Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.02.2002
Aktenzeichen: 14 W 10/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

14 W 10/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat der 14. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgericht durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schäfer, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Zoller und den Richter am Amtsgericht Dr. Bachnick

am 07. Februar 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. Juni 2001 wie folgt geändert:

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Die Kosten des Rechtsmittels fallen gleichfalls dem Antragsteller zur Last.

Gründe:

1.

Der Antragsgegner war von Oktober 1997 zum 31. Juli 2000 als Rechtsanwalt in der Kanzlei des Antragstellers tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit wurden dem Antragsgegner Mandatsakten zur Bearbeitung zugewiesen. Außerdem wurden ihm auch neue Mandate zur Bearbeitung zugeteilt. Vor Beginn der Tätigkeit des Antragsgegners trafen die Parteien eine Vereinbarung dahin, dass der Antragsgegner 25 % der tatsächlich eingehenden Honorarzahlungen erhalten sollte. Ihm wurde in der Kanzlei ein Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt, in dem er täglich zwischen 9.00 und 18.00 Uhr die Arbeiten erledigte.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2000 kündigte der Antragsgegner seine "freie Mitarbeitertätigkeit" zum Ablauf des 31. August 2000 auf, blieb jedoch noch im Besitz einer Vielzahl von Mandatsakten. Am 2. August 2000 stellte deshalb der Antragsteller beim Landgericht Frankfurt (Oder) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Dem Antrag wurde entsprochen; dem Antragsgegner wurde mit Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. August 2000 aufgegeben, die im Eigentum des Antragstellers stehenden - im genannten Beschluss im Einzelnen aufgeführten - Mandatsakten an den Antragsteller herauszugeben. Nach Herausgabe erklärte der Antragsteller das einstweilige Verfügungsverfahren in der Hauptsache für erledigt und beantragte, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Dieser legte gegen die einstweilige Verfügung zwar Widerspruch ein, schloss sich aber der Erledigungserklärung bei gleichzeitiger Stellung eines widerstreitenden Kostenantrages an.

2.

Das Landgericht hat daraufhin mit dem angefochtenen Beschluss die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben und mit näherer Begründung ausgeführt, dass der Verfahrensausgang zum Zeitpunkt des Eingangs der letzten Erledigungserklärung ungewiss gewesen sei. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Beschluss verwiesen.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde und gegen die darin enthaltene Streitwertfestsetzung (42.000,00 DM) Streitwertbeschwerde eingelegt.

3.

Das gemäß § 91 a Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte, form- und fristgerecht (§§ 569, 577 ZPO) eingelegte und damit zulässige Rechtsmittel ist begründet.

Zu Unrecht ist das Landgericht im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu der Annahme gelangt, dass der Ausgang des Verfahrens ungewiss gewesen sei. Für diese im Rahmen des § 91 a ZPO gestellte Prognose bestand von vornherein kein Raum. Denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hätte zurückgewiesen werden müssen, weil der Antragsteller einen falschen Rechtsweg beschritten hatte.

Der beim Landgericht angebrachte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war von vornherein aussichtslos, da nicht nach § 13 GVG der Zivilrechtsweg, sondern gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet war. Denn vorliegend hatte der Antragsteller im Rahmen des Verfügungsverfahrens gegen den Antragsgegner aus einem zwischen den Parteien bis zum 31. August 2000 bestehenden Dienstverhältnis resultierende Ansprüche auf Herausgabe dieser Mandatsakten geltend gemacht. Dieses Dienstverhältnis ist als Arbeitsverhältnis einzustufen; der Antragsgegner erbrachte seine Dienstleistung im Rahmen einer von dem Antragsteller vorgegebenen Arbeitsorganisation, innerhalb derer er hinsichtlich der Zeit, der Dauer und des Ortes der zu erbringenden Dienstleistung der Weisungsbefugnis des Antragstellers unterworfen war. Der Antragsgegner war deshalb Arbeitnehmer, auf jeden Fall aber eine arbeitnehmerähnliche Person, weil er gegenüber dem Antragsteller Dienstleistungen auf Grund eines Vertrages erbrachte und wegen seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem Antragsteller wie ein Arbeitnehmer sozial schutzwürdig war. Der Umstand, dass er sich als "freier Mitarbeiter" bezeichnete, stand dieser arbeitnehmerähnlichen Stellung nicht entgegen, weil allein entscheidend ist, dass er tatsächlich weitgehend von dem Antragsteller abhängig und in seinem sozialen Status nach dem Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung einem Arbeitnehmer vergleichbar war (vgl. OLG München MDR 1999, 1412; LArbG Frankfurt ArbuR 1996, 415 ff; Germelmann, ArbGG, 3. Aufl. § 5 Rn. 20). Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat deshalb auch das Arbeitsgericht Frankfurt/Oder, vor dem der Antragsgegner seinen Anspruch auf rückständige Vergütung geltend gemacht hat, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.

Ausgehend von dieser Sach- und Rechtslage erklärten vorliegend die Parteien die Hauptsache vor einem unzuständigen Gericht übereinstimmend für erledigt, so dass dieses über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden hatte (§ 91 a Abs. 1 ZPO).

Die Frage, ob bei der hierfür ausschlaggebenden Beurteilung der Erfolgsaussicht des Verfügungsverfahrens allein auf die fehlende Zuständigkeit des angerufenen Gerichts abzustellen ist oder auf den voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens nach Verweisung an das zuständige Gericht, wird in der Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert. So stellen Lindacher (MünchKomm-ZPO, § 91 a Rn. 51) und das Oberlandesgericht Stuttgart (MDR 1989, 1000) auf den voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens nach Verweisung an das zuständige Gericht ab, wobei die Berücksichtigung einer nur hypothetischen Verweisung im Wesentlichen damit begründet wird, dass in nahezu allen Fällen nach einem entsprechenden Hinweis Verweisung beantragt werde. Die überwiegende Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (OLG Frankfurt, MDR 1981, 676; OLG München OLGZ 1986, 67, 69; OLG Hamm NJW-RR 1994, 828; Becht MDR 1990, 121; Schellhammer, Zivilprozessrecht, 5. Aufl., Rn. 1706; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 91 a Rn. 139) stellt dagegen allein auf die Unzuständigkeit des Gerichts ab. Ist ein solches angerufen worden, sollen dem Antragsteller (bzw. Kläger) die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden.

Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Ansicht an, nach der die Erfolgsaussicht einer Klage schon deshalb zu verneinen ist, weil sie vor einem unzuständigen Gericht erhoben wurde (ebenso Brbg. OLG, NJW-RR 1996, 955). Für diese Ansicht spricht entscheidend der Gesetzeswortlaut, wonach Grundlage der zu treffenden Kostenentscheidung der bisherige Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigungserklärung ist. Dieser Umstand schließt es aus, in die Beurteilung auch den hypothetischen Verlauf eines Prozesses nach Erteilung eines gerichtlichen Hinweises auf die Unzuständigkeit und entsprechendem Verhalten des Klägers einzubeziehen. Wenn das OLG Stuttgart (in MDR 1989, 1000) darauf verweist, dass im Rahmen der zu treffenden Entscheidung auch eine Prognose über das voraussichtliche Ergebnis zu stellen ist, und daraus die Schlußfolgerung zieht, dass auch das unzuständige Gericht zu bewerten habe, welche Partei verloren hätte, wenn der Prozess nach Verweisung an das zuständige Gericht fortgesetzt worden wäre, verkennt es den Zweck des § 91 a ZPO. Danach ist eine Kostenentscheidung auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes durch das angerufene Gericht zu treffen, das aber wegen der Unzulässigkeit des Rechtsweges weder bei einer Fortsetzung des Verfahrens vor ihm noch in einer Prognoseentscheidung für den Fall der Verweisung über Rechtsfragen entscheiden darf, die nicht in seine Zuständigkeitskompetenz fallen. Bei dieser Sach- und Rechtslage war deshalb der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) nach Maßgabe obiger Entscheidungsformel abzuändern.

4.

Zu der gleichzeitig erhobenen Streitwertbeschwerde, über die das Landgericht bisher - keine Abhilfeentscheidung getroffen hat, bemerkt der Senat: Die vom Landgericht - ersichtlich in Befolgung der Anregung des Antragstellers - vorgenommene Festsetzung des Streitwertes auf 1.500,00 DM pro Mandatsakte, mithin bei 28 Akten auf 42.000,00 DM, ist nicht nachzuvollziehen. Der Wert der Akten richtet sich insbesondere nicht nach dem Wert sich evtl. aus den Akten ergebender Honoraransprüche. Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Geltendmachung von Honoraransprüchen des Antragstellers gegen den Antragsgegner. Beiden Parteien ging es vielmehr darum, die Weiterbearbeitung der Angelegenheiten zu gewährleisten, so dass gemäß § 6 ZPO der objektive Verkehrswert maßgebend ist, wie der Beschwerdeführer mit Recht hervorhebt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 500,00 Euro.

Ende der Entscheidung

Zurück