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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 22.07.2009
Aktenzeichen: 3 U 105/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 180
ZPO § 234 Abs. 3
ZPO § 339 Abs. 1
ZPO § 341 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 16. Juni 2008 - 2 O 475/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Der Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kosten zweiter Instanz durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Beklagte wurde durch erstinstanzliches Versäumnisurteil vom 29. Dezember 2005 zur Räumung und Herausgabe von Gewerbeflächen und Zahlung von Gewerbemietzins an die Klägerin verurteilt. Den Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil hat das Landgericht durch Schlussurteil vom 16. Juni 2008 als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die vom Beklagten eingelegte Berufung.

Ausgangspunkt des Streitverhältnisses sind zwei schriftliche Verträge vom 17.12.2004 bzw. vom 05.01.2005, mit denen die Parteien Gewerbemietverhältnisse über Hotel- und Gaststättenräume auf dem Geländes des Flugplatzes S... bzw. über einen auf demselben Gelände befindlichen Büroraum begründet hatten. Der Beklagte hatte 2005 in den Räumen seinen Geschäftssitz eingerichtet und einen Briefkasten unterhalten. Beide Mietverhältnisse wurden inzwischen beendet; die Klägerin ist nach Einweisung durch den Gerichtsvollzieher im März 2006 wieder unmittelbare Besitzerin der Räume.

Die Zustellungen im vorliegenden Verfahren veranlasste das Landgericht zunächst über die Geschäftsadresse des Beklagten auf dem Flugplatz S...; dies gilt insbesondere für die am 13.12.2005 beurkundete Zustellung der Klageschrift nebst richterlicher Verfügungen, sowie für die am 04.01.2006 beurkundete Zustellung des Versäumnisurteils vom 29. Dezember 2005.

Mit seinem am 04. Februar 2008 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt, wegen der versäumten Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Abweisung der Klage beantragt. In der Sache hat er vorgetragen, er habe die Räume am Flugplatz S... schon Mitte 2005 aufgegeben. Den vom Landgericht titulierten Mietzins habe er nicht geschuldet, weil die Klägerin den Ausbau noch nicht fertig gestellter Hotelzimmer verzögert habe, so dass er sein Geschäftsmodell nicht habe umsetzen können. Im Übrigen habe in den Gasträumen dauerhaft eine starke Geruchsbelästigung geherrscht, so dass die Miete auf null gemindert gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Landgericht den Einspruch des Beklagten als unzulässig verworfen. Es hat die an den Beklagten unter der Anschrift der streitgegenständlichen Räumlichkeiten im Dezember 2005 und Januar 2006 erfolgten Zustellungen als wirksam angesehen. Die Zustellungsurkunden vom 13.12.2005 und 04.01.2006 begründeten Beweis für die Einlegung der Schriftstücke in den zum Geschäftsraum des Beklagten gehörenden Briefkasten. Wenn der Zustelldienst auf der Urkunde vom 04.01.2006 die Rubrik "Wohnraum" anstelle von "Geschäftsraum" angekreuzt habe, stehe dieses Versehen einer wirksamen Zustellung nicht entgegen. Die nach Behauptung des Beklagten schon zum Juni 2005 erfolgte Aufgabe des Geschäftsbetriebs sei nicht als bewiesen anzusehen, zumal der Beklagte noch in einem Schreiben vom Ende August 2005 die bedingungslose Herausgabe der Räume verweigert habe. Auch die Behauptung, zu den Zeiten der Zustellungen sei keine Beschriftung des Briefkastens mit seinem Namen mehr vorhanden gewesen, habe die dazu vernommene Zeugin nicht bestätigt.

Die Frist zur Einlegung des Einspruchs sei 2 Wochen nach der Zustellung vom 04.01.2006 abgelaufen. Der gegen die Versäumung der Frist gerichtete Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei schon wegen Überschreitung der Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO unbegründet.

Mit der Berufung greift der Beklagte die Verwerfung des Einspruchs an, um in der Sache die Abweisung der Klage weiterverfolgen zu können. Der Beklagte meint, es sei 2006 keine wirksame Zustellung des Versäumnisurteils erfolgt, die Einspruchsfrist sei also nicht abgelaufen. Die Zustellungsurkunde vom 04.01.2006 sei mit dem Hinweis auf einen zur "Wohnung" des Zustellungsempfängers gehörenden Briefkasten falsch, weil er eine Wohnung unstreitig dort nie unterhalten habe. Die Urkunde erbringe damit keinen Beweis für die wirksame Zustellung des Versäumnisurteils. Das Landgericht habe über das Ankreuzen der Rubrik "Wohnung" nicht mit der Annahme einer versehentlich unzutreffenden Angabe hinweggehen dürfen, denn diese Frage unterliege nicht der freien Beweiswürdigung. Die Zivilkammer sei im Übrigen verpflichtet gewesen, der Frage der Beschriftung des Briefkastens außer durch Vernehmung der angebotenen Zeugin auch durch die weiter angebotene Parteivernehmung des Beklagten aufzuklären.

Der Beklagte rügt im Übrigen, ihm sei im gesamten Verfahren das rechtliche Gehör hinsichtlich materieller Einwendungen gegen die Klageansprüche verwehrt worden. Das Verfahren müsse in den Stand bei Zustellung der Klageschrift zurückversetzt werden. Zur Fortsetzung der Beweisaufnahme und weiteren Ermittlung von Amts wegen sei das Verfahren an das Landgericht zurückzuweisen; an einer eigenen Sachentscheidung sei das Brandenburgische Oberlandesgericht gehindert.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung der Urteile des Landgerichts Potsdam vom 29.12.2005 und 16.06.2008 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Die Geschäftsadresse des Beklagten habe bis zur Besitzeinweisung im März 2006 fortbestanden; allein der Umstand, dass der Beklagte nach Juni 2005 vor Ort nicht mehr bemerkbar gewesen sei, führe nicht zur Unwirksamkeit der Zustellungen. Auch der Umstand, dass der Zusteller in der Zustellungsurkunde vom 04.01.2006 ein Kreuz an der falschen Stelle - bei "Wohnung" - gemacht habe, ändere nichts daran, dass tatsächlich ein Geschäftsraum vorhanden gewesen, die Zustellung dort gesetzlich möglich und durch Einlegung in den vorhandenen Briefkasten auch tatsächlich erfolgt sei.

Für die Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen und für weitere Einzelheiten der Prozessgeschichte verweist der Senat auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den weiteren Akteninhalt.

II.

Die statthafte Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das damit zulässige Rechtsmittel bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Mit Recht hat das Landgericht den Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil gemäß § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen; der Zulässigkeit des am 04.02.2008 bei Gericht eingegangenen Einspruchs steht entgegen, dass zu diesem Zeitpunkt die Notfrist des § 339 Abs. 1 ZPO bereits verstrichen war.

Entgegen der Einschätzung des Beklagten sind die an dessen frühere Geschäftsanschrift gerichteten Zustellungen vom 13. Dezember 2005 und 04. Januar 2006 wirksam. Die Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil begann demgemäß am 05.01.2006 zu laufen und endete mit Ablauf des 18.01.2006.

Auch die vom Landgericht ausgesprochene Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist ist nicht zu beanstanden.

1. Die Zustellung des Versäumnisurteils vom 29.12.2005 erfolgte nach Maßgabe der §§ 178 ff. ZPO durch wirksame Ersatzzustellung an der Geschäftsadresse des Beklagten. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Zustellung sind durch die Zustellungsurkunde vom 04.01.2006 nachgewiesen.

Der erforderliche Inhalt der Zustellungsurkunde ist abhängig von der konkreten Art der Zustellung in § 182 Abs. 2 ZPO bestimmt. Die danach allgemein in die Urkunde aufzunehmenden Punkte - etwa die Bezeichnung des Empfängers, das Datum, die Uhrzeit, der Name des Zustellers etc. - sind überwiegend auf der am 04.01.2006 verwendeten Urkunde bereits vorgedruckt; soweit dies nicht der Fall war, hat der Zusteller diese allgemeinen Inhalte beanstandungsfrei eingetragen. Auch der Beklagte stellt dies nicht in Abrede.

a) Als weiterer Inhalt der Urkunde ist im Falle der Ersatzzustellung gemäß § 182 Abs. 2 Ziffer 4 ZPO die Angabe des Grundes vorgeschrieben, der diese Form der Zustellung rechtfertigt. Auch diesem Erfordernis entspricht die Zustellungsurkunde vom 04.01.2006.

Die Ersatzzustellung des Versäumnisurteils durch Einlegen in den Briefkasten setzte gemäß § 180 ZPO voraus, dass eine Zustellung durch Übergabe an Dritte im Sinne des § 178 ZPO nicht möglich war. Dies wiederum setzte voraus, dass der Beklagte als Zustellungsempfänger persönlich am Ort der Zustellung nicht angetroffen und ihm das Schriftstück daher nicht gemäß § 177 ZPO übergeben werden konnte. Diese Voraussetzungen sind in der Zustellungsurkunde vom 04.01.2006 durch Ankreuzen der Ziffer 9 vom Zusteller beurkundet worden.

Auch der Beklagte behauptet nicht, dass er oder ein empfangsbereiter Dritter im Sinne des § 178 ZPO am 04.01.2006 in den Räumen am Flughafen anzutreffen gewesen sei.

b) Die vom Beklagten gemieteten Gewerberäume, unter deren Anschrift die Ersatzzustellung erfolgte, waren auch am 04.01.2006 noch als seine Geschäftsräume im Sinne des § 180 ZPO anzusehen.

Im Ausgangspunkt unstreitig unterhielt der Beklagte seit Anfang des Jahres 2005 unter der Zustelladresse am Flugplatz S... mehrere Geschäftsräume, darunter das Hotel und ein mit gesondertem Vertrag angemietetes Büro.

Seine Einschätzung, diese Geschäftsräume spätestens seit Juni 2005 aufgegeben zu haben, stützt der Beklagte darauf, dass seine einzige Beschäftigte - die vom Landgericht vernommene Zeugin E... - für den Beklagten später nicht mehr tätig gewesen und auch er selbst ab dieser Zeit vor Ort nicht mehr anzutreffen und telefonisch nicht mehr erreichbar gewesen sei. Diese Umstände allein reichen aber zur Darlegung der Aufgabe eines Geschäftssitzes nicht aus.

Ein Geschäftsraum ist vorhanden, wenn ein bestimmter Raum - und sei er auch nur zeitweilig besetzt - geschäftlicher Tätigkeit dient (BGH NJW-RR 2008, 1565 f.). Im Unterschied zur Rechtslage bei der Aufgabe einer Wohnung ist mit einer bloßen Verlagerung des räumlichen Lebensmittelpunktes eines Gewerbetreibenden nicht zugleich eine Verlagerung des Geschäftssitzes dargelegt. Verlegt ein Gewerbetreibender seinen Lebensmittelpunkt, so hat dies Auswirkungen auf den vom ihm gegründeten Geschäftssitz zunächst lediglich insoweit, als er dort verpflichtet ist, Vorkehrungen für künftige Fristwahrungen zu treffen, und zwar sogar im Falle unvorhersehbarer Abwesenheit (BGH a.a.O.).

Im Zusammenhang mit der Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO begründet die Erklärung des Postbediensteten, den Empfänger am Ort der angegebenen Zustelladresse nicht angetroffen zu haben, ein beweiskräftiges Indiz für das Unterhalten eines Geschäftsraums. Dieses kann der Adressat der Zustellung nur durch die schlüssige und plausible Darstellung entkräften, dass er den einmal gegründeten Geschäftsraum später aufgegeben hat. Das bloße Bestreiten reicht nicht aus; die Geschäftsaufgabe ist substantiiert darzustellen (BayVGH - 4 ZB 08.958 - Beschl. v. 18.11.2008; zitiert nach juris).

Die erforderliche dauerhafte Abkehr von seinem geschäftlichen Vorhaben und die damit einhergehenden Einzelheiten zur Verlagerung seiner im Ausgangspunkt unstreitig begründeten Geschäftsadresse hat der Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Stattdessen verstärkt das als Anlage K 7 eingereichte Schreiben des Beklagten vom 27.08.2005 den Eindruck, der Beklagte habe auch nach Juni 2005 an seinem Geschäftssitz festgehalten. In dem genannten Schreiben bekundet der Beklagte zwar gegenüber der Klägerin ein Interesse an der zügigen Abwicklung der hier streitgegenständlichen Rechtsverhältnisse, kündigt insoweit aber lediglich an, nach einem Beratungsgespräch mit seinem Anwalt eine Entscheidung mitzuteilen zu wollen. Als Voraussetzung einer außergerichtlichen Einigung formuliert er zugleich verschiedene Zahlungsansprüche; erst nach deren Erfüllung stellt er die Übergabe von Schlüsseln und Entfernung seiner Sachen aus den Räumen in Aussicht.

Der Beklagte selbst macht damit deutlich, unverändert die Sachherrschaft über die Räume auszuüben und diesbezüglich weiterhin als selbständig tätiger und frei entscheidender Geschäftsmann aufzutreten. Für die Zeit nach dem Schreiben, also ab September 2005, trägt er Beklagte nichts dazu vor, durch welche Maßnahmen er die bis dahin nicht erkennbare Verlagerung oder Aufgabe des Geschäftsbetriebs eingeleitet haben will.

c) Auch die ordnungsgemäße Bewirkung der Zustellung ist durch die Zustellungsurkunde vom 04.01.2006 nachgewiesen. Die Zustellung erfolgt dadurch, dass gemäß dem Wortlaut des § 180 ZPO "...das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung..." eingelegt wird. Dies ist ausweislich des in der Zustellungsurkunde bereits entsprechend vorgedruckten Textes geschehen; der Zusteller hat die Einlegung der Sendung in den Briefkasten durch Ankreuzen eines Feldes unter Ziffer 10 des Vordrucks bezeugt.

2. Der vom Beklagten angeführte Fehler des Zustellers, in der Zustellungsurkunde anstelle des Feldes 10.2 mit dem Text "zum Geschäftsraum" das darüber liegende Feld 10.1 mit dem Text "zur Wohnung" angekreuzt zu haben, hat auf die Wirksamkeit der Zustellung keinen Einfluss.

a) Zwar gibt der für die Zustellungsurkunde eingeführte Vordruck durch jeweils getrennte Ankreuzfelder eine Einschätzung des Zustellers zu der Frage vor, ob der von ihm verwendete Briefkasten des Empfängers zu dessen Wohnung oder zu dessen Geschäftsraum gehört; diese Angabe gehört aber nach Maßgabe des § 182 Abs. 2 ZPO nicht zu den Inhalten, die in der Zustellungsurkunde enthalten sein müssen. Unterläuft also dem Zusteller in diesem Bereich ein Fehler, so wirkt sich dieser nicht auf diejenigen beurkundeten Erklärungen aus, die nach der gesetzlichen Regelung unverzichtbarer Inhalt der mit den Wirkungen des § 418 ZPO zu erstellenden Urkunde über die Zustellung sind.

b) Die in der amtlichen Zustellungsurkunde eingeführte Unterscheidung hat auch nach Maßgabe des § 180 ZPO keine rechtlichen Wirkungen. Für die in den Feldern 10.1 und 10.2 des Vordrucks erfasste Ersatzzustellung kommt es gerade nicht darauf an, ob die vom Zusteller benutzte Empfangsvorrichtung zur Wohnung oder zum Geschäftsraum gehört. Unter den bereits erörterten gesetzlichen Voraussetzungen ist stattdessen eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO über jeden Briefkasten des Empfängers möglich, zu welcher Art von Räumlichkeit er auch tatsächlich gehören mag.

c) Auch aus der Funktion und den zu berücksichtigenden Interessen der Beteiligten an einer Zustellung ergibt sich keine Notwendigkeit, die Wirksamkeit der Zustellung davon abhängig zu machen, ob eine von den Vorschriften der ZPO nicht geforderte Angabe - hier die Zuordnung des verwendeten Briefkastens zu Wohnung oder Geschäftsraum - in den Feldern 10.1 und 10.2 des Vordrucks fehlerfrei erfasst ist.

Für die Folgen vermeintlich unzureichender Angaben in einer Zustellungsurkunde hat auch der BGH (NJW 2006, 150 ff.) im Ausgangspunkt entscheidend darauf abgestellt, an welchen gesetzlich vorgesehenen Inhalten die Zustellungsurkunde zu messen ist. So muss sie etwa bei der Beurkundung einer Ersatzzustellung nach § 180 ZPO keine Angabe dazu enthalten, in welcher "ähnlichen Vorrichtung" die Sendung verblieben ist, wenn der Zusteller keinen Briefkasten vorgefunden hat, weil diese Angabe gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Auch wird durch das Unterlassen einer näheren Beschreibung der "ähnlichen" Empfangsvorrichtung nicht der dem Adressaten obliegende Nachweis erschwert, ein bestimmtes Schriftstück nicht erhalten zu haben. In aller Regel wird der Adressat nur über eine in Betracht zu ziehende Empfangseinrichtung verfügen, so dass er unschwer erkennen kann, welche Vorrichtung der Zusteller mit der Eintragung in der Zustellungsurkunde gemeint hat (BGH a.a.O.).

Diese Feststellungen gelten auch gegenüber dem Einwand des Beklagten, die Zustellung sei unwirksam, weil sie die falsche Angabe enthalte, das Versäumnisurteil sei an einer "Wohnung" zugestellt worden. Der Beklagte unterhielt zu keiner Zeit andere Räume am Flugplatz S... als seine Geschäftsräume. Für ihn und seine Firma gab es immer nur einen Briefkasten, also eine einzige "Empfangsvorrichtung" für eingehende Schriftstücke. Diesen Briefkasten hatte bereits am 13. Dezember 2005 ein anderer Zusteller als empfangsgeeignete Einrichtung vorgefunden und angesehen (in der dabei erstellten Zustellungsurkunde ist sogar die Zuordnung des Briefkastens zu "Geschäftsräumen" des Beklagten fehlerfrei eingetragen). Die Benutzung eben dieser einen vorhandenen Empfangsvorrichtung lässt sich auch den Angaben des Zustellers in der Urkunde vom 04.01.2006 entnehmen. Unabhängig davon, ob der vom Zusteller genutzte Briefkasten im Ankreuztext einer - nicht existenten - Wohnung zugeordnet wurde, oder aber (wie schon am 13.12.2005) wiederum dem allein vorhandenen Geschäftsraum, konnte für den Beklagten zu keiner Zeit eine Unklarheit darüber entstehen, in welche Empfangsvorrichtung der Zusteller die Sendung mit dem Versäumnisurteil am 04.01.2006 eingelegt hatte.

3. Auch die Wirksamkeit der Zustellung der Klage und der gerichtlichen Verfügungen vom 13. Dezember 2005 ist entsprechend den vorstehenden Ausführungen als wirksam anzusehen.

Zwar kam es für die angefochtene Entscheidung des Landgerichts nach § 341 ZPO nicht auf die Frage an, ob das nach Fristablauf angefochtene Versäumnisurteil in gesetzlicher Weise ergangen ist. Die Verwerfung nach § 341 ZPO erfolgt bei einem unzulässigen Einspruch im Grundsatz ohne jede Sachprüfung (BGH MDR 2007, 901).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wäre allerdings für den Fall anzuerkennen sein, dass ein Anspruch tituliert ist, der mangels vorheriger Klagezustellung nie rechtshängig geworden ist; ein außerhalb eines rechtshängigen Verfahrens erlassenes Urteil wäre als wirkungslos angesehen (vgl. Zöller, Rz. 18 f. vor § 300 ZPO m.w.N.). Zur Abwendung der bei einem solchen Urteil möglichen formellen Rechtskraft könnte ein solches Urteil erfolgreich mit dem Rechtsmittel angefochten werden, das gegen ein rechtsfehlerfreies Urteil gleichen Inhalts gegeben wäre (BGH NJW-RR 2006, 565 f.).

Da die Rechtshängigkeit der Klage gegenüber dem Beklagten aber durch die wirksame Zustellung vom 13.12.2005 eingetreten ist, bleibt die Berufung auch unter diesem Gesichtspunkt erfolglos.

4. Aus demselben Grund dringt der Beklagte auch nicht mit seiner Rüge durch, ihm sei nicht in gebotener Weise rechtliches Gehör gewährt worden. Materielle Einwendungen waren dem Beklagten bereits im Hinblick auf die am 13.12.2005 wirksam erfolgte Zustellung der Klage nebst der gerichtlichen Verfügung nicht abgeschnitten. Im Übrigen wäre das rechtliche Gehör jedenfalls auch durch die Zustellung des Versäumnisurteils und die damit eröffnete Möglichkeit des Einspruchs gewährt worden (vgl. BGH MDR 2007, 901 f.).

5. Das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten hat das Landgericht mit Recht als unbegründet angesehen. Der Senat schließt sich der Einschätzung an, dass der Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bereits die Überschreitung der Ausschlussfrist des § 234 Abs. 3 ZPO entgegensteht.

Die vom Beklagten angeführten seltenen Ausnahmefälle, in denen der mit der Vorschrift bezweckte Schutz des von der Fristversäumung profitierenden Prozessgegners ausnahmsweise zurücktreten kann (vgl. Zöller; Rz. 12 zu § 234 ZPO), sind auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragbar, weil die Gründe für die Fristüberschreitung ausschließlich in der Sphäre des Beklagten liegen. Er selbst hat das ungenutzte Verstreichen der Jahresfrist gemäß § 234 Abs. 3 ZPO zu vertreten. Der Beklagte trägt nichts dazu vor, wann und wie er selbst im Anschluss an sein bereits oben gewürdigtes Schreiben vom August 2005 (Anlage K 7) die Abwicklung der Mietverhältnisse betrieben hat, und weshalb er wann die insoweit im Raume stehenden Fragen etwa als gelöst hätte ansehen können. Sind also derart berechtigte Erwartungen oder Gründe für das Verhalten des Beklagten nicht dargetan, so durfte er in keinem Fall ohne jede Vorkehrung für einen so langen Zeitraum den Kontakt zur Klägerin und zu seiner letzten Geschäftsadresse meiden, ohne sich dem Vorwurf einer pflichtwidrigen Mitverursachung des Ablaufs der Jahresfrist auszusetzen.

6. Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO. Das erstinstanzliche Versäumnisurteil und das im vorliegenden Verfahren angegriffene Verwerfungsurteil des Landgerichts sind und bleiben gemäß § 708 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung, ohne dass dem Beklagten insoweit eine Abwendungsbefugnis zusteht. Letztere erfasst entsprechend §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO ausschließlich den aus dem Berufungsurteil vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch der Klägerin. Klarstellend war dies im Tenor auszusprechen.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Das Berufungsurteil beruht im Kern auf einer Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Eine Abweichung in der Rechtsanwendung gegenüber Entscheidungen des Bundesgerichtshofes oder gegenüber anderen Oberlandesgerichten ist nicht ersichtlich.

7. Der Gebührenstreitwert wird für beide Instanzen auf 76.163,23 € festgesetzt.

Dieser Betrag setzt sich aus den drei im Versäumnisurteil des Landgerichts titulierten Begehren zusammen, nämlich dem Zahlungsanspruch in Höhe von 39.312,91 € sowie aus den Räumungsbegehren für die Hotel- und Restauranträume sowie für den Büroraum.

Für das Hotel- und Restaurantobjekt galt gemäß § 3 Ziff. 7 des Mietvertrags ein reduzierter Mietzins von 2.500,00 € zuzügl. 16 % Mwst., mithin monatlich 2.900,00 €. Dies ergibt einen Jahresbetrag von 34.800,00 €. Nebenkosten sind als Vorauszahlung vereinbart und bleiben für die Wertfestsetzung (entgegen den Angaben der Klageschrift) nach § 41 I 2 GKG unberücksichtigt.

Für das gesondert angemietete Büro ergibt sich aus den vertraglich vereinbarten 6,50 €/qm bei einer Größe von 22,66 qm zuzügl. 16 % Mwst. ein Monatsbetrag von 170,86 €, jährlich also 2.050,32 €. Auch hier bleiben Nebenkosten ohne Ansatz.

Ende der Entscheidung

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