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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.12.2003
Aktenzeichen: 2 U 25/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

2 U 25/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 16.12.2003

verkündet am 16.12.2003

In den Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2003 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Amtes wird das am 27. Februar 2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin - Az.: 3 O 158/02 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 955,80 € nebst 5 % Zinsen jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2002 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen das beklagte Amt 2/3 und der Kläger 1/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen, der Klage stattgebenden Urteils Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise insoweit Erfolg, als das Mitverschulden der Zeugin R... , das sich der Kläger anrechnen lassen muß, vom Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt worden ist.

Die Feststellungen des Landgerichts zur Frage der Aktivlegitimation des Klägers hat das beklagte Amt in der Berufungsinstanz nicht mehr konkret angegriffen. Seine allgemeine Verweisung auf den erstinstanzlichen Vortrag reicht im Hinblick auf das neue Berufungsrecht nicht aus, hierin einen zulässigen Berufungsangriff zu sehen. Selbst wenn man aber hier anderer Auffassung sein sollte, ist im Ergebnis die Aktivlegitimation des Klägers vom Landgericht zu Recht bejaht worden. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Amt in den Rechtskreis des Klägers eingegriffen hat. Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers ist zu verneinen. Die Beeinträchtigung der Gewerbetätigkeit darf nicht Folge der Verletzung anderweitiger Rechte oder Rechtsgüter sein, die einem Gewerbebetrieb nur mehr oder weniger zufällig zugeordnet und von diesem losgelöst denkbar sind. Die Verletzung eines Angestellten ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 7, 30, 36) nicht betriebsbezogen (vgl. auch MünchKomm, BGB. 3. Aufl. 1997, § 839 Rdnr. 230). Vielmehr ist davon auszugehen, daß dem Kläger die eingeklagte Forderung gegen das beklagte Amt nur zusteht, weil diese der Mitarbeiterin des Klägers, der Zeugin R... , zum Schadensersatz verpflichtet ist, und zwar ohne Berücksichtigung der Leistungen des Klägers an die Zeugin. Diese Leistungen, derentwegen der Kläger nun Ersatz fordert, hatte er nach dem Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzah-lungsgesetz) zu erbringen, was zwischen den Parteien nicht streitig ist. Dafür stehen ihm Ersatzansprüche aus übergegangenem Recht zu. Nach § 6 des genannten Gesetzes geht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls beanspruchen kann, der ihm durch die Arbeitsunfähigkeit entstanden ist, dieser Anspruch insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem Arbeitnehmer nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz Entgelt fortgezahlt und u. a. Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur Sozialversicherung, Pflegeversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung abgeführt hat (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Urteil vom 20.06.1974, Az. III ZR 27/73).

Für die Entscheidung des Rechtsstreites kann offenbleiben, ob die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche ihre Rechtsgrundlage in einer Verletzung der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Verkehrssicherungspflicht (§ 823 BGB) oder in der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) haben. In beiden Fällen geht, wie das Landgericht zu Recht ausführt, die Pflicht des Beklagten und der mit der Verkehrssicherung in dem Amtsgebäude befaßten Bediensteten dahin, das Gebäude so einzurichten, daß u. a. Besucher und Mitarbeiter von im Gebäude tätig werdenden Unternehmern vor vermeidbaren Gefahren und gesundheitlichen Schäden tunlichst bewahrt werden. Insbesondere hat das beklagte Amt die Pflicht, die Fußbodenbeläge in einem auch für den genannten Personenkreis möglichst gefahrlosen Zustand zu halten. Hierzu gehört es auch, aneinanderstoßende unterschiedliche Bodenbeläge so zu verbinden, daß eine ausreichende Trittsicherheit des Bodens gewährleistet ist.

Es ist nicht ersichtlich, daß das Landgericht aufgrund eines Verstoßes gegen denklogische Gesetze einen Verstoß des Beklagten gegen die Verkehrssicherungspflicht festgestellt hat. Bereits aus den zu den Akten gereichten Skizzen, die die Befestigung der Metallschiene wiedergeben und auf die Bezug genommen wird [Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 08.11.2002 (Bl. 64 bis 65 GA)], ergibt sich deutlich, daß die Mitarbeiter des beklagten Amtes die Verkehrssicherungspflicht verletzt haben. Eine zweigeteilte Metallschiene hätte in diesem Bereich nicht angebracht werden dürfen. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, hier eine durchgehende Schiene zu montieren. Erschwerend kommt hinzu, daß die unstreitige Nichtbefestigung der jeweiligen Stoßstelle der Schienenteile geradezu eine Falle für einen Fußgänger darstellte. Zu Recht hat das Landgericht auf die "Flexibilität" dieser Befestigungsart hingewiesen. Es bestand die große Gefahr, daß bei Betreten der Leisten - soweit dies nicht genau auf der Anstoßstelle erfolgte - sich diese an der Anstoßstelle hoben und ein Passant dann hieran hängenblieb.

Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, daß die Zeugin an der Schiene hängengeblieben ist. Auch der Senat hat bei Würdigung der Gesamtumstände, insbesondere im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, wonach ein Metallschienenteil nach dem Unfall hochgestanden hat, keinen Zweifel daran, daß der pflichtwidrig ausgestaltete Bereich der Schiene(n) ursächlich für den Sturz der Zeugin war. Entweder hat sich bei der Zeugin die vorstehend beschriebene Gefahr direkt verwirklicht oder sie ist an der bereits 3 - 5 cm in die Höhe ragenden Metallschiene hängengeblieben, weil sich das dargelegte Risiko des "Verhakens" schon zuvor bei einem Dritten realisiert hatte.

Auch wenn davon ausgegangen werden sollte, daß die Zeugin wegen der bereits hochragenden Metallschiene gestürzt wäre, könnte eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht verneint werden. Auch in diesem Fall hätte keine für jedermann ohne weiteres erkennbare Gefahrenstelle vorgelegen, da ein derart kurzer und schmaler hochstehender Teil einer solchen Schiene leicht übersehen werden kann.

Die Mitarbeiter des beklagten Amtes hätten ohne weiteres erkennen können und müssen, daß die gewählte Befestigungsart unfallträchtig war, so daß ihnen insoweit Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist.

Andererseits hat das Landgericht - wie das beklagte Amt zutreffend geltend macht - zu Unrecht kein Mitverschulden der Zeugin R... angenommen. Vielmehr ist von einem Mitverschuldensanteil, den sich der Kläger zurechnen lassen muß, auszugehen. Allerdings hat das insoweit darlegungs- und beweispflichtige Amt nicht konkret vorgetragen, daß der Zeugin R... die Unfallstelle im einzelnen vor dem Unfall bekannt war. Indes ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß die seit Jahren für den Kläger im Amtsgebäude tätige Klägerin bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt die Gefahrenstelle hätte erkennen können. Bei erkennbarer Änderung der Bodenbelagsart ist ein sorgfältiger Passant gehalten, die Übergangsstelle genau in Augenschein zu nehmen. Da solche Stellen nach der allgemeinen Lebenserfahrung unfallträchtig sind, stellt dies keine unzumutbare Anforderung dar. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Zeugin, die wie ausgeführt, sich nicht zum ersten Mal in dem Gebäude aufhielt und somit nicht durch eine ihr unbekannte Situation (z. B. durch die Suche nach dem richtigen Raum ) abgelenkt war, jedenfalls die Besonderheit der "geteilten" Metallschiene auffallen müssen. Hierbei hätte sie auch erkennen können, daß insoweit die Gefahr des Hängenbleibens bestand. Diese erforderliche Umsicht hat die Zeugin R... jedoch nicht walten lassen. Allerdings dürfte ihr Mitverschuldensanteil nicht derart überwiegen, daß der Verschuldensanteil der Mitarbeiter des beklagten Amtes dahinter zurückträte. Nach Abwägung aller Umstände ist ein Mitverschuldensanteil von 1/3 anzunehmen.

Die Feststellungen zur Schadensberechnung des Klägers hat das beklagte Amt in der zweiten Instanz nicht mehr angegriffen, so daß von dem Lohnfortzahlungsbetrag in Höhe von 1.433,71 € 2/3 dem Kläger zuzusprechen sind. Dies ergibt 955,80 €.

Der Zinsanspruch ist hinsichtlich des geltend gemachten Zeitraumes (seit dem 16. März 2001) unbegründet. Das Amt ist mit Zugang des Schreibens des Klägers vom 15.03.2001 noch nicht in Verzug geraten. Hinzu kommt, daß die Bezifferung der Schadensersatzansprüche im Schreiben unzutreffend und nicht nachvollziehbar war. Zinsen stehen dem Kläger mithin erst ab Rechtshängigkeit zu (14.05.2002).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Auch ist die Zulassung nicht zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung beruht allein auf der Würdigung der Umstände des vorgetragenen Einzelfalles.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.433,71 €

Ende der Entscheidung

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