen inneren sachlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und dem Unternehmen an (Kater/Leube a.a.O., vor §§ 2 - 6 Rdnr. 17 m.w.N.). Demgemäß sind Dienst- und Geschäftsreisen Teil der bereits nach § 8 Abs. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit, da sie stärker als die nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 - 4 SGB VII versicherten Wege betrieblichen Interessen dienen (Schmitt a.a.O., § 8 Rdnr. 41). Gleichermaßen kann es für das Vorliegen eines Betriebsweges nicht auf die zeitliche Verbindung mit der betrieblichen Tätigkeit ankommen. So endet der nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherte Hinweg auch dann mit Erreichen der Betriebsstätte, wenn der Versicherte unmittelbar nach seiner Ankunft auf eine auswärtige Baustelle verbracht wird (vgl. Schmitt a.a.O., § 8 Rdnr. 138). Es lässt sich durch keinen sachlichen Grund rechtfertigen, im umgekehrten Fall den Zeitpunkt des Beginns des Heimweges vorzuverlagern und bereits die Rückkehr von der auswärtigen Baustelle zum Betriebssitz der Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zu unterstellen.

Die Auffassung des Klägers, die bisherige Rechtslage sei durch die Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung zum 1. Januar 1997 zu seinen Gunsten umgestaltet und der Versicherungsschutz in § 8 Abs. 2 Nrn. 1 - 4 SGB VII erweitert worden, findet weder im Gesetzestext noch in der amtlichen Begründung eine Grundlage.

Unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) wären die Beklagten von der Haftung aus dem Verkehrsunfall für Personenschäden befreit gewesen. Nach den §§ 636, 637 RVO war in Fällen dieser Art zu entscheiden, ob der Versicherungsfall während der "Teilnahme am allgemeinen Verkehr" eintrat, oder ob es sich um einen innerbetrieblichen Vorgang handelte. Dabei genügte allerdings allein der Umstand, dass der Unfall im Straßenverkehr erfolgte, als Voraussetzung für die Entsperrung des Haftungsausschlusses nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH VersR 1959, 52, 53; BGHZ 116, 30, 34) kam es vielmehr darauf an, ob sich der Unfall im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem als innerbetrieblicher bzw. innerdienstlicher Vorgang darstellte. Entscheidend war, ob sich in dem Unfall das betriebliche Verhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten manifestiert oder ob insoweit zur dienstlichen bzw. betrieblichen Beziehung zwischen beiden kein oder nur ein loser Zusammenhang bestanden hatte (BGHZ 116, 30, 34). So stellte beispielsweise die Mitnahme von Arbeitskollegen im Privatfahrzeug zur Arbeitsstelle und zurück eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr dar, weil die Fahrt zur Arbeitsstelle grundsätzlich als Privatsache anzusehen war. Demgegenüber war eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr insbesondere dann zu verneinen, wenn die Fahrt durch die Organisation als innerbetrieblicher Vorgang gekennzeichnet war, wie bei Werksfahrten. Fahrten auf dem Werksgelände, aber auch bei Einsatz eines betriebseigenen Fahrzeuges bei der Fahrt zu und von der Arbeitsstelle. Angesichts dieser Beispiele kann kein Zweifel bestehen, dass der Unfall auf der Rückkehr zum Unternehmenssitz nicht "bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr" im Sinne des Unfallversicherungsrechts nach der RVO erfolgte. Die Fahrt weist die typischen Merkmale für einen innerbetrieblichen Vorgang auf, zumal da sie mit dem betriebseigenen Fahrzeug durchgeführt wurde.

Der Kläger geht zu Recht davon aus, dass mit der Neuregelung des Rechtes der gesetzlichen Unfallversicherung zum 1. Januar 1997 nicht lediglich die Vorschriften der RVO in das Sozialgesetzbuch übernommen wurden. Die Ablösung der Vorschriften der RVO durch das SGB VII brachte in der Tat einige relevante Änderungen mit sich (vgl. hierzu nur Waltermann a.a.O., 3401), die sich indes nicht in einer für den Kläger günstigeren Rechtsposition auswirkten.

Die dargestellte Rechtslage eines auf einem Betriebsweg durch Verschulden des Arbeitskollegen verletzten Versicherten wurde durch die Übernahme der Regelungen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht geändert. Vielmehr sollen nach dem Willen des Gesetzgebers von der Ausnahme vom Haftungsprivileg nur noch die Wegeunfälle erfasst werden. Von der Entsperrung des Haftungsprivilegs ausgenommen sind nach der Gesetzesbegründung jedoch ausdrücklich diejenigen Betriebswege, die nach dem bisher geltenden Recht als Teilnahme am öffentlichen Verkehr behandelt wurden (BT-Drucksache 13/2204 S. 100). Der Gesetzgeber knüpft hiermit an die Unterscheidung zwischen Wegeunfällen, d.h. Unfällen auf Wegen gemäß § 550 Abs. 1 RVO, und Unfällen auf sogenannten Betriebswegen an.

Unter einem Weg im Sinne des § 550 Abs. 1 RVO war das Sichfortbewegen des Versicherten zum erstmalig aufgesuchten Ort der Tätigkeit zu verstehen. Begab sich der Versicherte nach Aufsuchen des Betriebes im Rahmen seiner betrieblichen Arbeitstätigkeit an einen weiteren Ort, z.B. vom Betriebshof des Unternehmens zur Baustelle, so handelte es sich nunmehr um einen Betriebsweg, der nicht unter § 550 Abs. 1 RVO sondern § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO fiel (Schulin: Handbuch des Sozialversicherungsrechts Bd. 2 1996, § 33 Rdnr. 41). Auch nach dieser Definition befanden sich die Mitarbeiter der Beklagten zu 2. auf einem Betriebsweg, nämlich dem Weg von der Tagesarbeitsstätte zurück zur Betriebsstätte in F, als der Beklagte zu 1. den Unfall verursachte.

Weder aus dem Gesetzestext noch der amtlichen Begründung zur Neuregelung im SGB VII lässt sich eine Ausweitung der Ausnahme von dem Haftungsprivileg für Unfälle auf Betriebswegen herleiten, die aufgrund des Betriebsbezuges nach der bisherigen Rechtslage nicht als Teilnahme am öffentlichen Verkehr anzusehen waren und daher dem Haftungsausschluss unterlagen. Vielmehr soll nach der Gesetzesbegründung die Haftung der Unternehmer und der im Unternehmen tätigen Personen "entsprechend dem geltenden Recht" "beschränkt" werden auf "vorsätzliches Handeln und Wegeunfälle". Hieraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass die Reichweite der Haftungsentsperrung im Gegensatz zur Rechtslage unter der Geltung der RVO nicht erweitert, sondern reduziert werden sollte (ebenso OLG Dresden NZV 2000, 365, 366) Die Formulierung, dass die Ausnahme nicht mehr Betriebswege erfasse, die nach geltendem Recht als Teilnahme am öffentlichen Verkehr behandelt wurden, diente offensichtlich nur der Klarstellung. Denn Unfälle auf Betriebswegen sind - wie dargelegt - bereits begrifflich von Wegeunfällen zu unterscheiden.

Soweit der Kläger meint, die Ausweitung der Haftung werde dadurch belegt, dass entgegen der früheren Formulierung "zwischen Wohnung und Ort der Tätigkeit" nunmehr in § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII lediglich der Endpunkt des Weges genannt werde, überzeugt dies nicht. Gemäß § 550 Abs. 1 RVO galt als Arbeitsunfall im Sinne der §§ 636, 637 RVO auch ein Unfall "auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg von und nach dem Ort der Tätigkeit". Diese Vorschrift benannte entgegen der Behauptung des Klägers ebenso wie die Neuregelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII lediglich den Ort der Tätigkeit als einen Endpunkt des versicherten Weges, nicht jedoch den zweiten Grenzort. Nach der zur Geltung der RVO ergangenen Rechtsprechung war auch keineswegs allein der Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte versichert. Wenngleich es sich bei diesem zweiten Endpunkt des Weges im Sinne des § 550 Abs. 1 RVO in erster Linie um die Wohnung des Versicherten handelte, konnte auch ein sogenannter dritter Ort als anderer Ort für die Anwendung des § 550 Abs. 1 RVO in Betracht kommen (Schulin a.a.O., § 33 Rdnr. 58 ff. m.w.N.). Insoweit lässt sich auch aus der sprachlichen Fassung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII keine Änderung gegenüber der früheren gesetzlichen Regelung von Wegeunfällen begründen.

Die Regelungen des Haftungsausschlusses für Unternehmer und anderen Betriebsangehörigen in den §§ 104, 105 ff. SGB VII schließen Schmerzensgeldansprüche aus, obwohl die gesetzliche Unfallversicherung kein Schmerzensgeld gewährt. Die Verletztenrente, die der Versicherte aus der gesetzlichen Unfallversicherung erlangt, dürfte insbesondere bei Schwerverletzten allenfalls einen Teil der immateriellen Schäden ausgleichen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Ausschluss des Schmerzensgeldanspruches (in den §§ 636 Abs. 1 Satz 1, 637 Abs. 1 RVO) dennoch für verfassungsmäßig erklärt (BVerfGE 34, 118 11). Der Senat sieht daher keine Möglichkeit, die Sache gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

2.

Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der Unkostenpauschale in Höhe von 50,00 DM aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 3 Ziff. 1 PflVG, 823 Abs. 1 BGB. Der Zinsanspruch resultiert aus § 288 Satz 1 BGB.

3.

Der Antrag auf Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden hat keinen Erfolg. Hinsichtlich der materiellen Personenschäden und des immateriellen Schadens ist der Antrag unbegründet, weil diese Schäden von dem Haftungsausschluss erfasst werden. Soweit der Antrag darüber hinaus künftige materielle Sachschäden betrifft, ist er bereits unzulässig, da die Möglichkeit des Eintritts derartiger Schäden infolge des Unfalls vom in der Zukunft nicht ersichtlich ist.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 75.050,00 DM festgesetzt, wobei der Senat den Feststellungsantrag gemäß § 3 ZPO mit 5.000,00 DM bewertet hat.

Beschwer für den Kläger: 75.000,00 DM Beschwer für die Beklagten: 50.00 DM

Ende der Entscheidung

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