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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.07.2008
Aktenzeichen: 3 U 168/07
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, RVG


Vorschriften:

BGB § 195
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 488 Abs. 1 Satz 2
BGB § 488 Abs. 3
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 2
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1
RVG § 13
RVG § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 168/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 09.07.2008

Verkündet am 09.07.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18.06.2008 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Bunge und die Richter am Oberlandesgericht Jalaß und Hüsgen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufung wird die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 15.08.2007 - 4 O 234/07 - verurteilt, an die Klägerin 5.112,92 € zu zahlen nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2006 sowie weitere 365,58 €. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die berufungsführende Klägerin verlangt von der Beklagten, ihrer ehemaligen Schwiegertochter, die Rückzahlung eines Darlehens.

Am 31.03.1998 unterzeichnete die Beklagte ein selbstständiges Schuldanerkenntnis gegenüber ihrem damaligen Schwiegervater, Herrn H... S..., über den Erhalt eines unbefristeten und zinslosen Darlehens über 30.000,00 DM. H... S... verstarb am 20. Januar 2000 und wurde von der Klägerin beerbt (vgl. Erbschein vom 30.05.2000, Amtsgericht Brandenburg, 50 VI 111/2000, Anlage K2, 17 GA). Im November 2000 zahlte der Zeuge G..., der damalige Ehemann der Beklagten, seinerzeit in ihrem Spielwarenbetrieb angestellt, 10.000,00 DM auf das Geschäftskonto der Beklagten, die sich zu diesem Zeitpunkt in einem Liquiditätsengpass befand. Im Jahre 2002 schloss die Klägerin einen von der Beklagten - im Nebenberuf - vermakelten Lebensversicherungsvertrag mit einer fixen Beitragssumme von 18.925,08 € ab, dessen Prämien/Beiträge die Beklagte vollständig zu bedienen hatte. Ab Mai 2005 stellte die Beklagte die monatlichen Prämienzahlungen über 299,03 € ein. Die Klägerin kündigte die Fondspolice und erhielt gem. Schreiben des Lebensversicherers vom 05.07.2006 von diesem den Rückkaufwert i.H.v. 9.341,36 € vergütet (vgl. K3, 18 GA). Mit Anwaltsschreiben vom 24.07.2006 (K4, 19 GA) forderte sie von der Beklagten 11.488,78 € und gab in ihrer rechnerischen Herleitung hierzu an, von dem Lebensversicherer 8.970,90 € erhalten zu haben. Die Beklagte überwies per 13.11. der Klägerin 5.997,40 € mit der Tilgungsbestimmung "Restzahlung Darlehen vom 31.03.1998" (vgl. B1, 30 GA).

Die Klägerin hat behauptet, am 30.10.2000 mit dem Zeugen G... als Vertreter der Beklagten zur Überbrückung ihrer Liquiditätsschwierigkeiten einen Darlehensvertrag über 10.000,00 DM geschlossen und diesen Betrag diesem Zeugen am 02.11.2000 in bar übergeben zu haben.

Die Beklagte hat eine Bevollmächtigung des Zeugen G... sowie dessen Darlehensvereinbarung und Entgegennahme des Betrages als Darlehen bestritten. Im Termin am 18.07.2007 hat sie hilfsweise die Verjährungseinrede erhoben, Bezug nehmend auf das Klägervorbringen, wonach die Rückzahlung des Darlehens über 10.000,00 DM ab 2001 fällig gewesen sei (vgl. 11 GA).

Nach Beweisaufnahme hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, die Klage abgewiesen. Der Zeuge G... habe schon ein Vertreterhandeln für die Beklagte nicht bestätigt. Die Verwendung des Geldbetrages für Geschäftszwecke der Beklagten und deren Übernahme von Prämienzahlungen im Oktober 2002 begründeten gleichfalls keinen tragfähigen Schluss auf das behauptete Darlehen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Zahlungsbegehren uneingeschränkt weiter. Sie wendet sich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 15.08.2007 - 4 O 234/07 - die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.112,92 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.06. zu zahlen sowie weitere 419,18 €.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat Zeugenbeweis erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist er auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze und, insoweit auch wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, auf das Terminsprotokoll vom 18. Juni 2008.

II.

Die statthaft und auch im Übrigen zulässige Berufung hat in der Hauptsache Erfolg.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Darlehensrückzahlungsanspruch aus § 488 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB, der nach § 5 Satz 2 Art. 229 EGBGB für Dauerschuldverhältnisse, also für das streitgegenständliche Darlehen, seit dem 01.01.2003 anzuwenden ist.

a) Bei Zuwendungen, auch wenn sie im Familienkreis stattfinden, besteht - wie das Landgericht verkannt hat - eine tatsächliche Vermutung für den stillschweigenden Abschluss eines Darlehensvertrages, wenn die Zuwendung im wirtschaftlichen Verkehr erfolgt, etwa zur Tilgung von Geschäftsschulden eines Familienmitgliedes (vgl. Baumgärtl/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl., § 607 BGB Rn. 6 am Ende, m.w.N.). So liegt es hier nach den bindenden Feststellungen (vgl. § 529 Abs. 1 ZPO) im Tatbestand des angefochtenen Urteils. Danach erfolgte die Übergabe der 10.000,00 DM nach vorangegangenem Gespräch im November 2000 zum Ausgleich fälliger Rechnungen aus dem Geschäftsbetrieb der Beklagten.

b) Davon abgesehen hat der Zeuge G... bereits bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht im Termin am 18.07.2007 Vertreterhandeln, Vereinbarung des Darlehens und dessen Hingabe bestätigt. Er hat positiv ergiebig angegeben, sich mit der Beklagten über die Deckung des Finanzierungsbedarfes aus Anlass der Anfang November fällig werdenden Lieferantenrechnungen beraten und hierbei mit der Beklagten auch besprochen zu haben, das von der Klägerin zu erwartende Geld nach Weihnachten so schnell wie möglich zurückzuzahlen (vgl. Terminsprotokoll vom 18.07.2007, 41 GA). Hierin liegt eine Bevollmächtigung des Zeugen G... durch die Beklagte, sofern die Rückzahlungsabsprache vor Vereinbarung des Darlehens lag, andernfalls dessen Genehmigung durch die Beklagte (§ 177 Abs. 1 BGB), die problemlos auch gegenüber dem Vertreter erklärt werden kann (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 177, Rn. 6). Die Vereinbarung der Überlassung des Geldes auf Zeit, also mit Rückzahlungsverpflichtung, und zwar der Beklagten, deren Verbindlichkeiten hiermit getilgt werden sollten, hatte der Zeuge ebenfalls bestätigt, desgleichen den Erhalt des Geldes und dessen absprachengemäße Verwendung.

Bei seiner Vernehmung vor dem Senat hat der Zeuge darüber hinaus die Reihenfolge der von ihm geführten Gespräche dahin klargestellt, zunächst mit der Beklagten über die Deckung des für Anfang November 2000 absehbaren Finanzbedarfs gesprochen zu haben. Wegen Erschöpfung anderer Geldquellen sei damals nur noch die Klägerin als Geldgeberin in Betracht gekommen. Von dieser habe er sodann im Anschluss und in Umsetzung des Gesprächs mit der Beklagten Geld erbeten und daraufhin die 10.000,00 DM erhalten.

Der Senat glaubt dem Zeugen. Seine Angaben waren in sich schlüssig und der Zeuge war in der Lage, sie auf Nachfrage des Senats widerspruchsfrei in weitere Details aufzufächern, so etwa hinsichtlich des Gesprächs, das er im letzten Quartal 2000 zunächst erfolglos mit der damaligen Hausbank der Beklagten geführt hat und dessen negatives Ergebnis zur Ansprache der Klägerin führte. Die Bekundungen des Zeugen umfassten ferner geschehenstypische emotionale Begleiterlebnisse; so hat der Beklagte die Rückzahlungsverpflichtung seiner damaligen Ehefrau gegenüber der Klägerin nachvollziehbar als "unangenehmes" Thema wiedergegeben, das, insbesondere nachdem die vereinbarten Rückzahlungen ausblieben, vermieden worden sei.

Nicht zuletzt stehen die Bekundungen des Zeugen in Übereinstimmung mit der unstreitigen Absprache zwischen den Parteien aus dem Jahre 2002 zur Übernahme von Prämienzahlungsverpflichtungen der Klägerin durch die Beklagte weit oberhalb der Darlehensrückzahlungsverpflichtungen aus dem ersten Darlehen, das ihr ihr zwischenzeitlich verstorbener Schwiegervater gewährt hatte, und in der Größenordnung der Summe aus beiden Darlehen.

2. Die Verjährungseinrede der Beklagten (§ 214 Abs. 1 BGB) greift nicht durch. Die Darlehensrückzahlungsforderung der Klägerin verjährte nach altem Recht in der 30-jährigen Regelfrist und gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 Art. 229 EGBGB nunmehr in der 3-jährigen Regelfrist des § 195 BGB. Der Beginn der Verjährungsfrist, für den die Beklagte als Schuldnerin darlegungs- und beweisbelastet ist, lässt sich nicht feststellen, worauf der Senat im Termin hingewiesen hat. Die Erklärung der Beklagtenvertreterin, die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs, die für die Anspruchsentstehung i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB erforderlich ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 199 Rn. 3 m.w.N.) bestehe spätestens Ende 2001, etwa im Termin am 18.07.2007 (vgl. 42 GA) stellt insoweit lediglich eine rechtliche Bewertung dar, die der Klägervortrag so nicht hergibt. Vielmehr hat die Klägerin in der Klagebegründung vorgetragen, die Rückzahlung habe "eigentlich" ab 2001 erfolgen sollen. Diese Einschränkung trägt ohne weiteres das gleichzeitige Vorbringen einer stillschweigenden Stundung oder Aufhebung der Darlehensbefristung. Dieser Klägervortrag findet sodann eine erhebliche Stütze und weitere Substanziierung in der unstreitigen Parteiabsprache aus dem Jahre 2002 zur Übernahme von Prämienzahlungsverpflichtungen weit oberhalb der Darlehensrückzahlungsverpflichtung aus dem ersten Darlehen des Schwiegervaters der Beklagten und in der Größenordnung der Summe aus beiden Darlehen. Gegenüber diesem substantiierten Klägervorbringen stellt sich das Beklagtenvorbringen im Schriftsatz vom 07. August 2007 als bloße Rechtsansicht dar, es habe sich bei den 10.000,00 DM um ein endfälliges Darlehen gehandelt.

3. Hinsichtlich der Geschäftsgebühr für vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit steht der Klägerin nur ein ersatzfähiger Schaden von 363,58 € zu. Der Klägerin sind Anwaltskosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV, §§ 13, 14 RVG bei einem Geschäftswert von 11.480,78 € in Höhe von 816,41 € entstanden. Hiervon entfallen 45% auf die Beklagte, die sich nach ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung mit einem Betrag von 5.112,92 € in Verzug befand. Der verbleibende Betrag betraf ein weiteres Darlehen, hinsichtlich dessen sich mangels Fälligkeit der Rückzahlungsverpflichtung die Verzugsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der anwaltlichen Inanspruchnahme nicht feststellen lassen.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da ihre Entscheidung von keiner Beantwortung einer höchstrichterlich bisher noch nicht entschiedenen Frage abhängt. Sie gibt auch keine Veranlassung, in den berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen. Im Übrigen beruht sie auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 6.000,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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