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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 2 U 16/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 85 Abs. 2 | |
ZPO § 233 | |
ZPO § 234 Abs. 1 | |
ZPO § 522 Abs. 1 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
2 U 16/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... sowie den Richter am Oberlandesgericht ...
am 22. Juni 2004
beschlossen:
Tenor:
1. Der Antrag der Klägerin vom 29. April 2004 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Januar 2004 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus - Az. 6 O 15/03 - wird verworfen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
4. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 6.035.469 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin macht gegen die beklagte kreisfreie Stadt als Rechtsnachfolgerin der im Zuge der kommunalen Neugliederung in die Beklagte eingegliederten Gemeinde G... einen Anspruch wegen des Scheiterns eines Investitionsvorhabens geltend.
Das Landgericht hat durch am 22. Januar 2004 verkündetes und der Klägerin am 28. Januar 2004 zugestelltes Urteil ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil aufrecht erhalten. Den Tatbestand des Urteils hat es nachfolgend durch Beschluss vom 25. März 2004 berichtigt. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin durch am 27. Februar 2004 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Auf ihren Antrag ist die Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des Senatsvorsitzenden bis zum 28. April 2004 verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist am 29. April 2004 bei Gericht eingegangen. Durch Schriftsatz von diesem Tage hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründung vor Fristablauf gefertigt und unterzeichnet. Er habe der langjährigen Mitarbeiterin des Sekretariats, Frau G... M..., die ihre Aufgaben - wie durch regelmäßige Kontrollen des Prozessbevollmächtigten erwiesen sei - fehlerlos und sorgfältig erfülle, die Anweisung gegeben, den Schriftsatz noch am 28. April 2004 an das Oberlandesgericht zu faxen, und sich dann zu einem auswärtigen Termin begeben. Die Frist sei auch im Fristenkalender notiert worden. Die Mitarbeiterin habe es jedoch entgegen der Einzelweisung versäumt, den Auftrag auszuführen. Dies habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erst in den späten Nachtstunden bemerkt und den Schriftsatz seinerseits - nach Mitternacht - an das Oberlandesgericht gefaxt.
II.
Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gemäß § 233 ZPO statthaft und auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden. Insbesondere ist die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt. Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch unbegründet.
Aus dem Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 29. April 2004 ergibt sich nicht, dass sie ohne ein Verschulden i.S.d. § 233 ZPO an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert war. Der Klägerin ist vielmehr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Es ist zumindest nicht ausgeräumt, dass ein anwaltlicher Sorgfaltsverstoß in Gestalt einer unzureichenden Organisation der Überwachung der Rechtsmittelfristen vorliegt.
Der Rechtsanwalt muss zur Wahrung von Rechtsmittelfristen eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, NJW 2002, 1577). Die Fristenkontrolle setzt voraus, dass Fristen zur Einlegung und Begründung von Rechtsbehelfen deutlich gekennzeichnet werden. Ferner hat der Prozessbevollmächtigte eine wirksame Ausgangskontrolle sicherzustellen, durch die gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass eine Frist im Fristenkalender erst dann als erledigt gekennzeichnet wird, wenn der Schriftsatz abgesandt oder zumindest postfertig gemacht ist (vgl. BGH NJW 2004, 668, 689; NJW 2000, 1957). Dass die Organisation der Fristenkontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin diesen Anforderungen genügt, ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Im Schriftsatz vom 29. April 2004 führt die Klägerin lediglich aus, die Frist sei im Fristenkalender notiert worden. Welche über die Führung eines solchen Kalenders hinausgehenden organisatorischen Maßnahmen zur Einhaltung von Fristen - insbesondere zur Ausgangskontrolle - getroffen worden sind, bleibt danach offen. Werden solche organisatorischen Vorkehrungen nicht mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung vorgetragen und glaubhaft gemacht, ist ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten zu vermuten und der Antrag auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen (vgl. BGH, NJW 2004, 688).
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass ihr Prozessbevollmächtigter eine Einzelanweisung erteilt habe, die von der ansonsten zuverlässigen Bürobediensteten missachtet worden sei. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass es beim Vorliegen einer konkreten Einzelanweisung auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht mehr entscheidend ankommt. Namentlich bei der Einzelweisung, einen bestimmten unterschriebenen Schriftsatz per Telefax an das Gericht zu senden, kommt es auf organisatorische Vorkehrungen zur Ausgangskontrolle dann nicht an, wenn der Schriftsatz aufgrund einer Verwechslung in Gestalt einer nicht unterzeichneten Abschrift übermittelt worden ist (BGH, NJW-RR 2003, 935). Anders ist die Sachlage nach der Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, jedoch zu beurteilen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. Insbesondere macht die Einzelweisung, einen bestimmten Schriftsatz sofort per Fax zu übermitteln, eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle nicht überflüssig. Es bleibt sinnvoll und notwendig, dass Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen (BGH, NJW 2004, 367).
So liegt der Fall auch hier. Vorliegend beschränkte sich die Einzelweisung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin an seine Mitarbeiterin nach dem klägerischen Vortrag darauf, den unterschriebenen Schriftsatz noch am selben Tage an das OLG zu faxen. Durch diese Weisung wurde der Mitarbeiterin lediglich der Zeitraum der Übermittlung und das Medium vorgegeben. Das Erfordernis einer Ausgangskontrolle ist hierdurch nicht gegenstandslos geworden. Auch bei der beabsichtigten Absendung eines Schriftsatzes per Telefax behalten die generellen Anforderungen an die Büroorganisation ihre Bedeutung. Bei einer sachgerechten Büroorganisation hätte die Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Erledigung der Frist im Kalender erst nach Absendung des Berufungsbegründung per Telefax und dem Eingang eines Sendeberichts vermerken dürfen. Sie hätte dazu angehalten werden müssen, im Wege einer Ausgangskontrolle vor Beendigung ihrer Tätigkeit die Erledigung der Frist abschließend zu kontrollieren (BGH, VersR 1999, 1303). Anders als bei der Versendung eines nicht unterschriebenen Schriftsatzes - wie im Fall BGH, NJW-RR 2003, 935 - hätte vorliegend durch eine Ausgangskontrolle das Versäumnis der Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor Fristablauf bemerkt werden müssen. Zu einer Fristversäumung wäre es dann nicht gekommen.
III.
Nach der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages ist die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Die Berufungsbegründungsfrist ist nach Verlängerung am 28. April 2004 abgelaufen. Der Eingang der Berufungsbegründung am 29. April 2004 war danach verspätet. Die Tatbestandberichtigung hat vorliegend keinen Einfluss auf den Lauf der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist (vgl. Zöller-Gummer/ Heßler, ZPO, 24. Auflage, § 517 Rdnr. 6; Zöller-Vollkommer, § 319 Rdnr. 25).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Zulassung der Rechtsbeschwerde bedurfte es nicht, da diese gemäß §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO auch ohne Zulassung statthaft ist. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
Ende der Entscheidung
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