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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 29.05.2007
Aktenzeichen: 2 U 41/06
Rechtsgebiete: BGB, GG, StaatshaftungsG, HPflG


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
StaatshaftungsG § 1
HPflG § 2 Abs. 1 S. 1
HPflG § 2 Abs. 3 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

2 U 41/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 29.05.2007

verkündet am 29.05.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2007 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Farke, den Richter am Oberlandesgericht Welten und die Richterin am Amtsgericht Odenbreit

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 12. Juli 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 11 O 525/02, wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen Überschwemmung seines Hauses aus Amts- und Staatshaftung sowie enteignungsgleichem Eingriff in Höhe von 29.086,62 € nebst Feststellung des Ersatzes für später auftretende Schäden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

In dem angegriffenen Urteil hat das Landgericht Frankfurt (Oder) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG oder nach den Grundsätzen eines enteignungsgleichen Eingriffs zu. Nach den Feststellungen des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens stehe fest, dass die Planung der Regenentwässerung nicht zu beanstanden sei; die Ausführung weiche jedoch geringfügig davon ab. Dennoch halte die Entwässerungsanlage einem Regenereignis mit einer Wiederkehrwahrscheinlichkeit von einmal in fünf Jahren stand, was vorliegend ausreiche. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, für eine Entwässerung der in der Gemarkung R... belegenen Straßen und Wege, die an die Wohnsiedlung des Klägers angrenzen, zu sorgen. Schließlich sei eine etwaige Pflichtverletzung auch nicht kausal geworden für den Schaden. Vielmehr beruhe dieser auf dem außergewöhnlichen Regenereignis vom 12.08.2002.

Mit der Berufung rügt der in der ersten Instanz unterlegene Kläger die Rechtsanwendung des Landgerichts. Er ist der Auffassung, die Entwässerungsanlage in dem seit 1996 neu errichteten Wohngebiet "...", in dem sich sein Grundstück befindet, sei so zu planen und auszuführen gewesen, dass diese dem Starkregenereignis vom 12.08.2002 hätte standhalten können. Bei der Planung durch die Beklagte hätte das von der Nachbargemeinde R... abfließende Wasser Berücksichtigung finden müssen. Der Abfluss aus der Nachbargemeinde hätte auch ohne größeren wirtschaftlichen und technischen Aufwand durch eine Verwallung entlang der Grenzstraße verhindert werden können. Des Weiteren hätte die Beklagte berücksichtigen müssen, dass es nach Abschluss der Planung des Baugebietes zu Versiegelungen gekommen sei, die den Festsetzungen des Bebauungsplanes widersprächen, und die Entwässerungsanlagen den veränderten Umständen anpassen müssen. Das Landgericht hätte jedenfalls beachten müssen, dass es der Beklagten zumutbar gewesen sei, eine Entwässerungsanlage einzurichten, die einem Regenereignis mit einer Wiederkehrwahrscheinlichkeit von 40 bis 50 Jahren standhalten könne. Schließlich sei nicht auszuschließen, dass bei ordnungsgemäßer Ausführung der geplanten Entwässerungsanlage dem Kläger ein geringerer Schaden entstanden wäre, da ein größerer Teil des Regenwassers hätte abfließen können und das Grundstück des Klägers nicht bis zu der vorliegenden Höhe überschwemmt worden wäre. Der Sachverständige habe sich insoweit und hinsichtlich des Überlaufvolumens zu einer konkreten Berechnung außer Stande gesehen. Zudem wäre bei pflichtgemäßer Verhinderung des Ablaufs des Regenwassers aus der Gemarkung R... in das Wohngebiet "..." eine Verringerung der Regenmenge um 1/8 eingetreten. Vor diesem Hintergrund obliege der Beklagten der Beweis dafür, dass sie trotz der festgestellten Pflichtverletzungen für den eingetretenen Schaden wegen fehlender Kausalität nicht hafte.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 29.086,62 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm über den Klageantrag zu 1.) hinaus sämtliche, ihm und seiner Ehefrau entstandenen Schäden aus der Überflutung des Grundstücks in der ... Straße 57, F..., vom 12.08.2002 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, hält die Rechtsanwendung des Landgerichts für fehlerfrei und tritt den klägerischen Rechtsausführungen in der Berufungsbegründung entgegen.

II.

Die Berufung ist statthaft, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1 und 2, 513, 514, 519, 520 ZPO). In der Sache hat sie indes keinen Erfolg.

Das angegriffene Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12.07.2006 ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz nach Amtshaftungsgesichtspunkten (§ 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG), gemäß § 1 StaatshaftungsG oder aus enteignungsgleichem Eingriff zu.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Verpflichtung der Gemeinden zur Entwässerung aufgestellt hat und denen der Senat folgt (vgl. etwa Urteil vom 12. März 2002, Az.: 2 U 29/01, LKV 2003, 246 ff.), zutreffend dargestellt und angewendet. Insoweit wird auf das erstinstanzliche Urteil (dort S. 5 f.) Bezug genommen. Auch die Würdigung des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens - das der Kläger zudem im Wesentlichen nicht angreift - durch das Landgericht ist umfassend und überzeugend.

Zwar dürfte entgegen der Auffassung des Landgerichts eine (weitere) Pflichtverletzung der Beklagten auch darin gesehen werden können, dass der Regenabfluss aus der Gemeinde R... bei der Planung des Wohngebietes, in dem das klägerische Grundstück belegen ist, nicht berücksichtigt wurde. Denn das Wohngebiet wurde aufgrund eines Bebauungsplanes aus dem Jahre 1996 auf zuvor gänzlich unbebauten, landwirtschaftlich genutzten respektive brach liegenden Flächen errichtet. Demgemäß dürfte es der Beklagten ungeachtet der Verantwortlichkeit der Gemeinde R... oblegen haben, dafür zu sorgen, das neu errichtete Baugebiet vor dem Regenwasser aus der Nachbargemeinde zu schützen.

Letztlich kann dies jedoch offen bleiben. Denn nach den im Übrigen überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Frankfurt (Oder) im Urteil vom 12.07.2006, auf die vollumfänglich Bezug genommen wird (dort S. 8 ff.), konnte vorliegend nicht festgestellt werden, dass die von dem Kläger geltend gemachten Schäden in adäquat kausaler Weise auf etwaigen Pflichtverletzungen der Beklagten beruhen.

Demgegenüber vermögen die Einwendungen des Klägers gegen das Urteil nicht zu überzeugen.

Es kann entgegen der Auffassung des Klägers dahinstehen, ob es der Beklagten grundsätzlich zumutbar gewesen wäre, zur Abhaltung des Regenwassers aus der Nachbargemeinde R... einen Wall zu errichten. Eine dahingehende Verpflichtung der Beklagten in Bezug auf den hier zur Entscheidung stehenden Fall ist jedenfalls nicht zu konstatieren. Entscheidend ist hierbei, dass die von der Beklagten errichtete Entwässerungsanlage tatsächlich einem fünfjährigen Berechnungsregenereignis standgehalten hätte bzw. das Regenereignis auch bei einer umfangreicheren Dimensionierung der Entwässerungsgräben zu den bei dem Kläger eingetretenen Schäden geführt hätte. Zwar vermochte der Sachverständige Dipl.-Ing. D... nicht positiv festzustellen, dass die Regenentwässerung für ein fünfjähriges Regenereignis ausreichend dimensioniert ist. Der Umkehrschluss des Gutachters aus den mangelnden Folgen des Regenereignisses vom 05.08.2002, das einem statistisch etwa einmal in 10 bis 15 Jahren auftretenden Ereignis entsprach, ist jedoch nachvollziehbar und schlüssig.

Darüber hinaus ist der Auffassung des Klägers, wonach der Beklagten die Planung und Herstellung einer Entwässerungsanlage, die einem Regenereignis mit einer Wiederkehrwahrscheinlichkeit von 40 bis 50 Jahren standhalten könne, zumutbar sei, nicht zu folgen. Der Kläger beruft sich hierzu auf die Urteile des Bundesgerichtshofes vom 05.10.1989 (Az. III ZR 66/88), 18.02.1999 (NVwZ 1999, 689), 04.04.2002 (BauR 2002, 1374) und 19.01.2006 (BauR 2006, 819) und folgert daraus eine Haftung der Beklagten im vorliegenden Fall. Den zitierten Urteilen kann jedoch gerade nicht entnommen werden, dass eine Gemeinde verpflichtet ist, ihre Entwässerungsanlagen so zu errichten, dass diese einem 30- bis 50-jährigen Berechnungsregen genügen. Im Hinblick auf die Urteile vom 19.01.2006 (BauR 2006, 819) und 11.03.2004 (BGHZ 158, 263; s. auch Urteil vom 05.10.1989) verkennt der Kläger, dass die Frage der Zumutbarkeit für die Dimensionierung einer Entwässerungsanlage dort (nur) im Rahmen eines etwaigen Ausschlusses der Gefährdungshaftung nach § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3 HPflG respektive bezüglich eines Anspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff erörtert wurde. In diesem Zusammenhang ist festgestellt worden, dass eine Berufung auf höhere Gewalt im Sinne der Vorschrift (erst) bei einem außergewöhnlichen Regenereignis - wie es beispielsweise alle 50 oder sogar 100 Jahre auftritt - grundsätzlich möglich sei. Hierzu ist anzumerken, dass die im vorliegenden Fall streitgegenständliche Entwässerung mangels Rohrleitungssystems bereits nicht zu den von § 2 Abs. 1 S. 1 HPflG erfassten Anlagen zählt.

Soweit der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11.03.2004 (BGHZ 158, 263 ff.) einen Anspruch aus enteignendem Eingriff bejaht, ist dieser Entscheidung zu Grunde liegende Fall mit dem hiesigen nicht vergleichbar. Dort wurde auf die latent bestehende Gefahr eines errichteten Regenrückhaltebeckens, die sich durch den Überlauf realisiert habe, abgestellt. Vorliegend hat die Beklagte jedoch keine Anlage errichtet, von der eine latente Gefahr ausgeht. Vielmehr konnte der am 12.08.2002 auftretende Regen lediglich nicht versickern. Bei der Prüfung von Amtshaftungsansprüchen wurde in den zitierten Urteilen - soweit diese erörtert wurden - auf die seitens des Landgerichts zutreffend aufgeführten Grundsätze zurückgegriffen.

Auch ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff ist nicht gegeben. Ein solcher kommt in Betracht, wenn in eine als Eigentum geschützte Rechtsposition von hoher Hand unmittelbar eingegriffen wird, wenn also die hoheitliche Maßnahme unmittelbar eine Beeinträchtigung des Eigentums herbeiführt und dem Berechtigten dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit abverlangt wird (BGH, Urteil vom 27.01.1983, Az. III ZR 70/81; BGHZ 55, 229). Dies ist vorliegend zu verneinen. Zum einen hat der Kläger das Grundstück erst im Zuge der Planung und Errichtung des gesamten Baufeldes erworben und bebaut. Zum anderen hat die Beklagte keine Maßnahme durchgeführt, durch die der Anfall des abzuführenden Wassers auf dem Grundstück des Klägers verstärkt worden wäre (so aber in den Fällen, in denen von der Rechtsprechung ein solcher Anspruch bejaht oder jedenfalls für möglich gehalten wurde: BGH a.a.O.; NJW 1985, 496). Darüber hinaus ist ein solcher Anspruch im Hinblick auf den insoweit vorrangigen § 1 StaatshaftungsG ausgeschlossen (s. hierzu Senat, Urteil vom 16.01.2007, Az. 2 U 24/06). Ein Anspruch aus § 1 StaatshaftungsG, der im Wesentlichen dieselben Voraussetzungen wie der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff hat, scheitert wiederum sowohl an Vorgenanntem als auch an den seitens des Landgerichts zu § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG getroffenen Feststellungen.

Soweit das Landgericht den Klageantrag zu Ziffer 2.) bereits für unzulässig gehalten hat, teilt der Senat diese Auffassung zwar nicht, denn es ist nahe liegend, dass sich im Rahmen einer Renovierung weitere Wasserschäden zeigen können und daher ein weiterer Reparaturaufwand ersichtlich wird. Allerdings ist das Feststellungsbegehren aus den vorgenannten Gründen auch insoweit nicht gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 543 ZPO nicht vorliegen. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Auch ist die Zulassung nicht zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung beruht allein auf der Würdigung der Umstände des Einzelfalles.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 29.086,62 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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