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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 24.08.2005
Aktenzeichen: 15 UF 144/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1569
BGB § 1573 Abs. 2
BGB § 1574
BGB § 1579
BGB § 1606 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

15 UF 144/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Richter am Oberlandesgericht ... den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

am 24. August 2005

beschlossen:

Tenor:

Der Antragstellerin wird die für den zweiten Rechtszug beantragte Prozesskostenhilfe versagt.

Gründe:

Die von der Antragstellerin beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist ihr zu versagen, da die beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Nauen vom 9.5.2005 - 23 F 93/03 - aus den im wesentlichen Kern zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Das Amtsgericht hat der derzeit arbeitslosen Antragstellerin ein fiktives Erwerbseinkommen zugerechnet, durch das sie ihren angemessenen nachehelichen Unterhaltsbedarf in vollem Umfang selbst zu decken in der Lage ist. Das hält einer rechtlichen Überprüfung durch den Senat stand.

Dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit der Ehegatten für die Deckung ihres Unterhaltsbedarfs gemäß § 1569, 1573 Abs. 2, 1574 BGB folgend ist die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit nicht an Hand des tatsächlichen Einkommens des Bedürftigen sondern seiner Arbeits- und Erwerbsfähigkeit zu beurteilen. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte zur Bedarfsdeckung nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und eine ihm mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben (§ 1577 Abs. 1 BGB), soweit dem -wie hier- keine besonderen Umstände, wie z. B. Kinderbetreuung, Krankheit oder Alter entgegenstehen. Kommt er dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, muss er sich so behandeln lassen, als ob er ein Einkommen, das er bei gutem Willen erzielen könnte, auch tatsächlich hätte.

So liegt der Fall hier.

Zu Recht hat das Amtsgericht der Antragstellerin bei der Beurteilung ihrer Bedürftigkeit fiktive Erwerbseinkünfte unterstellt, da bereits die ehelichen Lebensverhältnisse durch ihre Erwerbseinkünfte geprägt waren und die von der Antragstellerin behaupteten Bewerbungen den quantitativen als auch qualitativen Anforderungen an eine gehörige Erwerbsbemühung nicht genügen. Die von der Antragstellerin vorgelegten Bewerbungen lassen nicht erkennen, dass sie sich auf konkrete Stellenangebote beworben hat. Ohne konkreten Bezug auf eine die Darstellung des eigenen beruflichen Werdeganges, die eigene berufliche Qualifikation und Vortätigkeiten sind sie inhaltlich nicht geeignet, eine ernsthafte Erwerbsbemühung darzustellen.

Soweit die Antragstellerin in ihren Berufungsentwurf die Ansicht vertritt, dass an das "Layout" von Bewerbungen für Produktionstätigkeiten nicht dieselben Anforderungen gestellt werden könnten als bei Bewerbungen für "qualifiziertere" Arbeitsaufgaben, kann dies dahinstehen. Gerade in Zeiten höherer Arbeitslosigkeit ist von dem Arbeitssuchenden, der sich ernsthaft um eine Anstellung bemüht, zu erwarten, dass er - selbst im Geringverdienerbereich - seine Bewerbung besonders ansprechend gestaltet und individuell auf eine konkret beworbene Stelle ausrichtet, da gerade bei einem den Bedarf übersteigenden Angebot von Bewerbungen nicht damit zu rechnen ist, dass formelhafte Standardtexte beachtet werden.

Nach all dem ist bei der Bedarfsberechnung der Antragstellerin von einem fiktiv anzurechnenden Nettoeinkommens auszugehen, dass der Senat angesichts der bei der Akte befindlichen Einkommensbelege aus ihrer vorangegangenen Erwerbstätigkeit mit 1.300,- € schätzen konnte. Dabei hat der Senat an ihre monatlichen Bruttoeinkünfte im Kalenderjahr 2003 angeknüpft und die für 2005 zu erwartenden Steuern sowie Sozialabgaben abgesetzt.

Diese fiktiven Einkünfte der Antragstellerin sind der Bedarfsberechnung zugrunde zu legen (vergleiche hierzu Palandt/Brudermüller, BGB-Kommentar, 63. Auflage, Rndnr.21 zu § 1573; Rndnr.4 zu § 1578 m.w.N.).

Weiterhin sind hiervon bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs nach Abzug pauschaler berufsbedingter Aufwendungen von 5% ein Erwerbstätigenbonus in Höhe von 10% (vergleiche hierzu Ziffer 10. 2.1, 15.2 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgericht) sowie der Tabellenunterhaltsbetrag für das gemeinsame minderjährige Kind ... in Abzug zu bringen. Ebenso wie die Aufwendungen für die Betreuung hat auch der für das Kind aufzubringende Barunterhalt die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt.

Mithin ergibt sich bis zum 30.06.2005 ein Einsatzbetrag in Höhe von 776,20 € nach folgender Berechnung:

- fiktives Erwerbseinkommen 1.300,00 €

- abzüglich pauschale berufsbedingte Aufwendungen: 65,00 €

- abzüglich Erwerbstätigenbonus: 123,50 €

- abzüglich Tabellenunterhaltsbetrag Kindesunterhalt: 284,00 €

Einsatzbetrag: 827,50 €

Wegen der Änderung des Regelbetrages vermindert sich dieser Einsatzbetrag ab 01.07.05 auf 820,50 €.

Selbst wenn zu Gunsten der Klägerin unterstellt würde, dass diese sich den Vortrag des Beklagten bezüglich seines unbereinigten Nettoeinkommens von monatlich 1.638,00 € zu eigen macht und die Zahlungsverpflichtungen des Beklagten aus dem Kreditvertrag vom 08.02.00 vollkommen unberücksichtigt blieben, würde dem allemal folgendes anrechenbares Einkommen des Beklagten bis 30.0 gegenüberstehen:

- Nettoeinkommen: 1.638,00 €

- abzgl. 5% pauschale berufsbedingte Aufwendungen: 81,50 €

- abzgl.10% Erwerbstätigenbonus: 155,61 €

- abzgl Tabellenunterhaltsbetrag für das minderjährige Kind ...: 227,00 €

- Betreuungsbonus für das gemeinsame minderjährige Kind ...: 324,00 €

Einsatzbetrag: 849,89 €

Wegen der Änderung des Regelbetrages vermindert sich dieser Einsatzbetrag ab 01.07.05 auf 835,89 €.

Die Unterhaltspflicht gegenüber einem vor der Scheidung geborenen nichtehelichen Kind des Beklagten ist auch dann zu berücksichtigen, wenn es nach der Trennung geboren wurde (BGH, FamRZ 2000, 1492; Wendel/Staudigl, das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 6. Auflage,. Rndnr. 189 zu § 4 m.w.N.). Für die Berechnung des Ehegattenunterhalts kommt es auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung an.

Dabei ist es unbeachtlich, inwiefern der insoweit zum Unterhalt verpflichtete Beklagte die prägenden Unterhaltsaufwendungen durch Betreuung oder Barunterhalt leistet. Angesichts der gemäß § 1606 Abs. 3 BGB gegebenen Gleichwertigkeit zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt ist es sach- und interessengerecht, die dem Barunterhalt gleichwertigen Betreuungsaufwendungen bei der Bedarfsbemessung zu berücksichtigen. Es kann insoweit nicht angehen, dass lediglich der Barunterhalt, nicht jedoch die Betreuungsaufwendungen des Beklagten in Höhe des fiktiven Barunterhalts trotz seiner vollschichtigen Erwerbstätigkeit Berücksichtigung findet.

Gleiches trifft für die Unterhaltsleistung des Beklagten für den gemeinsamen Sohn ... zu. Auch hier ist dem Beklagten ein Betreuungsbonus in Höhe des Tabellenbetrages seiner fiktiven Barunterhaltspflicht anzurechnen.

Mithin ergibt sich bis Juni 2005 ein Unterhaltsbedarf der Klägerin in Höhe von 838,70 € [(827,50 € + 849,89 €): 2]. Nach Abzug des anrechenbaren Einkommen der Beklagten in Höhe von 827,50 € verbleibt ein Betrag von 11,20 € der zum Ausgleich der Einkommensdifferenz erforderlich wäre.

Ab Juli 2005 beträgt ihr Unterhaltsbedarf 828,20 [(820,50 € + 835,89 €): 2], der bis auf einen Rest von 7,70 € durch ihre anrechenbaren Einkünfte gedeckt ist.

Ein Anspruch der Antragstellerin auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB scheidet nach Sinn und Zweck dieser Norm somit aus.

Dem Ehegatten soll hierdurch im wesentlichen die Erhaltung des ehelichen Lebensstandards gesichert werden. Aus dem Grundsatz der primären Eigenverantwortung, folgt jedoch, dass geringfügige Einkommensunterschiede, die lediglich zu einem Unterhaltsanspruch unter 50,- € führen, nicht auszugleichen sind (OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 947).

Nach alldem erübrigt sich auch ein näheres Eingehen darauf, ob aufgrund der nunmehr zwei Jahre andauernden Beziehung der Antragstellerin zu ihrem Lebensgefährten von einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1579 BGB auszugehen ist oder nicht.

Ende der Entscheidung

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