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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.03.2006
Aktenzeichen: 15 WF 103/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1632 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Prozesskostenhilfe verweigernde Beschluss des Amtsgerichts Rathenow vom 19. Februar 2006 (AZ: 5 F 385/05) wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die Begründung des Amtsgerichts trägt die Ablehnung der nachgesuchten Prozesskostenhilfe nicht. So ist es schon nicht zutreffend, dass eine etwaige Verbleibensanordnung in das - anderweitig geführte - Sorgerechtsverfahren eingriffe. Beide Verfahrensgegenstände haben unmittelbar nichts miteinander zu tun, wie der BGH in mehreren Entscheidungen klargestellt hat (vgl. BGH NJW 2005, 2149; 2000, 219). Darauf geht es auch zurück, dass Pflegeeltern, die Rechte nach § 1632 Abs. 4 BGB geltend machen, am Sorgeverfahren nicht zu beteiligen sind und ihnen dort auch kein eigenes Beschwerderecht zusteht (BGH aaO.).

Prozesskostenhilfe darf den Antragstellern auch nicht mit der Begründung verweigert werden, eine etwaige Verbleibensanordnung sei verfrüht beantragt, weil noch niemand - weder tatsächlich noch rechtlich - in die durch § 1632 Abs. 4 geschützten Rechte eingegriffen habe.

Meist ist es zwar richtig, dass Rechtsschutz nur nachgesucht werden kann, wenn ein Eingriff in (eigene) geschützte Rechtsgüter bereits erfolgt ist; vorher besteht i.d.R. kein Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme der Gerichte. Dies gilt indes nicht uneingeschränkt. So kennt das Recht u.a. den unter bestimmten Voraussetzungen gegebenen vorbeugenden Unterlassungsanspruch gegen konkret und akut drohende Rechtsverletzungen, etwa in Form der Sicherungsverfügung, insbesondere z.B. den Arrest.

Die hierzu geltenden Grundsätze müssen dann entsprechend angewendet werden, wenn einer Partei vom Gesetz ein Abwehrrecht gegen eine mögliche Veränderung der tatsächlichen oder der Rechtslage ausdrücklich zur Verfügung gestellt wird. So liegt der Fall im Rahmen von § 1632 Abs. 4 BGB. Es ist nicht Ziel dieser Vorschrift, die auf die Wahrung der Kindesinteressen unter Kindeswohlgesichtspunkten abzielt, dem Kind dieses Schutzinstrument etwa erst nachträglich, wenn eine Herausnahme aus der Pflegefamilie erfolgt ist, zur Verfügung zu stellen. Ein sonst evtl. eintretender bzw. zu befürchtender Aufenthaltswechsel aus der Pflegefamilie zum Sorgeberechtigten und der - im Falle, dass der Verbleibensantrag Erfolg hätte - alsbaldige Rückkehr in die Pflegefamilie sind mit dem Kindeswohl meist gar nicht oder allenfalls schwer in Übereinstimmung zu bringen. Dafür spricht auch der Wortlaut des Gesetzes, der von einem 'Verbleib' ausgeht und nicht von einer etwaigen 'Rückführung'. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 1632 Abs. 4 ZPO ist daher stets gegeben, wenn mit einiger Wahrscheinlichkeit entweder mit einer Kindesherausgabeanordnung eines Gerichts in einem anderen Verfahren oder mit tatsächlichem Verhalten eines - derzeit oder konkret erwartet künftigen - Sorgerechtsinhabers ernsthaft zu rechnen ist (vgl. Staudinger-Salgow, 12. Aufl., § 1632 Rdnr. 76; MünchKommBGB/Hinz, § 1632, Rdnr. 20; so im Ergebnis auch: OLG Naumburg, FamRZ 2002, 1274).

So ist der Fall nach Aktenlage hier zu beurteilen. Das Amtsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung deutlich gemacht, dass es den 'Elternrechten' eine starke Bedeutung beimisst, wogegen grundsätzlich nichts zu erinnern ist. Gerade indem das Amtsgericht - wenngleich fälschlich - eine rechtliche Verknüpfung zwischen dem Sorgeverfahren und dem hier in Rede stehenden Antrag (im Sinne einer Vorgreiflichkeit) angenommen hat, hat es zugleich deutlich gemacht, dass die dem Antrag zugrundeliegende Annahme der antragstellenden Pflegeeltern nicht weit hergeholt ist, es könne bereits in der kommenden Woche eine, evtl. sogar gerichtlich angeordnete, Herausgabeverpflichtung oder die tatsächliche Beendigung der Familienpflege durch die dann ggf. wieder allein sorgeberechtigte Kindesmutter anstehen. Dies genügt für das - in jedem Verfahren erforderliche - Rechtsschutzbedürfnis, so dass der Antrag, für den um Prozesskostenhilfe nachgesucht ist, weder verfrüht, noch sonst unzulässig ist.

Ggf. ist das Familiengericht zudem gehalten, die von den Pflegeeltern vorgetragenen Gründe im Rahmen der Amtsermittlung auch schon im Sorgeverfahren zu berücksichtigen, und zwar völlig unabhängig davon, ob die Pflegeeltern am Sorgeverfahren beteiligt sind. Darüber hinaus kann und muss das Amtsgericht, wenn es im Sorgeverfahren nicht zu einer gesicherten anderweitigen Erkenntnis kommt, über eine eventuelle Anordnung auf Herausgabe des Kindes an die Kindesmutter zumindest zeitgleich über den Verbleibensantrag der Pflegeeltern entscheiden. Auch dann aber, wenn eine Herausgabeanordnung im Sorgeverfahren nicht anstehen sollte, wird das Amtsgericht sich - zeitgleich - mit der Frage zu befassen und sie zu entscheiden haben, wie sich eine Sorgeentscheidung, mit der etwa der Kindesmutter (oder den Kindeseltern) die alleinige, unbeschränkte elterliche Sorge für das 2 1/2 -jährige Kind zurückübertragen wird, tatsächlich auf die Pflegeeltern und das (derzeitige) Pflegekind auswirken kann und wird. Immerhin ist nicht auszuschließen, dass der oder die (künftigen) Inhaber des Sorgerechts den Pflegevertrag sogleich kündigen, mindestens aber die sofortige Herausnahme aus der Familienpflege tatsächlich betreiben und sich unter Berufung auf die Sorgeentscheidung hierzu auch staatlicher Machtinstrumente wie etwa der Polizei bedienen, im Kindergarten die Sorgeentscheidung vorzeigen und das Kind mitnehmen etc. Dies muss jedenfalls so lange, wie es mit einer etwaigen Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB in Widerspruch stehen oder geraten könnte, so weit es irgend geht vermieden werden.

Angesichts der vorstehenden Gründe kann die Entscheidung des Amtsgerichts, mit der den Antragstellern die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert wurde, keinen Bestand haben. Aus seiner Sicht folgerichtig hat das Erstgericht die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgenommen; diese Prüfung bleibt ihm im Rahmen der neu zu treffenden PKH-Entscheidung vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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