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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.05.2006
Aktenzeichen: 3 U 189/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 287
BGB § 556 Abs. 3 Satz 5
BGB § 578
BGB § 556 Abs. 3 Satz 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Im Namen des Volkes

Urteil

3 U 189/05

Anlage zum Protokoll vom 24.05.2006

Verkündet am 24.05.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Bunge und die Richter am Oberlandesgericht Jalaß und Hüsgen auf die mündliche Verhandlung vom 03.05.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 26.08.2005 - 17 O 414/04 - abgeändert; das Versäumnisurteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) in dieser Sache wird aufrechterhalten, soweit es den Beklagten zur Zahlung von 4.988,66 € verurteilt hat, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.400,65 € seit dem 13.12.2004 und aus weiteren 1.588,01 € seit dem 21.03.2005. Im Übrigen wird es aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten seiner Säumnis im Termin vor dem Landgericht am 03.06.2005 hat der Beklagte vorab zu tragen.

Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 56 % und der Beklagte 54 % zu tragen.

Die Kosten der Berufungsinstanz hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch über ansatzfähige Stromkosten in einer Betriebskostenabrechnung der Klägerin gegenüber dem Beklagten ohne Datum für die Zeit vom 01.03.2001 bis 28.02.2002 (vgl. unbenannte Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 14.04.2005, Bl. 67 d. GA) und über die gleiche Position in einer weiteren Betriebskostenabrechnung ohne Datum über den Abrechnungszeitraum vom 01.03.2002 bis 28.02.2003 (vgl. Anlage K 9, Bl. 15 d. GA).

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe auf der Grundlage eines Stromverbrauchs von 56.299,76 kWh im ersten Abrechnungszeitraum anrechenbare Stromkosten in Höhe von 5.855,17 € verursacht (vgl. Bl. 67 d. GA) und auf der Grundlage von 64.629,04 kWh im zweiten Abrechnungszeitraum Stromkosten in Höhe von 8.175,57 €, jeweils netto, und bei einem Strompreis von 12 Cent/kWh (vgl. Klägerschriftsatz vom 27. Juli 2005, Seite 3, Bl. 113 d. GA).

Der Beklagte hat unter Darlegung früherer und späterer Zählerstände den angesetzten Stromverbrauch als unplausibel hoch bestritten.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil aufrechterhalten. Der Beklagte bestreite unsubstanziiert, da er die Abrechnung nicht unter Gegenüberstellung von jeweiligen Anfangs- und Endbeständen konkret angegriffen hätte.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren im Umfang von 5.777,38 € weiter. Er beanstandet Rechtsfehler des Landgerichts.

Er beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 26.08.2005 - 17 O 414/04 -abzuändern; das Versäumnisurteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) in dieser Sache aufrechtzuerhalten, soweit es ihn zur Zahlung von 4.988,66 € verurteilt hat, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.400,65 € seit dem 13.12.2004 und aus weiteren 1.588,01 € seit dem 21.03.2005.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie auf sein Terminsprotokoll vom 03.05.2006.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat Erfolg. Nachzahlungsansprüche der Klägerin für verauslagte Nebenkosten (§§ 535 Abs. 2 BGB, 5 Mietvertrag), in höherem Umfang als vom Beklagten eingeräumt, sind nicht feststellbar.

Der Klägervortrag ist zu den beiden streitgegenständlichen Saldenposten für Stromverbrauch in den Abrechnungszeiträumen 2001/2002 und 2002/2003 schon zum Grunde und für den zweiten Abrechnungszeitraum auch zur Höhe unschlüssig. Der Vermieter muss die Richtigkeit der Verbrauchserfassung darlegen und beweisen. Für eine zutreffende Verbrauchserfassung für die beiden streitgegenständlichen Abrechnungszeiträume fehlt es demgegenüber schon an einer hinreichenden Darlegung. Der angesetzte Verbrauch muss sich entweder aus Zählerständen ableiten lassen, oder plausibel geschätzt sein. Beide Voraussetzungen fehlen.

Die von der Klägerin angesetzte Strommenge für den Abrechnungszeitraum 2001/2002 ist nicht nachvollziehbar. Die Klägerin hat für den ersten Abrechnungszeitraum keine berücksichtigungsfähigen Zählerstände mitgeteilt. Ein ansetzungsfähiger Zählerstand für den 01.03.2001 hat die Klägerin nicht vorgetragen. Das von ihr vorgelegte zeitlich annähernd einschlägige Rückfax an die Fa. T... vom 26.04.2001 (vgl. Anlage K17, Bl. 118 d. GA) enthält keinen aussagefähigen Stromzählerstand. Angegeben sind vielmehr die Werte 04552,9 sowie 05971,3. Beide Werte sind so nicht nachvollziehbar und gänzlich unvereinbar mit feststehenden früheren Zählerständen zum gleichen Stromzähler. So weist das Rückfax vom 24.05.2000 einen für diesen Zeitpunkt unstreitigen Zählerstand von 208891 kWh aus (vgl. Anlage K 18, Bl. 119 d. GA). Einen Zählerstand zum 28.02.2002 hat die Klägerin gleichfalls nicht mitzuteilen vermocht.

Der angesetzte Stromverbrauch für die zweite Abrechnungsperiode ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Ein Anfangszählerstand zum 28.02.2002 fehlt aus den bereits dargestellten Gründen. Einen Zählerstand zum 28.02.2003 hat die Klägerin auch nicht darlegen können. Überdies hat die Klägerin für einen angeblichen Verbrauch von 64.629,04 kWh einen umzulegenden Betrag von 9.483,66 € errechnet, also entgegen ihrem eigenen Vorbringen nicht 12 Cent/kWh angesetzt, sondern 14,67 Cent. Der umzulegende Betrag wäre damit bereits um 1.728,18 € übersetzt.

Der Argumentation, der Beklagte habe die Abrechnung der Klägerin unter Gegenüberstellung von jeweiligen Anfangs- und Endständen konkret angreifen müssen, kann so nicht gefolgt werden. Sie setzt grundsätzlich das Vorhandensein einsehbarer Belege und beurteilbarer Zählerstände voraus. Die Klägerin hat hingegen keinerlei einlassungsfähige Belege vorlegen und keine einlassungsfähigen Zählerstände vortragen können.

Eine bei fehlenden verlässlichen Ablesedaten in Betracht kommende richterliche Schätzung nach § 287 ZPO (vgl. Schmidt, Handbuch der Nebenkosten, 9. Aufl., Rn. 1044 a) führt zu keinem klägergünstigeren Ergebnis. Eine Verbrauchsschätzung hat an den zeitnächsten unstreitigen Zählerständen anzuknüpfen:

 24.05.2000208.891 kWh(vgl. Anlage K 18, Bl. 119 d. GA)
24.10.2003340.241,80 kWh(vgl. Anlage K 16, Bl. 117;Anlage K 15, Bl. 116 d. GA)
23.03.2004357.039,40 kWh(vgl. Anlage K 14, Bl. 115 d. GA)

Dies ergibt bei 1.399 Tagen einen Gesamtverbrauch von 148.148,40 kWh und damit einen Jahresdurchschnittsverbrauch von 38.652,01 kWh. Damit ergibt sich folgende Rechnung:

 Gesamtverbrauch 2000 - 2004 (4 x 38.652,01 kWh)154.608,05 kWh
davon abgerechnet für 2000 - 2001 (vgl. Anlage B 7, Bl. 105 d. GA)- 41.118,00 kWh
davon abgerechnet für 2003 - 2004 (vgl. Anlage B 8, Bl. 106 d. GA)- 34.817,60 kWh
verbleibend für 2001 - 200378.673,05 kWh
hiervon zu Lasten des Klägers ansetzbar 86,2 % (vgl. Anlage K 9, Bl. 15, unbenannte Anlage Bl. 67 d. GA)67.816,17 kWh
davon beanspruchbar mit 12 Cent/kWh und 16 % Mehrwertsteuer (67.816,17 kWh x 0,12 €/kWh x 1,16)9.440,01 €.

Demgegenüber hat die Klägerin angesetzt:

 für 2001/2002 (5.855,17 € x 1,16)6.792,00 €
für 2002/2003 (8.175,57 € x 1,16, vgl. Bl. 15 d. GA)9.483,66 €
Summe16.275,66 €.

Die Klageforderung ist mithin um 6.835,65 € übersetzt gewesen. Da der Beklagte das landgerichtliche Urteil nur im Umfang von 5.777,38 € angegriffen hat, verbietet sich eine weitergehende Abänderung des angefochtenen Urteils.

§ 556 Abs. 3 Satz 5 BGB, wonach ein Wohnungsmieter gegen eine Betriebskostenabrechnung seines Vermieters regelmäßig spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Zugang der Abrechnung Einwendungen mitzuteilen hat, steht der Abweisung der Klage nicht entgegen. Die Regelausschlussfrist für Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnung betrifft Wohnraummietverhältnisse. Der für Gewerbemietverhältnisse maßgebliche § 578 BGB erklärt in seinem Absatz 1 diese Bestimmung nicht für entsprechend anwendbar. Eine analoge Anwendung erscheint jedenfalls im vorliegenden Fall nicht angebracht. Unabhängig davon, ob sich überhaupt eine unbeabsichtigte Regelungslücke feststellen ließe, weist der vorliegende Sachverhalt jedenfalls zahlreiche Unterschiede auf zu einer einem Wohnungsmieter typischerweise eröffneten Kontrollsituation. Der Beklagte hat, anders als typischerweise ein Wohnungsmieter, über die ordnungsgemäße Erfassung der von ihm steuerbaren Verbrauchseinheiten keine persönlichen Wahrnehmungen machen können. Erfolgen die maßgeblichen Wahrnehmungen nicht nach einem gleichbleibendem Schema oder durch unterschiedliche Personen oder gar durch Übermittlung von möglicherweise spontan herangezogenen Hilfspersonen, wie hier und anders als in einer typischen Wohnmietsituation, so steigt die Fehlerträchtigkeit der er- und übermittelten Zählerdaten spürbar. Dies belegen anschaulich die Angaben zum Stromzählerstand im Rückfax vom 26.04.2001 (vgl. Anlage K 17, Bl. 118 d. GA).

Hinzu tritt im vorliegenden Fall, dass die Klägerin das Fehlen einlassungsfähiger Zählerstände und die daraus folgende Notwendigkeit einer Verbrauchsschätzung zunächst nicht eingeräumt hat. Abgesehen davon, dass bei einer derartigen Sachlage die ausnahmsweise Unanwendbarkeit der Ausschlussfrist für einen Wohnungsmieter nach § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB greifbar in Betracht käme, erschiene es auch treuwidrig, dem Beklagten eine zwölfmonatige Ausschlussfrist entgegen zu halten, wenn sich erst lange nach deren Ablauf für den Mieter die Tatsache und Notwendigkeit einer Schätzung herausstellt mit erforderlichen Schätzdaten weit außerhalb der abgerechneten Zeiträume.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da ihre Entscheidung von keiner Beantwortung einer höchstrichterlich bisher noch unentschiedenen Frage abhängt. Sie gibt auch keine Veranlassung, in den berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.777,38 € festgesetzt.



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