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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.03.2009
Aktenzeichen: 2 U 29/08
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. August 2008 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 14 O 13/08, wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht Schadenersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Sturzes geltend, der sich am 07.07.2007 im Stadtgebiet der Beklagten auf dem Gehweg der ...-Straße ereignete. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe die ihr obliegende Pflicht, für verkehrssichere Straßen zu sorgen, nicht verletzt. Insbesondere in Anbetracht des insgesamt schlechten Zustandes des Gehwegs handele es sich bei dem von der Klägerin behaupteten Niveauunterschied von 3 cm um eine vom Fußgänger noch hinzunehmende Höhendifferenz. Auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 20. August 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. September 2008 eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie anführt, das Landgericht habe eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung vorgenommen, indem es davon ausgegangen sei, dass der Gehweg sich insgesamt in einem schlechten Zustand befunden habe. Tatsächlich habe sich nur an dem Segment, an dem die Klägerin gestürzt sei, eine 3 cm hohe Verwerfung durch das Wurzelwerk des nachstehenden Baumes gebildet. Sie vertritt - unter Berufung auf obergerichtliche Rechtsprechung - die Auffassung, die Toleranzgrenze für hinzunehmende Unebenheiten liege bei 2 cm - 2,5 cm.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des am 13.08.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder)

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, jedoch nicht weniger als 13.200,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.814,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Sturz vom 07.07.2007 resultieren, abzüglich Ansprüche, die auf Dritte übergegangen sind oder übergehen, zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadenersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG nicht zu. Zu Recht hat das Landgericht erkannt, dass die Beklagte die ihr als Baulastträgerin der streitgegenständlichen Straße zukommende Pflicht, für einen verkehrssicheren Zustand der Straße zu sorgen, nicht verletzt hat.

Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Würdigung keine Veranlassung. Nach den von dem Landgericht zutreffend angewandten - und auch von dem Senat in ständiger Rechtsprechung vertretenen - Grundsätzen des Straßenverkehrssicherungsrechts ist der Verkehrssicherungspflichtige - von besonders einschneidenden Gefahrenlagen abgesehen - in der Regel gehalten, solche Gefahren zu beseitigen, auf die sich ein die normale Sorgfalt beachtender Fußgänger selbst nicht hinreichend einstellen und vor denen er sich nicht selbst hinreichend schützen kann, insbesondere wenn die Gefahr nicht rechtzeitig erkennbar ist. Inhalt der Verkehrssicherungspflicht kann nur sein, was im Interesse des Verkehrs nach objektivem Maßstab billigerweise verlangt werden kann und zumutbar ist (so auch OLG Schleswig, VersR 1989, 627; OLG Hamm, OLGZ 1994, 301, 303). Der allgemeine Grundsatz, dass sich der Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen muss, wie sie sich ihm erkennbar darbietet, gilt auch für die Nutzer eines Gehweges. Gehwege sind daher möglichst gefahrlos zu gestalten und in einem gefahrlosen Zustand zu erhalten. In Anbetracht des ausgedehnten Straßen- und Wegenetzes der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften und deren beschränkter Mittel sind lückenlose Sicherungsvorkehrungen praktisch gar nicht möglich und daher nur solche Maßnahmen zu treffen, für die ein wirkliches Sicherungsbedürfnis besteht. Dieses richtet sich im Wesentlichen nach der objektiven Verkehrsbedeutung der betreffenden Wegfläche und den vernünftigen Sicherungserwartungen des Verkehrs, die maßgeblich durch das äußere Erscheinungsbild des Gefahrenbereichs bestimmt werden (vgl. Urteil des Senats vom 21.12.2007, 2 U 9/07). Wie der Senat bereits in dieser Entscheidung ausgeführt hat - und hieran auch im Streitfall festhält - stellt die Höhendifferenz von 2 cm - 2,5 cm, die der Fußgänger nach überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung (Urteil des OLG Celle vom 7. März 2001 - 9 U 218/00 -, zitiert nach juris; Nds. Rpfl. 2000, 105, 106; MDR 1998, 1031; Zusammenstellung der neueren Rechtsprechung in OLG Hamburg OLGR 2005, 469) hinzunehmen hat, keine starre Grenze dar. Sie kann - wenn besondere Umstände vorliegen - nach unten, aber auch nach oben abweichen. Aus den in der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegten Gründen begründet vorliegend die von der Klägerin behauptete Höhendifferenz von 3 cm keine Pflichtverletzung der Beklagten.

Dies folgt zum einen aus der Verkehrsbedeutung des Fußweges. Es handelt sich um einen wenig frequentierten und übersichtlichen Weg in einem Wohngebiet; anders als etwa in Fußgängerzonen ist der Fußgänger nicht durch Geschäfte oder Schaufenster abgelenkt. Aus diesem Grunde ist die Situation im Streitfall gerade nicht vergleichbar mit den Gegebenheiten in den von der Klägerin zitierten Fällen, in denen die Unfallstelle vor einem Schaufenster in einer Fußgängerzone bzw. auf einem Gehweg im Stadtzentrum mit starker Verkehrsdichte und ablenkenden Schaufenstern lag und in denen der Fußgänger zu Recht höhere Anforderungen an die verkehrssichere Ausgestaltung des Gehweges stellen darf.

Hinzu kommt, dass sich - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - der Gehweg insgesamt in einem eher schlechten Zustand befand. Diese dem angegriffenen Urteil zu Grunde liegende Feststellung ist nicht zu beanstanden und mit der Berufung auch nicht tauglich angegriffen. Die von der Klägerin zur Akte gereichten Fotografien lassen den Zustand des Gehweges hinreichend deutlich erkennen und zeigen, dass es sich um einen älteren Weg aus Betonplatten handelt, von denen etliche gerissen sind und leichtere Verwerfungen aufweisen. Zwar trifft es zu, dass - soweit dies auf den Bildern ersichtlich ist - weitere Verwerfungen in einer Größenordnung von ca. 3 cm nicht erkennbar sind. Dies allein führt aber nicht zu der Annahme, die Beklagte habe die Gefahrenstelle beseitigen müssen. Maßgeblich ist nämlich, worauf das Landgericht zu Recht abgestellt hat, dass die Gefahrenstelle für Fußgänger und damit auch für die Klägerin erkennbar war. In einem solchen Fall ist die jeweilige Gemeinde aber nicht verpflichtet, vor der Gefahrenstelle zu warnen oder diese zu beseitigen (vgl. Urteil des Senats, a.a.O.).

Die Behauptung der Klägerin, sie habe die Verwerfung nicht erkennen können, lässt sich mit den Lichtbildern der Unfallstelle nicht in Einklang bringen. Die durch das Wurzelwerk des unmittelbar neben dem Gehweg stehenden Baumes hervorgerufene Verwerfung ist auf diesen deutlich erkennbar. Da der Senat sich aufgrund der Lichtbilder ein eigenes Bild von der Unfallstelle und deren Erkennbarkeit machen kann, bedarf es auch der Vernehmung des von der Klägerin angebotenen Zeugen nicht. Die Klägerin trägt nicht etwa vor, dass und inwieweit die Bilder die Unfallstelle nicht zutreffend wiedergeben.

Es trifft auch nicht zu, dass die Klägerin keine Möglichkeit hatte, der Gefahrenquelle auszuweichen, denn wie die Lichtbilder ebenfalls deutlich zeigen, wies nur die linke Plattenhälfte eine relevante Verwerfung auf. Abgesehen davon hätte die Klägerin bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt auch die Unfallstelle unproblematisch passieren können.

Schließlich ändert auch die zwischenzeitlich auf Veranlassung der Beklagten erfolgte Sanierung des Gehwegs nichts an der fehlenden Verpflichtung der Beklagten zu früheren Maßnahmen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Auch ist die Zulassung nicht zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung beruht allein auf der Würdigung der Umstände des Einzelfalles.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 18.014,72 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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