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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.12.2007
Aktenzeichen: 2 U 9/07
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 839
BGB § 839 Abs. 1
GG Art. 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

2 U 9/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 21.12.2007

verkündet am 21.12.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2007 durch

den Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Farke, den Richter am Oberlandesgericht Deller und die Richterin am Amtsgericht Odenbreit

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. November 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 13 O 306/06, wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt unter Amtshaftungsgesichtspunkten aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin Ersatz von Behandlungskosten in Höhe von 5.335,69 € sowie Feststellung der Verpflichtung zum Ausgleich künftiger Schäden aus einem Unfallereignis vom 11. Oktober 2005. Es wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 31. Januar 2007 Bezug genommen. Ergänzend wird lediglich Folgendes ausgeführt:

In dem von der Versicherungsnehmerin ausgefüllten Unfallfragebogen gab diese zum Unfallhergang an, sie sei "auf dem Heimweg vom Meldeamt vorbei am Platz ... ... in Höhe Friseursalon ... (Platz ... 5) über eine def. hochstehende Gehwegplatte" gestürzt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte trage zwar für den Platz ... als Trägerin der Straßenbaulast auch die Verkehrssicherungspflicht. Eine Amtspflichtverletzung sei jedoch nicht zu verzeichnen. Die der Beklagten obliegende Verkehrssicherungspflicht beinhalte nicht, die Straßen und Gehwege für Fußgänger in einem einwandfreien Zustand zu erhalten. Vielmehr seien nur solche Gefahren zu beseitigen, auf die sich ein die normale Sorgfalt beachtender Verkehrsteilnehmer nicht selbst hinreichend einstellen könne und vor denen er sich selbst nicht zu schützen vermöge. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten scheitere insbesondere am offensichtlich schlechten Gesamtzustand des Gehwegs; bei einer solchen Sachlage werde von einem Fußgänger erwartet, durch ein vorsichtiges Auftreten die ihm ohne weiteres erkennbare Gefahr zu vermeiden. Keine andere Bewertung rechtfertigten das Alter und die hiermit verbundenen Beeinträchtigungen der Klägerin. Schließlich träfe die Versicherungsnehmerin, der die Unfallstelle bekannt gewesen sein dürfte, für den Fall der Annahme einer Verkehrssicherungspflichtverletzung ein derart überwiegendes Mitverschulden, dass ein etwaiges Verschulden der Beklagten dahinter zurücktreten würde.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, das Urteil sei rechtsfehlerhaft. Das Verkehrsinteresse erfordere bei Zugrundelegung eines objektiven Maßstabes, zumindest in Hauptstraßen, wie es die Straße der ... sei, die Gehwege in einem Zustand zu erhalten oder diese in einen solchen Zustand zu versetzen, dass auch ältere und unsichere Menschen nicht bei jedem Schritt, den sie unternähmen, Gefahr liefen, sich bei Stürzen schwere Verletzungen zuzuziehen. Der Zustand auf dem streitgegenständlichen Gehweg stelle sich als unzumutbar dar; eine Anpassung seitens der Verkehrsteilnehmer sei schlechterdings nicht möglich. Zudem habe das Landgericht den Umstand übersehen, dass die Versicherungsnehmerin bereits eine längere Strecke über die Verkehrsfläche gelaufen sei, ohne zu stürzen und der Sturz an einer Stelle geschehen sei, an der sich eine nicht erkennbare größere Unebenheit befunden habe. Darüber hinaus habe das Landgericht den klägerischen Vortrag, nach dem die Versicherungsnehmerin über eine defekte, hoch stehende Gehwegplatte gestürzt sei, übergangen. Hiermit habe die Klägerin dargetan, dass die Versicherungsnehmerin über eine besondere Unebenheit gestürzt sei. Ein gefahrloses Ausweichen sei nicht möglich gewesen, zumal die Unebenheit ausweislich der überreichten Fotos für die Versicherungsnehmerin nicht zu erkennen gewesen sei. Jedenfalls habe das Landgericht Beweis erheben müssen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.335,69 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Februar 2006 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche, ihr künftig noch entstehende Schäden aus dem Unfallereignis vom 11. Oktober 2005 auf der Gehwegfläche auf dem Platz ... in S... in Höhe des Frisörgeschäftes "..." betreffend ihre Versicherungsnehmerin E... K..., geboren am ... 1924, zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, hält die Begründung des Landgerichts für rechtsfehlerfrei und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Mit der Rüge, das Landgericht habe ein Beweisangebot übergangen und die rechtlichen Grundsätze verkannt, stützt die Klägerin die Berufung auf eine Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

In der Sache hat die Berufung indes keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Klägerin bereits dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG aus übergegangenem Recht (§ 116 SGB X) gegenüber der Beklagten zusteht und die Klage bereits nach dem klägerischen Vortrag unschlüssig ist.

a) Die der Beklagten als Amtspflicht obliegende Verkehrssicherungspflicht - insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen - umfasst die Pflicht, soweit zumutbar, das Benutzen der Gehwege möglichst gefahrlos zu gestalten, insbesondere Fußgänger vor unvermuteten, aus der Beschaffenheit des Gehwegs sich ergebenden und bei zweckgerechter Benutzung nicht ohne weiteres erkennbaren Gefahrenstellen zu sichern.

aa) Nach den allgemeinen Grundsätzen des Straßenverkehrssicherungsrechts ist der Verkehrssicherungspflichtige - von objektiv besonders einschneidenden Gefahrenlagen abgesehen - in der Regel gehalten, solche Gefahren zu beseitigen, auf die sich ein die normale Sorgfalt beachtender Fußgänger nicht selbst hinreichend einstellen und vor denen er sich nicht selbst hinreichend schützen kann, insbesondere wenn die Gefahr nicht rechtzeitig erkennbar ist. Inhalt der Verkehrssicherungspflicht kann nur sein, was im Interesse des Verkehrs nach objektivem Maßstab billigerweise verlangt werden kann und zumutbar ist (so OLG Schleswig, VersR 1989, 627; OLG Hamm, OLGZ 1994, 301, 303). Der allgemeine Grundsatz, dass sich der Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen muss, wie sie sich ihm erkennbar darbietet (vgl. BGH, VersR 1979, 1055), gilt auch für die Nutzer eines Gehweges. Gehwege sind daher möglichst gefahrlos zu gestalten und in einem gefahrlosen Zustand zu erhalten. In Anbetracht des ausgedehnten Straßen- und Wegenetzes der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften und deren beschränkter Mittel sind lückenlose Sicherungsvorkehrungen praktisch gar nicht möglich und daher nur solche Maßnahmen zu treffen, für die ein wirkliches Sicherungsbedürfnis besteht. Dieses richtet sich im Wesentlichen nach der objektiven Verkehrsbedeutung der betreffenden Wegfläche und den vernünftigen Sicherheitserwartungen des Verkehrs, die maßgeblich durch das äußere Erscheinungsbild des Gefahrenbereiches bestimmt werden.

bb) Auf dieser Grundlage entspricht es überwiegender Rechtsprechung, dass Unebenheiten des Gehweges bis zu einer Grenze von 2,0 bis 2,5 cm grundsätzlich hinzunehmen sind. Höhenunterschiede dieser Größenordnung zählen in der Regel nicht zu den Gefahren, mit denen Fußgänger nicht zu rechnen brauchen, selbst wenn das unterschiedliche Niveau scharfkantig gegeneinander abgesetzt ist (Urteil des OLG Celle vom 7. März 2001 - 9 U 218/00 -, zitiert nach juris; Nds. Rpfl. 2000, 105, 106; MDR 1998, 1031; Zusammenstellung der neueren Rechtsprechung in OLG Hamburg OLGR 2005, 469).

cc) Diese von einem Fußgänger noch hinzunehmenden Höhendifferenzen stellen indessen keine starren und absoluten Grenzen dar (BGH VersR 1967, 281; OLG Celle MDR 1998, 1031; OLG Hamm NJW-RR 2005, 255; OLG Oldenburg NJW-RR 1986, 903). Vielmehr kommt es hier immer auf die Umstände des Einzelfalles an, sodass auch bei geringeren Höhenunterschieden eine Haftung in Betracht kommen kann, wenn besondere Umstände bestehen, die für den Verkehrssicherungspflichtigen Anlass zum Handeln gebieten. In diesem Zusammenhang ist die durch den Höhenunterschied bedingte Gefährdung im Zusammenhang mit den besonderen Umständen der einzelnen Örtlichkeiten zu sehen und im Blick auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu beurteilen. So hat etwa bereits der BGH in seiner Entscheidung vom 27. Oktober 1966 angenommen, eine besondere Gefährlichkeit der Unfallstelle könne trotz einer Vertiefung von nur 1,5 cm darin liegen, dass diese sich unmittelbar vor einem Schaufenster dicht vor dem Eingang eines Ladengeschäfts in einer Hauptstraße befindet (BGH VersR 1967, 281, 282). Ferner hat das OLG Celle eine Haftung bejaht, als ein überdies instabiler Pflasterstein 1,5 cm über das Niveau des Gehsteiges hinausragte und es sich um einen Gehweg im Stadtzentrum mit starker Verkehrsdichte und Ablenkung durch Schaufenster handelte (MDR 1998, 1031). Ebenfalls als Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wurde es angesehen, dass im Falle der Neugestaltung eines dem Fußgängerverkehr vorbehaltenen Marktplatzes planmäßig auf Teilen des Platzes 1,7 cm unter dem Trittniveau befindliche unauffällige Entwässerungsrinnen angelegt wurden (OLG Hamm, a. a. O.). Schließlich hat das OLG Oldenburg eine 2 cm hohe Kante in der Pflasterung einer Fußgängerzone nicht mehr für hinnehmbar erachtet (NJW-RR 1986, 903).

dd) Nach diesen Grundsätzen ist eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der beklagten Gemeinde zu verneinen. Das Landgericht hat zutreffend von der Durchführung einer Beweisaufnahme abgesehen.

(1) Es bestehen bereits Unklarheiten in Bezug auf die Höhendifferenz, aufgrund derer die Versicherungsnehmerin gestürzt sein soll. Die Klägerin behauptet in der Klageschrift hierzu, dass die Versicherungsnehmerin aufgrund dessen, dass sich "der Gehweg u. a. in Höhe des Frisörgeschäftes "..." in sehr schlechtem Instandhaltungszustand" befunden habe, ins Straucheln gekommen und schwer gestürzt sei. Dabei hätten "teilweise" komplette Gehwegplatten gefehlt, es seien Abbruchkanten und Plattenränder mit einer Höhe von ca. 5 bis 6 cm zu verzeichnen gewesen. Nach diesem Vortrag ist jedoch bereits zweifelhaft, ob an der konkreten Sturzstelle Höhenunterschiede von ca. 5 bis 6 cm zu verzeichnen waren oder lediglich in der näheren Umgebung.

Hierbei kann sich die Klägerin auch nicht auf einen für sie sprechenden Anscheinsbeweis berufen. Denn der Anscheinsbeweis träte nur dann für sie ein, wenn eine Pflichtverletzung der Beklagten - das Vorhandensein einer Gefahrenstelle (s. hierzu BGH NJW 2005, 2454) - feststünde. Dies ist indes insbesondere angesichts der von der Klägerin überreichten Fotos fraglich. Höhenunterschiede von 5 bis 6 cm ergeben sich daraus gerade nicht. Hinzu kommt, dass die Klägerin im seitens des Landgerichts nachgelassenen Schriftsatz vom 13. November 2006 ausgeführt hat, die Versicherungsnehmerin sei wegen einer defekten, hoch stehenden Gehwegplatte gestürzt. Dieser Vortrag ist nicht ohne weiteres mit den vorgelegten Fotos und dem Vortrag in der Klageschrift in Übereinstimmung zu bringen. Angesichts der von der Klägerin überreichten Fotos (Anlage K 2; Bl. 13 ff. d.A.) dürfte davon auszugehen sein, dass die Versicherungsnehmerin über eine allenfalls zwei Zentimeter hohe Plattenkante gestolpert ist. Eine lockere und sich daher hochstellende Platte war damit offenbar nicht gemeint. Anderenfalls hätte es einer Klarstellung seitens der Klägerin bedurft. Demgemäß kann vorliegend bereits nicht erkannt werden, dass der Niveauunterschied, der möglicherweise zu dem Sturz geführt hat, mehr als 1,5 cm betrug.

(2) Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Denn der Gehweg befand sich - wie das Landgericht zutreffend ausführt - in einem insgesamt desolaten Zustand. Bei einer Gefahrenstelle, die von einem durchschnittlich sorgfältigen Fußgänger bereits bei flüchtigem Hinsehen ohne weiteres bemerkt werden kann, ist die Gemeinde nicht verpflichtet, vor dieser zu warnen oder diese zu beseitigen (Bergmann/Schumacher, Die Kommunalhaftung, 4. Aufl., Rn. 129, 131; OLG Hamm, Urteil vom 16.02.1990, Az. 9 U 229/89; OLG Düsseldorf, VersR 1993, 983; LG Kleve, Urteil vom 27.12.2002, Az. 1 O 399/02).

Hierzu wird vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Frankfurt (Oder) (S. 6 der Urteilsabschrift) Bezug genommen.

Soweit sich die Klägerin insofern auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 10. Mai 2007 (VersR 2007, 1087) stützt, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung des Falles. Der Bundesgerichtshof hat unter Berufung auf ein Urteil vom 6. Februar 1969 (VersR 1969, 515, 516 f.) ausgeführt, ein Fußgänger brauche auf dem Gehweg einer Stadt die Augen nicht ständig nach unten zu richten. Wenn er Unebenheiten in der Pflasterung übersehe, sei ihm allein daraus der Vorwurf einer besonderen Unaufmerksamkeit nicht zu machen (BGH, Urteil vom 10. Mai 2007, a.a.O., zitiert nach juris, Rn. 9). Mit diesem Grundsatz weicht der Bundesgerichtshof jedoch nicht von der vorzitierten Rechtsprechung ab. Vielmehr ergibt sich aus den Entscheidungen allein der Grundsatz, dass ein Fußgänger bei einem im Übrigen intakten Gehweg nicht ständig eine einzelne Gefahrenstellen befürchten und daher nicht ständig nach unten schauen müsse, ohne dass ihm ein erhebliches Mitverschulden anzulasten wäre.

Den vorliegenden Fotos kann auch nicht - wie die Klägerin mit der Berufung geltend macht - entnommen werden, dass sich an der Stelle, an der die Versicherungsnehmerin gestürzt zu sein behauptet, eine - im Vergleich zu verschiedenen anderen Stellen - größere und zudem nicht erkennbare Unebenheit befunden hat. Unbeachtlich ist hierbei, dass die Versicherungsnehmerin vor dem Unfall bereits eine größere Strecke zurückgelegt hat.

Ebenso wenig ergibt sich angesichts der zu verzeichnenden Unterschiede im jeweiligen Sachverhalt aus der Entscheidung des OLG Celle vom 25.01.2007 (Az. 8 U 161/06) eine andere Wertung.

In dem diesem Urteil zu Grunde liegenden Fall ereignete sich der Unfall in einer Fußgängerzone, auf der an einem Samstagmorgen starker Fußgängerverkehr herrschte, der sich im Bereich der Unfallstelle durch eine rechts und links befindliche Außenbestuhlung eines Cafés und einer Eisdiele verdichtet hatte. Solche Umstände sind vorliegend nicht erkennbar, jedenfalls nicht vorgetragen. Auch kann nach den vorgelegten Fotos nicht davon ausgegangen werden, dass die Versicherungsnehmerin von den Schaufensterauslagen abgelenkt war. Zum einen befinden sich in einem Frisörgeschäft oder einem Reisebüro keine Warenauslagen, die den Betrachter beim Vorbeischlendern ablenken. Zum anderen ging die Versicherungsnehmerin nach der vorgelegten Skizze in einem ausreichenden Abstand zu den Schaufenstern. Die Versicherungsnehmerin, die den Gehweg am helllichten Tag begangen hat, hätte ihre Aufmerksamkeit damit ohne weiteres auf die schadhaften Stellen richten können. Es hätte daher auch eines Warnschildes nicht bedurft, da dem insgesamt desolaten Zustand des Gehweges der Warncharakter innewohnte. Soweit die Klägerin eine höhere Sicherheit des Gehweges verlangt, verlässt diese Erwartungshaltung den Rahmen des Vernünftigen und stellt eine unberechtigte Sicherheitserwartung dar.

(4) Auch die zwischenzeitlich auf Veranlassung der Beklagten erfolgte Sanierung des Gehwegs ändert an der fehlenden Verpflichtung der Beklagten zu früheren Maßnahmen nichts.

(5) Schließlich können an dieser Stelle das Alter der Versicherungsnehmerin und deren Gebrechlichkeit unbeachtlich bleiben. Denn im Rahmen der Pflichtverletzung ist ein objektiver Maßstab anzusetzen; abzustellen ist zudem auf einen die normale Sorgfalt beachtenden, mithin durchschnittlichen Fußgänger (vgl. OLG Schleswig, VersR 1989, 627; OLG Hamm, OLGZ 1994, 301, 303; LG Kleve, a.a.O.).

b) Ein Anspruch des Klägers aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG scheitert darüber hinaus daran, dass der Versicherungsnehmerin jedenfalls ein weit überwiegendes Mitverschulden an dem Sturz zur Last fiele, hinter dem eine etwaige Amtspflichtverletzung der Beklagten zurückträte. Die Versicherungsnehmerin wohnt in 1,31 km Entfernung zum Platz ..., an dem sich der Sturz ereignete. Sie müsste den außerordentlich schlechten Zustand des Gehwegs - Abbruchkanten, Vertiefungen und Mulden - gekannt haben und hätte sich dementsprechend darauf einstellen können. Sie hätte daher mit Unebenheiten und Vertiefungen rechnen müssen. Jedenfalls hätte sich ihr dieser Zustand vor Ort aufdrängen müssen. Nach den vorgelegten Fotos waren die Gehwegplatten an dem Unfallort erkennbar geschädigt; ein Ausweichen wäre daher zumutbar gewesen (vgl. Bergmann/Schumacher, a.a.O., Rn. 130 m.w.N.). Es wäre der Versicherungsnehmerin - ausgehend von den Fotos Bl. 16 ff. der Gerichtsakte - im Übrigen auch möglich gewesen, den Gehweg näher in Richtung der Schaufenster zu begehen, da dort deutlich weniger Unebenheiten zu verzeichnen waren.

Im Rahmen des Mitverschuldens sind das hohe Alter der Versicherungsnehmerin und die beeinträchtigte Sehfähigkeit zwar nicht gänzlich unbeachtlich, ändern letztlich an dem überwiegenden Mitverschulden indes nichts. Insofern hätte es der Versicherungsnehmerin oblegen, den Gehweg noch vorsichtiger zu begehen.

2. Der zulässige Feststellungsantrag ist aus vorgenannten Erwägungen ebenfalls unbegründet.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Auch ist die Zulassung nicht zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung beruht allein auf der Würdigung des Einzelfalls.

Ende der Entscheidung

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