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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 15.11.2006
Aktenzeichen: 3 U 21/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 273
BGB § 273 Abs. 1
BGB § 274
BGB § 274 Abs. 1
BGB § 488 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 21/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 15.11.2006

Verkündet am 15.11.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25.10.2006 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Bunge, die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und den Richter am Oberlandesgericht Hüsgen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 03.01.2006 verkündete Teilurteil des Landgerichts Potsdam - 6 O 449/04 - hinsichtlich der Entscheidung auf die Klage teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird unter Aufhebung des am 15.02.2005 verkündeten Anerkenntnis-Vorbehalts-Urteils des Landgerichts Potsdam - Az. 6 O 449/04 - mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Anspruch derzeit nicht fällig ist.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger, der in Sozietät mit seinem Prozessbevollmächtigten den Beklagten und dessen Familie in vielfältigen Angelegenheiten beraten und prozessual vertreten hat, nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch.

Nachdem zunächst im Urkundsverfahren ein Anerkenntnis-Vorbehalts-Urteil unter dem 15.02.2005 ergangen war, hat der Beklagte im Nachverfahren ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, Aufrechnungen erklärt und widerklagend im Weg der Stufenklage vom Kläger Rechnungslegung und Zahlung verlangt. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Teilurteil das Anerkenntnis-Vorbehalts-Urteil vom 15.02.2005 für vorbehaltlos erklärt und den Kläger auf die Widerklage hin zur Erteilung von Abrechnungen über Vorschüsse verurteilt. Wegen der Begründung des Urteils im Einzelnen wird auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen.

Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen seine Verurteilung auf die Klage. Der Kläger hat ein Rechtsmittel im Hinblick auf seine Verurteilung zur Erteilung von Abrechnungen nicht eingelegt.

Der Beklagte hat im Senatstermin vom 25.10.2006 klargestellt, dass er sich gegenüber der Klageforderung in erster Linie auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Verurteilung des Klägers zur Abrechnung berufe. Im Übrigen wiederholt er im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag und meint, das Landgericht habe nicht durch Teilurteil entscheiden dürfen, weil ihm damit die Aufrechnungsmöglichkeit hinsichtlich etwaiger weitergehender Ansprüche, die sich erst nach Auskunftserteilung ergeben würden, abgeschnitten wäre. Auch der Urkundenprozess sei unstatthaft gewesen. Hinsichtlich des gewährten Darlehens macht der Beklagte weiterhin geltend, Darlehensgeber sei nicht der Kläger allein, sondern dessen Sozietät gewesen. Außerdem vertritt er weiterhin die Ansicht, ein Zurückbehaltungsrecht ergebe sich schon daraus, dass das Darlehen im Zusammenhang mit einem Mandatsverhältnis gewährt worden sei. Daraus erfolge die erforderliche Konnexität der Ansprüche. Zur Darlehenshingabe hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2006 erklärt, er habe an einem Versteigerungstermin zunächst im Auftrag der Mutter des Beklagten teilgenommen. Nachdem ein Zuschlag an Frau L... nicht in Betracht gekommen sei, habe ihn der Beklagte gebeten, für ihn, jedoch im eigenen Namen mit zu bieten. Darauf habe er den Zuschlag erhalten. Kurz vor dem anberaumten Verteilungsverfahren habe sich herausgestellt, dass noch 12.000,00 € zu zahlen seien, die der Beklagte nicht sofort habe aufbringen können. Auf dessen - durch seinen Steuerberater übermittelten Wunsch - habe er sich bereit erklärt, 6.000,00 € zu verauslagen und dies auch getan. Im Verteilungstermin sei es dann auch zur Unterzeichnung der Darlehensurkunde gekommen.

Zu den aufgerechneten Forderungen ist der Beklagte weiterhin der Ansicht, das durch die klägerische Sozietät erstellte Rechtsgutachten sei wertlos, so dass ihm ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten 5.800,00 DM zustünde. Wegen schlechter Prozessführung gegen Rechtsanwalt S... als Insolvenzverwalter könne er den geleisteten Vorschuss in Höhe von 2.320,00 DM ebenfalls zurückfordern. Schließlich müssten auch die von ihm behaupteten Zahlungen berücksichtigt werden, zumal diese aus einer Aufstellung der Klägerseite herrührten und dieser damit die Zahlung zugestanden habe.

Der Beklagte beantragt nunmehr sinngemäß,

unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Potsdam vom 03.01.2006 und Aufhebung des Anerkenntnis-Vorbehalts-Urteils des Landgerichts Potsdam vom 15.02.2005 - jeweils Az. 6 O 449/04 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Ihm steht gegenüber dem Anspruch auf Darlehensrückzahlung ein Zurückbehaltungsrecht zu.

Ob das Landgericht zunächst im Urkundsverfahren entscheiden durfte, ist unerheblich und bedarf keiner Überprüfung. Nach dem Übergang ins Nachverfahren, in dem über den geltend gemachten Anspruch selbst entschieden wird, kommt es für die Aufrechterhaltung des ergangenen Urkundenvorbehaltsurteils nur darauf an, ob dem Kläger der Anspruch materiellrechtlich zusteht.

Das Landgericht hat in zulässiger Weise durch Teilurteil entschieden, weil die Widerklage als Stufenklage erhoben worden ist und nur die erste Stufe (Auskunftserteilung) entscheidungsreif war. Das Teilurteil war im Hinblick auf die Klage zulässig. Die Möglichkeit, je nach späterem Prozessverlauf noch die Aufrechnung mit weiteren Forderungen erklären zu können, steht der Entscheidung durch Teilurteil nicht entgegen. Beachtlich ist insoweit lediglich die bereits erklärte Aufrechnung; von der Möglichkeit, später noch die Aufrechnung mit weiteren Forderungen erklären zu können, ist die Entscheidung über die Klage nicht abhängig. Die Aufrechnung ist ein Gestaltungsrecht, das erst vom Zeitpunkt seiner Geltendmachung an berücksichtigungsfähig ist. Klage und Widerklage betreffen hier auch nicht den selben Gegenstand, sondern unterschiedliche Gegenstände, die nicht in einem unlösbaren Zusammenhang stehen.

Der geltend gemachte Anspruch auf Darlehensrückzahlung ergibt sich aus § 488 Abs. 1 BGB. Es liegt jedenfalls ein Vereinbarungsdarlehen vor, wie sich aus der schriftlichen Erklärung des Beklagten vom 13.03.2002 (Bl. 10) ergibt, die zwischen den Parteien unstreitig ist. Auch die Hingabe des Betrages ist unstreitig, wenn auch die Parteien über den genauen Ablauf und den Hintergrund der Darlehensgewährung streiten.

Zwar weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass Darlehensgeber nicht der Kläger, sondern der Kläger gemeinsam mit Rechtsanwalt U... gewesen ist, wie ebenfalls zwischen den Parteien unstreitig ist. Bereits in der Klageschrift hat der Kläger jedoch unbestritten ausgeführt, Rechtsanwalt U... habe ihn bevollmächtigt, die Forderung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen, weil er den Betrag an den Beklagten übergeben habe. Damit ist der Kläger jedenfalls berechtigt, in gewillkürter Prozessstandschaft vorzugehen, wovon offenbar auch das Landgericht ausgegangen ist, auch wenn dazu Ausführungen im angefochtenen Urteil fehlen. Weiter ist das Darlehen unstreitig unter dem 27.01.2003 gekündigt worden und deshalb zur Rückzahlung fällig.

Dem Beklagten steht jedoch ein Zurückbehaltungsrecht zu, § 273 Abs. 1 BGB. Wie das Landgericht auf Seite 5 seiner Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, setzt die Möglichkeit der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts voraus, dass der Anspruch des Schuldners aus demselben rechtlichen Verhältnis herrührt wie die Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger. Der erforderliche innere natürliche und wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Ansprüchen kann nunmehr aufgrund der Angaben der Parteien in der Berufungsinstanz festgestellt werden. Zwar haben die Parteien die Einzelheiten der Umstände, die zur Darlehensgewährung geführt haben, nicht vollkommen übereinstimmend dargestellt. Im Kern stimmt ihr Vortrag jedoch darin überein, dass das Darlehen gewährt worden ist, um im Zusammenhang mit der Beauftragung des Klägers zur Teilnahme an Zwangsversteigerungsverfahren ein Grundstück im Eigentum der Familie des Beklagten zu halten. Ob im Einzelfall der Beklagte Auftraggeber gewesen ist oder ob sonstige Familienmitglieder - in welcher Weise auch immer - eingeschaltet worden sind, ist unmaßgeblich. Wie auch die im Termin überreichten Urkunden belegen, war der Kläger vom Beklagten nicht nur mit der Führung von Rechtsstreitigkeiten und der rechtlichen Beratung im Zusammenhang mit der Insolvenz seiner Firma beauftragt, sondern hat in vielfältiger Weise im Auftrag des Beklagten versucht, Vermögenswerte - insbesondere den im Grundbuch von L... verzeichneten Grundbesitz - für den Beklagten und dessen Familie zu sichern. In diesem Zusammenhang ist jedenfalls auch die Ersteigerung des fraglichen Grundstücks durch den Kläger und die anschließende Zahlung von 6.000,00 €, die hernach als Darlehen vereinbart worden sind, erfolgt. Die Darlehenshingabe steht damit in einem untrennbaren tatsächlichen, wirtschaftlichen und auch rechtlichen Zusammenhang mit der Beauftragung des Klägers als Rechtsanwalt durch den Beklagten.

Die rechtskräftige Verurteilung des Klägers zur Abrechnung über Vorschüsse ist weder im Tenor des Teilurteils vom 03.01.2006 noch in den Entscheidungsgründen eingeschränkt worden. Die Verpflichtung des Klägers bezieht sich somit auf sämtliche Mandatsverhältnisse aus zurückliegender Zeit und ist nicht auf den Zeitraum nach Erteilung einer früheren Abrechnung beschränkt. Damit erstreckt sich die Verpflichtung des Klägers auch auf dasjenige Verhältnis, in dessen Rahmen es zur Darlehensgewährung gekommen ist. Damit liegt die Konnexität des Anspruchs auf Rechnungslegung und des noch in erster Instanz anhängigen Anspruchs auf Auszahlung eines etwaigen Guthabens auf der Hand.

Der Senat versteht die am 25.10.2006 durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten abgegebene Erklärung, in erster Linie das Zurückbehaltungsrecht und lediglich in zweiter Linie die Aufrechnung geltend zu machen so, dass die Aufrechnung nur hilfsweise erklärt worden ist. Da hier ein Zurückbehaltungsrecht vorliegt, braucht der Senat auf die Hilfsaufrechnungen somit nicht einzugehen.

Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts führt grundsätzlich zu einer Verurteilung Zug um Zug, § 274 Abs. 1 BGB. Im vorliegenden Fall führt sie jedoch ausnahmsweise dazu, dass die Klage als derzeit nicht fällig abgewiesen werden muss. Das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB ist eine besondere Ausgestaltung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Sein Zweck ist die Sicherung des Schuldners im Hinblick auf seine Gegenforderung und zugleich die Ausübung mittelbaren Erfüllungsdrucks auf den Gläubiger. § 274 BGB setzt deshalb grundsätzlich die gleichzeitige Erfüllbarkeit von Anspruch und Gegenanspruch voraus.

Aus der Natur des Schuldverhältnisses kann sich einerseits ergeben, dass ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Eigenart des Gegenstandes ausscheidet. Es kann sich aber auch ausnahmsweise ergeben, dass dessen Folge die Abweisung des Anspruchs ist (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 273 Rz. 15 ff; § 274 Rz. 3; Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, § 273 Rz. 33; OLG Frankfurt/Main, BB 1978, 323/325; NJW 1985, 3083; BGH, MDR 1963, 121; MDR 1978, 467/468). Bei einem Anspruch auf Auskunftserteilung ist zu berücksichtigen, dass es diesem an der erforderlichen Selbstständigkeit fehlt, weil damit lediglich ein weiterer Anspruch - hier ein Rückforderungsanspruch wegen Überzahlung - vorbereitet werden soll. Die ordnungsgemäße Erfüllung dieses Anspruchs ist im Rahmen einer Zug-um-Zug-Verurteilung nicht ohne Weiteres feststellbar und führt - wie hier - häufig zum Streit zwischen Gläubiger und Schuldner, der vorrangig im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens hinsichtlich des Auskunftsanspruchs geklärt werden kann. Daher muss der Auskunftspflichtige regelmäßig nach Treu und Glauben als zur Vorleistung verpflichtet angesehen werden (BGH, MDR 1978, 467/468; OLG Frankfurt, BB 1978, 323/325; aus denselben Erwägungen wird von der herrschenden Meinung die Aufrechnung gegenüber Auskunftsansprüchen als nicht zulässig angesehen: Münchener Kommentar/Krüger, BGB, 4. Aufl., § 273 Rz. 50; Bamberger/Roth, a.a.O.; OLG Frankfurt, NJW 1985, 3083). Aufgrund der Würdigung der Gesamtumstände des vorliegenden Falles - über den Auskunftsanspruch ist bereits rechtskräftig entschieden worden und die Parteien streiten über dessen Erfüllung - und weiter unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Rechtsstreit über konnexe Forderungen teilweise noch in erster Instanz anhängig ist, hält der Senat es hier nach Treu und Glauben für geboten, dem wirksam geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht die Folge beizumessen, dass der Anspruch auf Darlehensrückzahlung jedenfalls solange nicht fällig ist, wie die Auskunft durch den Kläger noch nicht vollständig erteilt worden ist und die Parteien hierüber noch streiten.

Da der Beklagte diese Wirkung des Zurückbehaltungsrechts in erster Linie geltend macht, sind dem Kläger sämtliche Kosten der Berufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO wohl nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die Entscheidung des Senats beruht auf einer Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage gesicherter höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.000,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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