Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 13.09.2006
Aktenzeichen: 3 U 35/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 35/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 13.09.2006

Verkündet am 13.09.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23.08.2006 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Bunge, die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und den Richter am Oberlandesgericht Jalaß

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.02.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - 8 O 178/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Höchstbetragsbürgschaft zu Gunsten der inzwischen insolventen Hauptschuldnerin, der F... AG, in Anspruch, deren Gesellschafterin die Beklagte zu einem Drittel und deren stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende sie gewesen ist.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 08.02.2006 verwiesen. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und ausgeführt, die Klägerin habe belegt, dass der Kredit insgesamt in voller Höhe in zwei Raten ausgezahlt worden sei. Es hat das hiergegen gerichtete Bestreiten der Beklagten nicht berücksichtigt. Der Vortrag zur Übersicherung sei zum einen widersprüchlich und könne zum anderen von der Bürgin nicht erhoben werden. Eine Aufklärungspflicht habe die Klägerin ihr gegenüber nicht verletzt. Ebenso wenig liege eine arglistige Täuschung vor. Die Kündigung gegenüber der Hauptschuldnerin sei wirksam, so dass die Klägerin in Höhe der belegten und noch bestehenden Restforderung die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch nehmen könne. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren ursprünglich gestellten Antrag unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen in vollem Umfang weiter. Die Beklagte meint, die Valutierung sei von der Klägerin nicht ausreichend dargelegt worden. Außerdem wiederholt sie ihre Behauptung, der Kredit sei zu dem vereinbarten Zweck von der Hauptschuldnerin gar nicht benötigt worden, sondern anderweitig im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben verwendet worden. Schließlich meint sie, eine Zahlung ihres Ehemannes, der 480.000,00 DM zum Ankauf einer Immobilie verwendet hat, die mit einem anderen Kredit der Klägerin finanziert worden sei, müsse als Zahlung auf die Bürgenschuld angerechnet werden. Jedenfalls habe diese Zahlung zumindest Vergleichscharakter.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

unter Abänderung des am 08.02.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, 8 O 178/05, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich ebenfalls auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie verweist unter nochmaliger Vorlegung von Kontenblättern darauf, dass sie bereits in erster Instanz belegt habe, die Zahlungen in zwei Raten am 27. und 30.12.1999 auf das von der Hauptschuldnerin dafür angegebene Konto geleistet zu haben. Sie hält das Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der Valutierung und des noch bestehenden Saldos nicht nur für unzulässig, sondern auch für einen Verstoß gegen die Wahrheitspflicht der Beklagten. Sie verweist weiterhin darauf, die Saldenmitteilungen seien durch die Hauptschuldnerin nie bestritten worden; diese habe vielmehr stets nur Vorschläge für eine anderweitige Rückführung des Kredits gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Terminsprotokolle verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil sind in vollem Umfang zutreffend. Soweit sich die Beklagte mit der Begründung des Landgerichts überhaupt auseinandersetzt, kann sie mit ihrem Vorbringen keine abweichende Bewertung erreichen:

Anders als im Parallelverfahren gegen den weiteren Gesellschafter K... (LG Potsdam, Az. 8 O 179/05), hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren substanziiert zur Valutierung des Darlehens (Kontokorrentkredit, Konto-Nr. 200022640) vorgetragen und ihren Vortrag auch belegt. Die Klägerin hat bereits in erster Instanz und wiederholend in zweiter Instanz vorgetragen, dass sie am 27.12.1999 per telegrafischer Überweisung 433.230,00 DM und am 30.12.1999 weitere 566.800,00 DM - ebenfalls per telegrafischer Überweisung - auf ein Konto der Hauptschuldnerin überwiesen hat. Dies hat sie belegt durch Vorlegung der Überweisungsträger (Bl. 302 GA) und der entsprechenden Kontenblätter (Bl. 199 f). Die Kontenblätter stellen eine verdichtete Übersicht über die Bewegungen auf dem Konto mit den Endziffern 22640 der F... KG dar. Dass die Überweisungsträger nur von Mitarbeitern der Klägerin unterzeichnet worden sind, steht der Schlüssigkeit des klägerischen Vortrags nicht entgegen, bestätigt diesen im Gegenteil. Es handelt sich um Überweisungen der Klägerin an die Hauptschuldnerin zum Zweck der Auszahlung des vereinbarten Darlehens. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass als "Kontoinhaber" die F... AG bezeichnet worden ist. Banküblich bedeutet dies lediglich, dass es sich um das seitens der Klägerin für die Hauptschuldnerin eingerichtete Kreditkonto handelte, von dem aus der Kredit über insgesamt eine Million DM zur Verfügung gestellt worden ist, wie sich auch aus der Angabe der Konto-Nr. ergibt. Da der Betrag der Hauptschuldnerin zuvor noch nicht auf einem ihrer Konten zur Verfügung gestellt worden war, musste diese an der Überweisung auf eines ihrer Konten auch nicht mitwirken. Aus den Überweisungsträgern ergibt sich weiter der ausdrückliche Zweck: "Valutierung Kreditvertrag Nr. 200022640". Sowohl die telegrafische Überweisung als auch die Überweisung auf ein Konto der F... AG bei der B... ...bank mit der Konto-Nr. 1897032020 entspricht der Aufforderung der F..., die der für diese vertretungsberechtigte K... unter dem 20.12.1999 der Klägerin zugeleitet hatte (Bl. 225). Soweit auf dem Überweisungsbeleg über 566.800,00 DM bei der Konto-Nr. des Empfängers eine weitere 0 angefügt worden ist, ist dies unschädlich. Es handelt sich offensichtlich um ein Verschreiben.

Der so belegte Vortrag der Klägerin zur Durchführung der Valutierung steht im Einklang mit dem vorgelegten Schriftverkehr zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin. Diese hat keine Einwendungen wegen angeblich nicht erfolgter Valutierung erhoben, sondern vielmehr nur über eine andere Art der Rückführung des Kredits verhandelt, wie das Landgericht bereits zutreffend dargestellt hat. Auch dem Vortrag der Klägerin, die Hauptschuldnerin habe stets Saldenmitteilungen erhalten, denen sie nicht widersprochen habe, ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, den Vortrag der Klägerin schlicht und darüber hinaus mit Nichtwissen zu bestreiten. Dies ist unbeachtlich. Zum einen steht dem bereits das Handeln der Hauptschuldnerin, vertreten durch ihren Vorstandsvorsitzenden, entgegen, wie das Landgericht zutreffend auf Seite 9 f des angefochtenen Urteils ausgeführt hat. Zudem ist die Beklagte als Mitgesellschafterin und stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der Hauptschuldnerin nicht berechtigt, mit Nichtwissen zu bestreiten. Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur dann zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat. Dabei stehen Vorgänge im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich den eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen der Partei gleich (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 138 Rz. 16; BGH, NJW 1995, 130/131). Die Beklagte behauptet nicht einmal, den Versuch gemacht zu haben, nähere Erkundigungen einzuziehen, etwa durch Einsichtnahme in möglicherweise noch vorhandene Unterlagen oder Erkundigungen bei Mitgesellschaftern bzw. der Insolvenzverwalterin der Hauptschuldnerin.

Was die angeblich zweckwidrige Verwendung des Kredits angeht, kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf Seite 9 des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Die Beklage wiederholt hierzu lediglich ihren erstinstanzlichen Vortrag, ohne auf die Argumentation des Landgerichts einzugehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin auf die Verwendung der Kreditmittel Einfluss genommen hat. Es entsprach vielmehr dem Willen der Hauptschuldnerin, die Mittel nicht zum Ankauf, sondern zum Ausbau zu verwenden. Wenn überhaupt eine der Parteien des Rechtsstreits Einfluss auf die Verwendung des Kredits hätte nehmen können, so wäre dies die Beklagte als stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats und Mitgesellschafterin gewesen, nicht jedoch die Klägerin. Sie hat den Kredit so wie mit der Hauptschuldnerin vereinbart, zur Verfügung gestellt.

Auch die Ausführungen der Beklagten dazu, nur Strohfrau gewesen zu sein, sind unerheblich. Hierzu wird auf die Ausführungen des Landgerichts auf Seiten 6 f des Urteils vom 08.02.2006 Bezug genommen. Darüber hinaus vertritt der Senat in ständiger Rechtsprechung, dem Bundesgerichtshof folgend, die Ansicht, dass die Grundsätze über die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft finanziell überforderter Familienangehöriger für maßgeblich an der Hauptschuldnerin beteiligte Gesellschafter nicht gelten, und zwar selbst dann, wenn die Gesellschaftereigenschaft nur vorgeschoben worden ist und der Bürge lediglich als Strohmann fungiert. Lediglich in Fällen, in denen für das Kreditinstitut klar ersichtlich ist, dass derjenige, der bürgen soll, finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung eines Gesellschafters ohne eigenes wirtschaftliches Interesse und nur aus persönlicher Verbundenheit mit einer die Gesellschaft wirtschaftlich beherrschenden Person übernommen hat, gelten die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften nahe Angehöriger entsprechend (BGH, ZIP 2002, 2249 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte weder Anhaltspunkte für ihre tatsächlich bestehende Strohmanneigenschaft vorgebracht noch dargetan, dass diese für die Klägerin erkennbar gewesen sein sollte. Im Übrigen fehlt es auch an der Darlegung einer finanziell krassen Überforderung der Beklagten.

Die Zahlung von 480.000,00 DM durch ihren Ehemann an die Klägerin kommt der Beklagten nicht zugute. Es handelt sich dabei um eine Zahlung, die der Ehemann der Beklagten geleistet hat, um ein Grundstück für sich zu erwerben, das mit einem anderen Kredit der Klägerin finanziert worden war. In erster Instanz haben beide Parteien folgerichtig erklärt, diese Angelegenheit habe mit den hier streitgegenständlichen Forderungen und dem Kredit der Klägerin nichts zu tun. Das trifft zu. Selbst wenn der Ehemann der Beklagten zu einem überhöhten Preis das Grundstück von der Klägerin erworben haben sollte, so handelt es sich nicht um eine Zahlung auf die hier streitgegenständliche Bürgenschuld der Beklagten. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass es sich um einen außergerichtlichen Vergleich zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits gehandelt haben könnte. Soweit die Beklagte nunmehr behauptet, die Zahlung sei nur erfolgt, um eine etwaige Inanspruchnahme ihrer Person als Bürgin zu verhindern und es habe eine entsprechende Vereinbarung mit der Klägerin gegeben, so handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in zweiter Instanz gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen ist. Das verspätete Vorbringen beruht auf grober Nachlässigkeit, da nichts näher gelegen hätte, als den Inhalt eines entsprechenden Vergleiches bereits erstinstanzlich vorzutragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 9, 711, 709 S. 2 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht. Die Entscheidung des Senats steht im Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung und beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles. Auch die Gefahr einer abweichenden Entscheidung im Hinblick auf das bei dem Bundesgerichtshof anhängige Verfahren der Klägerin gegen den Gesellschafter K... der Hauptschuldnerin besteht nicht. Das angefochtene Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts beruht auf einem abweichenden Sachverhalt - Bürgschaftsübernahme für eine weitere Verbindlichkeit - und auf einem verspäteten Vortrag der Klägerseite zum Bestehen der Hauptforderung. Insoweit unterscheiden sich beide Rechtsstreitigkeiten maßgeblich, so dass sich aus der Anhängigkeit des Rechtsstreits gegen K... beim BGH nicht die Notwendigkeit einer Revisionszulassung im vorliegenden Fall ergibt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 239.835,65 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück