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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 03.03.2005
Aktenzeichen: 2 Ss 10/05
Rechtsgebiete: AO, StGB, StPO


Vorschriften:

AO § 370
AO § 370 Abs. 1
AO § 370 Abs. 3
AO § 370 Abs. 3 Nr. 2
StGB § 54 Abs. 2 Satz 2
StGB § 243 Abs. 2
StGB § 263 Abs. 3 Nr. 4
StGB § 263 Abs. 4
StGB § 264 Abs. 2 Nr. 2
StGB § 267 Abs. 3 Nr. 4
StPO § 352 Abs. 1
StPO § 354 Abs. 1a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

2 Ss 10/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Strafverfahren

hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 03. März 2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 07. Juni 2004 im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der zwei verhängten Einzelstrafen zu je 6 Monaten Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung und hinsichtlich der Gesamtfreiheitsstrafe mit den dazu gehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Frankfurt (Oder) verurteilte den Angeklagten, einen stellvertretenden Inspektionsleiter des BGS zunächst in ... und später in ..., unter Freisprechung im Übrigen wegen des Geheimnisverrats in 8 Fällen, des unbefugten Verschaffens personengebundener Daten in 3 Fällen, der Steuerhinterziehung in 24 Fällen und des Gebrauchs einer gefälschten Urkunde in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung sowie zu 3 Geldbußen von je 100 . Zum Vorwurf der Steuerhinterziehung in 24 Fällen traf es folgende Feststellungen (UA S. 7, 14):

"Ende 1998 kam der Angeklagte B... mit seinen Bekannten, den Eheleuten R.... und C... G... überein, ihnen in regelmäßigen Abständen in Polen erworbene Zigaretten zum Preis von 25,00 DM pro Stange zu schicken. Der Angeklagte erwarb von Januar bis Juni 1999 bei 24 Gelegenheiten jeweils 1 Stange Zigaretten in Polen zu diesem Zweck.

Bei mindestens 2 Gelegenheiten fuhr er in Begleitung der Zeugin L... ..., die zu dieser Zeit als Kraftfahrerin und Dolmetscherin bei dienstlichen Fahrten im polnischen Grenzschutz fungierte, im Dienstfahrzeug und in Dienstuniform über die Grenze und erwarb dort in einer Bar jeweils 1 Stange Zigaretten, die er bei der Rückkehr aus Polen nicht dem Zoll gestellte, sondern im Fahrzeug so verwahrte, dass sie im Falle eventueller Kontrolle nicht gleich sichtbar war. ...

Die erworbenen Zigarettenstangen sammelte er und schickte den Zeugen G... 4 Päckchen, in denen sich einmal 12 Stangen, einmal 2 Stangen, einmal 4 Stangen und einmal 6 Stangen befanden. Die Familie G... überwies ihm nach Erhalt den jeweils vereinbarten Geldbetrag zuzüglich der Versandkosten. ...

Durch die Handlungen wurden jeweils Eingangsabgaben bezogen auf 200 Stück Zigaretten hinterzogen (Zoll 10,94 DM, Tabaksteuer 29,42 DM, Einfuhrumsatzsteuer 9,01 DM)."

Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein, die er später bezüglich des Geheimnisverrats und des unbefugten Verschaffens von Daten auf den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch sowie hinsichtlich der Steuerhinterziehung in 24 Fällen auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte.

Auf seine Berufung sprach die 5. kleine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) den Angeklagten vom Vorwurf des Gebrauchens einer falschen Urkunde in Tateinheit mit Steuerhinterziehung frei. Unter Verwerfung der weitergehenden Berufung verurteilte sie den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung sowie zu 3 Geldbußen zu je 100 . Als Einzelstrafen verhängte sie für zwei Fälle der Steuerhinterziehung jeweils 6 Monate Freiheitsstrafe und im Übrigen ausschließlich Geldstrafen. Zu den genannten zwei Einzelfreiheitsstrafen führt das Berufungsurteil aus (UA S. 22):

"In den 2 Fällen, in denen er in Begleitung der Zeugin L... im Dienstfahrzeug und in Dienstuniform über die deutsch-polnische Grenze nach Polen eingereist (ist), ... ist der Strafrahmen des § 370 Abs. 3 (AO) zu Grunde zu legen, der Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vorsieht. Der Angeklagte handelte hierbei unter Ausnutzung seiner Amtsstellung gemäß § 370 Abs. 3 Nr. 2 AO, indem er bei der Einreise unter Mitführung jeweils einer Stange Zigaretten in Dienstuniform und im Dienstfahrzeug erschien und die Ware ebenfalls nicht gestellte, in dem Bewusstsein, als BGS-Bediensteter in Uniform nicht kontrolliert zu werden. Damit hat er seine Stellung als Amtsträger zur Begehung der Steuerhinterziehung missbraucht."

In Anbetracht der seit Tatbegehung vergangenen Zeit, des geringen Schadens und des Umstandes, dass der Angeklagte unbestraft ist, hielt die Strafkammer die genannte Mindeststrafe von jeweils 6 Monaten für ausreichend.

II. Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Ausweislich seiner insoweit eindeutigen Revisionsanträge und ihrer Begründung soll diese Revision sich nur auf die Verurteilung in den zwei Fällen der Steuerhinterziehung unter Anwendung des Strafrahmens nach § 370 Abs. 3 AO erstrecken. Gemäß § 352 Abs. 1 StPO hatte sich der Senat daher in seiner Prüfung auf diese beiden Vorwürfe zu beschränken. Ferner sind insoweit auf Grund der bereits vorausgegangenen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch die tatsächlichen Feststellungen und der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen, so dass Gegenstand der Revision einzig die Frage der Anwendung des Strafrahmens des § 370 Abs. 3 AO und die Bildung der Gesamtstrafe waren.

Der Revisionsführer ist dabei in Übereinstimmung mit der Generalstaatsanwaltschaft der Auffassung, die Voraussetzungen des § 370 Abs. 3 Nr. 2 AO lägen nicht vor.

III. Bei der Vorschrift des § 370 Abs. 3 Nr. 2 AO handelt es sich um eine Strafzumessungsvorschrift unter Verwendung der sog. Regelbeispielstechnik. Danach liegt ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung in der Regel vor, wenn der Täter "seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht". Ähnliche Bestimmungen finden sich beispielsweise in den §§ 263 Abs. 3 Nr. 4, 264 Abs. 2 Nr. 2 oder 267 Abs. 3 Nr. 4 StGB.

Ein Missbrauch der Befugnisse setzt in diesem Zusammenhang voraus, dass der Amtsträger im Rahmen einer Diensthandlung vorgeht, für deren Vornahme er zuständig ist (vgl. Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, 26. Aufl., § 264 Rn. 76). Diese Konstellation liegt hier nicht vor, da der Angeklagte nach den Feststellungen zum Tatzeitpunkt nicht selber die Zollkontrolle vornahm oder darüber gebot.

Aber auch ein Missbrauch der Amtsstellung liegt nach Auffassung des Senates nicht vor, wenn ein BGS-Beamter außerhalb seiner unmittelbaren Zuständigkeit Waren schmuggelt und ihm dies allein auf Grund seiner Zugehörigkeit zum BGS leichter fällt (vgl. Erbs/Kohlhaas- Senge, § 370 AO Rn. 89, LG Dresden NStZ-RR 1999, 371 f.). Ein solcher Missbrauch der Amtsstellung käme nur dann in Betracht, wenn der Täter die Tat unter Ausnutzung der ihm durch sein Amt verliehenen Möglichkeiten begeht (Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, a.a.O.). Überträgt man dies auf den vorliegenden Sachverhalt, so müsste der Angeklagte die Grenz- und Zollkontrolle im Hinblick daraufhin unkontrolliert passiert haben, dass er als Amtsträger grundsätzlich keiner Kontrolle unterliegt. Das hat das Amtsgericht indes nicht festgestellt und vielmehr hervorgehoben, der Angeklagte habe die Zigaretten im Fahrzeug versteckt. Dass ihm die Tat möglicherweise auf Grund des Umstandes, dass er als hochrangiger Grenzschutzbeamter bekannt war, leichter fiel, genügt hingegen nicht. Denn das Ausnutzen dieses Umstandes ist kein Ausnutzen einer durch das Amt verliehenen Möglichkeit, sondern einer menschlich nachvollziehbaren Nachsichtigkeit bei der Kontrolle von Kollegen.

Zutreffend weist die Revision in diesem Zusammenhang darauf hin, der Angeklagte wäre auch beim Auftreten außerhalb der Dienstzeit und in Zivil zweifellos allein auf Grund seiner Bekanntheit von seinen an der Grenze Diensttuenden Kollegen in gleicher Weise bevorzugt worden.

Ein besonders schwerer Fall verböte sich nach Auffassung des Senats darüberhinaus aber auch angesichts des geringen Schadens. Zwar fehlt in § 370 AO ein Ausschluss des besonders schweren Falles im Falle geringer Steuerschäden, wie er sich beispielsweise für den vergleichbaren Fall des § 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB in § 263 Abs. 4 i.V.m. § 243 Abs. 2 StGB findet. Gleichwohl ist der Rechtsgedanke, dass die für den besonders schweren Fall notwendige besondere Schuldschwere regelmäßig fehlt, wenn es um eine nur geringwertige Beute geht, auch für § 370 AO entsprechend heranzuziehen. Denn auch für die Steuerhinterziehung ist die Höhe des hinterzogenen Steuerbetrages eine bedeutsame, wenn nicht sogar die wichtigste Strafzumessungstatsache überhaupt. Der Steuerschaden, den der Angeklagte in jedem der beiden Fälle verursachte, lag aber nach den Feststellungen des Amtsgerichts unter 50 DM und ist somit als geringwertig anzusehen.

Danach können die Einzelstrafen von je 6 Monaten Freiheitsstrafe keinen Bestand haben, weil sie rechtsfehlerhaft dem Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO entnommen wurden. Darauf beruht auch das Urteil, denn der Umstand, dass für die übrigen Fälle der Steuerhinterziehung nur jeweils 15 Tagessätze Geldstrafe verhängt wurden, lässt es als naheliegend erscheinen, dass die Strafkammer bei Anwendung des Strafrahmens des § 370 Abs. 1 AO jedenfalls nicht zu einer Freiheitsstrafe gelangt wäre. Damit aber wäre nach § 54 Abs. 2 Satz 2 StGB auch keine Gesamtfreiheits-, sondern vielmehr eine Gesamtgeldstrafe zu bilden gewesen.

IV.

Obschon damit grundsätzlich eine Konstellation vorliegt, wie sie § 354 Abs. 1a StPO voraussetzt, sah sich der Senat dennoch entgegen des Antrages der Generalstaatsanwaltschaft an einer eigenen Sachentscheidung gehindert. Denn weder Amts- noch Landgericht haben für die von ihnen ausgesprochenen Einzelgeldstrafen eine Tagessatzhöhe bestimmt und zudem keine ausreichenden Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen des Angeklagten getroffen. Vor diesem Hintergrund wäre es dem Senat unmöglich, die vermutlich zu verhängenden Einzelgeldstrafen und eine Gesamtgeldstrafe zu bilden.

Die Sache war daher zu ergänzenden Feststellungen an eine andere Strafkammer zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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