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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.01.2007
Aktenzeichen: 2 Ss 88/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 318 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StPO § 460 | |
StGB § 55 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
2 Ss 88/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Strafsache
wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Pisal, den Richter am Oberlandesgericht Grepel und die Richterin am Landgericht Prüfer
am 9. Januar 2007
gemäß § 349 Abs. 4 StPO
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. August 2006 mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Kammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Mit Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 30. August 2005 ist der Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen jeweils zu Einzelfreiheitsstrafen von drei Monaten verurteilt worden, aus denen das Amtsgericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten gebildet und deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Am 10. November 2005 erließ das Amtsgericht Fürstenwalde - 1 Cs 284 Js 30752/05 (696/05) - gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen Nötigung, in welchem es auf eine Freiheitsstrafe von vier Monaten erkannte, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Strafbefehl ist seit dem 28. Juni 2006 rechtskräftig.
Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat auf die Berufung der Staatsanwaltschaft, die diese zunächst auf den Rechtsfolgenausspruch und im Hauptverhandlungstermin vom 25. Januar 2006 auf die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt hatte, mit Urteil vom 21. August 2006 das gegen den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen ergangene Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 30. August 2005 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 10. November 2005 - 1 Cs 284 Js 30752/05 (696/05) - hat die Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt, deren Vollstreckung sie nicht zur Bewährung ausgesetzt hat.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger Revision eingelegt und diese nach Zustellung der Urteilsgründe am 15. September 2006 mit einem am 16. Oktober 2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet, in dem er die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt.
II.
Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel ist als Revision zulässig (§ 335 Abs. 1 StPO) und hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil hält der aufgrund der erhobenen Sachrüge veranlassten Überprüfung im Revisionsverfahren nicht stand.
1. Durch die wirksame Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung war der Kammer eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 10. November 2005 - 1 Cs 284 Js 30752/05 (696/05) - verwehrt.
a. Zu Recht ist die Kammer davon ausgegangen, die Staatsanwaltschaft habe ihre Berufung im Hauptverhandlungstermin vom 25. Januar 2006 wirksam auf die Bewährungsentscheidung beschränkt.
Ob die Voraussetzungen einer wirksamen Rechtsmittelbeschränkung gegeben sind, hat das Rechtsmittelgericht von Amts wegen zu prüfen. Eine Beschränkung der Berufung ist zulässig, soweit der angefochtene Teil der Entscheidung einer selbständigen Prüfung und Beurteilung zugänglich ist (BGHSt 27, 70 m.w.N.). Dies gilt grundsätzlich auch für Teile des Rechtsfolgenausspruchs, insbesondere auch für die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung (BGH NStZ 1982, 285 m.w.N.). Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung ist jedoch, dass die für eine Aussetzung der Vollstreckung maßgeblichen Gesichtspunkte nicht so eng mit den Strafzumessungserwägungen verknüpft sind, dass das Rechtsmittel ausnahmsweise notwendig den ganzen Strafausspruch ergreift (BGH NStZ 1982, 285; KG NZV 2002, 240).
Im vorliegenden Fall ist die Beschränkung danach zulässig. Die Erwägungen zur Strafzumessung bezüglich der einzelnen Taten und auch zu der vom Amtsgericht vorgenommenen Gesamtstrafenbildung sind hier inhaltlich nicht so eng mit der Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung verbunden, dass diese nicht unabhängig davon geprüft werden könnte.
Auch eine Gesamtstrafenlage im Sinne des § 55 StGB, wie sie hier durch den zwischenzeitlich ergangenen Strafbefehl des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 10. November 2005 nach dem erstinstanzlichen Urteil entstanden ist, steht der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung nicht entgegen (HansOLG Beschluss vom 15. September 2004 - II-72/04 - bei juris). Die mit der Regelung des § 318 StPO gewährte Dispositionsfreiheit des Rechtsmittelführers erlaubt ihm die Beschränkung seines Rechtsmittels mit der Wirkung, dass die nicht angegriffenen Teile der Entscheidung in Rechtskraft erwachsen (KK-Ruß, StPO, 5. Auflage, § 318 Rdnr. 9 m.w.N.). Damit können in der neuen Instanz solche Tatsachen nicht mehr berücksichtigt werden, die zu den rechtskräftigen Feststellungen im Widerspruch stehen, sogar wenn die Feststellungen Fehler enthalten oder inzwischen anders zu werten wären.
Die neu entstandene Gesamtstrafenlage erfordert keine Korrektur zulasten der Dispositionsfreiheit des Rechtsmittelführers, weil die Bildung der Gesamtstrafe nach Rechtskraft der Entscheidung im Beschlusswege gemäß § 460 StPO nachträglich zu erfolgen hat (HansOLG Beschluss vom 15. September 2004 - II-72/04 - bei juris).
b. Die mit der wirksamen Beschränkung der Berufung eingetretene Teilrechtskraft hindert das Berufungsgericht hier an einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung.
Mit der Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ist der Schuldspruch mit den dazu gehörigen Feststellungen und sind die Einzelstrafen, aber auch die vom Amtsgericht gebildete Gesamtstrafe, in Rechtskraft erwachsen.
Diese horizontale Teilrechtskraft hat das Berufungsgericht zwar erkannt, wenn es in den Urteilsgründen von einer "an sich" rechtskräftigen Gesamtfreiheitsstrafe ausgeht (UA S. 7), jedoch rechtlich falsch bewertet, indem es dennoch unter Auflösung dieser Gesamtfreiheitsstrafe eine neue Gesamtstrafe unter Einbeziehung des Strafbefehls des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 10. November 2005 gebildet hat.
2. Dieser Rechtsfehler zwingt bereits zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den ihm zu Grunde liegenden Feststellungen, so dass es einer weiteren revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht bedurfte.
Der Senat weist aber für die erneute Verhandlung und Entscheidung darauf hin, dass das Berufungsgericht bei der Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung unter Berücksichtigung der in Rechtskraft erwachsenen Feststellungen des Amtsgerichts zu prüfen haben wird, ob die von der Verteidigung vorgetragenen Erwägungen betreffend den Suizidversuch des Sohnes des Angeklagten, zu dem bisher keine konkreten Feststellungen getroffen worden sind, Auswirkungen auf den Angeklagten gehabt haben, die für eine Strafaussetzung von Bedeutung sind.
Ende der Entscheidung
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