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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.09.2003
Aktenzeichen: 2 U 9/03
Rechtsgebiete: BbgSchulG, BGB, EGZPO


Vorschriften:

BbgSchulG § 67 Abs. 1
BbgSchulG §§ 99 ff
BbgSchulG § 99 Abs. 1
BbgSchulG § 100 Abs. 2
BGB § 598
BGB §§ 1030 ff
EGZPO § 26 Nr. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

2 U 9/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 23.09.2003

Verkündet am 23.09.2003

in dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. August 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Januar 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam (4 O 481/02) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger war im Jahr 2001 Schüler des ...-Gymnasiums in .... In der 13. Klasse fertigte er im Rahmen des Leistungskurses "Kunst" aus einem Bierfass eine "Hausbar". Der Kunstlehrer hielt das Stück für gelungen und bat den Kläger - wie regelmäßig mit Zustimmung der Schulleitung praktiziert -, das Objekt in der Schule ausstellen zu dürfen. Die Hausbar wurde im oberen Foyer der Schule, in einem frei zugänglichen Bereich ausgestellt und später in das hintere Treppenhaus des Hauses Nr. 4 gebracht. Seit den Osterferien 2001 ist sie nicht mehr vorhanden. Gewaltspuren an den Türen fanden sich nicht.

Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte hafte nach den Grundsätzen des Nießbrauchsrechtes und aus der Übernahme einer Garantiehaftung.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein schuldhaftes Handeln des Beklagten sei nicht erkennbar. In Betracht käme allein ein Pflichtverstoß des Beklagten, der einen Diebstahl gefördert haben könnte. Ein solcher sei nicht vorgetragen. Mangels rechtsverbindlicher Willenserklärung des Beklagten käme auch eine vertragliche Haftung nicht in Betracht.

Auf die tatsächlichen Feststellungen und die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

Gegen das am 22. Januar 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.Februar 2003 das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und am 19. März 2003 begründet. Unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzliches Begehrens wiederholt er seinen erstinstanzlichen Vortrag und führt weiter aus, der Beklagte müsse jedenfalls die Verantwortung für grob fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln übernehmen.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und bestreitet die Passivlegitimation des Beklagten.

II.

Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet.

Der Beklagte ist für Ansprüche des Klägers lediglich insoweit passivlegitimiert, als der Wirkungskreis des Schulträgers nach §§ 99 ff BbgSchulG betroffen ist. Gemäß § 100 Abs. 2 BbgSchulG ist der Landkreis Träger der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen. Er verwaltet nach § 99 Abs. 1 BbgSchulG seine Schulangelegenheiten in eigener Verantwortung. Hierzu gehört die Errichtung, Änderung, Auflösung, Unterhaltung und Verwaltung der Schule. Nicht in den Wirkungskreis des Schulträgers fallen Pflichtverletzungen der Lehrer. Diese stehen in einem Dienstverhältnis zum Land. Für Pflichtverstöße haftet daher nicht der Schulträger, sondern das Land, § 67 Abs. 1 BbgSchulG.

Dem Kläger steht ein Anspruch nach den Vorschriften des Nießbrauchsrechtes, §§ 1030 ff BGB nicht zu. Inhalt des Nießbrauchsrechtes ist die Möglichkeit des Berechtigten, Nutzungen aus der Sache selbst zu ziehen (z.B. durch Vermietung, Verpachtung, Fruchtziehung). Die Überlassung eines Werkes zum Zwecke der Ausstellung gibt dem Beklagten jedoch kein dingliches Nutzungsrecht. Er darf sie lediglich absprachegemäß im Schulgebäude ausstellen. Ein Spielraum bei der Art der Nutzung stand ihm nicht zu; Vorteile aus der Sache selbst durfte er nicht ziehen. Für einen Nießbrauch gibt es dementsprechend keine Anhaltspunkte.

Auch ein vertraglicher Anspruch des Klägers ist nicht gegeben. In Betracht kommt allein ein Anspruch wegen Verletzung eines Ausstellungsvertrages bzw. Schadensersatzansprüche wegen Unmöglichkeit der Rückgabe der überlassenen Sache.

Der Ausstellungsvertrag als solcher ist im BGB nicht vorgesehen. Es ist deshalb in jedem Einzelfall nach dem Sinn und Zweck des Vertrages zu prüfen, welche gesetzlichen Vorschriften zur Anwendung kommen können. Im vorliegenden Fall steht unstreitig die unentgeltliche Überlassung der Hausbar zum Zwecke der Ausstellung im Schulgebäude im Vordergrund. Dies entspricht in erster Linie dem Wesen der Leihe, § 598 BGB, wonach der Verleiher dem Entleiher den Gebrauch der Sache - Ausstellung - zu überlassen verpflichtet ist. Nahe liegen zudem die Regelungen zur Verwahrung. Einer rechtlichen Einordnung des Vertrages bedarf es hier jedoch ebenso wenig wie die Entscheidung der Frage, ob die Parteien bei Vertragsschluss Rechtsbindungswillen besaßen oder lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis mit entsprechenden Haftungserleichterungen vorliegt, da dem Beklagten der Vorwurf einer Pflichtverletzung bzw. schuldhaften Verhaltens nicht gemacht werden kann.

Der Umfang der Pflichten der Parteien bei Überlassung des Werkes bestimmt sich in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen. Fehlt es wie hier an einer ausdrücklichen Regelung ist der Wille der Parteien unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu erforschen. Maßgeblich sind vor allem die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit und die Interessenlage der Parteien. Ein entscheidender Aspekt bei der Beurteilung ist, dass dem Werk eine wirtschaftliche Bedeutung nicht zukommt. Wie der Kläger selbst ausführt, hat die Hausbar keinen messbaren wirtschaftlichen sondern allein immateriellen Wert. Insoweit ist die Überlassung der "Hausbar" - trotz des vielleicht erheblichen Arbeitsaufwandes bei der Herstellung - nicht anders zu beurteilen, wie die Überlassung anderer Ausstellungstücke, z.B. Zeichnungen oder Bastelarbeiten der Schüler. Eine besondere Sicherung für diese Ausstellungsstücke hat auch der Kläger selbst nicht erwartet. Diese Betrachtung bestätigt sich in der Art des Zustandekommens der Überlassung. Der Kunstlehrer trat - wie in der Schulpraxis üblich - an den Kläger heran und bat ihn, die "Hausbar" im Foyer der Schule ausstellen zu dürfen. Der Kläger hatte hiergegen keine Einwände. Weitere Absprachen wurden nicht getroffen. Es gab keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer besonderen Sicherung oder die Absprache über eine besondere Versicherung für das Objekt. Es wurde zwischen den Parteien ebenso verfahren wie in jedem anderen Fall der Ausstellung eines im Rahmen eines Schulprojektes hergestellten Werkes. Den Parteien war bewusst, dass die "Hausbar" in einem öffentlichen Gebäude und einem frei zugänglichen Schulbereich ausgestellt würde. Es gab - wie üblich - keinen abgeschlossenen Raum oder die Möglichkeit einer gesonderten Aufsicht für das Objekt. Anders als bei den persönlichen Sachen der Schüler, die auch während der Pausen in einem Klassenraum verbleiben und deshalb vor dem Zugriff Dritter geschützt werden müssen, ist dies bei im Flur ausgestellten Exponaten nicht möglich. Der Kläger konnte und durfte deshalb nicht erwarten, dass gerade seine "Hausbar" anders behandelt und besonders gesichert würde.

Der Abschluss einer Versicherung für die Ausstellungsstücke gehört ebenso wenig zu den Pflichten der Beklagten. Für den Abschluss einer besonderen Sachversicherung, die für den Beklagten mit Kosten und Risiken verbunden ist, bestand bereits deshalb keine Veranlassung, da ein wirtschaftlich messbarer Wert nicht vorhanden ist. Die Ausstellung dient einerseits dem Interesse der Schüler, die ihr Können präsentieren wollen und andererseits in der Präsentation der Leistungen und der Verschönerung der Schule. Wirtschaftliche Aspekte spielen keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle. Der Kläger hat - folgerichtig - auch den Abschluss einer Versicherung bei der Überlassung der Sache nicht verlangt. Er selbst ist - wie er in der mündlichen Verhandlung bestätigt - davon ausgegangen, dass ein Ersatz im Falle der Beschädigung durch Dritte nicht erfolgen wird. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum die Beschädigung durch Dritte und der Verlust der Sache durch Einwirkung Dritter rechtlich anders behandelt werden soll.

Mangels Pflichtverletzung kommen auch deliktische Ansprüche bzw. Ansprüche nach den Grundsätzen der Amtshaftung bzw. Staatshaftung nicht in Betracht.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war gem. § 543 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 7 EGZPO nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erforderlich ist. Die Entscheidung beruht allein auf den festgestellten Umständen des Einzelfalls.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer des Klägers: 800,00 €

Ende der Entscheidung

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