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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 25.04.2007
Aktenzeichen: 3 U 184/06
Rechtsgebiete: BGB, GesO, ZPO, KO, InsO


Vorschriften:

BGB § 428
BGB § 774
BGB § 774 Abs. 1
BGB § 774 Abs. 1 Satz 1
BGB § 775 Abs. 1
GesO § 8
GesO § 8 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 68
ZPO § 156 Abs. 2
ZPO § 283 Satz 2 1. Halbs.
ZPO § 525 Satz 1
KO § 82
InsO § 60 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 184/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 25.04.2007

verkündet am 25.04.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Bunge sowie der Richter am Oberlandesgericht Jalaß und Hüsgen auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 06. November 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - 8 O 590/05 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Prozessparteien streiten, nachdem der Kläger die Hauptsache im Termin der mündlichen Verhandlung erster Instanz einseitig für erledigt erklärt hat, mit Blick auf die Prozesskosten noch darum, ob der Rechtsstreit tatsächlich in der Hauptsache erledigt ist. Ursprünglich hatte der Kläger den Beklagten mit seiner am 03. November 2005 (GA I 1) eingereichten und am 26. Januar 2006 (GA I 62 R) zugestellten Klage auf vollständige Freistellung von seinen Verpflichtungen gegenüber der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) aus einem am 24. Januar 2005 vor dem Landgericht Potsdam unter dem Aktenzeichen 8 O 436/04 abgeschlossenen Prozessvergleich (Kopie Anlage K7 = GA I 18 ff./56 ff.) in Anspruch genommen. Durch das - mittlerweile rechtskräftige - Zwischenurteil vom 11. September 2006 wurde vom Landgericht im Parallelprozess festgestellt, dass dieser Vergleich wirksam widerrufen worden ist (LG Potsdam, Urt. v. 11.09.2006 - 8 O 81 und 436/04, n.v., GA 8 O 81/04 = 3 U 16/07 II 439 ff.). Zur näheren Darstellung des Tatbestandes und der erstinstanzlichen Prozessgeschichte wird auf die hier angefochtene Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das erstinstanzliche Urteil, auf das vom Senat auch wegen der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird (LGU 4 f.), ist dem Kläger - zu Händen seines erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten - am 07. November 2006 zugestellt worden. Er hat am 07. Dezember 2006 mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel durch einen am 08. Januar 2007, einem Montag, bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen Anwaltsschriftsatz begründet.

Der Kläger ficht das landgerichtliche Urteil - sein bisheriges Vorbringen wiederholend und vertiefend - in vollem Umfange seiner Beschwer an. Dazu trägt er insbesondere Folgendes vor:

Durch die Eingangsinstanz sei nicht berücksichtigt worden, dass er - der Kläger - keine Befreiung von einer Bürgschaft, sondern von den Folgen des Vergleichs mit der ILB begehrt habe. Erledigung sei eingetreten, weil die zunächst bestehende Leistungspflicht durch das Zwischenurteil nicht weiterexistiere. Erst in der darin enthaltenen Feststellung, dass der Parallelprozess nicht beendet sei, liege - wegen der Doppelnatur des Prozessvergleichs - das erledigende Ereignis; auf die Widerrufserklärung als Prozesshandlung komme es nicht an. Mangels eines entsprechenden Hinweises der Zivilkammer sei er, der Kläger, zudem daran gehindert gewesen, die Anmeldung seines allgemeinen Befreiungsanspruchs in dem Gesamtvollstreckungsverfahren am 28. Februar 1999 und die Eingangsbestätigung vom 20. April 1999 vorzutragen. Mit der Klage sei es ihm jedoch nicht um einen allgemeinen Befreiungsanspruch, sondern um die Beseitigung von Nachteilen gegangen, die ihm der Beklagte pflichtwidrig als Einzelschaden zugefügt habe. Jedenfalls sei der im Termin beantragte Schriftsatznachlass auf den gerichtlichen Hinweis zu Unrecht und ohne Begründung nicht gewährt worden. Die Eingangsinstanz hätte vertagen beziehungsweise die mündliche Verhandlung wiedereröffnen müssen. Dann hätte er, der Kläger, auf die im Prozessvergleich niedergelegte Gesamtgläubigerschaft von D... Bank AG und ILB hinweisen können. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, die Kreditforderungen der Gläubigerin vollständig zu erfüllen, obgleich ausreichende Mittel dafür vorhanden waren beziehungsweise hätten liquide gemacht werden können. Die Zahlungsverpflichtung gegenüber der ILB stelle sich, was vom Landgericht - ebenso wie der Gesamtgläubigerbegriff des § 428 BGB und die solidarische Haftung von Masse und Verwalter für Einzelschäden im Sinne von § 8 GesO - verkannt worden sei, für ihn, den Kläger, als Schaden im Rechtssinne dar.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt - seine erstinstanzlichen Darlegungen ebenfalls wiederholend und vertiefend - das angefochtene Urteil. Dazu trägt er insbesondere Folgendes vor:

Im Rahmen des Gesamtvollstreckungsverfahrens könne er, der Beklagte, allenfalls dann in Anspruch genommen werden, wenn eine Anmeldung zur Tabelle vorliege, an der es bislang aber fehle; ein Zahlungsanspruch bestehe von vornherein nicht. Der Prozessvergleich sei in einem Rechtsstreit über die Bürgschaft geschlossen worden; selbst wenn die Verpflichtung zu seiner Erfüllung eigenständig wäre, würde sich daraus kein einklagbarer Anspruch ergeben. Wenn der Kläger tatsächlich auf die Bürgschaft zahle, könne er sich die Tabellenposition abtreten lassen. Da alle Rechtsfragen schon in den terminsvorbereitenden Schriftsätzen erörtert worden seien und der Kläger persönlich an der mündlichen Verhandlung erster Instanz teilgenommen habe, habe ihm keine weitere Erklärungsfrist mehr eingeräumt werden müssen. Er lasse nach wie vor unberücksichtigt, dass es ein isoliertes Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der M... C... Ch... GmbH gebe (35 N 1174/98 - AG Potsdam). Der klägerische Vortrag zu Verkäufen und Zahlungen sei unrichtig; die Hauptschuldnerin und ihre Tochtergesellschaft hätten mit der - durch die Grundpfandrechte gesicherten - D... Bank AG noch andere Bankverbindungen unterhalten; deshalb sei ihr ohnehin der komplette Erlös aus der Grundstücksverwertung zugeflossen. Wenn die Gläubigerin - wie der Kläger vortrage - vollständig befriedigt sei, dann könne er aus der Bürgschaft nicht mehr in Anspruch genommen werden und für einen Freistellungsanspruch bleibe ebenfalls kein Raum. Pflichtverletzungen habe er, der Beklagte, nicht begangen; die Einnahmen seien gemäß den Beschlüssen des Gläubigerausschusses verwendet worden. Ohnehin bestünden gegenüber dem Kläger keine Verwalterpflichten.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der bisherigen Prozessgeschichte wird ergänzend auf die Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen, auf sämtliche Terminsprotokolle und auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A. Das Rechtsmittel des Klägers ist zulässig; es wurde von ihm insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517 ff. ZPO). In der Sache selbst bleibt seine Berufung allerdings erfolglos. Das Landgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn die Erledigung der Hauptsache kann hier nicht festgestellt werden. Eine Hauptsacherledigung kommt, wie die Vorinstanz zutreffend angenommen hat (LGU 4), nach ganz herrschender Meinung und insbesondere ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen hat, nur dann in Betracht, wenn das jeweilige Rechtsschutzbegehren bei Eintritt des erledigenden Ereignisses, durch das der Kläger klaglos gestellt wurde, zulässig und begründet gewesen ist (vgl. BGHZ 83, 12, 13; ferner Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 91 a Rdn. 33; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91 a Rdn. 43 f.; jeweils m.w. N.). Worauf der Kläger seinen Freistellungsanspruch stützen möchte, geht aus seinen erstinstanzlichen Darlegungen nicht zweifelsfrei hervor; während die Ausführungen in der Klageschrift (GA I 1, 4 [unten]) auf einen Bürgenregress nach § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB hindeuten, wird in der Replik zur Klageerwiderung der Befreiungsanspruch des Bürgen aus § 775 Abs. 1 BGB problematisiert (GA I 86, 87). Doch selbst wenn es dem Kläger, wie er in der Berufungsbegründung ausführen lässt (GA I 138 ff, insb. 151 und 153), von Anfang an im Kern um die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten als Verwalter nach § 8 GesO gegangen sein sollte, verhilft dies der Klage nicht zum Erfolg. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Zu Unrecht meint der Kläger, das erledigende Ereignis sei frühestens mit dem Erlass des Zwischenurteils im Parallelverfahren über die prozessbeendigende Wirkung des dort abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs eingetreten. Zwar hat sich der Kläger, wie aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung erster Instanz vom 16. Oktober 2006 (GA I 105) hervorgeht, "angesichts des Verfahrensstandes in den Verfahren 8 O 81/04 und 8 O 436/04" dazu entschlossen, den hier vorliegenden Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Ob die Hauptsache wirklich erledigt ist, was vom Gericht bei einseitiger Erledigungserklärung stets geprüft werden muss, richtet sich aber allein danach, ob und wann ein tatsächliches Ereignis eingetreten ist, das das klägerische Petitum gegenstandslos gemacht hat, weil dieses - nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit - unzulässig oder unbegründet wurde (vgl. Hüßtege aaO Rdn. 4 ff.; Zöller/Vollkommer aaO Rdn. 3 ff.).

a) Im Streitfall war das Klagebegehren allein darauf gerichtet, den Kläger von dessen Verpflichtungen gegenüber der ILB aus dem am 24. Januar 2005 vor dem Landgericht Potsdam zum Aktenzeichen 8 O 436/04 abgeschlossenen Vergleich zu 100 % freizustellen (GA I 2). Daraus konnten sich indes für die klagende Partei - insbesondere bei Einreichung und Zustellung der Klageschrift am 03. November 2005 beziehungsweise 26. Januar 2006 - keine Verpflichtungen (mehr) ergeben, weil der Vergleich infolge rechtzeitigen Widerrufs vor dem Ablauf des 14. Februar 2005 nicht wirksam geworden ist. Rechtsgestaltend hat dabei nicht das Zwischenurteil des Landgerichts vom 09. November 2006 in der Parallelsache gewirkt, sondern die für den Kläger abgegebene anwaltliche Widerrufserklärung. In dem Urteil wird lediglich festgestellt, dass das Parallelverfahren durch den Vergleich nicht beendet und dieser fristgerecht widerrufen worden ist. Einem Feststellungsurteil kommt keine Gestaltungswirkung zu; es beseitigt lediglich die zunächst vorhandene rechtliche Ungewissheit, indem es verbindlich ausspricht, was unabhängig davon längst rechtens gewesen ist. War die Klage schon bei ihrer Einreichung oder Zustellung unzulässig oder unbegründet, weil das "erledigende Ereignis" - wie hier - lange zuvor stattgefunden hat, bleibt für eine Feststellung der Erledigung der Hauptsache kein Raum. Denn es obliegt dem jeweiligen Kläger, vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes sorgfältig zu prüfen, ob ihm der geltend gemachte Anspruch tatsächlich zusteht. Unterlässt er dies, gibt es keinen Grund, ihn von den Kosten seiner Rechtsverfolgung freizustellen. Hier hätte der Kläger - wie letztlich geschehen - zunächst im Parallelverfahren klären können und müssen, dass der gerichtliche Vergleich wirksam widerrufen worden ist. Es bestand keinerlei Anlass, daneben bereits Freistellungsansprüche gegen den hiesigen Beklagten gerichtlich geltend zu machen. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen hätte eine Streitverkündung, der die Interventionswirkung des § 68 ZPO zukommt (§ 74 Abs. 3 ZPO) und die zugleich verjährungshemmend wirkt (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB), völlig ausgereicht.

b) Die Doppelnatur eines gerichtlichen Vergleichs, sowohl Prozesshandlung als auch Rechtsgeschäft zu sein, ändert daran - entgegen der Auffassung des Klägers - nichts. Denn mit dem rechtzeitigen Widerruf entfällt zugleich die verfahrensbeendigende Wirkung. Selbst wenn diese wie in der Parallelsache - ausnahmsweise - durch eine gesonderte Entscheidung des Gerichts festgestellt werden muss, kommt Letzterer nur deklaratorische Bedeutung zu. Aus den gerichtlichen Entscheidungen, die der Kläger in seinem nachgelassenen Anwaltsschriftsatz vom 28. März 2007 (GA I 199 ff.) zitiert, ergibt sich nichts Abweichendes: Dass die materiell-rechtliche Unwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs in einem neuen Rechtsstreit nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden kann, wenn dessen prozesserledigende Wirkung bereits durch rechtskräftiges Urteil ausgesprochen wurde (vgl. BGHZ 79, 71), ist Ausfluss der Rechtskraft des Feststellungsurteils, besagt aber nichts über die Notwendigkeit eines solchen Ausspruchs. Die Entscheidungen BGHZ 41, 30 und BGH, Urt. v. 19.05.1982 - IV b ZR 705/80, NJW 1982, 2072 = MDR 1982, 1005, befassen sich mit der Frage, ob die Parteien die verfahrensbeendigende Wirkung eines - zunächst bestandskräftig gewordenen - Prozessvergleich durch Vereinbarung wieder beseitigen beziehungsweise den Gegenstand eines derartigen Vergleichs nachträglich austauschen können. Der hiesige Streitfall liegt demgegenüber gänzlich anders: Der gerichtliche Vergleich, der am 24. Januar 2005 in der Parallelsache protokolliert wurde, ist von vornherein nicht wirksam geworden, weil mit dem rechtzeitigen Widerruf die - aufschiebende (vgl. dazu Zöller/Stöber aaO, § 794 Rdn. 10, m.w.N.) - Bedingung, unter der das Rechtsgeschäft stand, ausgefallen ist. Mit einem Prozessvergleich, der den gesamten Streitgegenstand erfasst, wollen die Parteien - anders als der Kläger meint - ihren Rechtsstreit regelmäßig auch dann endgültig erledigen, wenn ein Widerrufsvorbehalt aufgenommen wird; dass eine gerichtliche Entscheidung über das Zustandekommen des Vergleichs ergehen muss, ist ein - in der Praxis selten vorkommender - Ausnahmefall.

2. Unabhängig davon fehlt es an einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage, die den Kläger berechtigt, vom Beklagten - neben dem Gesamtvollstreckungsverfahren - eine Leistung zu verlangen. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob und inwieweit sich die - unstreitig gebliebene (GA I 67, 69) - Masseunzulänglichkeitsanzeige des Beklagten vom 29. März 2001 auf die Rechtsposition des Klägers ausgewirkt hat.

a) Die Vorschrift des § 774 Abs. 1 BGB, die den so genannten Bürgenregress regelt, bewirkt nur einen schlichten gesetzlichen Forderungsübergang, und zwar soweit der Bürge den Gläubiger befriedigt. Letzteres ist hier offensichtlich noch nicht geschehen; jedenfalls wurde vom Kläger im Streitfall nicht vorgetragen, bereits Zahlungen an die Investitionsbank des Landes Brandenburg oder andere Gesamtgläubiger gemäß dem gerichtlichen Vergleich vom 24. Januar 2005 geleistet zu haben. Selbst wenn solche erfolgt sein sollten, wofür es keinen Anhaltspunkt gibt, wäre der Kläger lediglich Inhaber des Anspruchs auf Darlehensrückerstattung und Zinszahlung geworden, der ursprünglich in der Person der D... Bank AG in B... entstanden war. Dies gilt selbst dann, wenn der Anspruch inzwischen auf die Investitionsbank des Landes Brandenburg übergegangen sein sollte, weil diese aufgrund einer Ausfallbürgschaft an die Gläubigerin gezahlt hat; die Haftung des Ausfallbürgen ist auch gegenüber der einfacher und selbstschuldnerischer Bürgen stets subsidiär (vgl. Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, 2. Aufl., Rdn. 142 ff. und 399). Die Forderungen aus dem Darlehensvertrag sind bereits durch die D... Bank AG in B... im Jahre 1999 zur Tabelle angemeldet und vom Verwalter in voller Höhe für den Ausfall festgestellt worden (Kopie Anlage K5 = GA I 15). Ein Anspruch auf Leistung - in Gestalt von Zahlung oder Freistellung - kann während der Dauer des Gesamtvollstreckungsverfahrens nicht durchgesetzt werden.

b) Ähnlich verhält es sich mit dem Befreiungsanspruch, der dem Bürgen gemäß § 775 Abs. 1 BGB gegen den Hauptschuldner - unter anderem bei einer Verschlechterung von dessen Vermögensverhältnissen und bei Eintritt von Schuldnerverzug - zusteht. Dabei handelt es sich, wie die Vorinstanz völlig zu Recht angenommen hat (LGU 4 f.), nicht um eine Masseforderung, sondern um eine einfache Gesamtvollstreckungsforderung, die vom jeweiligen Gläubiger - rechtzeitig (§ 14 GesO) - zur Tabelle angemeldet werden muss (vgl. dazu MünchKommBGB/Habersack, 4. Aufl., § 775 Rdn. 13). In zweiter Instanz macht der Kläger zwar - ohne Angabe von Einzelheiten - geltend, er habe bereits am 28. Februar 1999 seinen allgemeinen Befreiungsanspruch angemeldet und dafür vom Beklagten eine Eingangsbestätigung erhalten (GA I 138, 141 f.). Das kann aber letztlich dahinstehen. Denn zum Einen erwächst aus einer solchen Anmeldung, selbst wenn sie hinreichend bestimmt sein sollte, kein Anspruch der während des Gesamtvollstreckungsverfahrens mit einer Leistungsklage gegen den Verwalter geltend gemacht werden kann; falls die Feststellung zur Tabelle bereits erfolgt sein sollte, könnte - mangels Rechtsschutzinteresses - auch keine entsprechende Feststellungsklage durchdringen. Zum Anderen hat der Kläger selbst in der Berufungsbegründung ausdrücklich erklärt, es sei ihm im Streitfall zu keiner Zeit um diesen allgemeinen Befreiungsanspruch gegangen (aaO). Deshalb kommt es nicht mehr darauf an, dass hier die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Befreiungsanspruch nach § 775 Abs. 1 BGB streitig und vom Kläger weder substanziiert dargetan noch unter Beweis gestellt worden sind.

3. Trotz des laufenden Gesamtvollstreckungsverfahrens per Leistungsklage durchsetzbar wäre allein ein insolvenzrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten (vgl. dazu BGH, Urt. v. 06. 05.2004 - IX ZR 48/03, WM 2004, 1191 = DStR 2004, 1220). Ein solcher steht dem Kläger allerdings nicht zu. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 GesO ist der Beklagte als Verwalter für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten allen Beteiligten verantwortlich; inhaltsgleiche Parallelvorschriften finden sich in § 82 KO und nunmehr § 60 Abs. 1 InsO. Beteiligte im Sinne des Gesetzes sind nach ständiger höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung, von der abzuweichen für den Senat kein Anlass besteht, alle, denen gegenüber der Verwalter insolvenzspezifische Pflichten wahrzunehmen hat; dazu zählen insbesondere Konkurs- und Massegläubiger sowie Aus- und Absonderungsberechtigte (vgl. BGH, Urt. v. 09.03. 2006 - IX ZR 55/04 [Tz. 9], WM 2006, 918 = NJW-RR 2006, 990; ferner OLG Hamburg, Urt. v. 03. 12.2003 - 5 U 58/02 [Tz. 10 f.], ZInsO 2004, 449 = OLG-Rp 2004, 289). Dass er Genosse der Gemeinschuldnerin ist, hilft dem Kläger in diesem Zusammenhang nicht weiter. Denn hier geht es allein um seine Stellung als Bürge; seine Bürgschaftserklärung hatte er bereits mehrere Jahre vor der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der M... C... B... Agrar e.G. abgegeben. In dieser Eigenschaft kann der Kläger Gesamtvollstreckungsgläubiger sein beziehungsweise werden, indem er durch gesetzlichen Forderungsübergang schon festgestellte Forderungen der D...Bank AG in B... erwirbt oder weil er Inhaber eines Befreiungsanspruchs nach § 775 Abs. 1 BGB ist. Eine insolvenzrechtliche Pflicht des Verwalters gegenüber dem Bürgen, die Hauptforderung zu erfüllen, damit dessen Inanspruchnahme durch den Gläubiger unterbleibt, existiert indes nicht; als selbstschuldnerischer Höchstbetragsbürge ist der Kläger - anders als etwa Aus- und Absonderungsberechtigte - keineswegs von vornherein am Gesamtvollstreckungsverfahren beteiligt (zur Rechtsposition des Bürgen, der infolge Pflichtverletzungen des Verwalters gegenüber dem Gläubiger für die gesicherte Forderung einzustehen hatte, vgl. BGH, Urt. v. 02.12.1993 - IX ZR 241/92, WM 1994, 219 = NJW 1994, 511). Die Nicht- oder nicht gehörige Erfüllung der Hauptschuld stellt sich regelmäßig auch im Innenverhältnis (Avalverhältnis) zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner nicht als Pflichtverletzung dar, sondern ist Ausdruck der Verwirklichung eines vom Bürgen übernommenen Risikos, wodurch - sofern die weiteren Voraussetzungen gegeben sind - gemäß § 774 BGB der Regress ermöglicht wird.

B. Der nachgelassene anwaltliche Schriftsatz des Klägers vom 28. März 2007 (GA I 199) gibt dem Senat keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 Abs. 1 ZPO).

Die darin enthaltenen Ausführungen sind - wie oben ersichtlich - gemäß § 283 Satz 2 1. Halbs. i.V.m. § 525 Satz 1 ZPO bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden und führen zu keinem abweichenden Ergebnis. Die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 ZPO, bei deren Vorliegen die mündliche Verhandlung wiedereröffnet werden muss, sind im Streitfall nicht gegeben.

C. Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 97 Abs. 1 ZPO. Danach fallen die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels dem Kläger zur Last, weil er es eingelegt hat.

D. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des vorliegenden Urteils folgt aus § 708 Nr. 10 i.V.m. § 713 und § 543 Abs. 1 ZPO sowie § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.

E. Die Revision wird vom Senat nicht zugelassen, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG fehlt. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht.

F. Der Gebührenstreitwert für den zweiten Rechtszug beträgt bis € 9.000,00 (§ 3 1. Halbs. ZPO i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Zugrunde zu legen sind nach der wohl herrschenden Meinung, die der Senat teilt, bei vollumfänglicher einseitiger Erledigungserklärung die bis dahin angefallenen Prozesskosten (sog. Kostenwert; vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 09.05.1996 - VII ZR 143/94, WM 1996, 1563 = NJW-RR 1996, 1210; ferner Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 91a Rdn. 61; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rdn. 16 Stichwort "Erledigung der Hauptsache"; jeweils m.w.N.). Im Streitfall belief sich der Gebührenstreitwert der Hauptsache vor der klägerischen Erledigungserklärung in der Eingangsinstanz auf € 69.735,75. Der Wert einer Klage auf Befreiung von einer Verbindlichkeit entspricht regelmäßig dem Betrag der jeweiligen Hauptschuld (vgl. Hüßtege aaO, § 3 Rdn. 28; Zöller/Herget aaO, Stichwörter "Befreiung" und "Schuldbefreiung").

G. Der Senat macht ferner von der Befugnis nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG Gebrauch, den vom Landgericht festgesetzten Gebührenstreitwert (LGU 5) von Amts wegen abzuändern, und setzt den Kostenwert für die Eingangsinstanz wie folgt fest:

(1) zunächst auf € 69.735,75

(2) ab 17. Oktober 2006 bis € 9.000,00

Der ermäßigte Gebührenstreitwert, dessen Höhe die Zivilkammer zu gering bemessen hat, ist - wenn überhaupt - erst ab dem Tage nach der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung kostenwirksam geworden. Denn die anwaltliche Terminsgebühr gemäß RVG-VV 3104 entsteht - unter anderem - für die Vertretung in einem Verhandlungstermin, der nach § 220 Abs. 1 ZPO mit dem Aufruf der Sache beginnt; ob es dabei zur Antragstellung kommt und/oder die Sach- und Rechtslage erörtert wird, spielt nach neuem Recht für den Gebührenanfall keine Rolle mehr (Vorbem. 3 Abs. 3 1. Halbs. RVG-VV; vgl. Hartmann, KostG, 36. Aufl., RVG-VV Nr. 3104 Rdn. 1 und 4). Da die einseitige Erledigungserklärung erst nach Terminsbeginn erfolgte, ist die Terminsgebühr, anders als offenbar die Vorinstanz angenommen hat, noch nach dem ursprünglichen Kostenwert angefallen.

Ende der Entscheidung

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