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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 04.07.2007
Aktenzeichen: 3 U 38/07
Rechtsgebiete: BKleinG, BGB, KAGBB, AO 1997


Vorschriften:

BKleinG § 5 Abs. 5
BGB § 203
BGB § 214
BGB § 242
BGB § 315
BGB § 556 Abs. 3 Satz 1 Abs. 2
KAGBB § 8 Abs. 7 Satz 2
KAGBB § 12
AO 1997 § 97
AO 1997 § 170
AO 1997 § 171 Abs. 3 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 U 38/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 04.07.2007

verkündet am 04.07.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 06. Juni 2007 durch die Richter am Oberlandesgericht Jalaß und Hüsgen und den Richter am Amtsgericht Hering

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 19.01.2007 - 6 O 520/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verpachtete dem Beklagten ein Grundstück zu kleingärtnerischen Zwecken und verlangt von ihm die Erstattung öffentlich-rechtlicher Grundstückslasten.

Er beendete ein verwaltungsgerichtliches Verfahren über einen Straßenausbaubeitragsbescheid vom 11.12.2000 in einem Ortstermin am 23.09.2004 auf dringendes Anraten des Verwaltungsgerichtes durch einen Vergleich. Darin reduzierte die Stadt W... den Ausbaubeitrag von der im Widerspruchsbescheid vom 30.08.2002 zuletzt festgesetzten Summe von 18.637,54 € unter Übernahme aller Kosten des Klägers auf 12.134,42 €. Diesen Betrag hat er gestützt auf § 5 Abs. 5 BKleinG von dem Beklagten verlangt.

Dieser hat gemeint, mit der vergleichsweisen Beendigung des Verwaltungsverfahrens habe der Kläger eine Vermögensbetreuungspflicht ihm gegenüber verletzt, da der abgabenrechtliche Anspruch der Stadt W... verjährt und zudem übersetzt gewesen sei. Gegenüber dem Erstattungsanspruch hat er die Einrede der Verjährung erhoben.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Verjährungseinrede hat es nicht durchgreifen lassen. Auch habe der Kläger gegen keine Vermögensbetreuungspflicht verstoßen. Die Abgabenforderung sei unabhängig vom Zeitpunkt der Fertigstellung unverjährt, da sie vor Wirksamkeit der Beitragssatzung vom 24. September 2004 schon nicht habe entstehen können. Inwieweit der Vergleichsabschluss den Beklagten benachteilige, sei nicht erkennbar.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren uneingeschränkt weiter.

Er beantragt,

die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze, auf die Akten des Verwaltungsgerichts Potsdam - 12 K 3277/02 -, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf sein Terminsprotokoll vom 06.06.2007.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

1. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten in ausgeurteilter Höhe aus § 5 Abs. 5 BKleinG. Der Straßenausbaubeitrag aufgrund des Bescheides vom 11. Dezember 2000 in Gestalt des Vergleiches vom 23. September 2004 stellt eine öffentlich-rechtliche Last dar, die auf dem verpachteten Grundstück ruht.

2. Die Verletzung einer allgemeinen, uneingeschränkten Vermögensbetreuungspflicht des Klägers, von der der Beklagte ausgeht, liegt nicht vor.

Bei der Beurteilung umlagefähiger öffentlicher Lasten nach § 5 Abs. 5 BKleinG drängt sich eine Gleichbehandlung entsprechend den Grundsätzen für Betriebskosten auf, zumal das Gesetz umlagefähige öffentliche Lasten ausdrücklich dem Betriebskostenrecht unterstellt (vgl. § 2 Nr. 1 Betriebskostenverordnung). Dementsprechend besteht für einen Kleingartenverpächter ebenso wenig wie für einen Vermieter eine allgemeine, unbegrenzte Vermögensfürsorgepflicht gegenüber dem Mieter oder Pächter. Vielmehr gilt der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, der sich bereits aus § 242 BGB ergibt und nunmehr in § 556 Abs. 3 Satz 1 Abs. 2 BGB ausdrücklich kodifiziert ist (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 556 Rn. 9 m.w.N.). Danach können entsprechend § 20 Abs. 1 Satz 2 Neubaumietenverordnung; § 24 Abs. 2 II. Berechnungsverordnung solche Kosten umgelegt werden, die bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände bei ordentlicher Geschäftsführung gerechtfertigt sind. Maßgeblich ist dabei der Standpunkt eines vernünftigen Wohnungsvermieters, der ein vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis im Auge behält (vgl. Langenberg, Handbuch des Betriebskostenrechts der Wohn- und Gewerberaummiete, 4. Aufl., G Rn. 9 m.w.N.). Innerhalb des ihm damit eingeräumten Ermessens, das die herrschende Meinung als billiges Ermessen i.S.d. § 315 BGB einordnet (vgl. Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 9. Aufl., Rn. 1056 m.w.N.), muss der Vermieter gegen klar erkennbar überhöhte Gebühren und Steuern mit Rechtsbehelfen vorgehen (vgl. Schmid, a.a.O., Rn. 1068 b m.w.N.). Dem ist der Kläger zureichend nachgekommen.

Er hat den ersichtlich unzutreffenden Teilnutzungsfaktor 1.0 im Ausgangsbescheid der Stadt W... angegriffen, woraufhin die Widerspruchsbehörde diesen Faktor halbiert hat; allerdings hat sie zugleich, wie der Beklagte unzureichend in den Blick nimmt, wegen Wegfalls der Tiefenbegrenzung die zu berücksichtigende Grundstücksfläche gem. Beitragssatzung verdoppelt, sodass sich gegenüber dem Ausgangsbescheid rechnerisch kein wesentlich anderes Ergebnis ermittelte.

Indessen hat sich der Kläger weiterhin gegen eine darin noch immer enthaltene Fehlerhaftigkeit mit dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgreich gewehrt. Das ihm nach § 315 BGB eingeräumte billige Ermessen hat er auch nicht überschritten, indem er innerhalb dieses Verfahrens auf dringendes Anraten des Verwaltungsgerichtes den von diesem vorgeschlagenen Vergleich abgeschlossen hat. Es spricht vieles für die vom Verwaltungsgericht vorgeschlagene Lösung, und vom Standpunkt eines vernünftigen Verpächters ausgehend, der ein vertretbares Kosten-Risiko-Verhältnis im Auge behält, wäre im Ergebnis nicht die Annahme des Vergleichs, sondern dessen Ablehnung eher unvertretbar erschienen. Der Widerspruchsbescheid hat 86.554,82 DM auf 14.937 m² verteilt und den sich daraus errechnenden m²-Satz von 5,80 DM mit der auf den Kläger entfallenden Grundstücksfläche von 12.736 m² multipliziert. Der Kläger hat bereits mit Anwaltsschriftsatz vom 23. Januar 2003 im Verwaltungsgerichtsverfahren (vgl. 29 ff. BA) die systematische Fehlerhaftigkeit dieses Ansatzes nachgewiesen. Diese liegt auch klar auf der Hand: Der Widerspruchsbescheid hatte die Verdoppelung des auf den Kläger entfallenden Grundstücksanteils mit der Nichtanwendbarkeit der satzungsmäßigen Tiefenbegrenzung begründet. Bei dieser geänderten Betrachtung war indessen nicht ersichtlich, wieso die gesamte anzusetzende Nutzungsfläche aller beitragspflichtigen Grundstücke unverändert bei 14.937 m² bleiben konnte, also nicht einmal den sich für den Kläger errechnenden Grundstückszuwachs widerspiegelte. Nach dem Klägervorbringen im Verwaltungsverfahren (vgl. 30 BA) hätte die Tiefenbegrenzung insgesamt wegfallen und die Summe der Flächen aller beitragspflichtigen Grundstücke statt 15.000 rund 57.000 m² betragen müssen. Unter Beibehaltung des Rechenweges aus dem Beitragsbescheid im Übrigen hätte sich dann ein m²-Beitrag von 1,53 DM ergeben und multipliziert mit der Grundstücksfläche des Klägers von 12.736 m² ein Beitrag von 22.029,93 DM (= 11.263,72 €). Der Vorschlag des Verwaltungsgerichts bewegt sich genau in dieser Größenordnung. Es hat, der Hauptangriffslinie des Klägers in Verwaltungsverfahren ersichtlich Rechnung tragend, die Hinzuziehung weiterer Flurstücke und den Wegfall der Tiefenbegrenzungsregel seinem Vergleichsvorschlag zugrunde gelegt, zumal die Verwaltungsbehörde dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch nichts hatte entgegensetzen können (vgl. dortiger Beklagtenschriftsatz vom 25.04.2003, 33 ff. BA). Angesichts der Plausibilität des Vergleichsvorschlages und der vom Verwaltungsgericht noch weiter angesprochenen Unwägbarkeiten, wäre damit, wie erörtert, nicht die Annahme, sondern eher die Ablehnung des gerichtlichen Vergleichsvorschlages aus Sicht des Klägers in hohem Maße unvernünftig gewesen. Dies gilt umso mehr, als gegen die Berücksichtigungsfähigkeit der als Straßenausbaubeitrag angesetzten Kosten, wie bereits im Termin im einzelnen erörtert, aus Sicht des Senates wie auch aus der des Verwaltungsgerichtes keine durchgreifenden Bedenken bestanden, der Kläger sich jedenfalls nicht auf einen Folgeprozess zur Klärung einer ohnehin zweifelhaften Problematisierung gängiger Verwaltungspraxis einlassen musste.

Die Beitragspflicht des Klägers war entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht durch Verjährung erloschen, § 12 KAGBB i.V.m. § 97 AO 1997. Abgesehen davon, dass nach der Aktenlage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die VOB-Abnahme für die Straßenbauarbeiten am Fuchsbergweg erst am 14. August 1996 erfolgt ist (vgl. 34 BA), konnte der ansatzfähige Aufwand nicht vor Abschluss des notariellen Grundstückskaufvertrages vom 02. Dezember 1996 - Nr. 1610/1996 - der Notarin P (vgl. 101 GA) über das baubetroffene Grundstück ermittelt werden. Lässt man entgegen § 8 Abs. 7 Satz 2 KAGBB eine Beitragspflicht schon vor dem Inkrafttreten einer rechtswirksamen Satzung entstehen, so hätte die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) nach § 170 AO mit Ablauf des Jahres 1996 zu laufen begonnen. Die Festsetzungsfrist wäre regulär mit Ablauf des 31.12.2000 vollendet, war hier indessen gem. § 171 Abs. 3 a AO gehemmt, da die Behörde am 11. Dezember 2000, also vor Ablauf der Festsetzungsfrist, einen Heranziehungsbescheid erlassen hatte, den der Kläger form- und fristgerecht angefochten hatte und über den zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch nicht unanfechtbar entschieden war.

3. Der zivilrechtliche Erstattungsanspruch des Klägers ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht verjährt, § 214 BGB. Davon abgesehen, dass er vor seiner Entstehung nicht geltend gemacht werden (§ 199 BGB) und vor Zahlung schon nicht entstehen kann, worauf der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit vorprozessualem Schreiben vom 20.09.2005 selbst hingewiesen hatte (vgl. K 10, 38 GA), haben die Parteien durch ihre vorprozessuale Korrespondenz über den Anspruch verhandelt i.S.d. § 203 BGB und diese Verhandlung hat der Beklagtenvertreter frühestens mit Schreiben vom 19.10.2005 beendet, in welchem er erstmals seine Zahlungsbereitschaft kategorisch verneint hat (vgl. Anlage K 12, 42 GA).

4. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und gibt keine Veranlassung, in den berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen. Im Übrigen beruht sie auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles.

Der Gebührenstreitwert beträgt 12.134,40 €.

Ende der Entscheidung

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